[1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

[Juni '21]
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Giada Salvaza Rossi
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[1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Es war ein heißer und langer Sommertag, an dem die ganze Stadt sich anfühlte als ginge man durch warm-klebrige Molasse, die einem als Schweiß und Straßenstaub auf der Haut klebte und die Schritte verlangsamte, dass sich ein Bote zur Villa des Konsuls von Mascharana, Marcello Embriaci, schleppte.

Es kostete ihn wohl einiges an Willenskraft, sich mit seiner Botschaft nicht ständig Luft zuzufächeln bis er sie dann endlich dort abgegeben hatte und auf einen Becher Wasser oder einen kleinen Lohn hoffte bevor er sich wieder aufmachte.

Die Botschaft sollte zu Händen des hoch angesehenen Herren Marcello Embriaci höchstselbst gehen, enthielt jedoch nur ein recht kurz und einfach gehaltenes Gesuch um Audienz für die Dame Giada Salvaza Rossi da Milano.
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Ilario
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Nachdem er gebeten worden war zu warten, und man ihn in der zwischenzeit verköstigt hatte, wurde dem Boten am späten Abend ein Handgeld gegeben nebst einer Antwort. Die Signora Giada Salvaza Rossi da Milano würde in drei Wochen in der Nacht zum Sonntag erwartet, der Hausherr würde sie mit Freuden empfangen.

In jener Nacht lag die übliche Stille über den Villen Mascharanas, gelegentlich patrouillierten die Stadtwachen durchs Viertel, ansonsten fand das nächtliche Leben wohl eher hinten den Mauern der Mächtigen statt. Die Villa des Konsuls, in der Nähe der Kirche San Nazaret gelegen, war in dieser warmen Sommernacht noch hell erleuchtet. Aus mehreren Fenstern und auch aus dem Garten war Lichtschein wahrnehmbar. Das Tor der Villa stand offen, davor ein schwarzhaariger, drahtiger Mann in den Gewändern eines Edelmanns. Doch die alten, gefühllos dreinblickenden Augen, das zynische Lächeln, die kleinen Narben an den Unterarmen und das Schwert an der Seite, das eher funktional war denn Schmuckstück, sprachen eine andere Sprache. Dies war kein edler Rittersmann, eher einer der solche abstach um sich ihre Börsen zu nehmen. Dennoch verneigte er sich tief und ohne jeden Spott sich die angekündigte Dame näherte, auch ergriff er nicht das Wort. Er wartete auf eine Regung, ein Zeichen der Kainitin die Gast seines Herrn war, bereit sie zu ihm zu führen. Das jedenfalls signalisierte seine Körperhaltung.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die Wahl der Werkzeuge und Waffen, der Mittel und Wege kann ebenso viel und vielleicht mehr sagen als die Worte eines Mannes in der Nacht. Der Gast, die Dame, betrachtete den Diener für einen Moment als wollte sie ihn als ein eben solches Werkzeug prüfend betrachten.
Dann akzeptierte sie dessen Präsenz und unausgesprochenes Angebot mit einem Nicken und machte eine knappe Geste, die ihm bedeutete, voran zu gehen.

Die eigene Begleitung, einen einfachen Hauswächter und eine gestreng und humorlos züchtig wirkende Frau, ließ sie damit im Eingangsbereich zurück. Der Wächter schien vielleicht ein wenig verschüchtert und verunsichert, doch die Frau nahm die Dinge routiniert und klaglos so, wie sie eben waren.
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Ilario
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Abermals verneigte der Mann sich und führte den Gast seines Herrn durch den Garten. Eine Feuerschale erhellte die Nacht ein wenig zwischen den Obstbäumen und spiegelte sich in einem kleinen Teich. Doch schon führte der kurze Weg sie in das eigentliche Gebäude, durch dunkle Flure und eine Treppe hinauf in den ersten Stock, hinein in den von Öllampen erhellten großen Saal. Der Bewaffnete ließ Giada den Vortritt und blieb selbst zurück, schloss die schwere Tür hinter ihr. In der Mitte des Saales stand eine lange Tafel, gesäumt von Gestühl aus altem, schwerem Holz, an ihrem Ende ein thronartiger, größerer Stuhl. Allesamt waren die Plätze verwaist. Folgte der Blick einem kunstvoll gewebten Wandteppich, dessen Motive Szenen eines Kampfes zwischen Sarazenen und Genuesen zeigten, Klippen am Meer mit Toten darauf und ein geborstenes Tor, umgeben von toten orientalischen Kriegern, so gelangte man schließlich zu einem Kamin. Die schwache Glut war beinahe erloschen und in ihrem Zwielicht war eine schlanke, hochgewachsene Gestalt auszumachen.

