Gespräche unter Frauen [La Vedova]

[Oktober '16]
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Maria Penthesilea
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Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, sah Maria Polemusa den Strahlen der untergehenden Abendsonne zu, beobachtete, wie diese hinter dem Horizont verschwand. Sie gähnte. Schließlich hatte sie hier den ganzen Tag verbracht, seit den frühen Morgenstunden. Sie blickte auf die magere Ausbeute neben sich: Ein Hase und ein Fasan, beide mit gezielten Schüssen zu Boden gebracht.

Seufzend erhob sie sich und band die Tiere zusammen. Ihr Blick fiel auf die Talismane, die sie an den Bäumen angebracht hatte, aber sie entschied sich, diese dort zu lassen.

"Kein Glück?" sagte eine Stimme hinter ihr und Maria Polemusa konnte es gerade so vermeiden, zusammenzuzucken. Langsam drehte sie sich um und sah Maria Penthesilea ins Gesicht. Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Bisher nichts. Vielleicht doch eine Jägerin? Oder sie kommt gar nicht mehr." Schulterzuckend setzte sie sich in Bewegung. "Ich bin jedenfalls müde. Gute Jagd, Schwester." Ein Lächeln, schwach, dann verließ sie den Ort.

Maria Penthesilea sah ihr nach, lächelte ihrerseits melancholisch und ließ sich dann an einem der Bäume nieder. Und wartete.
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La Vedova
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Die Witwe war es nicht gewöhnt, dass die Tage so lang und hell waren und die Nächte so kurz.ZUm Glück war nun bald wieder Herbst und dann Winter, mit längeren Zeiten der Dunkelheit.
Mit Reisekleid und festen Schuhen sowie einem locker um ihren Kopf geschlungenen Tuch stampfte sie erst die staubige Straße entlang, bis sie an einer ihr geeignet erscheinenden Stelle einfach abbog. Sie trug einen Weidenkorb bei sich, in den sie bei gelegenheit einzelne Blüten und Kräuter hinein legte.

Sie summte eine leise Melodie, ein Erntelied, erst leise und dann mit jedem Schritt wohlgelaunter.

"Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Er mäht das Korn, wenn's Gott gebot,
Schon wetzt er die Sense,
Daß schneidend sie glänze,
Bald wird er dich schneiden,
Du mußt es nur leiden,
Mußt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein..."


Im Olivenwäldchen schnitt sie sich hier und dort geeignete Zweige mit einer Kräutersichel von den Ästen, aus denen sie im Gehen einen Kranz flocht und sah sich suchend nach Maria um.
Ihre Schritte waren vorsichtig und bedacht, die Sichel steckte in ihrem Gürtel, ihre Hände waren tintenbefleckt. Genießerisch sog sie den süßen Duft der Gräser und Bäume um sich herum ein.
Ja, sie sollte öfter einfache Spaziergänge unternehmen, die sie aus der Stadt hinausführten.

"Was heut noch grün und frisch da steht,
wird morgen schon hinweggemäht:
Die edlen Narzissen,
Die Zierden der Wiesen,
Die schön' Hyazinthen,
Die türkischen Binden.
Hüte dich schöns Blümelein..."
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Maria Penthesilea
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Obgleich der Mond hell schien, war es zwischen den Bäumen recht dunkel. Und so stach der seltsame weiße Gegenstand, der vor ihr im Baum hing, noch deutlicher heraus. Es war ein Schädel, von einem Vogel, vielleicht einem Raben. Er war mit dünnen Lederschnüren zwischen den Zweigen befestigt und mit dunklen Federn und Holzkügelchen verziert. Auf den Schnabel hinaus verlief ein stilisierter Pfeil, zeigte tiefer in den Hain hinein.

Als sie dem seltsamen Wegweiser folgte, sah sie ein Licht zwischen den Bäumen. Fackelschein, der die Schatten der Bäume sich bewegen ließ. Fast wirkten die dunklen Abbilder der Äste wie Arme, die blind hin- und hertasteten.

Neben der Fackel, die in den Boden gesteckt war, saß Maria Penthesilea. Es war ein seltsamer Anblick: Die Frau im Nonnengewand, mitten in der Einsamkeit des Hains. Neben ihr auf dem Boden konnte die Witwe einen Bogen liegen sehen und zwei Pfeile steckten direkt daneben im Erdreich. Die Nonne hingegen starrte in die Flamme, sah dem Licht beim Tanzen zu.

