[1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

[Juli '21]
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

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“Ah, Ihr sprecht die Namen jener alten und heiligen Häuser mit Sehnsucht aus.” Giadas Stimme war milde, auch wenn sie wusste - ebenso wie wohl er, was oder wer unter den Dächern jener großen Kirchen Obdach fand. “Mir wurde das Glück zuteil, in San Giovanni sul Muro zu beten. Unvergesslich war es und ich kann wohl verstehen, weshalb es so viele Pilger dorthin zieht.”
Ihre Miene wirkte beinahe ein wenig melancholisch. Letztlich war sie in jenem Hause nur ein flüchtiger Gast gewesen, wie so viele andere auch. Und doch: Wem diese Gunst je einmal zuteil wurde, der konnte sich der Ehrfurcht - dies hieß: der Ehrung, Verehrung und der Furcht - kaum verschließen.
“Doch die Basilica? Nein, die Gelegenheit hatte ich nicht. Meine Herrin Mutter im Blut war dort und ich hätte doch geglaubt, dass auch Ihr den Ort bereits kennt. Ebenso hätte ich vermutet, dass Angelique ihn kennt, denn allzu weit sind Mailand und Genua doch nicht auseinander.”

Die Melancholie der Lasombra vertiefte sich. Unsichtbare Gräben zogen sich durch die Lombardei, unsichtbare Fäden zogen an den Wanderern in der Nacht.

“Mittlerweile ist es auch schwerer geworden”, bestätigte sie Ferrucios Worte dazu. “Zum einen ist es wohl so, dass das Land um Pavia unsicher geworden ist. Sogar die Händler bei Tage beklagen die Anzahl an Gesindel und Räubern dort. Mir selbst setzt dies zu, denn ich nahm hier in Genua die Aufgabe auf mich, diese Straße zwischen Mailand und Genua auszubauen. Früher einmal war sie gut und eben, doch heutzutage?” Sie ballte die rechte Hand um einige Perlen des Rosenkranzes an ihrer Seite und ließ die offene Frage im Raum hängen.
“Und dann ist da wohl auch die Begebenheit, dass sich für so manchen aus der Nacht Genuas die Tore Mailands nicht mehr öffnen wollen. Ihr selbst seid wohl leibhaftig Zeuge der Ereignisse geworden, die so vieles für Genua veränderten.”
Giadas Worte waren mit Bedacht gewählt. Sie war keine lächelnde Dame der Gesellschaft und auch keine offizielle Diplomatin, doch dass früher oder später jemand diese Dinge offen zur Sprache bringen würde, war doch vorhersehbar gewesen.

“Wenn Ihr jedoch für eine Pilgerreise um Einlass bitten wolltet, so könnte ich Eure Bitte weiterreichen, wenn es Euer Wunsch wäre. Gewiss kann ich nicht voraussagen, wie dann darüber beschieden wird, doch es ist meine Hoffnung, dass meine Aufgabe in Genua in der Tat helfen könnte, den Weg zu ebnen…”

Nun senkte sie kurz den Kopf. Kaum jemand in Genua hatte dieses mehr oder weniger versteckte Angebot, das in Giadas bloßer Anwesenheit in Genua lag, überhaupt erkannt, geschweige denn wahrgenommen. Galeno Fiore hatte es nicht einmal verstanden, als sie ihm, dem Herold, diese Aufgabe genannt hatte. Er hatte stattdessen verärgert geklungen, dass sie nicht einfach angenommen hatte, was er ihr gesagt hatte. Um ihn gütlich zu stimmen, hatte sie seine ursprüngliche Aufgabe mit erfüllt, doch auch das hatte er wohl nicht begriffen. Der kappadozianische Gelehrte hatte mehr als deutlich bewiesen, dass sein gelehrter Verstand doch eher für andere Belange geschärft war als ausgerechnet die der Politik oder der Ambitionen, selbst der eigenen.
Der einzige, der bislang in Genua ihr Angebot verstanden und es auch wahrgenommen hatte, war ironischerweise jener Benjamin gewesen, zwischen welchem und Ferrucio dieser Zwist lag.