An den Säumen der Tunika schimmerten Stickereien aus Silberfaden auf dem nachtschwarzen Stoff, als Ilario eine Hand hob und ihr deutete näherzutreten. So sie näher trat beobachtete er jeden Schritt, jede Geste kritisch.


"Seid willkommen in meinem Heim werte Giada Salvaza Rossi, Neugeborene im Clan der Schatten, Kind der verehrten Noellina, Ancilla im Clan der Schatten, Kind des höchstverehrten Totila, Prinz von Mailand und Ahn im Clan der Schatten aus der Linie des Boukephos."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Mit seiner Geste trat sie auch näher. Sie schien sich der Blicke Ilarios ganz natürlich bewusst zu sein. Und wer hätte bei einer Begegnung wie dieser auch anderes erwartet?

“Habt Dank für Euer Willkommen, verehrter Ilario Contarini, Hüter des Elysiums in Genua, Ancilla im Clan der Schatten und Kind des sehr verehrten Lucius Valerius Galba, Ahn im Clan der Schatten”, erwiderte sie und verneigte sich. Kein Knicks oder derlei - die Verbeugung wirkte vielleicht auch darum schnörkellos ernst.
Mit der Erwiderung ließ sie es zunächst bewenden, überließ dem Hausherren den Takt und Rhythmus des Gesprächs und nutzte zugleich die Zeit, um sich ihrerseits ein Bild von ihm zu machen.

Giadas Erscheinung insgesamt wirkte fein, mit teuren Stoffen und Kleidern nach der Mode in der Gegend. Die Farben waren verhalten, doch die diversen Spangen, Schnallen, der Schmuck und auch einige Teile des Rosenkranzes, den sie an der Seite, halb in die breite Schärpe gesteckt trug, waren hübsch und fein geschmiedet.
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Ilario
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Nun denn werte Giada, unser gemeinsamer Bekannter, auf dessen Anraten ihr wohl nach Genua gekommen seid, bat mich euch bei eurer Ankunft zu unterstützen. Dies werde ich auch gerne tun, doch erzählt mir zunächst ein wenig von euch, auf dass sich mir ein besseres Bild ergebe wo und wie meine Hilfe am sinnvollsten für euch wäre. Was trieb euch hierher nach Genua? Wo liegen eurer Meinung nach eure Interessen, wo Stärke auf der man aufbauen kann?"

So ging er direkt in medias res, enthüllte ein wenig um Fragen zu stellen. Von den Antworten mochte der weitere Verlauf des Gesprächs abzuhängen, denn Ilario deutete seinem Gast frei zu sprechen, derweil er jedes ihrer folgenden Worte in allen möglichen Facetten und Ebenen zu analysieren schien.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ja, denn ich schätze den Rat und die Lehre jenes gemeinsamen Bekannten sehr”, stimmte Giada zunächst zu. Ihre Stimme war tief für eine Frau, in einem dunklen, samtigen Alt-Ton. “Auch wenn ich in seinen Lehren erst an der Schwelle stehe.”
“Doch Lehrzeiten treten hinter anderen Pflichten und Notwendigkeiten zurück. Ich komme frisch aus Brescia, welches nun auch an die Tedescii gefallen ist.” Da war ein unterschwelliger Zorn in der Stimme, nicht laut oder grollend, doch merklich. “Verrat. Geschick. Und letztlich ihr Sieg.”

Für einen Moment ließ sie die Nachricht, ob sie nun neu war oder nicht, so im Raume stehen. Sie hatte ihre eigenen Bedeutungen und möglichen Folgen. Sie begann dann neu:

“Es ist mein Wunsch, mich in Genua niederzulassen. Meine Hoffnung ist, meine Studien beginnen zu können. Doch für einen solchen Anfang brauche ich eine Grundlage, auf der dies fußen kann. Die Herrschaft Genuas wird nicht gänzlich gleichgültig und gewiss nicht blind für meine Ankunft sein.”

Sie hob ein wenig das Kinn, wohl nicht gewillt, sich von solcherlei einschüchtern zu lassen.

