[Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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Angelique
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[Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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Raue See, aber guter Wind. Die Nef "La Madonna Nigra" kam gut voran, dicht gefolgt von der Begleitgaleere "Pandora" und schon vor dem erwarteten Termin lief sie in einem namenlosen Fischerdorf Kalabriens ein. Im wolkigen Morgenhimmel stiegen Dutzende von Rauchsäulen auf und die Hügel waren bedeckt mit bunten Zelten und die so typischen langen Wimpel der Normannen flatterten im Wind. Dutzende Schiffe lagen bereits am Strand und dickbauchige Nefs lagen vor Anker in der Bucht.

Die seekranken, aber tatendurstigen Söldner Genuas stürmten an den Strand und mancher dankte Gott auf Knien, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Die Anführer führten die kostbaren Pferde von der "La Madonna Nigra" herunter. Nefs waren die einzigen Schiffe, die sicher Pferde transportieren konnten. Und so waren neben der Schar genuesischer Söldner auch viele andere normannische Glücksritter an Bord, die der Lockruf des Goldes nach Süden zog.

Der junge D'Ors sog tief die frische Luft ein und genoss den Wind, während ein anderer Jüngling neben ihn trat.
"Dort oben weht das Banner meines Bruders", sagte Roger von Hauteville, den Chronisten später als "einen jungen Mann von größter Schönheit, hoher Statur, anmutiger Gestalt, äußerst redegewandt und gelassen in der Beratung" beschreiben würden.
Heute war er nur einer von vielen unbedeutenden nachgeborenen Söhnen der Familie Hauteville mit nichts mehr in seinem Besitz als Pferd, Rüstung und Waffen.

Die Familie von Hauteville war riesig wie die meisten der nordfranzösischen armen Adelsfamilien, die Nachfahren wilder Wikinger waren.
Einzig in der Ferne und durch Eroberung mochten die vielen landlosen Söhne ihr Schicksal verbessern.

Und so sammelten sich nach Abenteuer, Ruhm und Reichtum hungrige Normannen zuhauf und fielen wie eine Plage Gottes über die reichen Besitzungen Konstantinopels und der Sarazenen herein.
D'Or und seine kleine Schar mittendrin. Er hatte schon einen kleinen Gewinn in der Freundschaft des charismatischen Roger gemacht, die er nun vertiefen würde.

Der ältere Bruder Rogers, Robert Guiskard, ein beeindruckender Anführer und wie ein zukünfitges Abbild Rogers, empfing seinen jungen Blutsverwandten mit inniger Umarmung vor seinem Zelt. "Mein Benjamin! Gott sei gedankt, dass er dich wohlbehalten hergeführt!"

"Mein Josef!"´, antwortete scherzhaft der Junge auf die biblische Anspielung. "Auf die Genueser Schiffe ist wie immer Verlass. Und ich habe auch ein paar italienische Verwandte von dort mitgebracht! Das ist der junge D'Or von den Wachbattalionen Genuas. Sie haben viele gute Armbrustschützen."

Der charismatische Kriegsherr grinste wölfisch und das blutrünstige Erbe der heidnischen Vorfahren schimmerte unter der dünnen, christlichen Tünche hindurch. "Thur aïe! Solche wie euch, kann ich gebrauchen!", sagte er und ergriff den Unterarm des jungen D'or.

"Ein Wolf Odins", murmelt im Hintergrund ein alter Sergeant seinem Kameraden zu. "Wir müssen aufpassen, dass er uns nicht auch verschlingt!"
Der andere Sergeant meinte: "Und wir müssen noch mehr aufpassen, dass die alten Wiedergänger der Sarazenen und Romanoi nicht unsere Angi für ihren Untergang verantwortlich machen."
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Angelique
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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Als es Nacht wurde, öffnete sich erst der innere Deckel, dann der äußere der schweren Reisetruhe und die blassen Händchen der Untoten erschienen am Kistenrand, um die schläfrige Kindervampirin Angelique herauszuziehen.

Alsbald hüpfte das unscheinbare Kind unsichtbar in der neuen Umgebung umher und schaute staunend das Heerlager an und besuchte auch das nahe Fischerdorf, um bei der Kirche ein Dankesgebet zu machen und vielleicht ein SPende zu hinterlassen.

Die trunkenen und feiernden Normannen, die Äxte in Türrahmen, die den Anspruch zum Plündern ihrer Besitzer anzeigten, und das Kreischen geschändeter Frauen, schockierten die alte und doch so jung wirkende Vampirin nicht im Geringsten.
Die Bibel gab klar vor, wie lange Soldaten des Herrn eine eroberte Siedlung plündern und schänden durften. Es war das Normalste in dieser rauen, bösen Welt des Demiurgen.

Aber als sie sich der wehrhaften Kirche näherte, stockte sie im Schritt. Etwas war anders, als es sein sollte. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, was genau falsch war.
Angelique konnte sich ohne den wohligen Schauer oder gar Schmerz dem Heiligen Ort nähern. Er musste entweiht worden sein!
Was für ein scheußliches und unchristliches Verbrechen. Warum taten die Normannen so etwas?

