[1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

[Juli '21]
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

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Giada begegnete diesem Blick mit ihrem eigenen, der so viel dunkler war. Wie viele hatten sie seit jeher so angesehen, prüften sie, wogen sie ab, urteilten, wollten an ihr zerren in diese oder jene Richtung? Sie kannte dies so wie eine geschmiedete Klinge tausend Hammerschläge, Flammenhitze und Eiseskälte hatte kennen lernen müssen ehe sie auch nur überhaupt jemals im Kampf gezogen wurde.
Doch ihr gefiel dieser Mann. Er hielt sich ebenso wenig mit seichten Höflichkeiten und weichen Lügen auf und er hätte sie wohl auch nicht geduldet. Nicht mit diesem Blick auf die Dinge. Seine Frage rührte an eine Wunde, die wohl in jedem Herzen klaffte, welches sich nicht ganz vor Gott verschlossen hatte.

Also sagte sie: “Einst fragte ich meine Herrin Mutter im Blute etwas sehr ähnliches. Ich fragte: ‘Ist unser Dasein verflucht und wir dazu verflucht, auf ewig nach dem Weg zu suchen?’”
Giadas Verhältnis zu der Santa Noellina war vielschichtig und kompliziert. Doch die innere Stärke ihrer Erzeugerin konnten nicht einmal ihre Feinde von der Hand weisen. Dies verlangte Achtung.

Bedächtig sprach sie weiter ohne dem Blick des Malkavianers auszuweichen: “Und sie antwortete mit einem Satz aus der Bibel, dem ersten Brief der Korinther: ‘Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr es ertragen könnt.’”
Nun senkte sie den Blick knapp und ließ die Erinnerung an diese Worte durch sich hindurch spülen wie Meereswellen, die durch steinige Klippen brandeten. Wie die Wellen in Ebbe und Flut kehrten auch diese Worte immer wieder zu ihr zurück.

“Sie hat mir niemals mit ihren eigenen Worten geantwortet. Doch was sie sagte, habe ich als Weisung für mich genommen, so dass ich ausharre, einen Schritt nach dem nächsten, in der Erfüllung meiner Pflichten. Ich ertrage nicht mehr als ich aushalten kann. Dies ist mein Vertrauen in Gott.”

Es gab eine Sache, in der sie dem Malkavianer nicht zustimmen konnte. Der Sog jener Stille, in der er keinen Frieden sah, war beständig da. Diese geifernde, grelle, zerrende, laute Welt mit all ihren flüchtigen, nichtigen Ansprüchen, die Ferruccio selbst auch genannt hatte, als Macht, Einfluss, Besitz, Wissen oder Sicherheit: Dort fand sie ihr Ende und die Illusion zerschellte daran.
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Il Canzoniere
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Da hat eure Herrin Mutter im Blute durchaus recht..." er nickte bekräftigend, als ob dies ein Gespräch war das ihm gefiel. Auch schien so etwas wie Achtung für ihre Herrin Mutter darin mitzuschwingen. Vielleicht kannten sich die beiden sogar.

"...ihr habt es nur falsch verstanden. Denn ihr hättet das heilige Buch zur Hand nehmen müssen um ihre Worte hinter den Worten vernehmen zu können. Es ist der Kontext der zählt." Und aus dem Gedächtnis begann er damit den gesamten ersten Korintherbrief über das warnende Beispiel Israels herunterzubeten:
" Ich will euch aber, Brüder und Schwestern, nicht in Unwissenheit darüber lassen, dass unsre Väter alle unter der Wolke gewesen und alle durchs Meer gegangen sind; und sind alle auf Mose getauft worden in der Wolke und im Meer, und haben alle dieselbe geistliche Speise gegessen und haben alle denselben geistlichen Trank getrunken; denn sie tranken von dem geistlichen Felsen, der ihnen folgte; der Fels aber war Christus. Doch an den meisten von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste umgekommen. Das ist aber geschehen uns zum Vorbild, dass wir nicht am Bösen unsre Lust haben, wie jene sie hatten. So werdet nicht Götzendiener, wie einige von ihnen es wurden, wie geschrieben steht: »Das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um zu spielen.« Auch lasst uns nicht Hurerei treiben, wie etliche von ihnen Hurerei trieben: Und an einem einzigen Tag kamen dreiundzwanzigtausend um. Lasst uns auch nicht Christus versuchen, wie etliche von ihnen taten und wurden von den Schlangen umgebracht. Murrt auch nicht, wie etliche von ihnen murrten und wurden umgebracht durch den Verderber. Dies widerfuhr ihnen als ein Vorbild. Es ist aber geschrieben uns zur Warnung, auf die das Ende der Zeiten gekommen ist. Darum, wer meint, er stehe, soll zusehen, dass er nicht falle. Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt." wieder einen Moment des Schweigens, wohl weil er nicht sofort an solch heilige Worte mit seinen eigenen, profaneren, fortfahren wollte.