“Wenn ich es recht verstand, dann wird hier ähnlich wie andernortens auch von solchen, die bleiben wollen, erwartet, dass sie etwas für die Stadt und Domäne beisteuern. Bei einem der Herolde, wenn ich recht unterrichtet bin. In der sterblichen Welt umgeben mich, ähnlich wie Euch, Herrschaft und Handel, so ist beides auch mein Brückenschlag dorthin und zugleich auch zu Euch.”

Hier lächelte sie knapp über die Ironie dieser Dinge. “Die Familie Embriaci hat ihre Wurzeln in Mailand und dort noch weitere Verbindungen. Hier, in Genua, liegen ihre Geschicke anders, und wenn ich recht verstehe, auch durch Euch.”

“Da ich nicht in Eure Angelegenheiten greifen kann und will, ist eine erste Hilfe, die Ihr mir geben könntet, dass Ihr mir die Grenzen aufzeigt. Ich will nicht verschwenden, was Euch und mich gleichermaßen stärkt. Eine zweite Hilfe ist dann Euer Rat: Ich habe vor, anstelle mich in Handelsgeschicke einzumischen, von deren verschlungenen Weisen Genua gewiss bereits voll ist wie ein Vipernnest, die Verbesserung der Handelswege selbst dem Herold anzubieten. Ich verstehe nicht viel vom Handel, doch selbst ich kann sehen, dass schwere Karren voller Metall und Waren von jenseits der Alpen zwischen Mailand und Genua keinen leichten Weg haben. Gieriges Gesindel, Achsenbrüche, abschüssige Wege, zerschlagene Räder - und das sind nur die ersten paar Widrigkeiten auf der Straße und zwischen den Städten. Ich sehe hier eine Möglichkeit, eine Verbindung wieder instand zu setzen, die einst prächtig und stark war.”

Wenn diese letzten Worte eine doppelte Bedeutung hatten, so ließ Giada sich das nicht direkt anmerken. Es war durchaus möglich.

“Natürlich ist das Wegerecht eine Pflicht und eine Ehre für die nobilitas in den Städten und Ländereien. Doch gewiss wäre diese einer Pflege ihrer Straßen nicht abgeneigt, zumal auch Posten für Wegezölle sicher und fest stehen wollen. Was denkt Ihr zu einem solchen Schritt? Und wäret Ihr in der Lage, durch Euren Einfluss hier das Einverständnis des Grafen dazu zu erlangen? Ich bringe von meiner Seite her den Wunsch, Willen und Mittel von Familien aus Mailand - und Genua - mit mir, dass der Handel gestärkt werden solle. Gewiss ergeht es genuesischen Händlern nicht anders. Die Handelsstrecke zwischen Genua und Mailand wäre ein guter Beginn. Wenn dies gelingt - womöglich noch weitere.”
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Ilario
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Interessant, so seid ihr so etwas wie seine Schülerin." Damit ließ Ilario es bewenden und grimme Entschlossenheit trat in seinen Blick. "Brescia ist gefallen. Sie eilen von Sieg zu Sieg, bei aller Berechenbarkeit der Tedesci ist ihr strategisches Können doch immens. Mein sehr verehrter Erzeuger sprach davon Zwietracht in ihre Reihen zu tragen, dies wäre der Weg sie aufzuhalten."

Sorge umwölkte seine Miene und einen langen Moment schwieg der Hüter, dann klare diese auf und er lächelte bitter.