“...wenn nicht, wie allzu oft, solcherlei Wünsche in Scherben gehen und solcherlei Hoffnung wie kurzsichtige Eitelkeiten scheinen.” Sie hob den Blick wieder. “Größere als ich werden es letztlich so oder so erscheinen lassen. Habt Ihr dieser Nächte den Wunsch, auf Pilgerreise zu gehen, verehrter Vater?”
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Il Canzoniere
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Er betrachtete Giada eine Weile mit jenem Blick der so bohrend wie auch tief war, wie ein Brunnen in den man gleichzeitig hinab und hinaufblickte. An deren Ende man ganz knapp die Wasseroberfläche oder gar den Himmel erkennen konnte.

"Natürlich. Ich wüsste wenig was ich lieber täte. Es gibt einige herausragende Kirchen in Italien. Wirklich schöne Bauten die Gott auf so vielfältige Arten huldigen, dass ich ihren Erbauern Respekt zollen muss. Ich würde sie gerne alle besichtigen und in jeder von ihnen beten. Aber das wäre selbstsüchtig. Meine Aufgaben liegen hier. Ich kann die Stadt nur schwerlich verlassen, auch nicht für San Giovanni sul Muro. Ich würde mich aber freuen wenn ihr Angelique das selbe Angebot machen würdet. Ich weiß, wir haben so unsere Differenzen. Aber in dieser Kirche ist etwas das sie gesehen haben sollte." er lächelte dünn und wandte dann den Blick von Giada ab, über ihre Schulter, hinüber ins Kirchenschiff, wie um zu sehen welcher Gast gerade hereinkam.

Die Augen folgten einen Augenblick jenem wer dort gekommen sein mochte, dann legten sie sich erneut auf Giada. Wie ein Gewicht auf ihren Schultern, fühlte es sich an.
"Ich bin Zeuge jener Ereignisse, fürwahr. Und das ihr sie erwähnt ist kein Zufall oder? Was wollt ihr wissen?" legte er ihr eine Möglichkeit dar die vielleicht verlockend sein konnte, vielleicht aber auch nur soetwas wie seine Aufrichtigkeit unterstreichen sollte. Er war schwer zu durchschauen, schwerer noch als viele andere seines Alters, wie Benedetto oder Ilario.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Das ist wahr, verehrter Vater”, gab Giada unumwunden zu. Zu seiner Bitte wegen Angelique hatte sie einfach genickt. Den Gefallen wollte sie ihm gern erweisen, schon allein aus Dankbarkeit für dieses Gespräch zwischen ihnen und die Hoffnung auf Antworten.

“Als ich hierher nach Genua kam, war ich nicht ganz ohne die Hoffnung, hier eine Heimat zu finden. Doch die Notwendigkeiten der Nacht machen dies schwer: Für meine Heimat will ich mich auch beweisen, ich will sie fördern und stärken, will mit und an ihr wachsen und gedeihen. Doch kann ich es wagen, mich so an diese Domäne und diesen Prinzen zu binden?” Es war eine wahrhaftige Frage: Giada rang seit ihrer Ankunft damit und fand keine guten Antworten. Ilario und seine Bitterkeit waren ihr eine Warnung gewesen, seine Fehler nicht zu wiederholen. Doch was sonst? Ein ewiger Stillstand am Rande der Gesellschaft der Domäne, eine ewige Rolle als Fremde in der Fremde?

“Ich hatte jedoch unweigerlich davon gehört, wie die höchst verehrte Herrin Aurore zwei Eide brach, die sie selbst gesprochen hatte. Für mich wiegt dies schwer, denn wir, die wir durch die Nacht gehen, können so viele Gesetze der Menschen abwerfen. Doch unser Wort, unser Eid: das muss Bedeutung haben, über die Zeiten hinweg, über die Grenzen von Ländern, von Reichen, von Völkern.” Dies war ein Grundpfeiler ihrer Überzeugungen für die Nacht. Wer den Wert seines Wortes, wer seine Ehre verlor, dem war nicht zu trauen. Der war zu verachten und der war nicht würdig, dass man ihm diente und seine Sache wie die eigene förderte. Und so erklärte Giada:
“Die Tradition der Domäne erklärt das deutliche Vorrecht und die Herrschaft des Prinzen von Genua, doch selbst ein einziger Eidbruch wiegt schwer.”