"Du bist gekommen", sagte sie, ohne aufzublicken. "Jägerin."
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La Vedova
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Fasziniert hatte Seinfreda den Wegweiser studiert, bevor sie ihm gefolgt war. Die Szenerie, die sich ihr schließlich bot war wunderschön und so blieb sie erst kurz stehen, um sie sich einzuprägen, bevor sie sich näherte. Sie bemühte sich nicht, leise zu sein und so war es kein Wunder, dass die Nonne sie schon bald bemerkte.
Seinfredas Blick blieb einen Moment am Bogen hängen, bevor sie die Frau betrachtete sowie deren auf das Feuer gerichtetem Blick. Sie selbst machte einen Bogen um die Fackel.
"Natürlich.", antwortete sie schlicht "Wir sind doch verabredet."
Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach. "Bist du alleine gekommen?", offenbar war es ihr fremd, die Frau zu duzen, wollte es ihr aber gleich tun.
Warum die andere sie als Jägerin ansprach, verstand sie nicht ganz. Auch der Aufzug mit dem Bogen und den Pfeilen im Boden war merkwürdig. Was war das für eine Seltsame Nonne, die mit Pfeil und Bogen ihre Nächte in den Olivenhainen zubrachte? Und was hatte es mit dem faszinierenden Baumschmuck auf sich?
Sie hatte so viele Fragen, hielt sich jedoch zurück. Sie wollte die andere nicht überrumpeln, war sie doch froh, dass sich diese überhaupt zu einem Gespräch bereit erklärt hatte.
"Ich freue mich, Euch zu sehen.", sagte sie deshalb einfach und machte Anstalten, sich zu Maria zu setzen.
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Maria Penthesilea
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Auf die Frage nach möglichen Begleitern lächelte die Nonne nur mysteriös. Sie blieb ruhig sitzen, auch wenn der Kappadozianerin auffallen mochte, dass eine ihrer Hände in ihrem Gewand verborgen lag. "Ich bin ebenfalls froh. Froh, dass du gekommen bist." Sie nickte der Witwe zu. "Ich hoffe, deine Jagd war gut."

Maria Penthesilea legte den Kopf schief und schaute die andere nachdenklich an. Ihr Gesicht war durchaus hübsch, wenngleich die Züge etwas zu streng und das Kinn etwas zu spitz wirkte. Es verlieh ihrem Aussehen etwas füchsisches. Seinfreda konnte dunkle Ringe unter den braunen Augen sehen - die Nonne wirkte müde. Aber ihr Blick war hellwach. "Darf ich fragen: Wer hat dir von uns erzählt?"
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La Vedova
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Auf das vielsagende Fuchslächeln hin sah sich Seinfreda noch einmal suchend um, wurde jedoch gleich von der Frage nach der Jagd davon abgelenkt.
Irritiert sah sie die Frau an und runzelte die Stirn. Was hatte sie bloß immer mit dem Jagen? Worauf sie wohl anspielte? Hatte man sie in der letzten Nacht etwa noch verfolgt? Sie räusperte sich verlegen, konnte sich jedoch nicht verkneifen, sich mit der Zunge über die Lippen zu fahren.
Sie setzte sich zu der Nonne ins Gras, auch wenn dabei deutlich wurde, dass sie das wohl nicht oft tat.
"Mir hat keiner von euch erzählt. Weshalb ist dir das so wichtig?",erwiederte sie etwas pikiert auf das erneute Nachfragen. "Ich habe vor letzter Nacht noch nie von dem Orden der Ubertinerinnen gehört. Und, um ehrlich zu sein frage ich mich noch immer, was es mit eurer Schwesternschaft wohl auf sich hat", vielsagend blickte sie auf den Bogen und die Pfeile.
"Und mit dir. Bist du von hier?"
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Maria Penthesilea
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Nun blickte die Nonne ebenfalls etwas verwirrt. "Sagtest du nicht..." Sie überlegte. "Deine Herrin hat dich hergeschickt? Damit du uns triffst?" Sie kniff die Augen zusammen. "Deine Schmerzensmutter, ja?"
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La Vedova
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Die junge Frau hielt kurz inne, denn lachte sie amüsiert auf, nicht ohne sich sofort die Hand vor den Mund zu legen und entschuldigend zu der Nonne zu blicken „Oh, entschuldigt bitte des Missverständnis, Suora, ich glaube ich muss etwas aufklären.“ Sie hielt kurz nachdenklich inne und zwang sich zum Ernst, bevor sie weiter sprach.
„Die Schmerzensmutter, deine Namensvetterin, damit meinte ich die Gottesmutter, die Mutter aller Frauen. Sie, die ihre Hände schützend über unser Geschlecht legt und unsere Schicksalsfäden spinnt. Sie, die Mutter der Moiren, die Mutter des Gottessohnes, die heilige Jungfrau Maria. Sie hat mich zu euch geführt, damit wir gemeinsam etwas großes schaffen können, ich bin mir sicher.“
Seinfreda hielt kurz inne, inzwischen wieder völlig ernst hatte sie innbrünstig eine Hand auf die Brust gelegt, die sie nun wieder senkte.
„Natürlich gibt es auch noch eine andere Meisterin, der ich diene. Doch das ist leider ein Geheimnis, von dem ich hoffe, dass es bei euch gut aufgehoben ist“, sie sah die Nonne verschwörerisch an. „Sollten wir uns jedoch besser kennenlernen, wird eich euch mehr als gerne von ihr erzählen. Sie ist wundervoll…“, sie blickte kurz verträumt in die Nacht „Das erlesenste Nachtschattengewächs, meine Schwester…“, die letzten Worte waren nicht ganz deutlich, ob sie damit die Meisterin oder die Nonne vor sich meinte.
„Doch, seht, wir Frauen, wir sollten zusammenhalten oder nicht? Ich muss dir sicherlich nicht sagen, was du schon lange tief in deinem Inneren weißt: Dass unser Geschlecht von Natur aus der Erleuchtung näher ist. Für uns ist es so viel leichter, unseren Körper zu spüren, wir sind dem Sein und der Schöpfung näher als der Mann. Feminine Symbole stellen seit jeher die formlose Realität darzustellen, instinktiv wählen wir den Schoß als Ursprung des Seins, allem das existiert- Das sein ist in uns, unsere Schöpfung ist in uns, manchmal verborgen. Eine grenzenlose, ewig gegenwärtige Mutter des Universums, oft dargestellt als die Mutter Gottes auf dem Weltenrund. Natürlicherweise sind wir der Erleuchtung näher, wir verkörpern das Unmanifeste.“, ganz im Schwall ihrer Worte gefangen wartete Seinfreda keine Antwort ab „Außerdem müssen alle Geschöpfe und alle Dinge am Ende zur Quelle zurückkehren, ein ewiger Kreis. Die Göttliche Mutter hat zwei Seiten: Sie schenkt Leben und nimmt es auch wieder. Das sind wir, nicht wahr?“
Eifrig sah sie Maria an „Das sind Dinge, die du schon lange wusstest, tief in Inneren, die du nur nicht in Worte gefasst hast, womöglich? Es ist an uns, das Gleichgewicht wieder herzustellen, Maria. Sie hat mich zu euch geführt, allein eure Namen sind schon deutliche Zeichen. „Wir müssen zur Wahrheit des Seins zurückehren, mit Hingabe und Offenheit statt sturem kaltem Verstand. Instinkte sind es, Offenheit, Erlaubnis statt Restriktion und die Fähigkeit, alle Dinge in der liebevollen Umarmung unserer Einsicht zu halten. All diese Eigenschaften sind Verkörperungen des weiblichen Prinzips, der Seins-Energie, die nicht wie der männliche Verstand starr und hart ist, sondern weich, nachgiebig und trotzdem weitaus mächtiger als dieser.“
Sie blinzelte, als würde sie erwachen und warfder Nonne einen langen, hoffnungsvollen Blick zu.
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Maria Penthesilea
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Das Mienenspiel der Nonne während dieses Dialoges war wirklich interessant zu beobachten - allein deswegen, weil es mehrfach so aussah, als ob sie etwas sagen wolle, aber schlicht nicht gegen den Redeschwall ankäme. Spätestens als es um Erleuchtung ging, hatte sie aufgegeben, den Kopf schiefgelegt und blickte die Witwe nur noch fasziniert an.