Die Antwort traf sie wie ein Donnerschlag. Das orthodoxe Kreuz des Herrn war dem Altar entrissen worden und lag nun in Dreck und Pferdeäpfeln auf der Straße. Mit den Füßen voran war der Geistliche der Kirche an einen Obstbaum gehängt worden. Der Schädel des Unglücklichen war eingeschlagen wie von einer schweren Keule.

Sie verstand nicht. Die Normannen waren doch gute Christen, wenn auch raue Gesellen. Warum hatten sie das nur getan?
Als sie in die Kirche selbst hineinspähte, lauschte sie einem Gespräch und verstand plötzlich. Grauen erfasste sie, als sähe sie bereits die blutige Zukunft.

Da stand der Kriegsherr Robert Guiskard de Hautville, umgeben von seinen Brüdern und Waffenträgern und stritt mit schneidender Ironie in der Stimme mit einem Mann in Kettenhemd und weißem Umhang, der mit dem Goldenen Schlüssel des Vatikans verziert war:
"Was soll dieser Unsinn, Eminenz? Für den Popen hätten wir gutes Lösegeld von den Oströmern bekommen. Außerdem ist jetzt der Pöbel in der ganzen Gegend sauer und wird unruhig sein. Darf ich Euch in Eurem gerechten Zorn daran erinnern, dass das hier mein Lehen werden soll?
Ich gedenke nicht, meine Zeit mit aufständischen Bauern zu verschwenden, nur weil deren Pfaffen ungesäuertes Brot beim Abendmahl fressen und Ihr kein ungesäuertes Brot mögt! Unterlasst das in Zukunft, sonst hänge ich Euch neben Euren Kollegen an den Eiern auf!"

"Impertinenter Söldling!", bellte der Gepanzerte in Weiß. Das Weiß, so sah Angelique mit ihren geschärften Sinnen war mit roten Flecken gesprenkelt, ebenso ein schwerer Streitkolben am Wehrgehänge des Mannes.
"Wie redet Ihr mit dem Legaten Seiner Heiligkeit?!"

"Wie ich mit jedem Halunken rede, der meine Geiseln, die sich ergeben haben, meuchelt", sagte der Normanne mit wölfischem Grinsen und ohne jede Angst vor dem offensichtlichen Gesandten des Papstes. Schwerter wurden hinter dem Bischof von seinen römischen Kriegern gezogen, Normannen zogen ihrerseits ihre Waffen blank.

Robert Guiskard winkte aber ab. "Genug Blut vergossen in dieser Kirche, denkt ihr nicht, Eminenz? Sagen wir, Ihr zahlt das übliche Wergeld für den Popen an mich und ich lasse diesen Ort wieder so weihen, wie der Heilige Vater das toll findet. Mit einem Balken weniger am Kreuz vielleicht? Und mit besser schmeckendem Brot?"
Er lachte, dass es in der entweihten Kirche nur so schallte und die Kriegsmannen beider Seiten fielen mit ein.

Der Legat des Papstes schaute für einen Moment noch hasserfüllt, aber dann lachte auch er.
"So wollen wir es halten. Ich entschuldige mich, dass ich dem griechischen Ketzer die gerechte Strafe Gottes für seine Worte gab, ohne an Eure Rechte zu denken, Herr Graf."

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, dachte Angelique bitter.
Als die lärmende Schar weiterzog, schlich sie in die Kirche zum Altar. Leise betete sie auf Knien und versuchte das eigene Gleichgewicht wiederfinden, das die christliche Welt gerade für 1000 Jahre im Großen Abendländischen Schisma verloren hatte.

Sie weinte bitterliche Tränen aus Blut, als sie teils als Orakel, teils mit eigenem Instinkt verstand, dass das christliche Abendland nun zerbrochen war.
Kleine Tröpfchen fielen auf das Altartuch. Sie fielen dort nicht auf, denn das Blut des Popen hatte es bereits besudelt.

Und Meere aus Blut würden in den nächsten Jahrhunderten folgen.
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Angelique
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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"Laaangweilig", moserte Roger von Hauteville und D'Ors stieß seinen Ellenbogen in die Rippen des jungen Adligen.
"Pssst", murmelte der in Genua geborene Normanne und versuchte den Lagebesprechungen im Zelt zu folgen.

"Wir könnten jetzt bei der Bauerntochter mit dem Rabenhaar sein", maulte Roger weiter. "Du weißt doch, die sich von uns beiden die Kapelle gleichzeitig sprenkeln ließ."

"Hah, ich weiß nur, dass du so besoffen und ungeduldig warst, dass du sie über die Nordwand bestiegen..."
D'Or kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Robert Guiskard de Hautville schlug mit der gepanzerten Faust auf den Tisch, sodass manche Schachfigürchen, die Truppen symbolisierten, umfielen. "FRESSE, IHR ZWEI SPASSVÖGEL! Ich wiederhole den Aufmarschplan zum zweiten Mal, damit auch junge Hohlköpfe wie ihr, die mit dem Hahn denken, es im Flusenhirn behalten können!"

