[1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

[Juli '21]
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ja, so wie Ihr sagt”, bestätigte Giada Tomas Frage nach den Soldaten auf dem Brett. “Die Figuren sind unterschiedlich und so, wie die verschiedenen Untertanen am Hofe des Prinzen Unterschiede in ihrem Können und ihrer Macht haben, sind auch diese Streiter und Höflinge in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.”

“Die einfachsten, zahlreichsten und zugleich auch vielseitigsten Figuren sind diese hier.” Giada strich mit ihrem Finger die beiden Reihen der Bauern nach. “Dies sind die Neugeborenen am Hof. Die Sterblichen nennen sie schlicht die Bauern. Für gewöhnlich können sie nur geradeaus ziehen und nur vorwärts. Keine Finesse und nur ein Weg in ihrem Dasein. Allein von ihrem Startfeld aus, vielleicht mit einem Ansporn von hinten direkt im Genick, können sie es zwei Felder weit schaffen.” Sie zog ein paar der Bauern, abwechselnd weiß und schwarz, um die Möglichkeiten zu zeigen.

“Sie sind schwach und können keinen Feind geradeaus schlagen. Das geht nur schräg, mit einer Finte, Intrige und Hinterhalt.” Auch das machte sie kurz vor, ließ einen Bauern einen anderen schlagen.

“Ihr seht, sie sind gut zur Ablenkung, gut als ein Opfer für größere Züge, gut als Schwertfutter zum Schutz der Mächtigeren. Sie fallen schnell. Doch sie haben eine einzige, große Gelegenheit für sich selbst: Wenn es je einer von ihnen auf die letzte Linie schafft, dann kann diese Neugeborene zu jeder anderen Figur werden außer einem Prinzen selbst.”

Damit lehnte sich Giada ein wenig zurück und gab das Brett frei, dass Toma selbst ein paar Züge probieren konnte.
“Wer das Bauernspiel vernachlässigt, lässt Lücken in seiner Verteidigung entstehen und der Angriff hat kein Fundament. Viele Spiele werden so verloren.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Oh. Neugeborene. In der Tat." Diese Darstellung machte Sinn. So war es als Neugeborener. Man war nur ein kleines Insekt das von größeren zermalmt werden konnte, doch dafür viele und der Prinz benötigte sie und wenn sie überlebten konnten sie selbst groß und gefährlich werden.

Sie nickten.
"Wurde das Spiel von Kainiten erschaffen?" fragten sie während sie die Züge Giadas nachmachten und dann eigene versuchten mit anderen Bauern. Doch Prinzipiell gab es hier keine großartigen Manöver, so schien es.

"So, was können die anderen tun, um die Neugeborenen anzugreifen oder aufzuhalten?"
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Wer das Spiel erdacht hat, das weiß ich nicht. Aus dem Osten soll es kommen und es ist wohl nicht zu verwunderlich, dass es unter der Obhut eines Venezianers im Elysium Genuas aufgestellt wurde”, antwortete Giada zunächst.

“Ich glaube wohl, dass es wie so häufig die Menschen waren, die dies neu erdachten. So wie sie leben und handeln, sich bilden und forschen, Krieg führen, zerstören, aufbauen und die Welt im Wandel halten. Doch dem Spiel unter Menschen mangelt es allzu oft an Tiefe. Sie spielen es wie sie Mühle spielen oder, schlimmer noch, als wäre es Glücksspiel und Würfeln.”

Giada zog die Figuren wieder an ihren jeweiligen Start zurück.
“Ich habe mit den Figuren im niedersten Rang angefangen, denn sie sind die zahlreichsten. Nun zeige ich den König - den Prinzen der Domäne. Fällt er, ist das Spiel verloren. Er kann sich in jede Richtung bewegen, solange nicht die eigenen Figuren im Wege stehen. Doch er kann sich nur ein Feld weit bewegen, denn er ist in so zahlreiche Pflichten und Lasten gebunden, in die Ränke und Beschwernisse all der übrigen Domänen, in die Bürde seiner eigenen Zeit.”

