[1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

[März '21]
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Signora Achilla
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[1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Signora Achilla »

Nicht allzu lange nach jenem Gespräch, zu welchem Iulia Cornelia sie beide eingeladen hatte, schickte die Signora eine Nachricht an Aurora. In diesem Fall war es tatsächlich eine echte Nachricht, mit feiner Hand auf Pergament geschrieben, das schon zuvor benutzt und nun abgeschabt worden war, um es neu zu verwenden.
Die Nachricht ging an den Händler Bergoglio und auch wenn sie schon etwas klarer in Wortwahl und Bedeutung wurde, hatte die Schreiberin wohl auf zu tiefgehende Details wohlweißlich verzichtet:
An die verehrte Aurora,

Bei unserem letzten Zusammentreffen machte ich mir die Hoffnung, dass wir gemeinsam erreichen könnten, was eine allein nicht vermag. Vielleicht wollen wir uns im Rosengarten treffen, in genau einer Woche, um aus dem bloßen Wunsch zuerst einen Plan und dann vielleicht gar Taten wachsen zu lassen?

la signora Achilla
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Aurora
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Aurora »

Bereits am frühen Abend zwei Nächte nach Erhalt der Nachricht, überbrachte der Händler Giacomo Bergoglio persönlich das Antwortschreiben der Salubri an die Nosferatu bzw. an den Maestro Mauricio, als die genannte Kontaktperson am Hof der Wunder. Die Nachricht war ebenfalls handschriftlich verfasst und mit Sorgfalt auf bereits benutztem Pergament verfasst worden.
Wohlwerte Signora Achilla,

Ich komme gerne eurer Einladung nach und werde am genannten Termin im Rosengarten erscheinen.

Aurora


Collatis cum creatur arbor, fructus gustabit elit.

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In der genannten Nacht ging eine einzelne Person den Weg der Rosen entlang. Offensichtlich war die Salubri dieses Mal durch den Zugang von Macharana in das Elysium gelangt. Die einzelnen aufgehängten Laternen zeigten, dass ihr dunkles einfaches Kleid braun als Farbe hatte. Dieselbe Farbe, wie auch ihr gekonnt gelegter Wimpel, der bis zum Ende des Ganges durch die Holzbögen mit ihren Rosen ihr drittes Auge verdeckte, ehe die Salubri den Wimpel, während sie weiter mit ruhigen Schritten sich dem Casa näherte, mit ruhigen Handgriffen entfernte und mit dem Stofftuch ihren linken Arm umwickelte.

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Spoiler!
Collatis cum creatur arbor, fructus gustabit elit(Latein): Wenn durch Zusammenarbeit ein starker Baum entsteht, werden dessen Früchte köstlich schmecken.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Nosferatu erwartete sie bereits. Mit einer gewissen Faszination beobachtete sie, wie Aurora jenes Stück Stoff abnahm und sich um den Arm legte. Sie selbst hatte nichts derlei getan: Die Maske der Signora saß fest und eng gepasst auf ihrem Gesicht. Heute Nacht war die Maske zum größten Teil aus Holz, nach unten hin aus weichem Leder, auf das wiederum die grünen Stiele, Blätter und auch Dornen von Rosen genäht und gestickt waren, welche dann in Farben um die Augen und Stirn her aufblühten. In dem Tuch, das die Signora um den Kopf her trug, steckte die echte Blüte einer Wildrose.

“Einen guten Abend”, grüßte sie herzlich, als Aurora nah genug heran war. Sie machte einen verspielten, kleinen Knicks, vielleicht einfach nur der Geste wegen und weil sie die Schleifen und Bänder an ihrem Kleid ein wenig wehen ließ.
“Ich freue mich, dass Ihr gekommen seid. ‘s ist in diesem dunklen, hungrigen Jahr nicht eben leichter, sich gut zurecht zu finden, ob Tag oder Nacht.”
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Aurora
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Aurora »

Aurora blieb im gewissen respektvollen Abstand schließlich vor der Nosferatu stehen und senkte im gleichen Moment leicht ihren Kopf nach unten, während sie der Harpyie dabei ein leichtes Lächeln schenkte und ihr auf Italienisch antwortete.

