[1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

[März '21]
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Signora Achilla
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[1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Signora Achilla »

Das Hungerjahr war vorüber, ein neues war angebrochen. Die letzte Hoffnung, dass das Frühjahr eine Besserung bringen würde, war in grauen Unwettern erstickt. Die Dinge bewegten sich voran, kriechend, auf allen Vieren und im Schlamm, wenn es nicht anders ging. So war es eben.

Es war an einem solchen von unzähligen solchen Tagen, ausgehöhlt von Hunger und Elend, dass derselbe Junge, der einst Valerios am Hof der Wunder begrüßt hatte, sein Haus in Clavicula aufsuchte. Mittlerweile war der Junge ein junger Mann, auch wenn man das nur schwer erkennen konnte. Er war dürr vom Hunger und sein Bart ein dünner, stoppliger Flaum, der wohl auch nicht recht wachsen wollte. Irgendwie hatte der Junge in den letzten Jahren ein Auge verloren und trug darüber eine schäbiges Tuch.
Und trotzdem brachte er die Botschaft: Die Signora kündigte sich an, sie würde in drei Nächten vorbeikommen und gern den Hausherrn sehen.

Der Junge war bereit, auf eine Antwort zu warten, wenn es eine geben sollte. Wenn es etwas zu Essen gab, war er bereit, solange zu warten wie auch immer es beliebte.
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Valerios
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Valerios »

Auf den ersten und den zweiten Blick wirkte das Haus leer. Wind pfiff durch die verbliebenen Löcher in den Wänden. Die Augen die sich hinter den Ritzen verbargen beobachteten den Mann, der erste der sich seit ihrem Einzug dem Haus genähert hatte. Der lila Lavendel blühte hoch und verdeckte die dornige Hecke dahinter.

Plötzlich raschelte es im Gras hinter dem Jungen. Ein kleines grimmig dreinblickendes Mädchen - vielleicht sieben oder acht Jahre alt - war im Rücken des Jungen aus dem hohen Gras aufgetaucht. Mit einem winzigen gezückten Messerchen in der Hand keifte sie den Jungen an was er hier wolle. Das hier sei ihr Haus.

Doch als er sich ihr als Diener der Signora zu erkennen gibt, entspannt sich der kleine Kampfzwerg. Aber der Herr wünsche hier keinen Besuch. Das Kontor wäre wahrscheinlich der richtige Ort für einen Besuch.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Signora Achilla »

Das nahm der Junge wohl auch so hin. Er wollte sich mit der Kleinen nicht anlegen. Wer so schnell und wegen nichts blank zog, der stach auch irgendwann zu, wahrscheinlich eher früher als später.
Er ließ sich den Weg zum Kontor beschreiben und zog dann ab.

---

Drei Nächte später ging die Signora eben dorthin. In diesem Jahr war sie selten mit Musikanten und buntem Volk unterwegs - es war kein Jahr für Musik. In dieser Nacht war es eine kleine Gruppe, zwei dürre Huren, Achilla selbst, ein schlanker und blasser Jüngling, ein grimmiger Aufpasser. Die Signora trennte sich von der eher erbärmlichen, kleinen Gruppe in der Nähe des Kontors und sah sich dort ein wenig um bevor sie anklopfte.
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Valerios
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Valerios »

Das Kontor di Mancini war das einzige auf dem Gelände der Familie Spinola, in dem noch ein Flackern von Licht zu sehen war. Alle anderen Lagerhallen waren in Dunkel getaucht. Ein älterer Mann kam der Signora entgegen, mit einer zerschlissenen Tasche, die aufdringlich stark nach Fisch roch. Aus tiefen eingefallenen Augen sah er die Maskierte an, grüßte mit einer tiefen Verneigung und entschwand schnell in die Nacht. Wer öfter den Hafen frequentierte mochte einen der Prediger erkennen der dort gegen die sarazenischen Kinderfresser wetterte, für jeden anderen war es ein einfacher Bettler.

Es war eine junge Frau, die der Signora die Tür öffnete, durchaus ansehnlich, auch wenn sie wie alle Bewohner der Stadt vom Hunger gezeichnet war. Ein betörender Duft ging jedoch von ihr aus, ein blumiges Duftwässerchen und auch der dunkle Khol und die karminroten Lippen zeigten, für sie begann die Nacht gerade erst. Ihr Gewerbe war an dem gelben Tuch, das sie um ihre lockigen schwarzen Haare geschlungen hatte, unzweifelhaft zu erkennen.

"Verehrte Signora, bitte treten Sie ein. Der Herr erwartet Sie."

Und in diesem Moment kam Valerios durch die hintere Tür in das Vorzimmer des Kontors, die Arme zum Gruß weit ausgebreitet. Eine kleine Rauchfahne wehte ihm hinterher, bevor sich die Tür in den dunklen Raum schloss.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Nosferatu sah sich diese Form des Grußes mit einer gewissen Verblüffung an. Das hatte seit Jahrzehnten… seit… das hatte noch niemals jemand getan, nicht seit sie gestorben war. Die Signora lachte daraufhin und dutzende winziger Motten in den Falten ihres Kleides und des kurzen Mantels fächerten ihre Flügel auf so dass es schien, ihre gesamte Erscheinung sei mit einem Male lebendig geworden. In Wahrheit natürlich war sie das immer, doch die kleinen, braunen Tiere fielen einem nicht unbedingt sofort ins Auge.

Und so erwiderte sie diesen Gruß mit einer ganz und gar herzlichen Umarmung, sofern Valerios nicht doch davor zurückschreckte, was wiederum in all der toten Zeit doch das eine oder andere Mal geschehen war.