Als er es schließlich doch tat, war da so etwas wie Rührung in seiner Stimme: "Eure Herrin Mutter im Blute hat euch nicht beruhigt, sie hat euch belehrt. Wenn auch auf wirklich intelligente Weise." der Malkavianer schien wirklich angetan und nickte, in wenig aufgeregt, mit dem Kopf. "Denn im warnenden Beispiel Israels geht es nicht um einen gütigen Gott der euch jeden Frevel vergibt, wie ihr daraus vielleicht geschlossen haben möchtet. Es geht um einen gestrengen Gott der die Gläubigen von denen trennt die nur Lippenbekenntnisse abgeben, die keine Bürden und Mühen auf sich nehmen und die der Versuchung des Teufels nicht widerstehen zu vermögen. Sie alle lässt er sterben und ihre Seelen werden zur Hölle fahren ob ihrer Taten. Nur jene die all jenen Versuchungen widerstehen, denen ist er treu und lässt die Versuchung ob ihrer Treue enden." erläutert er den Brief wie jemand der bereits viele Stunden darüber nachgedacht und sich mit anderen darüber ausgiebig ausgetauscht hatte.

"Auch wir verfluchten fallen hier mit ein. Auch wenn unsere Sünden meist nicht die der Götzendienste, Hurerei oder jene die vom Christuspfad abkehrig machen wollen, auch wenn dies alles auch für uns gilt! Unsere Sünden sind darüber hinaus noch der Kainsfluch auf uns. Der es uns nicht nur schwermacht ein gottgefälliges Leben zu führen nein der darüber hinaus abgebaut werden muss, sonst lässt uns Gott in der Wüste sterben, da wir ihm nicht zu willen waren. Der Korintherbrief sagt aber auch das wir den Fluch abschütteln können. Das wir allen Versuchungen widerstehen und den Kainsfluch wieder gut machen können und Gott dann alle Versuchungen von uns nimmt. Den Durst nach Blut. Den Tagsschlaf, das Verbrennen in der Sonne, das Tier, einfach alles. Tatsächlich ist dies der einzige Ausweg den wir haben. Denn all die Mystiker, all die Okkultisten, die Totenbeschwörer, die Tiergläubigen und die Sünder haben keine Antwort darauf gefunden. Nicht in uralten Manuskripten oder brandneuen Ideen. Nicht in Stein gehauenen Tafeln oder gesungenen Beschwörungen, niemand hat eine Antwort darauf, außer die heilige Bibel. Das war es was eure Herrin Mutter im Blute euch gesagt hat: sie hat euch den einzigen Ausweg genannt den es gibt von jener Wegsuche und dem verfluchten Dasein das wir fristen." wieder ein anerkennendes Nicken. Dann ein prüfender Blick ob ihr jene Offenbarung geholfen habe, wo sie doch selbst nicht zu jener Erkenntnis gekommen war.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Diese Gedanken waren für Giada nicht gänzlich neu. Sie waren nur so hart erkämpft, immer wieder aufs Neue: Schwer zu fassen, schwer zu behalten, schwer zu ertragen. Das Rauschen von Blut und Zorn, das ewig anschwellende Rauschen der Flut der Worte aus der Politik und Etikette, Gesellschaft und Pflichten, Ehre und Begehrlichkeiten, spülte sie so leicht fort.
Ferruccio vor ihr hatte die Worte einfach genommen und in laute, klare Sätze gefügt, die einen Sinn ergaben - als hätte der Prediger eine feste, steinerne Straße gebaut wo zuvor nur ein schwer sichtbarer Wildwechsel im dornigen Unterholz gewesen war. Es war diese Klarheit und diese Festigkeit, welche ihr Demut abverlangten, ebenso wie sie in diesem Augenblick eine Achtung vor dem Malkavianer begründeten, die nicht auf seinem Rang oder Stand fußten.

