[1046] Stille Wasser [Achilla, Arash]

[Signora Achilla]

Es war elendig still am Hafen. In all den Jahren vorher hatte es hier immer noch etwas gegeben. Seeleute, die betrunken prahlten, die Taschen noch oder nicht mehr voll mit ihrer Heuer. Mädchen, die ihnen schöne Augen machten. Schauerleute und Fischweiber, die selbst bis in die Nacht hinein noch dies oder das zu tun hatten - oder wenigstens einen Schwatz hielten.
Der Hunger hatte alles stiller gemacht. Er lag wie ein erstickendes Leichentuch über der Stadt, saß den Menschen in Mark und Bein.

Die Signora Achilla hatte sich heute Nacht sehr still hierher gestohlen, mit nur zweien, die sie begleiteten. Der eine war ein dürrer, verschlagen aussehender Kerl mit einem vernarbten Gesicht. Irgend jemand hatte ihm früher einmal die Nasenflügel aufgeschnitten und sie waren nur schlecht wieder verheilt. Der andere war ein nervös wirkender Kerl mit flinken Augen und flinken Händen, der jetzt gerade einen kleinen Karren mit Unrat zog, den sie von der Straße aufgesammelt hatten. Lumpensammler und Leimsieder kamen immer noch irgendwie durch. Jemand musste ja die Straßen begehbar halten.

Der verabredete Treffpunkt war recht nah am Wasser, bei einem kleinen Lagerhaus, auf dessen Rückseite nur selten irgendein Wächter vorbeikam. Hier lungerten sie zu dritt herum und warteten.

[Arash]

Der Hafen blieb still. Es schien sich niemand der kleinen Gruppe zu nähern. Keine neugierigen Augen, keine trappelnden Schritte, oder leise Sohlen die sich anschlichen. Unheimlich diese Stille. Neben dem atmen der beiden Männer und dem gelegentlichen flattern von Mottenflügeln war nur noch das leise plätschern der Wellen im Hafen.

Ein Rauschen von Flügeln über den Köpfen der drei Wartenden lies vielleicht den ein oder anderen Kopf nach oben zucken. Ein dunkler Schatten huschte über durch die Luft. Mit einem flattern der Schwingen landete der Schatten auf dem Dach des Lagerhauses. Von unten unmöglich zu sehen. Kurze Zeit herrschte wieder Stille. Dann hörte man Arashs Stimme, ungewohnt, ohne Schnurren vom Dach. "Seit gegrüßt werte Achilla. Wenn ihr bereit seit, können wir anfangen."

Wer nach oben sah konnte im Gegenlicht des Mondes eine hockende Gestalt sehen, die in einen Umhang mit hochgeschlagener Kapuze gehüllt war. Im Halbschatten waren die intensiv grünen Augen zu sehen, die von oben auf die kleine Gruppe herabblickten.

Wie lange saß er dort schon? Und wie war er auf das Dach gekommen?

[Signora Achilla]

Alle drei unten drehten sich um, Motten stoben auf. Ein Messer blitzte in der Hand des Kerls auf, doch es verschwand auch wieder, als die Signora ein, zwei Schritte zurückmachte und die Hand zum Gruß hob.

“Ai, eine gute Nacht”, grüßte sie zurück, halb noch erschrocken von dem plötzlichen Auftauchen. “Wir können beginnen. ‘s gibt wenig zu holen für die, die nur Rumstehen, eh?”
Sie stemmte die Hände in die Hüften. “Allerdings würd’ ich vorschlagen, Ihr kommt erst dort herunter, dass wir ein wenig leiser sprechen können. Ich will keinen Hafenwächter anlocken ohne Not.”

[Arash]

Arashs Augen zuckten kurz zu dem Messer und ein lautloses Lächeln huschte über sein Lippen, bevor er einigen der Motten nachblickte.
Auf die Worte der Nosferatu hin, machte er einen Schritt nach vorne und lies sich vom Dach fallen. Mit federndem Schritt landete er lautlos vor der Nosferatu. Der Gangrel richtete sich auf und nickte Achilla zu. "Ihr habt recht. Lasst uns leider reden und beginnen. Nach euch." er machte eine einladende Handbewegung Richtung Hafenbecken. "Von wo wurde Clavicula beschossen?"

[Signora Achilla]

“Tja”, machte die Signora. “‘s war so, dass die Belagerunswaffen gezielt auf Clavicula gerichtet und dann abgefeuert wurden. In der Nacht darauf war hier viel los. Zwei der nördlichen Belagerungswaffen wurden zerstört - ich würde schätzen von einem vom Blut. Mit der Beschreibung konnte ich nicht viel beginnen, doch dann wieder habe ich eben selbst so manchen aus der Domäne zu jener Zeit gar nicht erst gekannt. Iberer, hieß es.”

Die Signora sah aufs Wasser hinaus, wo nun die Schiffe wohl friedlich vor Anker lagen. Keine Spur vom Chaos jener Nächte.
“Die anderen, die auf Capitan Marenos Schiff waren, waren zu gut bewacht. Sein Schiff lag dort hinten, direkt bei der Hafenmeisterei. Dort war der werte Gasparo in der Nacht auch gesehen worden.”
Achilla neigte den Kopf ein wenig, sagte auch nicht mehr, das tatsächlich den Verdacht auf einen dieser beiden lenken würde.

“So oder so: ‘s kam von Schiffen, die dafür hier ankerten, die Stadt zu beschützen. Stattdessen feuerten sie mitten in ihr Herz.”