Doch ganz ohne Hoffnung war sie nicht. Diese Frage, die sie nun vor Ferrucio aussprach, hatte sie auch schon Ilario Contarini gestellt. Doch die Antwort war ausgeblieben, zumindest für nun. Vielleicht gab es auch keine:
“Und so fragte und frage ich mich seither, ob ein Eidbruch Heilung finden kann. Es mag schwer sein, doch vielleicht ist es möglich? Um eine solche Heilung zu verstehen, müsste man wohl zuerst die Eidbrüche selbst verstehen. Wem steht es zu, den Bruch zu vergeben und das gegebene Wort zu heilen?”
All dies waren vielleicht Fragen für jene auf der Via Regalis, eher philosophischer Natur oder eben die Bürde von solchen wie ihr, nicht die anderer. Doch Giada war auch eine Tochter der Santa Noellina und eine Christin. Im Glauben, in der Kirche, in den Worten der Prediger gab es Antworten, die sich sonst nirgendwo finden ließen. Das war es, was sie dann also fragen ließ:
“Auch fragte ich mich, ob ein solcher Bruch eine Sünde ist, welche Gott vergeben könnte? Könnte es hier eine Absolution geben, welche von höherer Stelle gewährt wird als uns, trotz all unserer weitverzweigten Macht? Und würde dies wahrhaftig Heilung bringen, obwohl gewiss nicht alle in der Nacht eine solche Absolution anerkennen würden?”

Giada breitete die Hände kurz aus, in einer offenen, fragenden, vielleicht suchenden Geste.
“Bitte verzeiht mir, dass ich diese losen Gedanken so vor Euch ausbreite. Ich habe keine Antworten auf diese Fragen und es mag gut sein, dass diese Fragen allein bereits Begehrlichkeiten und Zorn wecken können. Und doch kann ich sie nicht einfach von mir weisen.”

“Würdet Ihr mir von jenen Begebenheiten um die beiden Eidbrüche berichten, verehrter Vater? Meine eigene Herrin Mutter war wenigstens in der einen Nacht zugegen und aus ihrem Munde und auch dem anderer habe ich davon gehört. Doch in der anderen Nacht war sie nicht in Genua und von diesen dunklen, üblen fünf Nächten habe ich nur düstere Andeutungen gehört. Was ist geschehen? Wie konnte eine so noble Herrin wie die höchst verehrte Aurore gleich zweifach ihr Wort brechen, in so kurzer Zeit?”
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Il Canzoniere
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Es war die List der Gibeoniter die sie anwandte als Mailands Heer Genua attackierte. Und es ist rechtens sie anzuwenden, wenn man in einer ähnlichen Situation ist wie die Gibeoniter, von allen Seiten mit dem Tode bedroht und aus Sorge um die eigene Stadt. Das lehrt uns das Matthäusevangelium. Die Gibeoniter sahen was Josua mit Jericho und Ai getan hatte und hatten Sorge um ihre Heimat. Also griffen sie zu einer List und stellten sich zum Schutze unter einen Eid. Und Josua schloss Frieden und einen Bund mit ihnen, dass sie am Leben bleiben sollten. Und die Obersten der Gemeinde schworen es ihnen. Als dann später die List aufflog, erschlugen die Israeliten sie nicht, weil ihnen die Obersten der Gemeinde geschworen hatten bei dem HERRN, dem Gott Israels. Als aber die ganze Gemeinde gegen die Obersten murrte, sprachen alle Obersten zu der ganzen Gemeinde: Wir haben ihnen geschworen bei dem HERRN, dem Gott Israels; darum können wir sie nicht antasten. Als Josua die Gibeoniter später zur Rede stellte, ob ihres falschen Eides sagten sie ehrlich und aus freiem Herzen: Es wurde deinen Knechten angesagt, dass der HERR, dein Gott, seinem Knecht Mose geboten habe, dass er euch das ganze Land geben und vor euch her alle Bewohner des Landes vertilgen wolle. Da fürchteten wir sehr für unser Leben und haben das so gemacht. Sie begaben sich in Josuas Hände und er befreite sie und ließ sie am Leben." erläuterte der Malkavianer zuerst die List der Gibeoniter, falls sie Giada nicht ohnehin ein Begriff sein mochte.

