[1046] Was die Ebbe nimmt, bringt die Flut wieder [Davide, Adamo]

[Davide]

Die Nacht war noch recht jung und es blieb noch Zeit bis Davide im Elysium zu einer weiteren Unterrichtsstunde in kainitischer Etikette verabredet war. Zeit die er nutzte um kurze Streifzüge durch die Stadt zu unternehmen in der Hoffnung irgendwann ein Gefühl für das Labyrinth in dem er sich bewegte zu entwickeln. Zumindest einen Hauch von Orientierungssinn. Regelmäßig hatte es ihn dabei auch zum Hafen gezogen und er hatte einen Blick gen Kai geworfen ob dort der stolze Bug der Stern des Mittelmeers vor Anker lag.
Er hatte ab und zu an Adamo gedacht. An ihre Unterhaltung und die angenehme Ungezwungenheit in der sie miteinander gesprochen hatten. An die Art wie der Seemann seine Reisen beschrieben hatte. An seine Stimme und an sein Gesicht. Und spätestens wenn er sich dabei ertappte wie er sich beides vor seinem Inneren Auge und Ohr ausmalte hatte er diese Erinnerungen hastig von sich geschoben. So etwas sollte er nicht denken. Nicht... nicht auf diese Art.
Trotzdem kam er nicht umhin zu hoffen die hohen Masten in der Ferne zwischen den Häusern emporwachsen zu sehen. Und als er heute Nacht tatsächlich die beeindruckende Silhouette des Seglers in der Dunkelheit sanft auf dem Wasser schaukeln sah trugen ihn seine Schritte dorthin ohne dass sie ihm die Chance ließen noch einmal darüber nachzudenken. Von unten herauf warf er einen Blick zur Reling hoch und winkte der Deckswache näherzukommen. Vielleicht konnte der Mann ihm sagen ob er Adamo um diese Uhrzeit noch in einer der Schenken würde treffen können.

[Adamo Manacres]

Das Schiff lag ruhig und still im Hafen. Fast alle Seeleute waren von Bord und tummelten sich in der Stadt. Die Wache, eine von mehreren, sah den jungen Mann, der sich dem Schiff näherte und winkte ihn näher an die Reling heran, auf dass er ihn besser sehen konnte.

Als dieser dann näher gekommen war, rief er zu dem Mann hinunter: " Seid gegrüßt, was sucht ihr ?"

[Davide]

"B... Buonasera Signore.", grüßte Davide vom Kai zum Deck hinauf und tippte sich an den Hut.
"I... ich suche Signore Adamo. W... weisst du o... ob er noch wach ist u... und wo ich ihn dann f... finden kann?"

[Adamo Manacres]

Die Wache nickt.

" Einen Moment, ich schau mal ob er in seiner Hängematte liegt oder ob er mal wieder im Hafen unterwegs ist."

Die Wache verschwindet für einen kurzen Zeitpunkt bis sein Kopf wieder auftaucht. Einen Meter von ihm entfernt erscheint Adamo, mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht.

" Na das ist doch mal was, da ist man gerade mal wieder in der Stadt und schon erscheint ein alter Bekannter am Kai und fragt nach einem. Das ist doch mal ein toller Zufall. Was treibt euch..... Ach vergesst es. Ich komme erstmal schnell runter."

Adamos Gesicht verschwindet von der Reling und taucht mit dem Rest seines Körpers an der Planke wieder auf. Mit federnden Schritt läuft der Toreador den Weg hinunter und gesellt sich zu dem anderen."

" So ist es besser. Nun weiter im Text. Was treibt euch zu dieser Zeit in die Stadt ? Langeweile oder braucht ihr ein wenig Abwechslung von den Schaafen?"

Adamo, wie immer in einfacher Seemannskleidung gekleidet hat offensichtlich gute Laune und freut sich, sein Gegenüber wieder zu sehen.