[Arash]

"Hm." machte der Gangrel einen nachdenklichen Ton, während er an der Kaimauer entlanglief und auf das schwarze Wasser blickte. "Wir werden jemanden finden müssen der damals die Geschehnisse beobachtet hat." nachdenlich legte er den Kopf schief. "Tiere werden sich so lange nicht erinnern, geschweige denn damals schon gelebt haben."

Er schüttelte mit dem Kopf und blickte wieder zu der Signora. "Ich vermute Menschen von damals habt ihr keine gefunden? Oder Niemanden der genaueres gesehen hat." nachdenklich blieb er erneut stehen und rekapitulierte weiter die Erzählungen der Nosferatu. "Ein Iberer...was auch immer das sein mag ist keine gute Beschreibung. Ihr hofft das einer meines Clans noch unter der Wasseroberfläche existiert und genaueres gesehen hat?" fragte er noch einmal.

[Signora Achilla]

“Ein paar, auch die, die das Belagerungsgerät gemacht haben”, meinte die Signora daraufhin. “Mit Euch wollte ich dies hier angehen, weil alle diese Spuren nirgendwo hin führten. Oder doch zu dem einen oder anderen Verdacht, jedoch eben nicht weiter.”

“Vielleicht ist es eine verzweifelte Sache, doch ich würds gern versuchen und jene Kreatur aus dem Hafen suchen. Vielleicht habt Ihr recht und sie erinnert sich nicht wie wir’s täten. Vielleicht gibt es sie nicht. Vielleicht gibt es keine Antwort für uns.” Sie zuckte mit den Schultern. “Bei solchen Nachforschungen kommt immer irgendwann der Punkt wo man eben die Arbeit tun muss, eh? Man klappert die eine Spur und die nächste ab, danach die nächste und so weiter und so fort bis sich was gezeigt hat. Und eins davon ist eben dies, mit Euch, weil Ihr hiervon wohl mehr versteht als ich.”

[Arash]

Arash Blick wandte sich wieder auf das Wasser. "Ich werde versuchen es unter Wasser zu finden. Wenn sich ein Monster im Hafen befindet und es hier jagt oder existiert ist es ohnehin meine Aufgabe als Geißel es zu finden und zur Strecke zu bringen." Das Wort "Monster" betonte er dabei besonders, so dass klar war das er einen Kainiten meinte.

Gleichzeitig zog er das Hemd aus und lies es einfach auf den Boden fallen. "Ihr habt Recht, dass wir eventuell nie herausfinden wer es wirklich gewesen ist. Aber wir müssen jede Möglichkeit ausnutzen, um es doch herauszufinden."

Dann machte er einen Schritt über die Kante hinweg und tauchte unspektakulär ins Wasser ein. Sein kainitischer Körper sank ohne viel Widerstand zum Grund. Währenddessen leuchten seine Augen unter Wasser rot auf, um in der Dunkelheit des Hafenbeckens überhaupt etwas erkennen zu können.

[Signora Achilla]

Da wirkte die Signora erleichtert. Sie besann sich jedoch schnell darauf, dass es dann hier auch ein wenig zu tun gab: Mit ein paar knappen Gesten und leisen Worten schickte sie ihre beiden Begleiter etwas nach links und rechts an den Kaimauern entlang, dass sie Ausschau halten konnten, falls es ungewollte Aufmerksamkeit gab.
Sie selbst hob Arashs Hemd auf und kauerte sich nah an der Kante zum Wasser hin, dass sie ebenso Ausschau halten konnte: Nach ihm und Bewegungen auf dem Wasser.

[La Cronista]

Unten in der nicht ganz so tiefen Tiefe des Hafenbeckens sah Arash noch Reste von Wrackteile von alten Schiffen liegen. Altes morsches Holz das von den Wrack gesunkener Schiffe übrig geblieben war, nachdem man die gröbsten Teile bereits aus dem Hafenbecken entfernt hatte.
Hier mussten bereits viele Schiffe untergegangen sein, so wie es aussah, dennoch hatte sich viel des Holzes bereits zersetzt und ward zum Teil des Bodens geworden oder wurde von den Bewegungen der Ruder der über sie hinwegfahrenden Schiffe, hinweggetragen.
Ein Wrack sah noch frischer aus als die anderen. Dort und auch an den anderen Stellen, konnte Arash Leichen sehen. Skelette, die einmal Menschen gewesen waren. Genuesen vermutlich. Vielleicht aber auch andere.
Fetzen von Stoffen hingen an Balken oder zwischen Brettern fest oder an den Knochen der Toten.
Hier und da lagen auch noch Fässer und Kisten. Manche offen manche geschlossen. Ebenso Werkzeuge. Doch alles verrostet und verrottet, sodass man damit nichts mehr anfangen konnte.

Arash watete durch den Friedhof der Schiffsteile hindurch, wie durch eine fremde Welt.

Näher zum offenen Meer hin sah er dann auch Fische am Boden liegen, teils noch erhalten, teils schon zersetzt.
Arash kannte sich mit Fischen aus und es gab eigentlich keinen Grund warum sie so nah am Hafen sein sollten, vor allem in dieser Zeit wo die Menschen die Fische durch die Überfischung schon verjagt hatten.
Als er sich einen näher ansah, bemerkte er Bissspuren. Spitze Zähne, mehr als Zwei, aber eindeutig nicht menschlich.