Macario sah auf, dem Anderen direkt ins vernarbte Antlitz, so als ob er die Antwort auf eine mögliche Frage in dessen Zügen lesen könne.
Mit monotoner Stimme antwortete der Lasombra daraufhin: Es steht dem Neonatus Vergonzo nicht zu, dass man ihn unter unseresgleichen mit sehr verehrt betitelt. Es entwürdigt den Ahn, den ihr als weiteren mit höchst verehrt benanntet, im selben Zuge genannt zu werden... gänzlich abgesehen von Feinheiten...
Wenn man genau hinsah, konnte man im Gesicht des Macario Verwunderung erkennen. Reine Verwunderung.
"Wie viel Zeit habt Ihr auf der Insel in Gesellschaft von hohem Blut verbracht?", fragte Macario abschließend - die Antwort wohl erahnend.
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.Zenon von Kition
Der Nosferatu lächelt schmal Es war keine Arglist in seinem Gesicht zu erkennen.
Vermutlich war er in manchen Bezügen nicht der erfahrenste Consanguineus der Verborgenen.
"Verzeiht bitte das Missverständnis. Meines Dafürhaltens, besteht noch keine Notwendigkeit meine Befähigung zur Gesellschaft in Zweifel zu ziehen."
Sein Ton ist weder schneidend noch vorwurfsvoll.
"Zum einen möchte ich verstanden haben, dass der verehrte (?) Vergonzo der Sprecher des Clanes der Verborgenen zu Genua ist. Für Gewöhnlich stellt dieser auch das hohe Amt des Primus Vitae des jeweiligen Blutes. Aber es mag sein, dass ich hier etwas verkenne, oder aber etwas nicht beachte. Natürlich ist dies dann mein Versagen. Sollte dies so sein, bitte ich erneut um Verzeihung und ersuche Euch, mir beim Beheben dieses Missstandes behilflich zu sein.
Zum anderen bitte ich zu bedenken, dass es hinsichtlich der Gepflogenheiten, die wir, die Blutsverwanden, untereinander pflegen regionale Unterschiede geben mag. Abweichung in der Intitulation können variieren. Wenn es den Bogen nicht überspannt, könntet Ihr mir die korrekten Anreden verdeutlichen.
Sicherlich wird es etwas geben, womit ich Euch im Gegenzug Eure Wohltat vergelten mag."
Der Nosferatu lächelt aufrichtig.
Hält mich auch kein anderer beim Worte, so wird es um desto mehr Pflicht, dass ich mich selbst dabei halte.
Der Lasombra nickte dem Nosferatu kurz, aber doch deutlich, zu.
Bestätigte er damit einen Handel?
Das, was Macario im Gesicht des Anderen erahnen konnte, bewog ihn zu folgender Antwort:
"Wohlan, Ihr sprecht wohl wahr und ich sehe keine Arglist oder Täuschung in Eurem Antlitz. So mögen es regionale Unterschiede sein, wie Ihr sagtet. Doch ist es gleich, denn nun steht ihr in Genua und Jedweder wird Euch an genuesischen Gepflogenheiten bedenken... "
Er sprach mit milderer Stimmlage in dozierender Art und Weise zu Tankred:
"Es sei Euch mit Nachsicht begegnet. Von meiner Warte aus. Doch nehmt meinen Rat genau. Den Ahn benennt mit sehr verehrt, den Ancilla mit verehrt und den über Euch stehenden Neonatus mit wohlwert. So droht Euch kein Unbill von dieser Seite. Auch könnt Ihr Euch bei der Harpyie, der wohlwerten Iulia Cornelia, der Prinzentochter, über die Gepflogenheiten der Domäne im Detail behelfen lassen."
So Tankred nichts einzuwenden hatte, würde Macario erklärend fortsetzen:
"Was Euer Blut in Genua anbelangt, so sei Euch gesagt, dass Euer Stand arg gelitten ist. Ob Euer Ältester noch die Fäden zieht, weiß niemand, denn Vergonzo. Und Letztgenannter ist zwar schon lange hier, doch sein Stand hat ebenso gelitten."
Abschließend schnitt er ein neues Thema an. Er sprach dazu verschwörerisch mit leiserer Stimme:
"Erst jüngst, im Zuge der großen Iustitia im Jahre des Herrn 1041, war es, dass der höchst verehrte Prinz, ganz Clavicula als Domäne auslobte für entsprechende Aufgaben. Clavicula wurde bis dahin von Eurem Ältesten gehalten. "
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.Zenon von Kition
Tankred lauschte seinem Gegenüber aufmerksam. An manchen stellen nickte er , an anderen blieb er starr wie Stein.