“Dies ist mein Trost”, erwiderte sie. “Wann immer ich alle Hoffnung fahren lassen will, wann immer meine Knie einbrechen wollen von den Gewalten, die mich niederdrücken. Wann immer ich schwanke und zaudere und fehlgegangen bin und dann glaube, dass ich niemals zurückfinden kann. Dann denke ich an diese Worte und versuche, sie erneut zu finden so wie Ihr sie nun genannt habt.”

“Ich sehe die Jahre um mich her verrinnen und das Dunkel um mich her. Doch ich fühle mich reich beschenkt, denn ich erfahre diesen Trost. Ich erfahre die Gnade und Erlösung in der Beichte. Ich darf von jener Hoffnung trinken, welche der Sohn Gottes in die Welt trug.” Mit diesen Worten, wie zur Erinnerung, wie eine in Bewegung gehämmerte Formel, bekreuzigte sie sich.

Wie schön wäre es gewesen, hätte dies so anhalten können. Seine Worte, direkt aus der Bibel oder als wären sie direkt aus seiner Seele gesprochen, klangen so klar und fest. Doch schon als sie wieder zu ihm hinsah und die Hand von ihrer Geste senkte, griffen die Zweifel sie an. Lockte er, als ein Würdenträger am Hofe Genuas, sie nur in eine Falle? Wollte er nur ihre Wachsamkeit einlullen mit seinen leuchtenden Worten? Würde er alles, was er über sie erfuhr, wenn sie solche inneren Wahrheiten preisgab, sogleich gebrauchen oder weitertragen? War er, so wie der Assamit Benjamin es angedeutet hatte, nur ein Werkzeug des Ketzers? Oder anderer? Und damit schon begann der Moment des Trostes zu zerbrechen.
Giadas Miene verhärtete sich mit solchen Gedanken und als sie ihre Haltung wieder straffte. Sie wollte sich solche Offenheiten nicht gestatten, denn sie wurden ihr nicht gestattet.
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Il Canzoniere
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Jene letzte Verhärtung ihrer Gestalt war ihm offenbar ebenso wenig entgangen wie die vorhergehende Ergriffenheit. Ein skeptisches Runzeln ging durch seine Augenbraue, änderte aber nichts an der Intensität seines Blickes.

"Was für Gedanken trüben nun euren Geist? Misstrauen? Skepsis?" riet er, mit einer gehörigen Menge Erfahrung dabei, drauflos. "Ihr sollt nicht mir glauben oder meine Position annehmen. Ihr sollt Gott vertrauen und die seinen Worte in euer Herz lassen. Ich bin nur eines von unzähligen seiner Werkzeuge. Und kein besonders gutes obendrein." auch wenn man kaum einen Anflug eines Lächelns sah, mochte gleich das Kirchendach einstürzen, die Erde aufbrechen, zwei Sonnen aufgehen: Ferrucio, der irre Vates von San Giorgio hatte einen Witz gemacht. Oder zumindest einen Kommentar der andere zum schmunzeln bringen konnte.