"Mailand rückte damals mit Waffengewalt gegen uns vor. Unsere etruskischen Verbündeten wurden gleichzeitig in der Toskana von der See attackiert und eine weitere Flotte der See unter dem Kommando von Lydiadas attackierte unsere Stadt, während wir im Feld mit Mailand standen. Aurore stand vor der Entscheidung die Stadt einer brutalen Plünderung durch die See und die sterblichen Ungläubigen hinzunehmen, schlimmer noch als jene wegen der sie das Mitleid ergriffen hatte und sie im Jahre des Herrn 935 das Prinzenamt übernahm - oder die Mailänder Herren zu überlisten, gemeinsam mit Mailand die See zurück zu schlagen und seitdem an allen Verpflichtungen gegenüber Mailand festzuhalten - oder läuft nicht noch immer der Nachschub mitten durch Platealonga? Was genau hat sie denn mehr gebrochen als verzweifelte Worte in einer auswegslosen Situation? Sind das die Eide auf die Mailand seine ganze Stabilität ruhen lässt? Ist das Vasallenschaft? Oder nicht eher Sklaverei?" begann er mit dem Älteren der beiden erwähnten Eidbrüche, über die Giada Bescheid wissen wollte.

Er musterte sie fragend, was sie dazu zu sagen hätte, immerhin war sie es die nach dem Umgang mit Eiden gefragt hatte. Erst dann nahm er sich des zweiten Falls an: "Der zweite Fall ist nicht minder-konstruiert. Mailand nahm, in eben jenem Feldzug, einen wohlwerten Vasallen ihrer Majestät gefangen. Trotz des Lehnseides und entgegen seiner eigenen Lehnsherrenpflicht der sie sich so verpflichtet fühlen, wenn es um ihren Vorteil geht. Sie nahmen also diese Geissel und sie sagten er müsse freigekauft werden, zu einem Preis der selbst bestimmt werden könne. Jeder biete einmal und der höchste Endpreis gewinne. Aurore bot so viel sie konnte und wurde doch von der See überboten - weil diese mehr zu geben hat. Eine ungerechte Situation. Ist für den Grafen eine Grafschaft alles was er hat. Bietet aber der König ein Herzogtum, dann kann der Graf nicht gewinnen, obwohl er alles bietet was er hat und der König nur eins seiner zahlreichen Herzogtümer. So ist es hier passiert. Oder warum glaubt ihr das weder Aurore noch der Erzeuger der Geisel, ein Ahn der Salubri, noch irgendjemand anderes den Zuschlag bekam? Wieso war es Lydiadas der dieses Thema aufbrachte, unmittelbar nachdem Acacia ihren Eid gegenüber Aurore brach? Als Art Rechtfertigung es den damals übermächtigen Königen Genuas leichter zu machen die Seite zu wechseln? Aurore hat alles getan was in ihrer Macht stand um jenen wohlwerten Gaius zu retten der sie bei Hofe gar attackierte." legte er den zweiten Fall dar, der ihm offenbar wesentlich unklarer als Eidbruch zu definieren war. Wer auch immer hier die Deutungshoheit hatte, Ferrucio schien anderer Ansicht.

"Wenn die via regalis das kainitische Rechtssystem und den Umgang mit ihm definieren möchte, dann sollten sich die Anhänger dieser via auch so Verhalten das andere dieses System adaptieren. Denn sonst suchen sich diese anderen ein alternatives System. Was würdet ihr von einem System halten in dem Abmachungen nur solange halten bis ein Beteiligter kein Interesse mehr daran hat? Ich bin mir sicher das alle anderen via damit wesentlich besser zurecht kämen als die regalis. Wieso also handeln die Prinzen auf der via regalis dann so als ob sie diejenigen wären die die Regeln machen und nicht wie diejenigen die die Regeln brauchen?" gab er einen weiteren Denkanstoß mit...
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada lauschte wachsam. Offensichtlich bewegte ihre eigene Frage sie sehr und Ferrucios Antwort schien für sie Gewicht zu haben.
Sein Gleichnis zu den Gibeonitern ließ sie die Stirn runzeln und sie fragte: “Wenn dies so sei wie Ihr es vergleicht, dann bleibt es doch so, dass die List der Gibeoniter offenkundig wurde. Hernach wurden sie darum befragt und sie gaben ihre List ebenso zu wie ihre Bedrängnis. Mit der Wahrheit durchtrennten sie die Fesseln ihrer List und begaben sich in Joshuas Hand.”
Giada legte ihre Hände offen ineinander und hielt sie so locker vor ihrem Bauch.