“Es gibt nur eine einzige Ausnahme und das ist, wenn er mithilfe seiner engsten Vertrauten einen Zug macht. Und das geht auch nur, wenn diese Vertrauten oder er zuvor nicht ihre Felder verlassen hatten.”
Giada nahm die Springer, Läufer und die Dame fort und zeigte Toma die kleine Rochade zur einen und die große Rochade zur anderen, in der der Turm und der König miteinander wechselten.
“Es ist ein schlauer Zug, der eine ganze Verteidigung verändern kann. Manchmal ist es auch eine Verzweiflungstag und der Prinz muss sich hüten, wenn er sich hinter eine enge Reihe von Neugeborenen stellt. Denn dort fehlt ihm manches Mal jeder Ausweg, wenn der Angreifer nur machtvoll genug nach vorn gedrängt kam.”

“Auf der anderen Hand jedoch ist es ein Zug, welcher jenen engsten Verbündeten des Prinzen, seinen Blutvogt oder sein Prinzenkind, in eine Position befördern kann, wo sie offen stehen. Angreifbar und gleichermaßen zum Angriff bereit. Doch solche hübschen Manöver gelingen eben auch nur, wenn der Rest des Hofes ihnen nicht im Wege steht.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Toma nickte und ward ganz aufmerksam bei der Sache, als sie diesen Zug so anschaulich beschrieb. Es machte wohl Sinn, dass der Prinz nicht so große Schritte machen konnte. War er doch an seine Domäne und seinen Platz hinter den Reihen gebunden. Und Vertraute waren wichtig. Auch um eine List auszuführen, so wie dies hier schien. Eine List oder ein Opfer vorschieben.

"Ist dieser Turm der einzige mit dem der Prinz den Platz tauschen kann? Und nur wenn sie sich beide nicht zuvor bewegt haben?" fragten sie noch einmal nach und mussten nicht groß diese Züge üben ohne richtige Partie. Schließlich war es nur ein Austausch zweier Figuren. "Es ist eine interessante Sache. Die engsten Vertrauten an den eigenen Platz zu stellen. Als Falle oder Köder oder Schutz."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ja, das ist es”, stimmte Giada zu. “Sie ist wohl auch häufig gebraucht. Sie ist billig. Der Preis ist die Gefahr, wortwörtlich in die Ecke gedrängt zu stehen, wenn die List nicht gelingt.”

Auf dem Brett, auf welchem der eine König soeben hinter eine Reihe von Bauern rochiert stand, zog Giada nun die gegnerische Dame nach vorn, so dass sie den Turm schlug und den König direkt bedrohte, der hinter den Bauern nun nicht mehr ausweichen konnte: ein Schachmatt.

Giada tippte mit dem Finger auf eben diese Dame und sagte: “Dies ist der Seneschall. Er ist womöglich die mächtigste Figur auf dem Brett, auch wenn das Spiel immer noch vom Prinzen entschieden wird. Doch der Seneschall kann sich in alle Richtungen bewegen und so weit wie er es wünscht. In diesem Zug jetzt ist er darum tödlich für den feindlichen Prinzen.”

“Aus so einer Lage kann sich der Prinz allein nicht retten. Nur wenn andere Figuren auf dem Brett geschickt aufgestellt sind, können sie seinen Fall abwenden.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Toma schaute aufmerksam auf die gerückte Dame, die der Seneschall war.
"In jede Richtung bedeutet auch schräg zu ziehen?" Sie zeichneten mit dem Zeigefinger der rechten Hand die möglichen Wege in der Luft nach, die der Seneschall laufen konnte.

"Das ist in der Tat mächtig." Kein Wunder dass diese Figur den Seneschall verkörperte.

Toma sah nachdenklich auf das Brett und tippte auf die anderen noch verbliebenen Figuren.
"Und was können diese tun, um den Prinzen zu schützen? Das Pferd ist sicher auch wendig oder kann weit ziehen? Wofür steht es...die Liktoren?"
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ja, das kann es wohl treffen. Liktoren sind etwas, das Genua eigen ist, doch was sie tun, das kann es wohl treffen. Entweder sie oder die Geißel.” Giada hob einen der Springer an.
“Sie können etwas, das sonst keine Figur kann: sie können eine andere überspringen und kommen so daran vorbei. Das macht sie schwer berechenbar und noch schwerer auf ihrem Feld in die Ecke zu drängen. Sie kennen die allnächtliche Domäne besser als die meisten anderen, von den gewundenen Gassen bis zu den dunklen Wäldern.”