"Möchtet ihr gemeinsam mit mir ein Gebet sprechen? Vielleicht für jemanden den ihr kennt? Jemanden der dringend göttlichen Beistand benötigen könnte und der im Kern eine gute Person ist?" abschätzend blickte er sie an. Die Freude lag ganz nahe an dem Wahn der seine Augen tränkte wie Wasser einen Schwamm. So sanft wie er dort stand wirkte er beinahe ungefährlich. Wo war sein Tier? Musste nicht auch ein solches in ihm stecken? Wie konnte jemand mit solch einer Macht in der Brust so friedlich wirken? Und was passierte wenn man diesen Frieden brach? Kamen daher all die Gerüchte und üblen Erzählungen, die mit seinem Namen verbunden waren?
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Und doch traf er damit genau den richtigen Ton. Ein Scherz - der kleine Stein, der den Karren mit den allzu harten Rädern auf dem Pflaster einmal kräftig durchrüttelte. Dies war wahr: Jeder von ihnen war unvollkommen. Und jedem von ihnen standen die Türen des Hauses Gottes offen. Es mochte gut und gerne sein, dass sie an dem Mann vor ihr zweifeln sollte. Sie alle waren Bluttrinker, die die Lebenskraft anderer stahlen, die einander auslöschten für nur ein paar Tropfen Lebenskraft und Macht. Einige waren dafür wie geschaffen. Andere nicht.

“Das ist wahr, ehrwürdiger Vater. Ich trage Mißtrauen und Zweifel mit mir. Doch ich will mich in Gottes Hand begeben so wie ein jeder von uns es kann. Ich will beten für jene, die dies nicht wagen wollen, dass es doch einmal gelingen möge, dass sie ihre Seele erleichtern und sich aus dem selbstgezimmerten Joch ihrer Furcht freimachen können.”

Ein allzu frommer Wunsch, vielleicht? Scheinheilig, denn sie selbst war nicht frei von Sünde. Doch sie floh auch nicht vor ihrer Furcht, vor der Beichte, vor dem Gebet. Sie fand wahrhaftig Freiheit und Frieden.

“Kann ich erkennen, was ein gutes Herz sei? Ich bin selbst vom Blute. Doch ich koste in der Heiligen Kommunion vom Blute Jesus Christus und damit von der Hoffnung, die der Heiland gibt. Es gibt solche, wie Ihr sagt. Sollen sie einen Weg zu Gott finden. Betet mit mir.”

Es gab keinen besseren Ort als diesen, hier und jetzt. Es gab keine Heimlichkeit vor Gott. So sank sie auf die Knie.
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Lediglich ein Nicken beantwortete ihre letzte Frage, als wolle er sagen: ja, das kannst du. Sagen tat er jedoch nichts, er folgte erst ihrer Bewegung mit den Augen, dann mit dem Körper, glitt in die Knie, begann das Gebet:

"Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte.
Er handelt an uns nicht nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Schuld.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch ist seine Huld über denen, die ihn fürchten.
So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er die Schuld von uns.
Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten."
wählte er eines jener Gebete welche mit der Vergebung von Sünden einher ging.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Und für einen Augenblick fand Giada Trost darin. Sie ließ sich in die Worte fallen und sprach sie nach, im Rhythmus des Priesters. Als sie die Augen schloss, tat sich ein ganzer Horizont der Dunkelheit vor ihr auf, so weit ihre Augen blicken konnten. Nichts war dort und für einen kurzen Augenblick fielen die rigiden Pflichten, die hohen Erwartungen und die unausgesprochenen Geheimnisse von ihr. So stand sie vor dem inneren Abgrund. War dies Gott?

Sie dachte an jene, für die sie beten wollte: An das ewige Kind, Angelique, mit einem Verstand wie einer ganzen Bibliothek von Wissen. Und doch suchte sie immer weiter. Wonach?
“Ich bitte Euch, schließt die werte Angelique in Euer Gebet ein, denn ich fürchte, dass sie verloren geht.”
An den Heiden Benjamin, der die Messer seines Mißtrauens in der Seele trug und tragen musste. Welche Gerechtigkeit hoffte er, zu finden, wenn er die Gerechtigkeit Gottes nicht sehen wollte? Wo konnte einer Frieden finden, der sich selbst vor Gott verschloss?
“Ich bitte Euch, schließt den werten Benjamin in Euer Gebet ein, denn er ist ein Heide in einem Land der Gläubigen, der eine Wehr um sein Herz und seine Seele errichtet hat als müsste er diese vor Gott schützen.”