Die Gruppe Anführer im Kommandozelt lachte und die beiden Jünglinge schwiegen bockig.
"Also", nahm Robert seine Schlachtpläne wieder auf, "wenn die Oströmer ihre Infanterie aufstellen, werden Krieger darunter sein, die wie angelsächsische Huscarls mit riesigen Äxten bewaffnet sind. Das SIND Angelsachsen und Dänen. Wenn eure Pferde und eure Hälse euch also etwas bedeuten, meidet jeden Angriff auf die. Dann werden da noch braune Leute mit komisch geschwungenen Bögen sein. Das sind Sarazenen. Wenn die sich ergeben, wird Legat Arschloch, der Bruder von Gerhard von Burgund, dem toskanische Knabenschänder, wollen, dass wir sie hinrichten. Das wird NICHT passieren. Die sind Miletes aus Sizilien und Kalabrien. Nur halt Muselmanen. Ich will die zum einen selber haben, weil sie gute und treue Krieger sein sollen, und zum anderen sind sie Söhne dieses Landes, das ich beherrschen will. Wie ich Legat Arschloch schon gesagt habe, wie die Leute hier Gott nennen oder ob sie auf Teppichen zu ihm beten, ist mir egal, wenn sie mir Abgaben zahlen.
Die rechte Flanke wird morgen..."

Ein Soldat tragt ein und Robert seufzte und rollte in erstaunlicher Familienähnlichkeit zu Roger mit den Augen. "Ja, unterbrecht mich alle! Bin ja nur der Fürst, der eure leeren Köpfe morgen retten will! Was ist, Wache?"

"Herr, ein Gesandter aus Neapel ist eingetroffen", sagte der Kriegsmann eingeschüchtert.

"Hm, Neapel sagst du", meinte Robert Guiscard. "Lass ihn rein! Worauf wartest du?"

Die Wache eilte hinaus und ratlos murmelten die Kriegsherrn der Normannen, Was wollte Neapel von ihnen. Wussten sie etwa, dass sie als erstes sie ziehen wollten, weil sie Verbündete der Oströmer waren?

Ein Mann trat ein, begleitet von zwei Dienern, die eine schwere mit Eisen beschlagene Truhe schleppten.
Der Mann trug eine Lamellenrüstung und einen Umhang in den Farben Neapels. Lederstreifen an Hüfte und Schultern der Rüstung zeigten die Tradition von Byzanz.
Er hatte eine aristokratische Ausstrahlung und gepflegte Erscheinung. Sein Lächeln war so gewinnend wie das des Robert Guiscard.
"Ich bin Pandulf aus dem Geschlecht der Capiferrei von Benevent und spreche sowohl für die entrechteten langobardischen Adligen, als auch für die neue Communitas von Neapel. Wir wollen Euch helfen in Eurem gerechten Krieg. Aber mir scheint, Ihr marschiert in die falsche Richtung.
Messina, das von den Heiden gehalten wird, ist Euer Feind und sollte Euer Kriegsziel sein, wenn Ihr den Süden beherrschen wollt."

Robert hob eine Braue. "Und zufällig der Konkurrent Neapels im Handel, nicht wahr? Was außer Euer Wort hätten wir davon, uns mit Neapel zusammenzutun."

Pandulf verneigte sich formvollendet. "Unseren Lehnseid, zukünftiger Graf... und den der langobardischen Adligen, die den Weg zum Glauben der Sarazenen fanden."

Er tat, als fiele ihm gerade noch etwas ein: "Ach ja, und diese Truhe hier vergaß ich fast!"
Die Diener leerten den Inhalt auf den Boden. Klimpernd und klirrend häuften sich glitzernde Silbermünzen auf dem Boden.

Während die Normannen jubelnd und lachend wie hungrige Wölfe auf Beute sich auf das Silber stürzten, lächelten Robert Guiscard und Pandulf aus dem Geschlecht der Eisenhaupts.
Eine Allianz war geschmiedet mit feinstem Silber und leitete den Untergang der Vorherrschaft der Sarazenen im Süden ein.

Ein kleiner unbedeutender Schreiberjunge hielt das alles mit Griffel auf Wachstafel fest.
Angelique lernte auf dieser Reise viel. Über Politik, über den Adel und über das Herz der Menschen.
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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"Meth hēmon ho theos!" Mit dem Gott mit uns!-Ruf der Byzantiner sauste die mörderische Axt nieder und trennte den Kopf des Destriers sauber vom Rumpf. Das Pferd überschlug sich in einer Fontäne aus Blut und begrub den Reiter unter sich.

Mit einem Karussell des Todes ließ der Waräger Rus der kaiserlichen Garde seine Axt kreisen. Die Waffenknechte des unter seinem treuen Ross begrabenen jungen D'Ors wichen zurück. Niemand wagte es in den Todeskreis des Elitekriegers vorzurücken, um dem jungen Herrn zu helfen.
Das Bein des jungen Kriegers war eingeklemmt und wahrscheinlich gebrochen, der Schild geborsten und er kam nicht an sein Schwert heran!