[Davide]

Davide bedankte sich und wartete dann geduldig darauf dass die Wache zurückkehren würde. Und sie kam nicht allein. Offenbar war das Glück heute mit ihm. Die gute Laune des Seemanns hatte etwas ansteckendes. Und ein leises Lächeln schlich sich auf Davides Gesicht, während er ihm zwei, drei Schritte bis zum Ende der Planke entgegenging.
"Ciau Adamo.", grüßte er.
"Oh i.. ich bin sp... später noch verabredet. I... ich schaffe es tagsüber ei... einfach nicht in die S... stadt u... und schieb d.. die Dinge immer in die A... abendstunden. Aber es i... ist noch Zeit und als ich die S... Stern des Mitt... Mittelmeeres am Kai liegen sah, da d... dachte ich..."
Er stockte. Was genau hatte er sich eigentlich gedacht? Dass er Adamo hatte wiedersehen wollen? Das konnte er ihm so direkt und unverblümt ganz bestimmt nicht sagen.
"... ich d...dachte ich... frage nach w... wie deine Reise n... nach P...pisa gewesen ist. O... der wohin auch immer du zw... zwischendurch gesegelt bist."
Es war ja doch einige Zeit ins Land gegangen.

[Adamo Manacres]

Adamo winkte ab.

" Ist doch kein Problem. Geht mir auch immer wieder so. Bei mir findet das ganze Leben immer dann statt, wenn wir an einem Hafen sind. Ansonsten ist nur Arbeit, trinken, essen, schlafen. Tag für Tag für Tag. "

Er deutet ein wenig in Richtung statt.

" Gehen wir ein Stück?"

Als sie unterwegs sind, redet Adamo weiter.

" Die Reise war recht komischt, wenn du mich fragst. Wir waren zwar nicht in Pisa, aber wir haben in den anderen Häfen immer wieder gehört, das Schiffe aus Genua und anderen Städten von Pisa abgefangen und nach Pisa gelotst werden. Dort verkaufen sie dann ihre Ware, vor allem wohl Lebensmittel und Essen und andere Städte gehen somit leer aus. Kein Mann stirbt und niemandem geschieht anscheinend was. Und das interessanteste ist, sie zahlen anscheinend auch nicht gerade schlecht. Wir nennen es Edelpiraterie.

Er schlendert entspannt an der Seite des Gangrel, fröhlich plaudernd die Wege entlang.

" Gibt es einen bestimmten Ort wo wir hingehen oder gehen wir einfach nur ein wenig?"

Adamo plaudert fröhlich entspannt vor sich hin.

" Ich hörte von einer neuen Siedlung im Norden und war noch nicht da. Sollen wir sie uns anschauen oder hast du nicht so viel Zeit?"

[Davide]

Davide nickte und reihte sich neben Adamo ein, während sie ziellos einfach der Straße folgten die vom Kai weg Richtung Stadtmitte führte.
"D... dem Herrn sei Dank dass man die Schiffe nicht e... einfach plündert. Auch w... wenn das für Genua k.. keinen Unterschied macht, was die Lebens... Lebensmittel betrifft.", antwortete er. Aber für die Besatzung der Schiffe machte es den Unterschied zwischen Leben und Tod.
"V... vielleicht hoffen sie in Pisa auf z... zweite Gelegenheiten wenn sie die Sch... Schiffe wieder ziehen lassen. Aber si... sicher ist wohl dass die anderen Städte auf Dauer n... nicht die Augen davor verschließen werden. Das k... können sie nicht i... ignorieren."
Es klang bedrückt. Und tatsächlich empfand Davide diese Neuigkeiten als bedrückend. So würde der Hunger im Schulterschluss mit seiner Schwester Gewalt noch mehr Opfer fordern.

