[1060] Kein schöner Land [Angelique, Giada]

[Giada Salvaza Rossi]

“Felsbilder, welche von Menschen weit vor unserer Zeit dort in den Stein gehauen wurden.” Giada wiegte den Kopf. “Ich habe ein paar wenige auf Leinentuch durchgezeichnet. Es ist nicht ganz rein geworden, doch man erhält einen Eindruck. Die Zeichen schienen mir jedoch sehr verschieden. Vielleicht von verschiedenen Menschen gemacht, vielleicht sogar in verschiedenen Zeiten. Einige zeigen Menschen, andere Zeichen, andere sind wie ...eine Art grobes Bild von einer Ackerzelle und einem Pflug, so glaubte ich im ersten Eindruck zu erkennen.”

Sie stand auf und ging ein paar Schritte, um einen Zweig von einer der Hecken aufzuheben. Damit zeichnete sie in den den Weg. Was sie zeichnete, sah zunächst aus wie ein Christenkreuz, welches auf einem Hügel stand. Doch mit der Zeichnung wölbte sich der Hügel um das Kreuz herum, in grob konzentrischen Kreisen. Es war ein merkwürdiges Bild, vielleicht wie Heiligenscheine um das Kreuz herum? Wie eine Mischung aus einem Weltenbaum und einem Kreuz? Womöglich auch etwas gänzlich anderes, doch das christlich vorgeschulte Auge wollte gern das Kreuz erkennen.

Sie setzte den kleinen Zweig ab und sah zu Angelique. “Dies ist ein Beispiel für die Zeichen. Eines der wenige, welche ich mir klarer in der Erinnerung bewahren konnte. Zumindest mir wird die Domäne Brescia mit ihren Ländereien verschlossen sein und ich konnte nicht mehr herausfinden und auch nicht viel mit mir nehmen.”

[Angelique]

"Ui, da muss ich unbedingt hin!", rief die Kleine aus, "das sieht faszinierend aus. Dieselben Zeichnungen wie auf den Hinkelsteinen und Hünengräbern meiner Heimat.

Das ist alt! Noch vor dem ehernen Zeitalter, als die Riesen aus dem Geschlecht Enaks die Gräber der Ahnen errichteten, für die selbst Kelten und Germanen keine Namen mehr hatten.

Es muss aus dem Zeitalter nach dem Goldenen sein, als die Zweite Stadt zugrunde ging und die Riesen an den Rand der Welt verbannt wurden.
Zeichen der Feen sind das, die kein Metall kannten und das giftig für sie war."*





*Angelique gibt den neutralen "Wissensstand" ihrer Zeit anhand antiker und biblischer Quellen wider. Die Menschen im MA waren nicht per se dämlicher als heute und kamen zu recht schlauen Erklärungsmodellen für die auch ihnen auffallenden Artefakte und Bodendenkmäler aus vorantiker Zeit. Die antike Idee von einem tönernen, einem ehernen (bronzenen) und einem Eisenzeitalter ist gebildeten Leuten wie Angelique natürlich geläufig. Das manche Heiden ihren Toten anstatt kostbare Metallwaffen, Waffen aus Stein mitgaben, fällt auch dem dümmsten Grabräuber irgendwann auf. Ohne es zu wissen, datiert Angie die Zeichnungen einerseits richtig, andererseits falsch, da die neolithischen Darstellungen bei Valcamonica zum Teil älter sind, als die 6000 Jahre, die Mittelaltermenschen und heute noch Kreationisten für das Alter der Welt annehmen.

[Giada Salvaza Rossi]

“Oh!” Angeliques Ausruf und ihre Erklärungen versetzen Giada in Staunen. Dies war selten geworden, doch die Faszination an dem, was Angeliques Erklärung bedeuten mochte, war zu groß.
“Dann sind dies Zeichen, welche so weit in der Zeit zurück verwurzelt sind, dass die Welt da noch eine andere war… .”

