[1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

[März '21]
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Signora Achilla
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Signora Achilla »

Und doch schien die Signora eher ein wenig enttäuscht. Es wurde auch recht einfach klar, weshalb, als sie mit der Zunge schnalzte und meinte: “Ai, das ist eben, was ich auch zusammen bekommen habe.”
Sie seufzte tief.

“Oder doch wenigstens ein Teil davon. Und ich fragte mich immer: weshalb sollten die, die Jagd auf uns machen, dann auf Clavicula schießen lassen, eh? ‘s ergibt keinen Sinn, von hinten oder vorne. Keine Ziele von unseresgleichen, nur unzählige verbrannte Menschenleben. Und hätten nicht eben in diesen Nächten solche Jäger genügend klare Ziele gehabt?”
Sie schüttelte den Kopf und ging vor Angelique in die Hocke.

“Und wenn ich an dieser Stelle angekommen bin, beim Überlegen, dann denke ich: mir fehlen Teile zu diesem Mosaik. Mir fehlt der Blickwinkel. Mir fehlt sogar der Blick auf das gesamte Bild. Sagt mir, altes, ewigjunges Orakel: Geht es Euch nicht ebenso?”
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Angelique
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Interpretieren müsst Ihr. Ich sage nur die Wahrheit. Ich mag keine Streiter GOttes, die den Tod und das Elend von Menschen in Kauf nehmen, selbst wenn sie ein Monster wie Geodoc jagen.
Aber ja, auch ich denke, es gab lohnendere Ziele oder andere Möglichkeiten, selbst gegen die Verborgenen vorzugehen."

Sie lächelte. "Und was meinen Blickwinkel angeht, wäre er ungeeignet, verliert er sich doch entweder in lichten Höhen und somit den Blick für das Detail oder aber er kommt vom Ästchen aufs Stöckchen aufs Zweiglein.

Ich habe keinen gesunden, bodenständigen Blickwinkel mehr", gestand sie.
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Signora Achilla
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ah, seid darum nicht traurig”, meinte die Signora da und winkte ab. “Zu viele haben einen solchen Blick auf die Dinge und wenn man ihn erfahren will, dann fragt man sie eben, eh?”
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was für einen kurzen Moment ein eigenartiges, leise knirschendes Geräusch ergab.
“Wir können uns ewig nach dem sehnen, was wir nicht haben, was wir verloren oder was wir nie erreichen. Und hübsch ist das auch anzusehen, solches Sehnen und Wünschen und Schmachten. Doch es verstellt den Blick darauf, was wir haben. Und das ist nicht allzu schlecht.”

Sie wiegte den Kopf. “Falls Euch jemals mehr einfällt, zu diesem Rätsel und Eurem Blick darauf, so lasst es mich wissen, ja? Doch ansonsten ist’s wohl so wie es nun einmal ist und ich muss mit dem zurechtkommen, was ich habe. Das ist ein Sack voll dunkler Vermutungen, gefährlich wie ein Loch voller Vipern. Vielleicht sollt’ ich ihn einfach zulassen, diesen Sack.”
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Angelique
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Ja, ich werde es Euch sofort wissen lassen, sollte mir da eine Erleuchtung oder Vision kommen.
Vielleicht habt aber auch Ihr das Weiseste heute gesagt, dass man besagten Sack lieber zuassen sollte.

Sind es alleinig Sterbliche, die den Jäger zum Gejagten machen, wäre das wohl schlimm genug. Schlimmer aber wäre es, wenn einer der Unseren dumm oder mächtig genug wäre, die Jäger zu manipulieren.
Und Verborgene jagen zu wollen, ist ein gefährlicher Zeitvertreib."
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Signora Achilla
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ja, so ist es wohl”, seufzte die Signora. Was wohl an schweren Gedanken alles an diesen paar Worten für sie daran hing, konnte man an ihrem Tonfall erahnen. Doch dann schüttelte sie sich ein wenig als wollte sie sich eben von dieser Schwere befreien.

“Sagt mir, wie ist derlei für Euch? Von Eurem Blut ist nur ein weiterer in dieser Stadt und Domäne. Seid ihr zwei Euch nah durch das Blut? Oder fern?”
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Angelique
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Da war es wieder: das Thema Ferrucio.

Aber inzwischen regte sie sich nicht mehr nur beim Namen auf, sondern erklärte sachlich die Beziehung zu dem anderen Malkavianer.

"Wir sind beide gläubig. Das sind neben der Herkunft von Malkavs Blut die einzigen Gemeinsamkeiten.
Ferrucio ist ein Papist und ich gnostischen und synkretistischen Strömungen nahe.
Er ist ein Mann, der mich als Frau, Kind und Hure verachtet.
Er hat mich halb totschlagen lassen von seinem Circumcellionenmob.

Und als ich dann trotzdem im Gutem mich treffen wollte, hat er Blutskräfte Malkavs gegen mich angewendet. Das macht man unter uns nicht, wenn es nicht in beiderseitigem Einvernehmen ist.

Er wagt es, Sakramente zu verhöhnen und auf uns umzudeuten, die den Menschen vorbehalten sind.
Ich halte ihn für einen Heuchler und ungebildeten Tor. Ein Häretiker an sich ist nur ein Irrender. Aber einer, der sich zum falschen Priester über uns und, noch schlimmer, die Sterblichen aufschwingt, ist dem HErrn ein Gräuel. Denn er verführt die, die es nicht besser wissen können, auf den Pfad der Abkehr von GOtt."