Als Adamo sich erkundigte wohin sie gingen blinzelte er irritiert. Gingen sie nicht dahin wohin Adamo wollte... Offenbar gingen sie wohl tatsächlich nirgendwo hin weil auch er keine bestimmte Richtung eingeschlagen hatte. Verlegen rieb er sich über den Arm.
"O... oh ich... ich dachte ich gehe dahin wo d... du hingehst."
Ein Mensch wäre in diesem Moment vermutlich errötet. Und auch Davide kam sich ein kleines bisschen einfältig vor auch wenn Adamo das sicher nicht beabsichtigt hatte. Er blickte zum Himmel hinauf um die Zeit abzuschätzen.
"W... wenn wir nicht zu sehr bummeln so... sollte genug Zeit sein.", entschied er. Dann kam er auf eines der Dinge zu sprechen die ihm wenn er an den Seemann dachte immer ein kleines bisschen auf der Seele lasteten.
"L... leider konnte ich nichts e... erreichen. W... wegen der Schäfer mein i... ich. Worüber wir g... gesprochen hatten. I... ich kann kaum weg von meiner H... herde wenn ich nicht meine Sch... Schafe fort und meine Hunde tot finden will."
Dass ihm diese schlechten Nachrichten ernsthaft Kummer machten hörte man an seiner Stimme die stockender wurde. Das Stottern rückte mehr in den Vordergrund.

[Adamo Manacres]

"Ach, mach dir deswegen keine Gedanken. Das ist nicht weiter schlimm. Es wäre nur eine kleine Hilfe gewesen für meinen Kapitän."

Adamo winkte ab, als er die letzten Worte sagte. Kein Anflug von Traurigkeit oder Sarkasmus in seiner Stimme. Er geht beschwingten Schrittes fröhlich voran und schien sich in Genua mittlerweile bestens auszukennen.

" Ja, die Zeiten werden nicht leichter in Genua. Die Ansprüche steigen auf allen Seiten. Da finde ich es immer wieder beneidenswert, das du die Möglichkeit hast, dich aus dem ganzen Trubel ein wenig rauszuziehen und das Elend hier vor Ort nicht mehr zu sehen. Das muss doch ein wenig erbaulich sein oder nicht? Ich meine, wenn ich auf dem Meer bin, nur der Wind in den Haaren, die Gischt des Wassers auf dem Körper, die einem die Haut vom Körper schrubbt, dann denke ich immer, es ist eine ganz normale Welt da drüben am Land."

Er blickt zu Davide hinüber.

" Ein schöner Gedanke, oder ein schöner Traum. Aber genug davon. Machen wir uns deswegen einfach mal keine Gedanken sondern genießen wir das, was wir sehen und haben. WIe geht es eurer Herde? Versucht man sie Euch zu rauben ? Ist es da draußen so bedrohlich? Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das sehr mutig finde, dass ihr euch dort alleine aufhaltet, wenn es da so gefährlich ist."

[Davide]

"Ich h... hätte wirklich gern geho... holfen."
Ersthafte Zerknirschtheit schwang in seiner Stimme mit.
Er hatte die Bitte des Seemanns nie ganz vergessen. Aber er wagte es im Moment einfach nicht lange fort zu bleiben, es sei denn es trieben ihn wichtige Dinge um.