“Eine List ist eine List. Doch die Worte danach waren ehrlich. War es vielleicht ein Verständnis, das Joshua zur Milde und Gütlichkeit bewegte? War es Gnade und ein gerechter Sinn, denn die Furcht der Gibeoniter war wohl zu verstehen?” Sie neigte den Kopf.
“List und Lügen fesseln und binden, beschweren und verstricken. Sie führen zu mehr von der eigenen Art bis man sich darunter kaum mehr zu regen weiß. Doch es waren die Gibeoniter selbst, welche sich befreit haben!”
Sie legte die Hände über ihr totes Herz und ließ sie dann sinken.

“Ich gestehe, dass ich mir auch für diese Zeit oft wünsche, dass sich solche Befreiung wie die der Gibeoniter finden ließe. Vielleicht ist es ein allzu frommer Wunsch?” Giada ließ diese Frage im Raum stehen.

“Es ist gewiss keine leichte Frage, jene nach den Härten der Via Regalis und jener, die auf ihr durch die Nacht gehen. Ich bin ihr im Blut verbunden, doch ich kenne auch die Lehren der Via Caeli, mit welcher ich ebenso im Blut verbunden bin. Ich sage damit: Ich kann Eure Frage von mehr als einer Seite aus betrachten und meine eigene Frage wäge ich ebenso von zwei Seiten aus ab. Ich werde meinen eigenen Stand finden müssen, doch ich will dies nicht leichtfertig oder blindlings tun.”

“Bislang und auch mithilfe Eurer Worte habe ich dies für mich errungen: Dass ein Eid unter unteresgleichen unverbrüchlich sein muss. Doch diese Welt ist dunkel und jene vom Blut stellen einander schreckliche Fallen, wie scharfe Messer in der Nacht. Es mag Zeiten der Bedrängnis geben so wie die Gibeoniter sich bedrängt fühlten und zu dem einen Ausweg der List griffen, der ihnen als eine Rettung erschien. Doch die Via Regalis verneint dies nicht. Ihre Gelehrten und Weisen geben den Rat, dass eine Heilung eines Eidbruches möglich sei - ganz so wie Joshua den Gibeonitern einen Weg geben konnte: Einen Eidbruch vergeben kann jener, der den Eid einst empfing.”

Sie schwieg einen kleinen Augenblick und sagte dann langsam: “So ist es auch eine weitere Sache der Via Regalis, dass jene, die auf ihr gehen, nicht achtlos und ungerecht zu jenen sind, die sich in ihren Schutz stellen. Ebenso wie sie auf der anderen Hand jenen aufrecht und wahrhaftig dienen, welchen sie sich unterstellen. Dies ist kein einfacher Weg, denn er scheint dazu einzuladen, die Via Regalis gegen die zu gebrauchen, die auf ihr gehen. Und doch ist dies der Grund, weshalb Recht und Ordnung auf der Via Regalis fußen können - Wahrheit, Macht und Rechtschaffenheit sind drei ihrer fünf Pfeiler. Darauf können alle bauen, auch jene, die auf anderen Wegen durch die Nacht gehen.”

Sie schüttelte den Kopf. “Von allen Wegen durch die Nacht sehe ich nur auf diesen beiden, der Via Regalis und der Via Caeli, Gerechtigkeit und Ordnung für uns in der Nacht fußen, so dass es uns bindet. Und beide Viae scheinen mir in meiner schweren und bangen Frage doch zu derselben Antwort zu weisen. Der Weg der Gibeoniter und Joshuas gibt mir Hoffnung. Doch ob er auch gegangen wird?”