"Genua wird sich gut eignen für eure Studien und eure Anwesenheit hier empfinde ich als dringend notwendig. Die Domäne ist eine Schlüsselstellung für jedweden Nachschub, sei er venezianischer oder sizilianischer Art, um Mailand den Kampf fortführen zu lassen. Zugleich ist Genua nun Teil der See der Schatten. Sowohl eure wie auch meine Linie sehen hier ihre ideologischen Widerdsacher, die nun so wie die Ventrue des Nordens, immer mehr Boden gutmachen. Dennoch spinnen die Schatten des Nordens ihr feines Netz...
Was nun die genuesische Herrschaft betrifft, werden beide, die höchstverehrte Aurore und der sehr verehrte Lydiadas, eure Ankunft mit Argusaugen betrachten. Vielleicht ließe es sich als eine erste Geste der Annäherung vermitteln?"
War da ein Funkeln in den meergrauen Augen das von einem aufkeimenden Plan sprach? In jedem Fall war die Besorgnis die Tedesci betreffend etwas anderem gewichen. Er deutete auf die lange Tafel und die Stühle dort. "Setzen wir uns doch und besprechen das Geschäftliche." Was Ilario dann auch in einer fließenden Bewegung am Kopf der Tafel tat und Giada deutete zu seiner Rechten Platz zu nehmen. "Herrschaft und Handel. Die Embriaci... gut, dass ihr fragt und nicht blindlings nach etwas greift. Die meisten Neugeborenen anderer Clans sind nicht so klug, aber da kann man wohl auch nicht soviel erwarten wie von einer Lasombra.
Zunächst einmal zu eurer Idee die Handelswege zu verbessern. Eine gute Idee, die auch geeignet scheint von ihrer Majestät wohlwollend aufgenommen zu werden. Hier kann ich sicherlich ein paar Möglichkeiten eröffnen, vor allem über den genuesischen Senat, aber Einfluss auf den Grafen ist mir nicht gegeben. Unser sehr verehrter gemeinsamer Bekannter jedoch schon, vielleicht solltet ihr mit ihm darüber beraten. Erst jüngst erwirkte er gräfliche Erlaubnisse für Genua auf sterblicher Ebene und wiewohl der Preis hoch war, kam der Handel zustande."
Als Ilario sich an die lobenden Worte sowohl des Mailänders als auch Galbas über diese spezielle Arbeit erinnerte lächelte er, ein ehrliches Lächeln aus der tiefe seines schwarzen Herzens. "Vielleicht wir er euch zeigen was der Preis des Handels war, wenn ihr eure Studien fortgesetzt habt.
Nun zu der Familia Embriaci in Genua. Ich bin schon darin verwurzelt seit ich in Genua Fuß fasste, doch nicht überall. Zu andersartig sind meine Interessen gelagert, als würden mir Nächte voll Familienpolitik und Handel allein genügen. Der Patriarch ist mein, ebenso wie die anderen von Bedeutung in Mascharana. Ebenso würde ich euch von denen in Domus abraten, dort hat ein Verbündeter seine Finger im Spiel. Er hat mir einen Eid geleistet und es ist durchaus in meinem Interesse, dass er dort die Geschicke der örtlichen Embriaci lenkt. Vorerst würde ich euch zu jenen in Platealonga, den Hafenviertel, raten. Im Siestri ist unser Clan noch kaum vertreten und Macht über die dortigen Embriaci wird immer wichtiger werden. Genua wächst mit seiner Macht zur See. Wichtigster Embriaci dort wäre Konsul Gianluca Marchetti, Großhändler und Schwager der Embriaci. Doch seid auf der Hut, sicher liegen auch andere, gierige Blicke auf ihm."

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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada, die der Geste Ilarios gefolgt war und sich gesetzt hatte, lauschte den Ausführungen aufmerksam. Hier lagen die Schlüssel für die allerersten Tore, die sie für sich auftun musste. Banale, mundane Tore und für so manchen vielleicht ermüdend. Doch eines baut immer auf das andere auf und in Genua haftete auch allem noch der Reiz des Neuen an. Die Art und Worte Ilarios zeichneten auch ein Bild von dem Mann selbst. Es hatte Gründe, weshalb er sich hier, so nah und doch so weit entfernt von den Wurzelns einer Heimat, hatte behaupten können.

Am Ende der Ausführungen neigte sie den Kopf.
“Das Vorhaben um die Straße kann als eine solche Geste der Annäherung gesehen werden”, stimmte sie ruhig zu. Und nicht mehr. “Auf der sterblichen Seite wäre Eure Unterstützung durch den Senat wertvoll. Vielleicht gibt es keinen Widerstand, denn gute Straßen helfen vielen. In dem Falle gäbe es womöglich zu gewinnen: Vielleicht ist man bereit, den Wagen und Karren der Embriaci günstigere Zölle zu gewähren, auf eben den Wegen, die sie instand halten lassen. Die Karren mit Lasten, die allein für den Straßenbau und die Befestigung von Wegestationen bestimmt sind, sollten frei ziehen dürfen. Auf das, was sie geladen haben, Kies, Sand, Stein und Holz, lässt sich ohnehin nicht recht etwas gewinnen.”
Es war wohl auch keine Überraschung, dass sie diese Dinge angedacht hatte und sie nun mit Ilarios Worten in ihren Möglichkeiten entfaltete.

