[1059] Der ungepflegte Schüler [Tankred, Macario]

[Macario]

Es war eine dieser frühen Nächte als sich Pater Ferotello wieder mit dem ungepflegten Schüler, Tankred aus dem normannischen Hause Drengot, zum Studium in der neuen Kirche San Cassiano in Clavicula traf. Ein paar Mönche hielten sich zu der Zeit noch in der Kirche auf.
Man war in einen Nebenraum zum Kirchenschiff gegangen. Dort war man für sich ungestört. Der Raum war nur spärlich beleuchtet von einem Kerzenleuchter, der in einer Ecke stand. Doch wie würde man die geschriebenen Letter erkennen können bei so wenig Licht? Es war doch sehr dunkel.
Unvermittelt betrat Macario, gekleidet in eine Mönchsrobe, den Raum. Er war den beiden anscheinend gefolgt. Er wäre als Mönch wohl erkennbar, denn die Tonsur zeichnete sich deutlich an seinem Haupt ab.

[Tankred Drengot]

Tankred hatte sich und seine Kleidung wie immer gewaschen, bevor er das Haus Gottes betrat. Durch sein kleines Vermögen war es dem Krieger möglich sich und seine Ausrüstung in Stand zu halten. Dennoch beam der den Geruch der Kloake nie ganz weg.
Seine Waffen hatte er aus Respekt vor dem geweihten Ort daheim zu lassen. Er freute sich auf die Zeit mit Pater Ferotello, bedeutete doch jedes Treffen, dass er seinem Ziel etwas näher geriet.
Ihm war immer mulmig zu mute, wenn er sich dem Haus des Christengottes näherte. Gott und sein Sohn Jesus waren sehr mächtig und schienen seines Gleichen nicht zu mögen. Er selbst trug den Hammer Odins seiner Vorfahren in Form eines Kreuzes.
Er bekreuzigt sich als er das Haus betrat. Er blickte auf den leidend blickenden Jesus. Er bewunderte dessen Durchhaltevermögen:
Er erblickte seinen Magister und freudig ging er federnd-humpelnd auf Pater Ferotello zu. Sein Antlitz war zwar stark vernarbt, hässlich, aber nicht monströs. Die Wangen waren rosig und sein Brustkorb hob und senkte sich.
Schließlich folgte er dem Geweihten in den hinteren Bereich. Er dachte sich nichts bei dem ihnen folgenden Mönch. Er drehte sich zu diesem um und verbeugt sich angemessen tief. Dann folgte er seinem Lehrer weiter.

[Macario]

Der Lasombra hatte sich auf dieses Treffen vorbereitet.
Unlängst wußte er von dem Anderen. Hatte doch der sogenannte Baumeister den Namen bei ihrer jüngsten Zusammenkunft in San Genesio genannt. Ein Name, der auch unter den Normannen nicht unbekannt war, sondern Einfluß besaß. Doch wußte Tankred Drengot auch von Macario? Oder wäre Jener gänzlich unwissend hierhergekommen mit der reinen Absicht des Studiosus? Dies galt es herauszufinden...

Ferotello drehte sich zu seinem Schüler und erklärte mit einem Weis seiner Hand in Richtung Macario:
"Dies ist Bruder Marcus. Er wird die heutige Lektion mit Euch durchgehen. Ihr seid bei ihm in den besten Händen. "

Kaum hatte der Pater dies gesagt, da war er auch schon ohne weiteren Abschiedsgruß aus der noch offenen Tür wieder hinausgetreten und hatte diese zugezogen.

Macario indes hatte den Raum durchschritten. In der Mitte des Raumes stand ein einfacher Holztisch. Auf jeder Seite ein Stuhl.

Macario sprach den Vernarbten mit wohlwollender Stimmlage an:
"Setzt Euch bitte. Wir wollen einander kennenlernen, bevor wir beginnen."

Das Spiel konnte beginnen.