„Auch euch wohlwerte Signora Achilla, Harpyie und Neugeborene in der Domäne ihrer höchstverehrten Majestät, einen guten Abend. Ja, in dieser Zeit ist es auch nachts nicht friedlich und ruhig. Ich verspüre viel Kummer, Angst und Zorn. Eine Last, die ein jeder Tag für Tag und Nacht für Nacht verspürt und nicht geringer wird.“

Die Salubri legte eine kurze Pause ein, bei der ihre Augen von der Maske der Signora, hin zu ihrer Blüte im Haar und wieder weg zu ihrem Stück Stoff in der linken Hand wanderten, dessen Unterarm sie inzwischen komplett damit umwickelt hatte. „Ich hoffe sehr, euch stört es nicht, dass mein Auge erkennbar ist. Es scheint so, als verträgt es den Stoff nicht mehr sehr gerne. Ich bin bereits auf der Suche nach Alternativen. Solltet ihr euch allerdings belästigt fühlen, so kann ich den Wimpel auch wieder anlegen.“ Das offene, menschlich wirkende Auge in der Mitte blinzelte im Gegensatz zu den beiden normalen Augen nicht, während einzelne braune Haare sich darauf legten.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Signora Achilla »

“Oh nein, hier wenigstens solltet Ihr nicht verbergen müssen, was Euch als Gabe und Fluch ins Blut gegeben wurde”, meinte die Signora da langsam. Dass sie genau genommen eigentlich genau das tat, in Maske und Kostüm, war so offensichtlich, dass sie kurz mit den behandschuhten Fingerspitzen über den Rand der eigenen Maske fuhr.

“Kains Gesetze bewahren diesen Ort.” Sie machte eine flüchtige Geste eben dorthin, wo die Gesetze in Stein gemeißelt standen.
“Vielmehr sollte ich mich entschuldigen, eh? Meine Neugier und mein Interesse sollten Euch nicht in Unsicherheit bringen. ‘s ist allein so, dass ich selten je direkt mit einer oder einem von Eurem Blut sprach und ihnen ins Angesicht sah. Und doch gibt es so viele Geschichten: Dass Euer Blut von Kain selbst geliebt ist vor allen anderen? Und was ich während der Iustitia sah, das erinnerte mich an so manche alte Geschichte.”

Mit einer kleinen Geste lud sie dann zum Weitergehen ein, hin zu einer Bank, die ein wenig von Wind und Blicken geschützt stand.
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Aurora
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Aurora »

Aurora strich sich bei den Worten der Nosferatu unbewusst die wenigen Haare von ihrem dritten Auge, die aber nachdem ihre Hand wieder an ihrer Seite ruhte, sofort wieder vor ihr Auge fielen. Ihr eigener Blick aus den beiden, blinzelnden Augen sank indess kurz in Richtung des Bodens, ehe sie wieder in die Richtung der Nosferatu schaute, um dann kurz zustimmend zu ihrer Geste zu nicken.

„Mitglieder meines Clans sind in der Tat nicht gerne in der ersten Reihe…gerne im Verborgenen…“ ihr Lächeln intensivierte sich, nahm aber auch die Spur eines Bedauerns an. „Bedenkt man die jüngere Vergangenheit straft meine Geste in dieser Nacht dieser Annahme wohl Lügen…die Nacht der Justizia…eine Nacht, die ein jeder von uns in Erinnerung behalten wird…“

Es schien nicht so, dass die Salubri dazu noch mehr sagen würde, für einen Moment schien es, als ob sie abgeschlossen hatte, ehe Aurora doch wieder aufblickte, schmunzelte, um dann wieder die Nosferatu anzusehen.

„Alte Geschichten? Wäret ihr bereit mir eine davon zu erzählen…?“
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Signora Achilla
Nosferatu
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Signora Achilla »

Das hatte die Signora nicht erwartet. Sie war in einem kleinen Redefluss gewesen, mitten dabei, schon weiter zu gehen. Diese Frage, so natürlich sie auch klingen mochte, ließ sie anhalten. Sie legte den Kopf ein wenig auf die Seite, ganz so als wollte sie dem Klang der Worte noch einmal nachlauschen.
Und dann hob sie die Hand wie um ihre nächsten Worte schon weiter zu untermalen so wie es oft ihre Art war, um auszugleichen, dass es ihr mit der Maske doch an jeder Regung im Gesicht fehlte.

Doch dann stockte sie erneut, ließ die Hand sinken, hob die andere, schnippte einmal mit den Fingern - klack, ein dumpfer Laut mit den Fingerhandschuhen - und entschied sich wohl für einen gänzlich anderen Weg:

“Ai, ich wäre eine schlechte Tochter der Fahrenden, der Geschichtenerzähler und Wahrsagerinnen, der weisen Frauen und Sterndeuter, Gaukler und Farbenfrohen, wenn ich das abschlüge, eh?” Sie lachte einmal, scheinbar über sich selbst, mit einem kleinen Kopfschütteln.
“Doch seid gewarnt: Geschichten über sich selbst zu hören, Worte aus der Welt, die zurückgespiegelt werden - das ist manches Mal nicht leicht. Doch was rede ich? Ihr seid keine, die die Augen oder das Herz vor der Welt in aller ihrer schrecklichen Schönheit verschließt.” Sie sah zu Aurora hin, mit einem kleinen Augenzwinkern über milchig-toten Augen, die vielleicht einmal dunkel und schön gewesen waren.
Es klang wie eine Überleitung, doch in Wahrheit waren es bereits die ersten Worte der Geschichte, so erzählt wie die Fahrenden sie in der Tat seit dem Beginn aller Reisen durch die Welt tragen. Die Stimme der Signora bekam einen ganz eigenen Rhythmus, so wie er in diesen Geschichten klang und ihnen Rückhalt gab.