Als ihr Gegenüber schwieg, wartete die Nonne noch einige Sekunden ab. Man konnte ja nie wissen, ob noch etwas nachfolgte. Erst als sie völlig sicher war, dass Seinfredas Rede beendet war, lächelte sie freundlich. "Viele Worte", sagte sie dann. "Ich muss darüber nachdenken."

Was sie auch tat. Wieder schwieg sie eine ganze Weile.

Dann faltete sie die Hände. "Einige Dinge die du sagst, sind weise. Andere? Ich bin nicht sicher." Sie zuckte mit den Schultern. "Männer und Frauen sind unterschiedlich? Natürlich. Wir erkennen dies. Wir leben dies." Wieder schwieg sie für einen Moment. "Auf Instinkte vertrauen? Ebenfalls eine gute Sache."

Sie blickte Seinfreda direkt ins Gesicht. "Aber: Alles ist eine Frage des Gleichgewichts. Männer und Frauen jagen unterschiedlich. Zwei Gesichter der Jagd. Das eine nicht ohne das andere. Auch Instinkte: Sie sind gut. Nützlich. Machen einen Teil des Jägers aus. Aber ohne Gedanken? Nur ein Tier. Kein Mensch."

Ein unsicheres Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Den Rest? Feminini, Unmannifest, Restriktion? Ich verstehe nicht. Wir schätzen Taten - mehr als Worte. Worte drehen sich. Worte sind wie Wind. Angenehm, aber nicht zu fassen." Das Lächeln wurde stärker, füchsischer. "Du hast viele Worte."
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Re: Gespräche unter Frauen [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Als die Nonne von Gleichgewicht sprach nickte Seinfreda „Du hast Recht. Gleichgewicht, zwei Gesichter von einem Ganzen, zwei Gegensätze, die sich ergänzen, die ohne einander nicht existieren könnten. Gleichgewicht ist das Ideal, doch momentan herrscht kein Gleichgewicht...noch regiert der Verstand, noch befindet sich alles in seinen Klauen, doch das Sein trägt die Verantwortung für alles Leben der Erde und darüber hinaus. Der Verstand ist unser größtes Hindernis auf dem Weg zum Gleichgewicht, zur Erleuchtung und dem Erblühen der Liebe….“
Sie legte den Kopf schief, als Maria schon wieder von der Jagd sprach.
„Worte sind mehr als Laute“, entgegnete Seinfreda dann leise „Worte sind es, die alles was wir wissen, was wir tun, begründen. Ohne Worte wären wir Tiere. Am Anfang war das Wort.“
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