Der Waräger würde ihn nicht für Lösegeld gefangen nehmen! Die Oströmer befanden sich auf dem Rückzug und er würde keine Zeit für einen Gefangenen haben. Verzweifelt hieb der junge Normanne mit dem Schildrand gegen die Schienbeine des Hünen.
Doch der Söldner aus dem hohen Norden spürte das nicht einmal. Er trug die beste Rüstung, die man in diesem Zeitalter kannte und selbst seine Waden waren mit Metallplatten gepanzert.

Nicht so! Nicht so sinnlos! kreischte jeder Gedanke des Jungen.
Da schlug ein Armbrustbolzen in den Schild, den der Däne auf dem Rücken trug. Er brüllte überrascht auf, denn das Geschoss durchschlug Schild und Schuppenpanzer und, obwohl es danach nicht mehr gefährlich war, verletzte es den Elitekrieger leicht.

Der Waräger sah sich hektisch um, als ein zweiter Bolzen neben ihn ins blutgetränkte Gras einschlug. Er riss den Schild vom Rücken und nahm die Langaxt in einhändigem Griff, während er langsam zu seinen Kameraden zurückwich, wo das Banner Ostroms flatterte.

Die Waffenknechte, junge Krieger aus Genua und Kalabrien schlossen nun zum hilflosen D'Or auf und bildeten einen schützenden Wall aus Schilden um ihn, während man den jungen Normannen unter seinem toten Ross hervorzog.

Ein halbes Schlachtfeld weiter lud Tancred seine Armbrust in der Deckung eines Tropfenschildes nach. Der alte Krieger schüttelte seufzend den Kopf.

Hatte der Junge nicht zugehört, als befohlen wurde, nicht die Wärager Garde anzugreifen?
Nun, er hatte überlebt und konnte darüber nachdenken. Das konnten viele junge Heißsporne nicht, die es ihm gleich getan hatten.
Und wäre nicht Angis Blut gewesen, das Tancreds Augen zu denen eines Falken werden ließ, wäre D'Or genau so zerhackt worden wie sein Destrier.
Das Pferd zu ersetzen, würde all das gute Silber auffressen, was Haus D'Or bisher erbeutet hatte.
Junger Trottel!

Und eine Mahnung, dass die Orakel Angis zwar vom Überleben sprachen, aber nicht vom Preis davon!
Wenigstens würde der kleine Engel reichlich von den Sündern speisen können, wenn die Nacht hereinbrach.
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Angelique
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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Es war ein prunkvolles Spektakel. Bunte Schilde, Mäntel und Fahnen, Ergreifende Reden und Schwüre, Gottesdienste und Feste.
Am Ende wurden unter dem Segen der Kirche die Lehen des neuen Grafen Süditaliens an seine Mitstreiter vergeben.

"Und ich?", meinte D'Ors enttäuscht, als all die Verwandten der Hautevilles, die langobardischen Überläufer, ja sogar die Moslems und Byzantiner, die sich dem normannischen Kriegsherrn angeschlossen hatten, mit Lehen und Reichtümer entlohnt worden waren.

Der Anteil der Genueser war gerade genug, die Ausgaben zu decken. Und kein Landbesitz war für sie abgefallen.
Einzig die Flotte Genuas, die Nachschub an Menschen und Material aus dem Norden brachte, verdiente sich dumm und dusselig.

Roger umarmte seinen Freund und wuschelte dessen blondes Haar.
"Hey, Kopf hoch!", tröstete er ihn.
Der junge Normanne deutete von der Küstenlinie über das Meer nach Süden.
Im beginnenden Dunkel des Abends sah man in der Ferne Lichter einer gigantischen Stadt funkeln.
"Siehst du das, Waffenbruder?", fragte er grinsend. "Da liegt Messina. Das Tor Siziliens! Wenn wir uns erst etabliert haben und unsere Burgen stehen, dann ist diese Frucht da reif."

Er tat so, als griff er zum Horizont und umfasst die ferne und doch so verführerisch nahe reiche Stadt der Sarazenen.
"Bald, in ein paar Jahren sind wir stark genug! Und dann will ich dich dabei haben! Dich und deine Genuesen! Und dann wird dich Reichtum und Ruhm erwarten! Nicht nur die paar Almosen!
Lass mich erst selber einen Titel haben und aus dem Schatten meines Bruders treten! Ich werde dich nicht vergessen und wie du mir geholfen hast, als ich nur der kleine Bruder war!"

D'Or grinste schief. "Du bist größenwahnsinnig! Ich meine, Messina gehört den Heiden, seit unsere Vorfahren noch für Thur und nicht für Jesus stritten!"

"Hah, ja und? Das hat man zu Herzog Rollo damals auch gesagt! Und DAS da ist MEIN Traum! Und der ist größer als der Rollos!"