[Tankred Drengot]

Tankred war kurz überrascht, aber dachte sich wohl nichts weiter dabei. Vermutlich hatte Bruder Ferotello noch zu tun. Er war ein sehr engagierter Mann Gottes. Tankred respektierte den Gläubigen sehr, da sich für die Gemeinde quasi aufopferte. Er hatte einen starken Willen und war um seine Schäfchen sehr bemüht. Mit Sicherheit wäre er auch ein guter Streiter geworden.

Der hässliche Mann, sein eine Gesichtshälfte war von Narben und Verwerfungen komplett zerstört, wandte sich seinem neuen Lehrer zu. Er zwang sich ein schmales Lächeln ab, welches nicht unaufrichtig, eher unsicher wirkte. Er schritt zu Buder Marcus hinüber. Sein Gang war etwas grotesk. Sein rechtes Bein beschrieb beim Gehen eine Leichte seitliche Drehung, wodurch ein seltsam anmutender, etwas federnder Schritt zu Stande kam.
Tankred nickte ehrerbietend Bruder Macario zu. Schließlich zog er den Stuhl zurück und setzte sich.
Dabei hob er seine an. Seine Stimme wirkte etwas gepresst und rau:

"Habt vielen Dank ehrwürdiger Bruder, für die Freundlichkeit, mir Eure Zeit zu opfern. Meine Person hofft sehr, dass ich Euch nicht von wichtigerem abhalte."

Erwartungsvoll blickte Tankred den Bruder, zum ersten Mal richtig, an. Er kramte eine Schiefertafel und einen Griffel hervor.
Er saß kerzengerade da. Leicht hebte sich sein Brustkorb. Seine Hände, die gepflegt erschienen, lagen auf dem Tisch. Das Normannenkreuz baumelte an einem Lederbändchen ans einem Hals. Eine gewisse Stoa strahlte der Riese aus. Außerdem schien er nicht dumm zu sein. Seine Augen, eines war grün das andere braun, hatten etwas sehr Waches an sich. Auch über eine Portion Anstand schien er zur verfügen.

[Macario]

Interessiert musterte Macario den Nosferatu. Dies tat er ganz unverhohlen. Im Halbdunkel des Raumes - der Kerzenschein war einfach zu weit weg von den beiden - ließ sich jedoch nicht viel erkennen. Die schwere Entstellung des Anderen im Antlitz, die die Schwäche des Blutes aufzeigte, war unverkennbar. Ebenso wie die Haltung des großgewachsenen Normannensohnes.

Nach einer Weile senkte Macario seinen Blick und sprach:

"Denn der Herr, unser Gott, ist gnädig und barmherzig und wird sein Angesicht nicht von euch wenden, wenn ihr euch zu ihm bekennt."

Eine kurze Pause verlieh dem Ausspruch mehr Bedeutung.

"Ich weiß, wer, was ihr seid, Tankred Drengot. Ich habe Euch bereits erwartet."

Eine neuerliche Pause sorgte für eine gewisse Anspannung, ehe Macario fortsetzte:

"Mein Name ist Macario, Neugeborener vom hohen Blute der Schatten aus der Linie des Erminulf."

Mehr sagte Macario nicht. Er wartete ab.

[Tankred Drengot]

Tankred blickte sein Gegenüber überrascht an. Er konnte sein Gesicht nun besser sehen und erkannte, dass er zwar entstellt, aber nicht monströs aussah. Das konnte nicht die Schwäche eines Blutes sein, die ihn da verzierte. Woher stammte dieses Signum eines Kampfes? Vielleicht war es ein Schlag mit einem Flegel oder ein Wurfgeschoss, welches mäßig traf.

Tankred stand sacht und ohne Eile auf, trat einen Schritt zu Seite und verbeugte sich leicht.

"Tankred Drengot, Neonat vom Blut der Verborgenen.
Bitte seht es mir nach, Euch nicht als vom Geblüt erkannt zu haben. ich hoffe außerdem, meine Präsenz stellt für Euch kein Unbill dar."

Tankred verharrte in der leicht demütigen Pose, war der Magister in seinen Augen in einer höheren Person und möglicherweise hielt er sich in dessen Domäne auf.