Einschätzung (auch für mich selbst), ob/wieviel Giada mit dem Bibelvergleich auch selbst etwas anfangen kann:
Giada (Jule) Roll: [10, 9, 6, 3, 3]
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

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Der barfüssige Mann mit dem unverbrüchlichen Blick blickte sie geradeaus und reglos an, starrte geradezu durch sie hindurch, als ob er ihre Worte eher sähe als ihre Gestalt. Alles in allem schien er ihren Worten weitestgehend mit einem schwachen Nicken hier oder einem kurzen schief legen des Kopf dort zu folgen.

Wo er jedoch einhakte war jener Punkt das jene auf der via regalis jene schützen sollen die sich unter ihren Schutze stellen würden. Beinahe war es als ob er ein Haifischlächeln lächele, aber nichts davon erreichten seine Augen oder gar seine Extremitäten: "Das ist Theorie. Die via regalis ist nicht einig, wie die via caeli. Sie ist innerlich zerstritten. Die einen, die der via tyrannus folgen wie jener Seneschall vor dem jetzigen, haben keinerlei anderes Interesse als ihre eigenen. Sie sind ihren Herren loyal gegenüber, aber nicht länger als sie selbst davon profitieren. Genua hat unter ihrer Einflussnahme lange gelitten und wurde zum schlechteren gewandelt. So schlimm sogar das der Urgrund für die Rebellion gegen Aurore hier lag. Der Verrat Acacias und Brimirs und der anderen, damals als die See sich Genua einverleibte, liegt hier: die Taten der via regalis, genauer des Pfades des Tyrannen. Ihr könnt also nicht die kurzsichtigen Fehlverhalten der einen vollständig auf jene ablasten die davon Schaden genommen haben." er drehte den Kopf nun leicht zur Seite, offenbar nicht wissend ob er nun Neuigkeiten mit Giada teilen würde, fuhr jedoch unumwunden fort: "Totila folgt ebenfalls der via Tyrannus. Was also hättet ihr getan? Nachdem bereits einer Seneschall auf jener via euch beinahe die Domäne gekostet hätte? Würdet ihr gar einen solchen Lehnsherren erdulden, nein ihm gar durch dick und dünn bis an euer Ende - und dies käme auf jeden Fall vor dem seinen - folgen? Zweimal den gleichen Fehler begehen? Ist es nicht so das sich Aurore nie von der via regalis abgewandt hat? Das sie nach wie vor allen ehrlichen Verpflichtungen nachkommt? Das sie sogar ihren verräterischen Kastellan der Informationen an den Feind verkauft hat zurückkehren hat lassen, da er via consuasor folgt und nicht der via tyrannus? Duldet sie nicht euch als Enkelin jenes, angeblich, gefehmten, in ihrer Domäne? Lässt sie nicht einen König nach dem anderen in ihre Domäne? Wirkt so jemand auf euch der ein Eidbrecher ist, der nicht auf Stabilität setzt und ein Problem mit der via regalis hat? Ich halte jene Anschuldigungen gegen sie für konstruiert." schloss er dann seine Stellungnahme ab. Um sie noch um einen interessanten Gedanken zu ergänzen...

"Sollte ihr daraus ein Strick gedreht werden, dann schätze ich wird sie sich wirklich von der via regalis abwenden. Den mailändischen Nachschub nicht mehr durch Platealonga ziehen lassen - und damit Totila wesentlich größere Probleme bescheren als seinen gekränkten Stolz. Wenn ihr also sagt das er ihr vergeben kann, dann frage ich mich wieso er das nicht schon längst getan hat? Er ist abhängiger von ihr als sie von ihm. Vielleicht können wir... wir beide für eine Entspannung der Situation sorgen? Es wäre sicher zum Vorteil beider Domänen..." durchdringend starrte er sie an, öffnete gar seine Hand leicht, als unterstützende Geste. Giada stieg sofort der - bisher eher dezente - Geruch von Vitae scharf in die Nase.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

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Der jähe Duft blieb nicht ohne Wirkung auf Giada. Sie atmete ihn ein, für einen Augenblick wollte der ewige Hunger aller Verdammten in der Nacht aufflammen. Sie kämpfte das jähe Verlangen nieder und senkte überrascht den Blick auf seine Hand. War er verletzt? Waren dies Wundmale so wie der Herr Jesus Christus sie einst erlitten hatte? Sie bekreuzigte sich, konnte sich nicht sicher sein ohne dass sie auch die andere Hand des Predigers und Büßers sah oder seine Füße.
Für einen Moment musste sie die Augen schließen, um sich zu sammeln. Der Gedanke an den Sohn Gottes schlug wohl in fast jedem Christen eine Saite an, die an Sein Opfer gemahnte, an Seine Barmherzigkeit und an Seine Liebe für die Menschen.