Man muss ihn einfach nur lieben, dachte D'Ors. Ich bin wohl genauso irre wie er, aber wenn er ruft, werde ich folgen!
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

Beitrag von Angelique »

"Na, was sagst du?", wollte Roger wissen und drehte sich im Sattel um. Ein hoher Sattel auf seinem robuster Destrier, das Geheimnis des Erfolgs der modernsten Kavallerie des Abendlandes.
Der junge Adlige grinste und machte eine ausholende Geste, die die schroffen Terrassen mit ihren in den Hang gebauten Steingebäuden einschloß.

"Dass du ein Nest Mauersegler als Lehen bekommen hast? Oder dass mir der Hintern vom langen Ritt weh tut?", gab D'Or zurück. Er war müde und sein Bein schmerzte wieder. Das würde sich wohl bei Wetterumschwung den Rest seines Lebens nicht mehr ändern.
Ein Andenken an die Schlacht, die fast sein Leben gekostet hätte.

Die Laune von Roger, der von dem Tatendrang eines Alexander des Großen beseelt war, war ungetrübt und voller Elan.
Er lachte. "Ja, genau! Mauersegler! Der war gut!"
Platzend vor Besitzerstolz sagte er: "Das ist Scalia! Mein Lehen. Die uneinnehmbarste Festung des Südens. Bisschen klein, aber ideal, um Armeen zu stoppen.
Und das beste: schau da, die Mündung des Fluß Lao. Deine Boote können da ankern, wenn du in den Süden fährst... und eines Tages Sizilien für mich angreifen wirst."

D'Or schüttelte den Kopf, musste aber auch lachen. "Es ist dir ernst, nicht wahr? Warum eigentlich?"

Roger nahm den Helm ab und schaute nach Norden. Sein volles, blondes Haar wehte im frischen Seewind. Wehmütig begann er:
"Es gibt da ein Mädchen. Judith, ie Tochter von William d'Évreux, dem Sohn des Erzbischofs von Rouen.
Wir kennen uns seit, naja, seit ich denken konnte. Hör auf zu lachen! Jedenfalls meinte sie einmal, als wir Vater, Mutter, Kind spielen wollten, sie könnte mich nicht heiraten, nicht mal im Spiel, weil die die Enkelin des Erzbischofs sei und ich doch nur ein landloser Niemand.
Da habe ich ihr bei Thur und Jesus geschworen, dass ich einst mehr Land als ihr Großvater besitzen und sie dann noch mal fragen würde."

D'Ors Lachen erstarb, als er den Ausdruck auf dem Gesicht den Jugendlichen sah. Roger meinte das todernst und die Sehnsucht unerfüllter Jugendliebe war in seiner Miene zu lesen.
"Ist das das kleine Mädchen, das das Mündel von Robert de Grandmesnil, der in Fehde mit Wilhelm dem Bastard ist?"

"Ja, das ist ihr Halbbruder. Und sie ist nicht klein! Sie ist eine junge Dame, für die ich Krieg mit dem ganzen Haus des Islam und Ostrom dazu führen würde, um ihr Sizilien zu Füßen zu legen."

Auch das meinte sein Freund todernst. Diese Judith war seine Helena und Sizilien sein Trojanischer Krieg!
Und das trutzige Scalia war sein Brückenkopf, sein gepanzerter Fuß in der Tür Siziliens.
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

Beitrag von Angelique »

"Wer sind denn die?", wollte Roger von seinem Bruder Robert Guiscard wissen, während er den wilden Kriegern zusah, die im Hafen von Reggio von Bord venezianischer Galeeren anlandeten.

Inzwischen war er von einem Jüngling zu einem jungen Mann herangereift, seinem Bruder immer ähnlicher werdend und von ähnlich eindrucksvoller und charismatischer Ausstrahlung.

Er hatte auch große Erfahrung sowohl in Verwaltung seiner kleiner Räuberbaronie, als auch in zahllosen Überfällen und Piratenstücken auf die Feinde der Normannen gesammelt.

Trotzdem verblüffte sein älterer Bruder ihn immer noch mit genialen und überraschenden Schachzügen.

Die neuen Söldner, die da kamen, hatte er noch nie gesehen. Die Venezianer hatten sie wohl von der anderen Seite der Adria angeschleppt.
Wilde, schnauzbärtige Gesellen mit bunten Hemden und primitiven Schilden, zumeist mit Speeren und Äxten bewaffnet.

"Das sind Slawen", erklärte Guiscard.

"Sklaven?", echote Roger, der das nicht ungewöhnlich fand, nutzten doch auch die Sarazenen versklavte Knaben als Soldaten.

"Nein, Slawen", berichtigte der Ältere, "so nennen die sich selber. Heißt bei Ihnen, glaube ich, so was wie Sabbelköppe, weil nur sie ihre seltsame Sprache aussprechen können und die Sachsen und Oströmer nicht, die meist mit ihnen zu tun haben."

"Danke für den Unterricht in Völkerkunde, Bruder, aber sag an, wofür brauchen wir diese Wilden genau? Ich dachte, du hast Myriaden Kalabresen und Sarazenen, die wir für die Invasion Siziliens benutzen wollten. Brauchen wir noch mehr Söldner? Können wir uns das überhaupt leisten?"