Das letzte Thema schien den Vernarbten besonders zu interessieren.
Schließlich hob er an, seine Stimme hat einen ruhigen Ton. Ebenso wie die seines Gegenünbers, nahm sie einen konspirativen Klang an.
"Ich hörte von manchem Umstand. Doch noch nichts von den Hintergünden. Wollt Ihr mir vielleicht mitteilen, weswegen der Stand des Blutes der Verborgnen deratig... " er überlegt kurz " Schaden genommen hat. Was haben meine Brüder denn getan, was die Ultima Ratio des Fürsten nach sich zog? "
Tankred wirkt gespannt und richtet seine Aufgaben auf den Lasombra.
Hält mich auch kein anderer beim Worte, so wird es um desto mehr Pflicht, dass ich mich selbst dabei halte.
Sichtlich schien Macario einer Erinnerung nachzuhängen.
Er erklärte alsdann:
"Ich kann Euch nur noch in Ansätzen wiedergeben, was unser höchst verehrter Prinz, die weiße Prinzessin, in jener damaligen Nacht verlauten ließ. Euer Blut ist gleich aus mehreren Gründen in tiefe Ungnade gefallen. Vasallen-Versprechen wurden nicht gehalten, Weisungen wurden ignoriert. Euer Blut erschien nicht zur Iustitia. Zudem äußerten sich Anwesende Eures Blutes in anmaßender Art und Weise. Es wurde daraufhin ein Strafmaß für all die Vergehen gegen Einzelne und Eurem Blute in Gänze in Genua verkündet. Zwei Eurer Blutsverwandten sind seitdem gar zur Blutjagd ausgerufen, wie Euch ancheinend bereits bekannt ist..."
Macario fixierte den Blick des Anderen und fragte ihn:
"Doch mag es Wahrheit werden, dass sich das Schicksal Eures Blutes in Genua mit Eurer Ankunft hat gewendet? "
Fast frohlockend stellte der Lasomba Tankred die rhetorische Frage:
"Steht unser Kennenlernen hier in San Cassiano gar unter diesem Vorzeichen?"
Abschließend sprach Macario mit einer väterlich liebevollen Stimme zu Tankred:
"Vermag ich Euch einen Ausweg aus der misslichen Lage aufzuzeigen."
Dies war keine Frage gewesen, sondern eine Aussage.
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.Zenon von Kition
Tankreds Gesichtszüge entgleisen während des Berichts zusehends. Zutiefst empört blickt er drein. Entsetzen mischt sich in sein Gemüt.
Mit grollender Stimme, die nun eher nach dem Knarren eines Baumes klingt, spricht er.
"Kann das sein. So viel Schuld hat mein Blut auf sich geladen. Versprechen gebrochen, den gemeinsamen Riten derbgeblieben....." Er pausiert. Er ist kreidebleich und fahl. Die unterschiedlich farbenen Augen glimmen fast vor Zorn. Es scheint nicht viel zu fehlen, dass der Entstellte seine Ruhe verliert.er fletscht die Zähne und scheint mit sich zu ringen. Er quetscht sein Kreuz in der Hand und lässt die Knochen seine Hand knacken.
Schließlich einbiege Momente später gibt er entkräftet von sich.
"Ich vermag es kaum zu glauben. Wer kann mir genau sagen, was vorgefallen ist, welche Schulden wir tilgen müssen, um wieder agieren zu können?
Die letzten Absätze Bruder Marcus schien er nicht wahrgenommen zu haben.
Hält mich auch kein anderer beim Worte, so wird es um desto mehr Pflicht, dass ich mich selbst dabei halte.
Macario nahm wahr, wie sehr der Nosferatu dem Jähzorn anhing, wie sehr das Tierische schon nach außen drang.
Mit beruhigender Stimme sprach Macario zu Tankred:
"Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser."
Er mahnte:
"Versündigt Euch nicht im Zorne, Tankred. Bleibt im hier und jetzt."
Er erklärte, offenbarte und prophezeite:
"Die Schuld ist gar groß. Zu gegebener Zeit werde ich Euch mehr erzählen über die Einzelnen, über die Missetaten Eures Blutes, was genau geschah zur großen Iustitia im Jahre 1041, was ich sah und hörte.
Doch ich bitte Euch, ergreift meine helfende Hand, denn ich weise Euch eine gute Option.
