[Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Geschichten über Monster

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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La Cronista
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[Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Der Boden war schlammig und stinkend, mehr Scheiße denn Erde gefühlt und der Schmutz klebte an seinen Schuhen und Beinlingen, die kaum mehr als Fetzen waren. So durchlöchert und verranzt, wie alles andere an ihm. Seine Kleidung bestand aus dutzenden unterschiedlichen Stofffetzen und Bahnen die er sich um Körper und Gliedmaßen gewickelt hatte.

Er war mal wer gewesen. Hatte ein eigenes Geschäft besessen. War ein guter Schneider gewesen. Hatte die Menschen glücklich gemacht mit seiner Arbeit. Dann kam der Hunger und niemand kaufte sich mehr Kleidung und er selbst brauchte Essen, konnte sich auch nicht von dem Stoff ernähren. Seine Frau hungerte, seine Kinder...

Es fühlte sich an als wäre das alles in einem fernen Leben gewesen.
Nun saß er hier in Clavicula, hockend hinter einem Holzverschlag und kaute etwas schimmliges Brot, dass er vom Boden des Marktplatzes geklaubt hatte, als es wohl von einem Stand oder Wagen gefallen war.

Er würgte. Es war widerlich. Sein Körper rebellierte gegen das verdorbene Essen, doch er konnte es auch nicht nicht essen.
Er zwang sich es unten zu behalten. Sein Mund war trocken da er schon lange auch nichts mehr getrunken hatte. Es war schwer das raue Brot so herunterzuschlucken.

Es wurde bald dunkel. Die Sonne verging am fernen Horizont und anderes Gesindel wie er trieb sich durch die Gassen Claviculas.

Nein nicht wie er. Viele hier waren schon immer hier gewesen. Kreaturen der Armut, der Gewalt und des Leids. Kreaturen die Hunger länger kannten als er und alles dafür taten diesen aufzuhalten.
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Signora Achilla
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Re: [Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Was ist schon Leid? Leben ist Leid. Leben ist auch schnell, hart und billig. Gerade hier.

Der Mann, der mit zwei Kumpanen im Schlepp gerade die Gasse herunter schlenderte, sah ganz danach aus als hätte er in diesen Tagen das bessere Ende des miesen Geschachers um Schicksal und Glück abbekommen. Vielleicht hatte der Schneider diese drei hier auch schon öfter gesehen: einmal die Woche zogen sie herum, mit Lächeln und Worten wie Messer. Die Leute gaben ihnen, was es abzugeben gab. Und dafür wurde hier Ruhe gehalten. So liefen die Dinge. Und vielleicht war es nicht einmal der schlechteste Handel, denn solange nur einer die Hand aufhielt, blieb vielleicht noch genug über, dass die Leute über die Runden kamen.
Einer der drei hatte die jüngste Ausbeute der Streifzüge in der Hand: zwei Hühnereier. Der Anführer nahm sich eins, zeigte dann aber mit dem Zeigefinger in einen Hinterhof und nickte seinen beiden Leuten zu, die daraufhin loszogen. Einer wog lässig einen soliden Knüppel in der Hand, der andere stopfte die bisherige Ausbeute weg, um die Hände für mehr frei zu haben. So gingen die Dinge eben.

Der Anführer lehnte sich derweil lässig an die Wand, noch gerade genug sichtbar von jenem Hinterhof aus. Er schlug das Ei an der Wand auf, an der er lehnte, pellte es mit dem Daumen. Sein Blick wanderte über die Gasse, halb gelangweilt, halb gierig. Eierschale knisterte in seinen Fingern, während er in das hartgekochte Weiß seiner Beute biss.