Robert lachte schallend. "Ohne dich und deine schlaue Idee, die Stadtsarazenen zu gleichgestellten Adligen zu machen und nur die Landbevölkerung zu Leibeigenen, hätte ich diese Myriaden gar nicht.
Trotzdem hast du bei all deiner Toleranz für unsere heidnischen Freunde etwas noch nicht begriffen: Sie kämpfen nicht gerne für Ungläubige gegen Ihresgleichen.
Dafür sind also die christlichen Söldner von der anderen Seite der Adria.
Haben aber erst mal Messina erobert, werden unsere Sarazenen UND die Siculo-Muslime von Messina freudig gegen das oströmische Bari ziehen, weil wir ihren Glauben respektiert und unser Wort gehalten haben.

Und was das Geld angeht. Mach dir keine Gedanken, Venedig und der Papst finanzieren die Slawen und die sind billig. Die meisten wollen nur Beute und Land. Und beides werden wir im nächsten Jahr genug haben."
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

Beitrag von Angelique »

Es waren Jahre vergangen und obwohl der junge D'Or recht häufig mit den Schiffen seines Hauses unterwegs war, sah er die Hautevilles erst jetzt bei der Heerschau, die sie hielten, wieder.
Immer mehr Söldner aus der Normandie und anderen Teilen der nördlichen Reiche buchten die Überfahrt bei den Genuesen und Pisanern, seit es hieß, der griechische Süden Italiens sei vor dem Fall und Reichtum und Land winkten den Gewinnern.

Bei Reggio war es, wo die Truppen sich für die Frühjahrsoffensive sammelten. Und bereits der Hafen war ein beeindruckender Anblick!
Ein Wald aus Masten erhob sich und am Pier stapelten sich die auseinandergebauten Einzelteile gewaltiger Belagerungsmaschinen und Geschütze.
Zelte waren rings um die Hafenstadt aufgeschlagen, denn sie konnte die Heerscharen nicht unterbringen.

D'Or wusste, dass die beiden Brüder sich damals wegen ausstehenden Soldes überworfen hatten und die Räuberhöhle Scalia, wo er sich das letzte Mal mit Roger getroffen hatte, ein Lehen Wilhelms und nicht Roberts gewesen war.

Aber offenbar hatten sie sich die ehrgeizigen Brüder wieder versöhnt. Und nicht nur das!

D*Or sah die Fahnen all der Söhne Tankreds von Hauteville, die nun zu Titel und Land gekommen waren:

Die ältesten Söhne Humfreds von Apulien, des kürzlich gestorbenen Onkels von Robert und Roger, der ein Gegner seiner Neffen gewesen war und, so hieß es, Robert sogar einmal einsperren ließ, waren trotz der Differenzen da, denn Robert war nun der Pate ihres unmündigen Bruders, der die Grafschaft eigentlich erben sollte.
Gaufred und Mauger von Capitanata waren da.

Selbst Girard von Buonalbergo hatte die 200 Soldaten geschickt, die zur Mitgift seiner Tochter Alberadas gehörten, obwohl deren Ehe mit Robert annulliert worden war, damit er des Fürsten Gisulfs von Salernos Schwester Sichelgaita heiraten konnte.

Als D'Or hinkend von Bord ging - sein Bein war nie richtig verheilt, aber das machte ihn nur zu einem noch besseren Reiter und Seemann - da sah er voller Verwunderung sogar neben slawischen Barbaren aus dem schroffen Küstenlanden des Balkans in schwere Schuppenpanzer gehüllte Krieger des düsterne Schwabens, die Elitegarde des Papstes in jenen Tagen. Hatten die nicht erst vor wenigen Jahren bei Civitate den Normannen eine blutige Niederlage bereitet?

Offenbar hatte Robert sogar den Papst für seinen Feldzug eingespannt. Er trug den Namen Guiskard, Weißhart für "Schlauberger", wahrlich zurecht!
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

Beitrag von Angelique »

Asad ibn Akhi erhob sich vom Gebetsteppich erst als er seine Gebete zu Allah dem Allbarmherzigen beendet hatte, obwohl der Lärm von draußen und vor allem die Kirchenglocken der Christen zur Eile boten.

Aber alles hatte seine Zeit im Plane Gottes.
Der Faris der Garde eilte danach sogleich vom Garten aus durch seine Residenz zum Flachdach hin.
Dabei stieß er fast mit dem kleinen blonden al-Franji zusammen, seinem Leibdiener und Lieblingsknaben seines Harems.

Die blauen Augen des Jungen waren geweitet vor Furcht.
„Gebieter, Gebieter“, stammelte dieser, „sie sind da! Die Ungläubigen sind da!“

Gelassen legte Asad seine Hand auf die Schulter des Jungen. Er fühlte dessen Zittern.
Was mochte er für Schauergeschichten gehört haben oder welch Anblick vielleicht schon vom Dache aus gesehen?