Diese neue Kirche, San Cassiano, ist mein Werk, meine Hoffnung für die Menschen von Clavicula inmitten der Domäne Genua. Damit mein Werk sicher sei und wachse, ersuche ich ein Bündnis mit den Verborgenen Claviculas.
Die Verborgenen werden ihre Schuld nicht allein tilgen, sie werden Clavicula nie mehr allein für sich beanspruchen können.
Ich biete Euch, wie auch dem Vergonzo, einen Bund in dieser Sache. Nach außen hin soll das hohe Blute der Schatten für Clavicula stehen und die Verborgenen verbleiben verborgen eben dort. So wird Clavicula als Ganzes bewahrt. Gemeinsam werden wir die gestellten Aufgaben erfüllen, bevor Dritte es tun. Die Verborgenen werden über die Jahre ihrer Schuld sühnen."
"Was sagt Ihr dazu?", fragte er Tankred.
Wieder fixierte Macario den Anderen mit seinem Blick. Wieviel Wert würde das Wort des Neuankömmlings haben? *
Das Gebet schien ihm Halt zu geben, zumindest beruhigte sich der Normann wieder. Er sah nun etwas ramponierter aus. Er lauschte den Ausführungen seines Gegenübers und seine Miene klarte von Satz zu Satz auf.
Ein leicht spöttisches Lächeln umspielte schließlich sein Gesicht und blickte den Magister schalkhaft an.
„Ich schätze Offenheit und Direktheit gleichermaßen, *wohlwerter* Bruder Marcus. Ihr habt festgestellt, dass meine Person erst kurz hier verweilt. Ich verfüge bis dato nicht nur kein Privilegium Maior, sondern habe auch wenig Einsicht in die Eigentumsverhältnisse vor Ort, von Einfluss und Beziehungen ganz zu schweigen. Allerdings verwaltet, wenn überhaupt, der wohlwerte Vergonzo über die Besitztümer Claviculas."
Tankred überlegt kurz:
"Ich denke dies ist falsch. Letztlich ist, wenn überhaupt, der sehr verehrte Ahnherr verantwortlich für das Lehnen, obgleich Ihr natürlich wisst, dass der höchst verehrte Fürst über die Belange des Benefiziums entscheidet. Und das hat er scheinbar. Ich kann nicht verkaufen, was mir nicht gehört.
Zudem müsste ich prüfen, wie meine Brüder und Schwester einen entsprechenden Handel betrachten. Eines kann ich Euch allerdings versichern. Kontakte zu schmieden und auf Sicht zu Bundesgenossen reifen zu lassen, sind Aspekte, die mir wohlgefällig erscheinen."
Tankred steht in ganzer Gestalt da. Er ist wahrlich groß und stattlich. Stolz steht er da und taxiert sein Gegenüber.
Hält mich auch kein anderer beim Worte, so wird es um desto mehr Pflicht, dass ich mich selbst dabei halte.
"Und ein letztes gilt es zu bemerken." hebt der Normann erneut an. "Ich kenen meinen Stand und Stellenwert, sowohl in der Domäne, als auch im Geblüt. Den Euren" ers schüttelt leicht den Kopf "vermag ich nicht einzschätzen."
In seinen Worten lag keine Anfeindung, kein Affront odr ähnliches. Tankred stellt lediglich fest.
Hält mich auch kein anderer beim Worte, so wird es um desto mehr Pflicht, dass ich mich selbst dabei halte.
Macario lächelte milde und antwortete:
"Wohlwahr gesprochen, Tankred aus dem Hause Drengot."
Er erklärte:
"So lasst mich Euch erhellen, was meine Person anbelangt. Auch ich bin... noch... kein Vasall der Höchstverehrten, bin ebenso Gast Ihrer Gnaden, und doch ist mein Haus aus Stein gebaut und ich stehe hier nicht allein."
War das eine Anspielung auf Gott oder sein Blut?
Zum Schluß brachte er folgendes zur Sprache:
"Jetzt kennt und wisset von mir. Mein Bestreben ist Euch kundgetan. Wenngleich mir Eure Ziele und Beweggründe nicht offenbar geworden sind...
War dies eine Aufforderung an den Nosferatu gewesen?
"Dennoch Ihr mögt hier auch weiterhin unterrichtet werden. Es will mir scheinen, dass Eure Intentionen guter Dinge sind. Es wird Euch doch rechtens sein, dass beizeiten Ihr auch mir eine weitere kleine Gefälligkeit erweiset nach altem Brauch und guter Sitte?"
Macario senkte sein Haupt in die Demutshaltung eines Mönches und faltete seine Hände vor sich in Gebetshaltung.
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.Zenon von Kition