“Wenn sie sich bewegen, dann stets ein Feld gerade, eines schräg. Ein Sprung, wie dieser… .” Sie zog die Geißeln beider Seiten ein paar Male, um einige Züge zu zeigen. Beide schlugen Neugeborene und schienen um sich her zu tanzen. Die gegnerischen Türme, Blutsvogt oder Prinzenkind, beendeten den Tanz dann jeweils und schlugen die Liktoren.

Giada lehnte sich zurück und ließ Toma einen eigenen Wechsel der Liktoren versuchen. "Die werte Geißel von Genua lernte ich bereits kennen, doch noch nicht die Liktoren. Ich kenne zwei Namen, doch nicht die Männer dahinter. Und das Amt ist in der Tat eine Eigenheit. Wie ergab sich dies? Und wie gut gelingen ihnen ihre Pflichten?"
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Die Liktoren gab es bereits als wir hier in Genua ankamen. Damals wurden die Ämter jedoch von anderen Kainiten begleitet. Dem Salubri Gaius, den euer hochverehrter Großerzeuger in Gefangenschaft hielt und an den sehr verehrten Lydiadas übergab später. Der Kappadozianer Titus und zuvor wohl noch einen Toreador, der jedoch bereits vor unserer Zeit vernichtet wurde. Alle von ihnen sind mitllerweile vernichtet und es folgten neue. Aktuell ist es der werte Benjamin von den Banu Haqim und der werte Liutprand von den Königen. Hilfsliktoren sind Salvador von den Gelehrten und Anastasia von den Verborgenen. Letztere wurde wohl zurückgestuft. Wie gut sie ihren Pflichten nachkommen...nun der werte Benjamin ist sehr bemüht und wir erlegten mit ihm und Salvador zusammen die freien Guhle, die vom Blut einer der unseren lebten. Davon abgesehen wissen wir nicht wie gut er der Liktorenpflicht nachkommt, doch uns ist nichts negatives zu Ohren gekommen. Von Liutprand wissen wir bisher noch zu wenig, denn auch er ist noch relativ neu in der Domäne. Mehr oder weniger."

erzählte Toma bereitwillig und setzte dabei die Liktoren oder Geißel Figuren auf dem Brett hin und her.
"Gibt es in Mailand eigentlich einen Blutvogt und seine Hunde? Von der sehr verehrten Geißel wissen wir natürlich."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ja und nein”, meinte Giada. “Der hochverehrte Scoriado tut einen Teil der Aufgaben, welche sonst ein Blutvogt täte. Einen anderen Teil der hochverehrte Siniscalco. Und den letzten Teil der höchst verehrte Princeps selbst. Zwischen dreien von solcher Macht sieht man kein Platz für einen vierten - und damit keine Notwendigkeit.”

Damit tippte sie nun mit einem Finger auf die Läufer auf dem Feld. “Diese hier kämpfen niemals gerade heraus, doch ihre Reichweite ist lang, nicht wie die der Bauern. Das sind die Hüter der Elysien, die Harpyien, vielleicht die Aschepriester, wo jenen am Hof eine Rolle gelassen wird.”
Sie zog einen der Läufer hinter einer Reihe der Neugeborenen heraus, schräg und zwischen die Fronten.
“Naturgemäß gibt es immer einen von ihnen, welcher auf den weißen, und einen welcher auf den schwarzen Feldern läuft. Nennt es das Korsett ihrer Etikette, ihrer Ansprüche, ihrer Gesetze in der Seele und ihrer Pflichten für die Gesellschaft. Zugleich ihre größte Stärke und ihre größte Schwäche.”
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [1059] Das zweite Gesicht [Giada, Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

"Sie müssen geschickt vorgehen. Vorher austarieren wie weit sie gehen können und müssen dies mitunter über Umwege." fügte Toma hinzu als sie die Bewegungen der Läufer mit den Augen verfolgten und dann selbst ein wenig über das Brett zogen. So nach und nach wurde ihnen klar wie dieses Spiel funktionierte, doch völlig würde es das erst, wenn sie alle Figuren zusammen spielen konnten, wie es vorgesehen war.
"Die Bauern sind Köder, die die anderen in Fallen locken. Jeder ist entbehrlich um eine langgeplante Strategie zum Erfolg zu führen."
schlussfolgerten sie und deuteten dann auf das Brett.
"Nun lasst uns spielen."
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