“Von Mailands Seite her werde ich versuchen, einen ähnlichen Beginn zu erwirken. Pavia wird eine andere Angelegenheit. Es gibt Straßen östlich und westlich daran vorbei, denn die Überquerung des Po und des Ticino ist an die Launen der Wasser gebunden. Doch falls es gelänge, wenigstens in der sterblichen Welt die Verbindungen dorthin ebenfalls instand zu setzen, vielleicht mit hilfe der Verwandten und Handelspartner dort, wäre es ein weiterer Gewinn. Pavia sollte nicht zur Pavise werden.”
Es war eine Anspielung auf die schweren, mauerartigen Schilde, die auf Schlachtfeldern aufgestellt werden konnten, so dass Schützen sich dahinter verbergen und aus der Deckung feuern konnten.

“Für Eure Worte wegen der Embriaci danke ich Euch. Ich will mich mit ihnen nach Platealonga wenden und jenen Konsul ins Auge fassen. Und wenn doch andere, gierige Hände bereits nach ihm greifen wollen, ist am Ende doch Blut stets dicker als Wasser und das Blut der Embriaci entstammt Mailand und Genua.”

“Wenn es Euch gefällt, so lasst Euren Eidvasallen von mir wissen. Gemeinsame Interessen schaffen gemeinsamen Boden, auf dem sich Wege bereiten lassen. Dass ein Eid an Euch ihn bindet, schafft den festen Grund dafür.” Ja, ein Eid schien keine einfache oder kleine Sache für sie zu sein. Er hatte Bedeutung und daraus ergaben sich Folgen.

Nun faltete sie die Hände und lehnte sich auf ihrem Platz ein wenig zurück. Die Angelegenheiten der Sterblichen Seite der Dinge waren besprochen. War sie froh darum? Es schien fast so.

“Es ist meine Hoffnung, es Euch mit der Zeit gleichtun zu können, so dass meine Nächte nicht allein diesen Geschäften gehören und ich meinen Studien und Interessen folgen kann. An dieser Schwelle zu stehen, ist ein erhebendes Gefühl. Und zugleich ist es niederschmetternd: Vor der Gewalt dessen, was ich nur in Blut und ersten Lehren erahnen kann, bin ich unbedeutend und alles um mich her ist nur Staub in vergänglichen Farben. Es verändert den Blick auf die Welt, die bisher alles war, das ich kannte, und die ich daher für alles hielt. Diese Illusion ist zerbrochen und ich kann nicht in ihren Trümmern stehen bleiben.”
Dies waren persönliche Worte, Ausdruck einer Art von Verzweiflung, die einen Menschen in der Seele zerbrechen konnte. Doch Giada war kein Mensch mehr und ihre Worte waren fest.
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Re: [1055] Harte Tatsachen [Giada, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Er hörte zu und schwieg eine Weile, als würde ihn die Mühsal der Sterblichen und ihrer Straßen kaum berühren, abseits der Stärkung der beiden Städte als Ganzes. "Eure Ideen sind gut, vor allem um in Genua vielleicht einige Wogen zu glätten und Misstrauen zu umschiffen. Letzteres wird nur bei den naiveren Geistern und jenen denen die Verhältnisse in unserem Blut fremd sind funktionieren, aber immerhin."

Er schmunzelte ob ihres Wortspiels mit der Pavese, kam Ilario doch ein finsterer Gedanke.
"Vielleicht... wollen wir das doch. Nehmen wir einmal an Genuas Handel und Wohlstand würde durch Pavia bedroht und nehmen weiter an eine nicht unwesentliche Anzahl weiterer Kainiten hätte in den Ausbau der Handelsrouten investiert, in Erwartung steigender Profite... Und dann erwiese sich Pavia als Hindernis, als Minderer des erwartbaren Gewinns, als Feind genuesischer Interessen?" Ein verschwörerisches Lächeln zeichnete sich ab.

Zu seinem Eidvasallen nickte Ilario nur, beließ es dabei, und wandte sich den weiteren Worten seines Gastes zu. Bedächtig nickte der ältere Schatten.
"Vor euch liegt ein langer, düsterer Weg und wenn ihr ihn beschreitet ist es von äußerster Wichtigkeit euch nicht selbst zu verlieren. Ihr müsst stets die Kontrolle behalten im Umgang mit den speziellen Kräften die uns gegeben sind... Vorsicht ist dabei geboten, aber auch eiserner Wille.
Wenn der dessen Protegé ihr seid zu weit entfernt ist, kann ich euch bei euren nächsten Schritten sicherlich auch behilflich sein."
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