„Habe keine Furcht, mein kleiner Dawud, Licht meines Herzens, geliebt von mir direkt nach Allah und Mohammed unseren Propheten. Ich werde dich beschützen vor allem Unbill, so es Gottes Wille ist.“
Er lächelte ihm aufmunternd zu, obwohl sein Herz schwer war, denn auch er hatte als Kommandeur der Garde die Geschichten gehört, die Flüchtlinge und Spione befragt und selbst Gesandte der Nordlinge gesehen.

Er wusste, dass das nicht diplomatische Oströmer oder bestechliche Weströmer waren, die da kamen. Das waren keine zivilisierten Christen, mit denen man auf gleich zu gleich oder mit Vermittlung der Juden reden konnte.
Die waren anders. Das waren Barbaren aus den kalten Einöden des weglosen Nordens, eine wahre Geißel Gottes und eine Prüfung aller Gläubigen. Nachfahren der Enakiter und Nephilim, wie ihr Riesenwuchs bewies.

„Bereite meine Rüstung vor und schicke Abdul den Eunuchen zu meinen Askari. Ich werde sie bald brauchen.“
Mit diesen Worten, sicher, dass sein kleiner Lieblingssklave sie getreu befolgen würde, schritt er auf das weiße Flachdach hinaus, das weit über die Stadt und den Hafen von Messina blicken ließ.
Der ansonsten so herrliche Anblick, der Morgen für Morgen den Faris Allah danken ließ, erfüllte heute jedoch sein Herz mit Schwere und der Vorahnung seines eigenen Verhängnisses.

Der Horizont war voll mit bunten Segeln. Fahnen flatterten im Wind. Heidnische Bildwerke waren darauf, die Raben und Drachen zeigten und die der Prophet in seiner Weisheit den Gläubigen verboten hatte.
Und freudig begrüßten die Kirchenglocken orthodoxer und katholischer Kirchen in seltener Eintracht die Fahnen, die jedes der Schiffe dort zusätzlich, manchmal sogar auf das Segeltuch gemalt, führten.
Das rote Kreuz der Christen.

Asads Blick wanderte nach Norden zum Land, denn dort funkelte es, als ginge die Sonne ein zweites Mal auf. Tausend Helme und tausend Speerspitzen spiegelten das Licht in blendendem Gleißen.
Die Ungläubigen waren bereits gelandet und schlossen den Belagerungsring auch zu Lande um die Stadt, die so wichtig für Sicilia, ja, für das ganze Haus des Islam war.

Der Faris bemerkte, dass es Allah in seiner unergründlichen Weisheit gefallen hatte, sein eigenes Herz zu verstocken. Bis heute Morgen hatte er die Gerüchte über die Anführer der Nordleute als übertrieben erachtet und sie mit den anderen Kommandeuren als die barbarischen Räuberhauptmänner abgetan, als die sie viele Jahre lang in Erscheinung getreten waren.

Nun aber verging ihm das Lachen. Nach Jahrhunderten unangefochtener Herrschaft sah er den Auftakt des Untergangs der muslimischen Herrschaft über Sicilia.
Das Tor nach Sizilien wurde gerade von kettengepanzerten Stiefeln eingetreten.
Der heidnische Zauberspruch hallte bereits über Meer und Land und ließ sein Blut gefrieren:

"Thur aïe!“
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Re: [Fluff] Thur aïe! [Sterbliche]

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"Hah, Vater des Zweifels, sieh, wie der Plan des Aniq, gepriesen sei seine Schläue, aufgeht. Die ungläubigen Franj, Allah möge sie verderben, gehen in die Falle, die Berber ihnen bereitet hat."

Der Emir ergötzte sich in fast kindlicher Begeisterung angesichts des blutigen Spektakels vor der Stadt. Gegen den Rat von Asad ibn Akhi hatte er dem kühnen Ausfallplan des Führers der Berberkavallerie zugestimmt. Nach scheinbarem Rückzug seiner Reiter sollten die Christenreiter in das Hufeisen aus Askari- und Ghulam-Infanterie gelockt werden, wo sie dann von der wendigen Reiterei der afrikanischen Adligen in Flanke und Rücken wie zwischen Hammer und Amboss zerschlagen werden würden.

Ein kühner Plan und oft hatte er schon Erfolg gehabt, denn die Christenbarbaren des Westens kannten keine Disziplin und Zurückhaltung glaubten sie sich bereits als Sieger. Ein listiger Führer konnte das nutzen.

Und listig war Aniq ibn Hilel ohne Zweifel. Und leider war er um so hartnäckiger für dieses Vorgehen, das seine Reiter vor dem Emir von Messina glänzen ließ, je mehr Asad dagegen war.
Die beiden Offiziere konnten sich nicht ausstehen. Es waren einmal harte Worte gefallen, als der fanatische Berber den Knabenharem Asads als Gräuel vor dem Auge Allahs bezeichnet hatte.
Die halbwilden Nordafrikaner hatten eine andere Auslegung des Willen Gottes, fand Asad, als zivilisierte Menschen aus al-Andalus, woher er stammte.
Wie konnte er es wagen, die Liebe für knospende Schönheit der Jugend, die Allah in sein Herz gepflanzt hatte und die er mit den größten Sultanen und Kalifen seiner Heimat teilte, den Sünden Sodoms gleichsetzen, als würde er wie ein Weib bei bärtign Männern liegen? Unververschämter Räuberhauptmann!
Nein, keine Freundschaft war zwischen ihm und Aniq und würde auch nicht entstehen, egal wie mutig der Berber seinen Plan an der Spitze seiner Reiter umsetzen mochte.