“Ich denke wohl, dass die Abhängigkeit weit verflochtener ist als Ihr es sagt. Lasst uns nicht darüber streiten, ob es nicht auch Genua nützt, wenn jene Söldner anderswo die fremden Kräfte zurückdrängen - oder ob es tatsächlich nur ein einseitiger Nutzen sei”, sagte sie ernst. “Was Ihr sagt, gibt mir Hoffnung. Ihr seht einen Weg dazu, die Lage zu entspannen?”
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

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Auch die zweite Hand des Malkavianers hatte zu bluten begonnen. Mitten auf der Handfläche, wie einst bei Jesus Christus selbst. Auch wenn Ferrucio dieser Tatsache offenbar wenig Beachtung zu schenken schien und sich vielmehr um die Worte der Lasombra kümmerte. Als er sah das sie die Augen schloss lächelte er gar kurz sein bleiches, intensives Lächeln und gab ihr einige Augenblicke, ehe er antwortete.

"Natürlich gibt es einen Weg. Aber dieser kann nur von Totila angeleitet werden. Und es ist nicht Aurore anzulasten, falls er das aus taktischen - oder anderen - Gründen nicht tut." schloss er seine vorherige Erläuterung mit einem einzelnen Satz. Geduldig blickte er sie an, ob ihr noch weitere Themen auf der Seele brannten.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Es ist wohl an keinem von uns, den Ahnen diese Dinge anzulasten”, erwiderte Giada ernst. Ihre Stimme war leise, um nicht die Aufmerksamkeit von Fremden auf sich zu ziehen. "Wir waren und wir sind Zeugen jener Ereignisse oder ihrer Folgen. Sie verändern unsere Welt in der Nacht und durch sie auch die am Tage." Sie würde nicht nach Mailand zurückkehren und diese Worte Ferrucios unbesehen mit sich tragen. Sie konnte jedoch etwas anderes tun.

“Weder die Hoffnung noch ein Weg der Vergebung sollten uns völlig fremd sein. Vielleicht würde Euer Wort, wenn Ihr dieses Wagnis eingehen wolltet, den höchst verehrten Fürsten Totila erreichen. Ihr seid ein Ancilla Genuas und ein Mann des Glaubens. Vielleicht solltet Ihr doch diesen Gang antreten, um das Gewicht Eurer Worte in die Waagschale zu werfen. Ich könnte das meine tun, Euch den Weg zu ebnen.”
Ferrucio, so ahnte sie, war nicht ohne Verbündete mit seinen Worten und seinem Streben. Hier, in Genua, konnte es leicht so scheinen, doch kaum jemand in einem Stand wie seinem war dies jemals. Würde er auch seinen eigenen Worten Taten folgen lassen?
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Re: [1059] Haus Gottes [Giada, Ferrucio (SL)]

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"Begeht nicht den Fehler sie alleüber einen Kamm zu scheren. Es gibt mehr als eine Sorte von ihnen. Es sind machtvolle Verfluchte, keine Götzen." ermahnte er sie zu nicht zu vielEhrfurcht, beließ es dann jedoch auf sich selbst.

Ob ihres Angebots hin starrte er einen Augenblick an ihr vorbei, ins Leere, dann lächelte er dünn. die weißen Zähne blitzen auf, als ob sie aus Elfenbein wären. "Ich danke euch für das Angebot. Wirklich verlockend. Und nur zu gerne würde ich sie annehmen. Aber ich kann nicht. Es gibt einige Dinge hier in Genua, die ich nicht aus den Augen lassen darf. Ganz gleich wie kurz." dabei schüttelte er, leicht bekräftigend, den Kopf.
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