Und sie betete auch für sich selbst, denn jede Nacht entfernte sie sich einen Schritt weiter von der Schöpfung Gottes und sah in jene Finsternis, welche vor allen Dingen gewesen war und welche sein würde lange nachdem der letzte Klang der Apokalypse und des jüngsten Gerichts verklungen war. Im Angesicht der Heiligkeit verblasste ein vergänglicher Geist und flackern wie eine Kerze im Wind. Doch bislang war das Gebet ihr Schirm und Schutz und dies war recht.
“Ich bitte Euch, schließt auch mich in Euer Gebet ein, dass ich nicht schwach werde, dass ich standhaft bleibe, dass ich meine Seele nicht an die Sünden von Stolz und Zorn verliere, die Namen der roten Bestie in meiner Brust.”

“Amen.”
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Nachdem sie geendet hatten, verharrte er noch einen Augenblick in andächtiger Position, dann erhob er sich langsam, offenbar von Glück beseelt. Der stechende Blick war beinahe von einer gewissen Manie erfüllt, der Geruch von Vitae stieg ihr in die Nase, frisch und unverbraucht. Wie ein guter Wein dessen Flasche soeben geöffnet wurde.

Die Wickel um die Hände des Malkavianers hatten sich auf beiden Seiten rot gefärbt, als würde er aus den Handflächen bluten, wie Jesus selbst. Eine ruhige Zufriedenheit umfing den Malkavianer wie selten. Als ob er im Gebet weniger Unberechenbarkeit hatte als im gewöhnlichen Gespräch. Trotzdem trat er zwei Schritte von ihr weg, wohl um ihrem Tier ein wenig Angriffsfläche zu nehmen, falls es auf jenen betörenden Geruch reagieren würde.

Mit versöhnlicher Stimme wandte er sich ihr zu nickte zufrieden. "Ihr habt offenbar Mitgefühl für Ketzer und Heiden. Oder gar beides. Davon will ich euch nicht abraten. Jedes Mitgefühl das einer der unseren zeigen kann ist etwas das mich hoffnungsvoll stimmt, ich warne euch jedoch vor: legt keine allzu großen Hoffnungen in jene beiden Personen. Sie landen mit absoluter Sicherheitin der Hölle. Es ist nur eine Frage ob sie dort freundlich empfangen werden, weil sie alle jene mitbringen die ihnen auch nur ein Wort glauben. Selbst Mailand hat sich von Angelique abgewandt, trotz ihrer Blutsverwandtschaft. Und gegen Benjamin steht ein Verfahren vor ihrer Majestät bevor, aufgrund seiner ketzerischen Handlungen." Traurigkeit fand sich in seiner Stimme, insbesondere als er Angeliques Namen in den Mund nahm. Offenbar war ihr Ketzertum ihm ein schlimmerer Dorn im Auge als der des heidnischen Assamiten.

"Kennt ihr sie gut? Oder haltet ihr sie nur für jene beiden denen Gottes Hilfe in dieser Domäne am meisten helfen könne, da sie am gefährdesten von allen sind?" der Unterton in seiner Stimme hatte schon wieder etwas prüfendes, als ob er das Misstrauen was ihrer Natur zueigen war in gewisse Kanäle lenke.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Welchen Christenmenschen konnten solche Worte über andere ganz unberührt lassen? Wer, der in eine Welt zwischen Kirche und Familie, Heimat und Gottesreich geboren worden war, konnte das Wort eines geweihten Priesters einfach so von sich abperlen lassen?
Giada konnte es nicht. Ihr Herz hatte seit über einem Jahrhundert nicht mehr geschlagen, doch es gab Dinge aus dem Leben, die niemals ganz verflogen. Sie senkte den Kopf, mit harter Miene wie um sich selbst gegen die Ketzer und die Fahrt zur Hölle zu wappnen.

“Meine Zeit in Genua ist zu kurz als dass ich sagen darf, dass ich auch nur einen hier gut kennen kann”, sagte sie. Auch in ihre Stimme hatte etwas von dieser Härte Einzug gehalten.
“Die werte Angelique lernte ich als eine Gelehrte kennen, mit der ich so manche Stunde in Diskurs und Lehre verbracht habe. Sie hat mir einen scharfen Verstand bewiesen, gewiss auch scharf genug, dass er sie selbst schneidet. Was Ihr zu ihrer Blutslinie sagt, das hat sie einmal angesprochen.” Sie runzelte die Stirn.