[Macario]

"Seid vergewissert, Tankred Drengot, ich begegne Euch offen und zugetan. Ich hege kein Unbill gegen Euch oder Euresgleichen. Ganz im Gegenteil. Gottes Haus steht allen offen... Gott lädt alle zu sich ein.", so erklärte Macario es dem Anderen.

Daraufhin stellte er erste Fragen in den Raum:

"Darf ich annehmen, dass Ihr erst jüngst in Genua angekommen seid? Woher kamt ihr? Und... quo vadis?"

In einfacher Rhetorik fügte er diese Anmerkung noch hinzu:

"Sicherlich habt Ihr die Vorstellung bei einem der Herolde bereits vollzogen."

[Tankred Drengot]

Tankred lauschte den freundlichen Worten. Bei den Worten von Gott greift er unwillkürlich zu seinem Kreuz und drückt es sacht.

Die Stimme, die etwas nach raschelndem altem Laub klinkt, ertönt erneut. langsam spricht Tankred:

"Selbstverständlich bin ich meinem Obligat nachgekommen und habe mich bei seiner Exzellenz Toma Ianos Navodeanu und dem sehr verehrtem Herrn Vergonzo vom Clan der Verborgenen vorstellig gemacht. Mir wurde das Privilegium Minor eingeräumt und so ist es mir gestattet in der Domäne seiner Majestät zu verweilen."

Er pausiert kurz, um dem Lasombra die Möglichkeit zu geben, dass Gehörte zu verarbeiten.

"Ich stamme aus der Domäne des höchst verehrten Bari ibn Wael, Ahn des Clans der Schatten, Hüter des tartessischen Kelches, Seefürst des Thyrrenischen Meeres, Ältester der Linie Arganthonios, Emir Palermos und seiner Besitzungen und bin somit Mitglied der See der Schatten.
Ich bin hier, um mein Blut und somit auch die Dömäne seiner Majestät zu unterstützen."

Er überlegt kurz.

"Bitte seht mir es nach. Ich vermag es nicht Latein zu sprechen. Was meintet Ihr?"

Mit fragenden, leicht zuammengekniffenen Augen blickt Tankred den Mönch an.

[Macario]

"Oh, ihr habt es mir bereits beantwortet... quo vadis... die Frage nach dem woher und wohin.", entgegnete Macario prompt.

Aus dem Kontext gerissen, wandelte sich die Stimmlage des Mönches Macario und nahm plötzlich einen deutlich belehrenden Tonfall an, als er weiter ausführte:

"Achtet auf Eure Wortwahl, Tankred Drengot, wenn Ihr unter unseresgleichen seid.
Es will mir scheinen, Euch mangelt es hierbei entweder an Erfahrung oder aber Ihr seid womöglich ein Außenseiter...
Ein Anderer als ich es bin, hätte es Euch ob der Anmaßung den besagten Vergonzo derart zu erhöhen ad hoc, auf der Stelle, bitter bereuen lassen.
Es gar als Beleidigung entgegen eines der sieben Gesichter des Ätna aufgefasst. Dies lag unzweifelhaft nicht in Eurer Absicht.
Ich will es bei diesem Tadel belassen. Denn wir sind unter uns und ich bin Euch zugetan."

"Inwiefern werdet Ihr Euer Blut in Genua untersützen? Was habt Ihr dabei ins Auge gefasst?", fragte Macario nun wieder mit merklich wohlwollender Stimme.

[Tankred Drengot]

Tankred wirkt etwas verdattert auf Grund des ihm entgegengebrachten Tadels. Er schien nicht ganz zu verstehen.
Der Krieger wartete ab, bis der Magister zu Ende gesprochen hatte.
Zaghaft fragt er:

„Bitte verzeiht, nur ist mir nicht so recht bewusst an welcher Stelle ich..." Er überlegt kurz "...die sieben Geschichten der Edda (?) beleidigt zu haben. Ich wäre Euch sehr verbunden, könntet Ihr mich aufklären. Kaum etwas läge mir ferner als den Asen Unrecht zu tun."

Er griff wieder zu seinem Kreuz und drückte es.
Tankred ist trotz seiner merkwürdig anmutenden Mundart gut zu verstehen.