Giada sah zu ihrer Zeichnung im Sand hinab. “Was mag dies dann wohl bedeutet haben? Was hat die Menschen einst genug bewegt, dass sie es in Stein gehauen haben, als Zeuge über die Zeit hinweg? Glaubt Ihr, dass es wirklich Menschen waren, die dies getan haben?”

[Angelique]

"Vielleicht", überlegte Angelique. "Vielleicht aber auch die Hünen, Loup Garou, Elfen oder unsere eigenen Vorsintflutlichen.

Was den Sinn angeht, mag der vielfältig sein.
Manche wollten vielleicht GOtt oder ihren Götzen damit huldigen, manche einfach nur ein Zeugnis in den unvergänglichen Steinen hinterlassen, dass sie einstmals gelebt haben.

Selbst das Christenkreuz ist ein so uraltes Symbol, dass schon Pharao es kannte, Jahrtausende vor unserem HEiland. Warum nicht auch erleuchtete Heiden hierzulande?

Andererseits können diese Kreuze auch vor kurzer Zeit nachträglich eingeritzt sein. In meiner Heimat bezahlt die Kirche Steinjäger, heidnische Monumente zu zerstören oder mit Kreuzen zu segnen."*



*Wahre Geschichte... leider

[Giada Salvaza Rossi]

“Es sind die Sieger, welche die Geschichte schreiben”, bemerkte Giada dazu. Es klang trocken - und durchaus nach Respekt.
“In jedem Falle sind jene Schluchten und Felsen wohl eigene Studien wert. Ich bedaure, nicht die Zeit dafür gehabt zu haben.” Sie straffte sich und ließ ihr Bedauern hinter sich anstatt darin zu verweilen.

“Sagt, wann wollen wir beginnen? Ich kann nicht abschätzen, wie bald ich an Schriften und derlei komme, doch zumindest einige erste werden sich wohl finden lassen. Wie wollen wir diese Lehren angehen?”

[Angelique]

"Habt Ihr ein Domizil, das man von Genua aus, schnell erreichen kann?
Wenn ja, würde ich das vorschlagen. Es ist immer angenehmer ein Symposium in heimeliger Umgebung zu machen.

Ich könnte dann Unterrichtmaterial dorthin bringen.
Beginnen können wir, wann immer Ihr es wünscht. Mein Lehrplan ist immer noch überschaubar genug, um da was freizuhalten."

[Giada Salvaza Rossi]

“Ich habe einen solchen Ort innerhalb der Mauern. Er ist nicht mein Domizil, doch ein gutes Obdach für solcherlei Treffen. Dort sollt Ihr für diese Lehren gern willkommen sein.”
Es klang recht selbstverständlich, dass jemand wie sie einen solchen Ort oder Treffpunkt hatte. Sie war eben, was und wer sie war und damit einher gingen Notwendigkeiten der Nacht.

“Beginnen wir zum Winter hin, denn dann legen sich die Emsigkeiten der Tagwelt und die Nächte sind lang. Es ist eine gute Zeit, um den Geist und Verstand mit Neuem zu beschäftigen.”

[Angelique]

"Das ist eine ausgezeichnete Wahl", meinte Angelique, "die Wintermonate liebe auch ich, um in Ruhe zu studieren und zu kontemplieren. Ich habe wenige Gesprächspartner, mit denen ich frei und Etikette diskutieren kann. Manche schieben den Standesdünkel als Hemmschuh zwischen angeregte Symposien. Und das ist ermüdend."

[Giada Salvaza Rossi]

Zusammenfassung:



Im Elysium treffen Angelique und Giada aufeinander. Trotz ihrer Gegensätze erkennen sie auch Gemeinsamkeiten zwischen sich: Ein Interesse oder sogar eine Passion für gelehrtes Wissen, lehren und lernen. So schließen die beiden einen Handel, in welchem Angelique zur Lehre bereit ist, Giada ihrerseits für die Beschaffung von gelehrten Werken für Angelique. Beide verabreden sich, diese Lehren später zu beginnen.