Doch diese Geschichte war wohl doch ein wenig anders, denn gewiss war sie keine, die von Generation zu Generation unter den Fahrenden und Gauklern weiter erzählt wurde:
“Es war einmal ein Vater, der hatte viele Kinder und Kindeskinder. Doch sein liebster Sohn, so hieß es, war nicht der Stärkste oder der Schönste oder der Prächtigste unter ihnen. Es war auch nicht der Klügste oder der Listigste, ja nicht einmal der Älteste. Nein, sein liebster Sohn war einer, der mit sich im Reinen war.”
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Aurora
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Aurora »

Es hatte zunächst den Anschein, als würde Aurora für einen Augenblick vielleicht noch eingreifen wollen. Aufhalten, vertagen, schlichten. Es war schwer den Blick zu deuten, den sie von Achilla erhielt, bedachte man das ihre Mimik durch die Maske, die sie trug, nicht oder nur sehr schwer zu deuten war. So erfüllte der Klang des dumpfen Lautes ihrer Fingerhandschuhe auch eine andere Bedeutung, denn ihr Blick wandelte sich und mit den einleitenden Worten der Nosferatu nickte Aurora leicht, während sie an ihrer Seite weiter schritt.

Angekommen an der Bank ließ die Salubri Achilla sich zuerst setzen, ehe sie es ihr gleichtat. Leicht seitlich zur Signora geneigt und angelehnt an die Banklehne mit übereinander geschlagenen Beinen, hing ihre volle Aufmerksamkeit dabei stets an den Lippen der Erzählerin, gleichsam darauf bedacht ihr den Raum zu geben, dass was sie zu sagen hatte, auch in Ruhe und ohne Hast von sich zu geben.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

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“Dies war keine Kleinigkeit, denn die große Familie des Vaters war eine, in der man hungrig war: auf das Leben, auf den Erfolg, auf das Fortkommen - am besten das Eigene. Vor allem aber strebten sie alle nach Macht. Und oftmals, da kannten sie nur die Sprache der Gewalt, wenn es darum ging, die Dinge zu entscheiden.”

Die Signora sprach mit dem geübten Ton einer Geschichtenerzählerin. Fast klangen ihre Worte wie irgendein gewöhnliches Märchen, doch natürlich waren sie das nicht. Und Aurora war sicherlich auch kein gewöhnliches Publikum für die Nosferatu.

“Doch eben dies, so hieß es, fehlte dem geliebten Sohn. Er ging nicht den Weg des eigenen Vorteils, der Macht oder Tyrannei. Er ging auch nicht den Weg der Gewalt. Stattdessen ging er seinen eigenen Pfad und sagte: ich will den meinen helfen, dass sie bessere Wege finden. Dass die großen Gaben unseres Erbes uns nutzen und uns nicht zur Last und Waffe werden. Dass wir uns selbst und einander wieder ohne Scham und Zorn anschauen mögen.”
Es klang beinahe hoffnungsfroh und leicht. Die Signora beobachtete Aurora während sie so sprach. Es war ein vorsichtiger Blick, fast ein wenig scheu, wenn er die Stirn der Salubri streifte.
Als sie dann fortfuhr, war ihre Stimme leiser. Es klang fast so als wäre sie beschämt:

“Doch keiner wollte ihm glauben. Und wie auch? In einer Welt, in der jede Gabe Gift sein kann, jedes Wort eine Lüge, jede Handgeste ein Schlag, was bedeutet da ein solches Wort, solche Gesten?”
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Aurora
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Re: [1046] Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! [Achilla, Aurora]

Beitrag von Aurora »

Es gehörten immer zwei dazu. Derjenige, der eine Geschichte erzählt und derjenige der ihr zuhört. Gab es eine Masse von Zuhörern oder war man allein und durfte, so meinte man es, ganz für sich die Geschichte erzählt bekommen. Doch gab es dadurch auch Nachteile. Wollte man seine Meinung, seine Empfindung für sich behalten, so war es in einer Masse an Zuhörer wahrlich einfacher, als wenn man alleine seitlich neben der Erzählerin saß.
Aurora wiederum war keine Zuhörerin, die sich ihre Regungen nicht anmerken ließ, zumindest, wenn man auf sie achtete. So weiteten sich ihre Augen, es intensivierte sich ihr Lächeln, gepaart mit einem doch eher schwer erkennbaren Senken ihres Kopfes. War es ein Nicken, dass sie etwas verstanden hatte? War es eine Geste der Erkenntnis oder vielleicht auch nur der Dankbarkeit? Gesprochen hatte sie indes immer noch kein Wort.
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