Davide überließ Adamo gerne die Führung. Ja, auch seine Orientierung war etwas besser geworden. Auch wenn er die meiste Zeit aus unnötigen Umwegen bestand, weil er plötzlich lange Zeit nicht die Richtung ändern konnte weil es keine Stichstraße gab oder er sich plötzlich in einer Sackgasse wiederfand. Meistens hielt er sich an die großen Hauptstraßen wenn er konnte.
"Hmmm... d... das ist es auch. G... grad in diesen Zeiten. I... ich bewundere all die Leute die j... jeden Tag dem Elend ins G... Gesicht sehen und trotzdem n... nicht die H... Hoffnung verlieren. H... Hoffnung ist so knapp wie Brot im Moment. Es ist w... wie du sagst. W... wenn man aus der Ferne auf Genua blickt wi... wirkt die Stadt so friedlich. D... dann kann man daran glauben dass alles gut wird."
Er unterdrückte ein Seufzen. Auch ihn der eigentlich so fern davon war nahm das Elend mit. Nicht nur weil es ihn genau wie die Menschen bedrohte. Er hatte seinen Weg gefunden damit umzugehen. Auch wenn es ein scheußlicher Weg war, in vielerlei Hinsicht.
"H... hast du schon mal darüber nachg... gedacht einfach irgendwo zu bleiben?", fragte er um die dunklen Gedanken zu vertreiben.
"D... du siehst so viele verschiedene Orte. W... wolltest du schon mal dein Schiff ohne dich fahren l... lassen? O... oder z... ziehst du immer gerne weiter?"
So unähnlich waren sich ihre Leben diesbezüglich wohl nicht. Auch wenn er mit seinen Schafen deutlich kürzere Strecken zurücklegte und deutlich weniger von der Welt sah als Adamo. Sie zogen beide immer rastlos weiter.

"N... noch geht es ihr gut. I... ich hatte bisher nicht sehr viel mehr Verluste als e... es immer gibt. D... dem Herrn sei Dank. Aber ja, e... es ist bedrohlich. I... ich hab große Glück, weißt du. Meine Schafe w... weiden T... Tür an Tür mit einer Gr... Gruppe Kriegern die in Sold stehen. Ihre N... Not ist nicht ganz so groß wie die der A... anderen und es sind ehrliche M... Männer. D... das schreckt die m... meisten Diebe ab. S... sonst könnte ich wohl nicht viel tun."
Normalerweise sprach er nicht darüber wo er seine Schafe weiden ließ. Nicht in diesen Zeiten. Aber es war ihm über die Lippen gekommen bevor er darüber nachgedacht hatte. Vielleicht war das töricht. Aber er hatte nicht das Gefühl Adamo misstrauen zu müssen. Er lächelte schief und etwas verlegen.
"Is a... also nicht viel m... mutiges dran."

[Adamo Manacres]

Adamo ging eine gewisse Zeit lang schweigend neben Davide her.

" Selbstverständlich habe ich mal über so etwas nachgedacht. Aber Frau, Kinder, ein geregeltes und stetes Leben sind einfach nichts für mich. Es scheint so, als wäre da etwas oder jemand über mir, der mir sagt, wo ich hinsoll und der mich für einen Ort vorgesehen hat. Und derzeit ist dieser Ort nun mal das Schiff und Genua als der Heimathafen. Wenn es mich dann weiter zieht, dann zieht es mich weiter, aber dann bin ich froh, wenn ich kein Haus zu verkaufen, kein Vieh zurückzulassen und keine Familie zu enttäuschen habe. Ich bin, in gewisser Art und Weise frei in meinem eigenen Käfig, den mir etwas oder jemand errichtet hat. Ich weiss, ich bin gefangen, aber bis an die Grenzen des Käfigs bin ich frei. "

Er schlendert fröhlich neben Davide her. Deutet mal hier hin und dort hin. Weist auf Torbögen und Durchgänge, auf Häuser und Plätze hin. Kleinere Geschichten kommen hinzu, die er zu einigen der Plätze und Orte zu erzählen weiss.

Dann nimmt Adamo das Gespräch mit Davide wieder auf.

" Ich freue mich zu hören, dass eure Schaafe an einem sicheren Ort und noch dazu bewacht sind. In den heutigen Zeiten kann man nicht sicher genug sein. Man stelle sich nur mal vor, die Leute kommen auf die Idee das Schiff nach Essbarem zu durchsuchen oder in einer großen Zahl eure Herde anzufallen. Das sind keine angenehmen Gedanken. Aber die wollen wir nun mal fein an die Seite schieben, nicht wahr. Hier vorne kommen wir gleich in das neu entstehende Viertel Genuas. Viele nennen es einfach Nord, andere nennen es das Viertel im Norden. Ich nenne es den Ort der Künste."