Oh, ja, sie blieb bei diesen Worten ruhig, aber ein fiebriges Feuer brannte dabei in ihren ansonsten so sanften Rehaugen, dass sie wie ein Töchterchen des irren Predigers wirkte.
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Signora Achilla »

Unweigerlich stockte die Signora bei Worten wie ‘gnostisch’, ‘synkretistisch’ und eigentlich schon ein wenig bei ‘Papisten’. Das waren nicht unbedingt Begriffe, die sie allzu oft hörte oder auch nur genau hierhin oder dorthin einordnen konnte. Erst die Nacht hatte ihr überhaupt Wege aufgetan, mehr davon zu erfahren, wie die Dinge in der Welt vor sich gingen.

Doch das ließ sie nicht blind für die Veränderung, die in ihrem Gast vor sich ging.
“Bitte verzeiht mir - ich wollte gewiss nicht düstere Gedanken heraufbeschwören.” Sie zögerte kurz, dann meinte sie milde: “Es stimmt mich froh, zu wissen, dass er und Ihr nicht eng verbandelt seid. Ich glaube, dass ein Mann wie er in einer Welt wie dieser sich irgendwann aufzehrt so wie eine Kerze, die zu heiß und zu schnell brennt.”

Sie senkte den Kopf. “Und doch setzt unser höchst verehrter Prinz wohl ihr Vertrauen in diesen Mann und schenkt ihm ihre Gunst.”
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Eher wie Dunghaufen, der sich selbst entflammt. Und wie ein solcher Dunghaufen kann er ewig schwelen.

Vielleicht ist das aber auch das schlimmste Danaergeschenk, das man erhalten kann, wenn Aurore so offen ihre Gunst schenkt. So wird er zur Zielscheibe von Neid und Hass.
Die wahre Gunst der Prinzeps ist, kein Amt zu erhalten. Ich bin ihr um diese Gunst ewig dankbar."

Sie grinste schief bei diesen Worten.
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Signora Achilla »

Da lachte die Signora und nickte. “Ohh, wie ich Euch da recht gebe! Und wie ich Euch und auch den werten Baumeister darum beneide!”, lachte sie. Nein, die Harpyie schien solche Worte nicht übel zu nehmen - im Gegenteil, es klang ganz danach als verstehe sie wirklich.
“Ich fürchte, ich scheiterte grandios daran. Und noch dazu aus törichten Gründen!” Sie zuckte mit den Schultern. “Doch es ist wie es ist.”
Sie zwang ihren Tonfall zur Ernsthaftigkeit, vielleicht ein wenig zu sehr, mit der Schwere und Getragenheit, die sonst eher auf die Bühne gehörte: “Als Harpyie indes muss ich Euch erwidern, dass es hoch umkämpfte Ehren sind, jene Ämter und Pflichten. An ihnen prüfen wir uns und wachsen an jenen Prüfungen und so stärkt sich die Gesellschaft in der Nacht. Darüber hässlich zu reden, das zersetzt unsere feine und verwobene Hierarchie… .”

Kurz senkte sie den Blick und schüttelte eben diese Schwere und Getragenheit dann ab, mit einer Bewegung wie einem Schulterzucken oder tatsächlich einer als würde sie eine Last von den Schultern werfen.
Sie seufzte. “Wie ist es Euch gelungen, dass Ihr unbeschwert durch all die langen Jahre gekommen seid?”, fragte sie nach.
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Re: [1046] Aus der Asche lesen [Achilla, Angelique]

Beitrag von Angelique »

"Ja, Ihr habt natürlich recht. Wie haben es Kain und Lilith nur ohne Ämter ausgehalten? Als Kain mordete und Lilith Zauber spann, wo war denn da der Ventruemann? Kein Wunder, dass er neue Vampire schuf. Er brauchte Bürokraten! "

Sie verbeugte sich spöttisch. Ironie konnte ein Dolch sein, aber für Angeliques Meinung zu dem Thema Ämter schien sie eher zu einer Keule zu mutieren.

Zu der Frage nach der Unbeschwertheit meinte sie: "Das ist leicht, wenn man als ein Kind in die Nacht geholt wurde. Man trennt Verspieltheit von der Ernsthaftigkeit oder vermischt beides, wie es einem gefällt."

Jetzt seufzte aber auch Angelique. "Dafür trifft einen Melancholie umso stärker, wenn man es denn zulässt. Ich bin immer noch nicht über den Tod mancher geliebter Menschen und Vampire hinweg.
Auch ist es verwirrend, all die neuen Technologien wie Schubkarren, Pferdejoche und Windmühlen zu sehen. Windmühlen, stellt Euch das mal vor!"

Angeliques spöttische Titel umfassten auch "Müllerstochter". Wahrscheinlich kam daher ihre spezielle Faszination für die neuartigen Windmühlen, die im Norden aus dem Boden schossen wie munter sich drehende Pilze.
Die kindliche Faszination und Neugier schienen Angeliques Geheimnis zu sein, wie sie die Zeit überdauern konnte.
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