"Ja, Beherrscher der Gläubigen", antwortete Asad immer noch zögernd dem begeisterten Emir, "so scheint es."
Er war immer noch der Ansicht, man hätte auf die Stärke der Mauern vertrauen sollen und auf den Entsatz aus Tunis und Palermo warten, anstatt sinnlos Männer zu opfern. Der Sieg wäre ebenso gewiss gewesen, aber mit weniger Verlusten.

Außerdem nagte der Zweifel immer noch an seinem Herzen. Wie wenig die Christen schienen, als sie vorstürmten. Viel zu wenig, um im Vorbeireiten mit gestochenen oder geworfenen Speeren die Reihen seiner Askari und der Ghulam-Sklavenkrieger ins Wanken zu bringen.
Gleich würden sie stoppen müssen, denn kein Reiter konnte sich im Sattel halten, wenn er im vollen Galopp und Speer voran gegen einen Schildwall aus Infanterie prallte.

Gleich war es so weit. Gleich... jeden Moment...
War der gegnerische Anführer von Sinnen? Wieso hielt er nicht inne? Das war doch Selbstmord!
Während Asad ibn Akhi dies noch so dachte, machte es ein ohrenbetäubendes Krachen, das man selbst hier auf den Zinnen der Mauer hören konnte und das er nie vergessen würde.
Die Reiterei der Nordbarbaren galoppierte ungebremst in die Linie der Askari. Speere durchschlugen Schilde, Rüstungen und Körper. Manche spießten zwei oder drei Männer hintereinander auf, als seien sie Fleischspieße. Pferdehufe zerschmetterten zu Boden geworfene Leiber. Pfeile ragten aus großen Schilden und dichten Kettenrüstungen und mancher Christenkrieger wirkte einem Igel gleich und doch war er unverletzt geblieben. Und das größte Wunder war, dass die Krieger aus dem Norden nicht durch den Aufprall aus dem Sattel gehoben waren oder ihre Pferde gestrauchelt.

Asad verstand und sein Magen krampfte sich zusammen. Die riesigen, starken Gäule, so hünenhaft wie ihre Reiter, und die hohen Sattelrücken verhinderten, dass der Aufprall der Lanzen die Reiter aus dem Sattel hoben.
Die Reihe der Infanterie war zerschlagen, die noch lebenden Askari flohen zur Stadt zurück.

"Allah, erbarme dich unser!", entfuhr es dem Emir, der von seinem Ruhekissen aufgesprungen war. Keine schlechte Leistung für einen Mann seines Alters und seiner Körperfülle, dachte Asad wie im Traume.

Aniq ibn Hilel sah das Debakel und bei allen Differenzen musste Asad seinen Mut bewundern. Der Berber führte seine Männer zum Angriff, um die Reste der Infanterie zu retten.
Fast hatte Asad es bereits so erwartet, als hätte Allah ihm einen grausamen Blick auf das vorbestimmte Schicksal gewährt.
Die Christen wendeten und schwenkten wieder in Trab und dann Galopp. Das grausige Spiel wiederholte sich, als die ungebremste Phalanx aus eingelegten Lanzen in die leicht gepanzerten Berber wie ein heißes Messer in Butter schnitt.
Die grüne Fahne mit dem Segensspruch des Korans schwankte und fiel und die Hufe großer Pferde zertraten sie im Staub.

Auch Asad schwankte nun.
"Tu doch was!", flehte der Emir. Er schien zu ahnen, dass da unten auch sein Schicksal besiegelt wurde. Würde Messina diese Belagerung überstehen, würde der Sultan einen Kopf für diese Katastrophe verlangen. Und wenn nicht der Sultan von Palermo, dann der von Tunis, dass sein Neffe dort unten den Tod gefunden hatte.

Asad begann Befehle zu brüllen: "Öffnet die Ausfallpforten. Meine Seldschuken-Ghulam zu mir! Wir decken den Rückzug mit Allahs Hilfe und halten die Pforte, solange es geht! Macht die Steinblöcke bereit, sie zu versiegeln! Schützen auf die Türme! Askari, siedet das Öl und ladet die Katapulte! Der Sturm beginnt gleich! Allah möge uns beschützen!"

Er rückte seinen Spiegelpanzer zurecht und setzte den glänzenden Helm auf, einer Sure des Koran verziert war, die immer sein Leitspruch gewesen war:
Oh die ihr glaubt, wenn ihr auf eine Schar trefft, so steht fest und gedenkt Allahs häufig, auf dass es euch wohlergehen möge!
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
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