“Mit dem werten Liktor Benjamin verbrachte ich weniger Zeit. Ich erinnere mich, dass wir unsere Bekanntschaft auf unsicherem Fuße begannen. Es war sein Amt und Pflichten, die mich ihm als ein Gastgeschenk eine Mantelfibel mit einem Bild und Zeichen des Heiligen Georg mitbringen ließen.” Sie machte eine knappe Geste, die die Umgebung einschloss - die Kirche San Giorgio, eben nach demselben Heiligen benannt. “In jener Nacht deutete er an, ich sei eine Agentin des Ketzers. Es war nur eine Andeutung und eine, die ich brüsk ausgeräumt habe, doch was mir von alledem als ein Eindruck blieb, war dieses Mißtrauen und eine heidnische Abwehr gegen den christlichen Glauben.”
Ihr Stirnrunzeln hatte sich noch vertieft - offenbar hatte Ferrucio mit seinen Worten einige Ungereimtheiten wachgerufen, die ihr geblieben waren. Trotz alledem hielt sie ihre Stimme leise genug, dass ihre Worte nicht doch an das Ohr von jemandem gelangen mussten, der in der Nähe schlief.
“So oder so habe ich ihn jedoch auch als einen Mann kennen gelernt, der seine Pflichten ernst nimmt und sich tugendhaft zu verhalten sucht. Das Amt des Liktors gibt es in Mailand in dieser Art nicht, doch es erscheint mir in der Tat wie eines, das den Segen des Heiligen Georg haben könnte: Ein Schutz und Schild für die Menschen gegen die Bestien und Monster in der Nacht.” Man konnte aus dem nun eher trockenen Tonfall heraus vielleicht erahnen, wie verknotet die Situation mit jenem Gastgeschenk wohl gewesen sein musste.

Sie sah auf und Ferrucio direkt an. “Es ist der Fluch der Fremden in der Fremde, solche Verwicklungen nicht zu kennen wie die eines Verfahrens gegen einen der Amtsträger. Doch das wird wohl einen Richterfrieden bringen.”
Die Politik der Nacht drängte schrill in den stillen Frieden, den Gotteshäuser und das Gebet ihr sonst brachten. Doch sie hatte dies bereits erwartet.
“Was ist dies für ein Verfahren?”
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Il Canzoniere
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Eines um seine Hybris und ketzerischen Worte. Und darum das er die Anordnungen des Prinzen stets dann beachtet wenn sie ihm von Vorteil sind, alle anderen jedoch gerne zu vergessen scheint. Ich musste ihn daran erinnern das er allen ihrer Worte folge leisten muss, was er verneinte. Also wird es einen Richtspruch Aurores geben der ihn vielleicht den Kopf kosten könnte. Immerhin gibt es sogar einen kainitischen Zeugen der seine Unverfrorenheit bezeugen kann." aus irgendeinem Grund schien Ferrucio etwas gar ein wenig humorvoll an dieser Sache zu finden, auch wenn sein Lächeln wie das einer Puppe wirkte: unecht und gar ein wenig gruselig ob des festgefrorenen Blickes.

"Ihr stammt aus Mailand? Habt ihr einmal in San Giovanni sul Muro gebetet? Eine der schönsten Kirchen die ich je gesehen habe. Und ihr könnt mir glauben das ich einige von ihnen gesehen habe. Ich verehre außerdem jene in Sant’Eustorgio, auch wenn ich es nie geschafft habe dort zu beten. Ein Jammer. Aber vermutlich ist das alles Teil von Gottes Plan." veränderte sich seine Stimmlage langsam ins seelige.

"Was gibt es neues aus dem Norden? Ich hörte das Pilgerer mit Einschränkungen zu kämpfen haben? Ist dem so?" mit einem leicht zur Seite geneigten Kopf betrachtete er wie sie hier oder da reagierte. Eins war sicher: keines seiner Worte war das was es schien. Und selbst das was sie heißen konnten hatte mehr als eine Ebene. Offenbar war ihm ihre Heimat nicht fremd. Gar überraschend vertraut. Was mochte das bedeuten?
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