“Ai, was für ein schönes Kontor”, lobte sie herzlich und vordergründig auch vollständig arglos. “Und was für eine Freude, Euch zu sehen, eh? Ist es Euch gut ergangen in Genua?”
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Valerios
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Valerios »

Er schreckte nicht zurück, war aber total perplex ob der Umarmung, die er so nicht erwiderte. War es doch als freundlicher Gruß gemeint, weniger als Einladung.

"Aye, es ist schwierig beizeiten mit all dem Hunger und der Gewalt. Schwierig, schwierig.. Und es gibt immer noch die Scherben des Hoftages zusammen zu kehren.. Und auch die Geschäfte.." klagte er in einem Tonfall, der nicht ganz klar machte, ob es wirklich so ernst war, oder eher Galgenhumor.

"Ich fasse Fuß, allerdings nicht so schnell wie ich gerne würde. Es sind eben keine einzelnen Festungen hier, wie in Sardinien - sondern ein einziges großes verworrenes Spinnennetz."
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Signora Achilla
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Signora Achilla »

Ohhh, Achilla mochte jene Schrecksekunde der anderen, wenn sich die Körper versteiften und sie nicht wussten, was zu tun war. Manchmal, in solchen Momenten, begann dann das Schreien und Bangen. Manchmal wurden sie so steif als wären sie tot, hofften vielleicht, es wäre bald vorüber.
Natürlich war dies anders unter denen vom Blut, die einander beidseitig so gefährlich waren. Und doch: Die Art dieses abgebrochenen Augenblicks war dieselbe, so stellte die Signora mit einem gewissen Vergnügen fest.

“Da habt Ihr ganz recht”, meinte die Signora da und flüsterte dann vertraulich weiter: “Und natürlich hatte ich Euch auch angeboten, Euch ein wenig für die… nun. Wie hattet Ihr das genannt? ‘Illegale Geschäfte’?” Offenbar erheiterte sie der Ausdruck jetzt immer noch so sehr wie beim ersten Mal. Sie trat wieder etwas von Valerios zurück, die Stimme damit flüssig anhebend. “...damit jedenfalls ein paar Brücken zu bauen? Doch dann wieder war schon die Legung des Fundaments für unseren Handel bislang noch eher wackelig, eh?”
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Valerios »

"Nun, das Fundament liegt inzwischen. Das Lager, seine Sicherheit, der Warenstrom. Aber die fixen Kosten sind noch zu hoch und die Margen gering.
Alles dreht sich nur ums Fressen, ein einziger Kampf.."
klagt der Händler grollend einem unsichtbaren Gott.

"Aber ja, jede Elster, jeder Kletterer, jede Diebesbande, die ihre heiße Ware aus den reicheren Sestieri schnell loswerden will, würde mir weiterhelfen. All die Dinge die bisher durch meine Hände wandern sind einfach zu billig.."
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Signora Achilla
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ja, ‘s sind Hundszeiten. Und nichtmal mehr das”, stimmte die Signora da zu. “Das gilt sogar für die langen Finger und all den Kram, der eben hinten vom Karren runterfällt.” Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
“Ich werd’ trotzdem weitergeben, dass die Leute bei Euch was loswerden können. Doch denkt halt dran, dass das Zeug auch brennt und besser anderswo als wieder in Genua verscherbelt wird. Wieviel ‘s wird, kann ich Euch nicht sagen, nicht im Augenblick, wo sie kaum was zu beißen haben und anfangen, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Es sind schlechte Zeiten, wenn Menschen Menschen fressen… .”

Für einen Moment verlor sich ihre Stimme da. “Ich hab’ ein wenig nachgedacht, eben darüber”, meinte sie dann unvermittelt. “Ob das so eine Bibelsünde ist. Ob es etwas ist, das mehr an unsereins erinnert. Ob hier Ursprünge von Blutkräften, Blutsünden, Blutmächten liegen.” Es war ein merkwürdiger kleiner Einschub, den sie hier machte, mitten im eigentlich pragmatischen Schachern um Geld, Diebesgut, Miete und Waren.

“Eh…”, unterbrach sie sich dann auch selbst. “Und was Euren Rückstand an die Brut angeht: Ich hätte da eine Sache, mit der Ihr mir - und der Brut von Genua wohl - helfen könntet stattdessen. Interesse?”
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Valerios
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Re: [1046] Preis und Wert [Achilla, Valerios]

Beitrag von Valerios »

"Ja, schlimm, nicht wahr.. das Monster, das aus uns herausbricht, scheint schon in jedem Menschen zu stecken. Und vielleicht lockt die Macht, die uns innewohnt es mit hervor. Doch glaub ich nicht, dass unsere Macht sich aus unseren Sünden speist, sonst wären die Priester unter uns ja nicht so mächtig - doch die Lasombra und die Malkavianer, sie stecken voller Macht, selbst wenn sie frei von Sünde sind. Unsere Macht, die kommt wo anders her, nicht aus dem Menschenfleisch.." Er wirkt erst ernsthaft betroffen über das Übel in den Menschen, dann aber eins und versöhnt - die Schwere des Blutes, die manche niederdrückt, scheint es für ihn nicht zu geben.

"Ihr seht mich schon im Rückstand - nach so kurzer Zeit? Meint ich soll schon etwas bezahlen, aus einer Quelle, die es so recht noch nicht gibt? Aber wenn's euch so drückt, kann ich ja einen Vorschuss leisten auf den kommenden Gewinn - nicht das ihr glaubt ich wäre nicht solvent und ein Schlitzohr."

OT: Er bietet einen Gegenwert von 1xR1 pro Jahr als Vorschuss an.

"Oder lasst hören, was euch helfen könnte. Es hat die Brut ja hart getroffen die letzten Jahre. Und es ist mir wichtig, dass sie wieder erstarkt."
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