Der Mann war eigentlich nicht sonderlich beeindruckend. Schmutzig, mit strähnigen Haaren, dürr wie ein Haken, mit einem pockennarbigen Gesicht, in dem irgendjemand ihm irgendwann einmal die Nasenflügel aufgeschnitten hatte. Eine Gossenstrafe war das, wahrscheinlich hatte er sich irgendwann doch mit dem falschen angelegt. Vielleicht tat er jetzt dasselbe mit anderen, die ihm in die Quere kamen.
Sein Blick legte sich auf den Schneider. “Oi, was guckst du so?”, forderte er, mit einer unterschwelligen Drohung im Tonfall. “Hab’ dich neulich vor Salvos geseh’n… .” Das klang lauernd, abwartend. Sein Blick glitt abschätzend und abschätzig über die kauernde Gestalt des Schneiders.
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La Cronista
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Re: [Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Der Schneider hatte still unter dem Verschlag gehockt, der einmal ein Teil eines Hauses gewesen war und nun nur noch morsches Holz.
Er hatte gehofft, dass sie ihn nicht bemerkt hätten. Dass sie vorbei gehen würden. Als der eine - ja den hatte er schon mal gesehen, doch wie hieß er? Wusste er das überhaupt je? - stehen blieb, wurde ihm ganz kalt und eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken.
Man geriet hier immer nur in Ärger. Selbst wenn man icht selbst etwas verbrochen hatte, war man das Opfer eines anderen und dieser Typ, diese Typen sahen nach Ärger aus, nach jenen die sich einfache Opfer suchten.

Er hatte sich einfach nicht bewegt, gefürchtet, dass jede Bewegung zu viel ihn verraten würde, doch das hatte ihn auch nicht gerettet. Als die Stimme sich erhob und der Mann direkt zu ihm blickte, schaute der Schneider wie ein Kaninchen vor der Schlange zurück.

Dann fasste er sich. Vielleicht konnte er sich noch herausreden.

"Ich...ich schaue nicht dich an. Ich hab gar nichts gesehen hier...hab nur nach Essen gesucht."
Dabei fällt sein Blick durchaus auf das Ei, dass der Anführer schälte.

Er hätte für ein Ei getötet. Nun, nein vermutlich nicht, das traute er sich gar nicht. Und wenn dann nicht für ein einziges Ei. Aber bei Gott, es sah so lecker aus. Doch er hatte hier überhaupt keine Chance. Der Typ war zwar dürr, aber da waren noch die anderen in der Nähe.

Der Schneider kam unter dem Holzverschlag hervor und erhob sich doch nicht zu voller Größe, blieb stets etwas gebückt. Unterwürfig vor dem gefährlicheren Mann.

"Ich will dich auch nich stören...ich geh dann mal..."
...wenn er denn konnte.
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Signora Achilla
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Re: [Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Der dürre Kerl kaute an seinem Ei herum. Ein paar Splitter Eierschale klebten ihm am Kinn und seine schmutzigen Finger machten das glänzende, frische Weiß des gepellten Eiweiß grau.
“Wart ma’”, sagte er lässig und warf mit seiner linken Hand das zweite Ei einmal in die Höhe und fing es auch wieder. “Du gehörst nicht zu Gimonos Leuten, von den Bettlern? Oder zu den Lumpensammlern?”
Langsam kam er näher, mit der Art von Selbstgefälligkeit, mit der ein Straßenkater sein Revier abschlenderte. Er vertilgte die Reste vom Ei und wischte sich die Finger an der speckigen Lederweste ab, die er trug und die wohl schon öfter solche Behandlung genossen hatte.
“Wie heißt du, eh?” Immer noch schwang in den Worten eine gesunde Portion Mißtrauen mit, doch war die gesalzen mit einer guten Prise von List oder vielleicht einfach schnöder Gier. Das hier war ein Mann, der den Schneider bereits mit Blicken abgeschätzt hatte und seine Pläne spann.
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La Cronista
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Re: [Fluff] Der Weg des Elends [Achilla, SL]

Beitrag von La Cronista »

Der Schneider blieb stehen und verfluchte diesen Tag in seinen Gedanken.
"Patrizio. Ich...eh...ich war Schneider. Bin kein Lumpensammler oder so. Aber Bettler..." er zuckte mit den Schultern. "Das bin ich jetzt wohl. Kenn aber kein Gimono." erwidert er unsicher und leise und doch mit einer leicht geschliffeneren Art zu sprechen als der Mann vor ihm. Man konnte ihm klar ansehen dass er sich in diesr Situation unwohl fühlte. Das war nicht seine Welt und war es auch in den letzten Monaten nie geworden.
"Ich helf hier und da mal aus, aber gibt ja nich wirlich Arbeit..."
Er richtete den Blick auf den schlammigen Boden. In Clavicula stand man bei jeder "Arbeit" direkt mit einem Bein im Grab. Das wusste dieser hier sicher ebenso gut.
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