[1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

[August '21]
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Giada Salvaza Rossi
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[1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die älteste Spelunke am Hafen hatte schon viel gesehen. Feuer und Flut, vor allem aber Ströme durstiger und trunkener Seeleute. Irgendwann kam ein junger Mann dort vorbei, noch an einem frühen Abend und vielleicht auf dem Heimweg von seinem Tagwerk. Er sprach mit keinem in der Spelunke, nur mit dem Wirt.
“Eh”, sagte er. Es klang ein wenig nervös. Der Bursche sah nicht aus als würde er sich sonst groß in Hafenspelunken oder auch nur überhaupt in Trinkhäusern herumtreiben. “Kennst du ...Jag? Jack? Ich habe eine Nachricht für den.”

Er wartete nicht ab, ob der Wirt protestierte oder nicht. Stattdessen schob er einen halbierten Silberpfennig über den Tresen und sagte: “Die feine Dame will ihn sehen. Zum nächsten dies dominica, hier am Platz, Mercato di San Giorgio. Da bin ich dann und hole ihn ab.”
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Jacques Benoît
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Der Wirt gab dem Mann nur einen langen Blick und strich die Münze ein, bevor er sich kurz umsah und ihm ein Getränk hinstellte. "Hier gibt's nur Trunk gegen Münze und Keilereien. Von was anderem hab' ich bisher nicht gehört.", erwiderte er schließlich, ließ ihn aber mit seinem Nicken verstehen, daß er tun würde wie ihm geheißen.

So begab es sich auch, daß Jacques sich am nächsten Sonntag auf dem Platz des heiligen Georg einfand und dort nach dem ihm vom Wirt beschriebenen Mann Ausschau hielt. Er war erneut in die Klamotte gekleidet, die er im Theater angehabt hatte, doch hatte sie mittlerweile ein wenig gelitten, war etwas zerknittert und an der einen oder anderen Stelle gab es Abrieb von Ruß oder Staub.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Der junge Mann stand allein und darum etwas unbehaglich am Rande des Platzes. Um diese Zeit war es hier keineswegs leer: Die Kirche San Giorgio bot Obdach für die, die sonst keinen Platz zum Bleiben hatten. Bettler, Versehrte, Kranke, Seeleute ohne Bleibe und allerlei mehr fanden hier ein trockenes Fleckchen. Auf dem Platz gab es auch am Abend und in der frühen Nacht noch Leute, die beisammen saßen, für dies und das, lauter und unlauter. Die Kaufleute, die durch den Hafen und seine Schiffe reich und reicher geworden waren, hatten umher ihre Häuser, aber hier gab es eben auch die Schauerer und Fischer, Seildreher und Pechstreicher, Knechte und Mägde reicher Häuser und manchmal auch deren Herren.
Der junge Mann könnte wohl zu solchen gehören, oder aber irgendwo zu den Schauerleuten, Werfthandwerkern oder derlei mehr. Er war gesund und kräftig, hatte sogar ein kleines Bäuchlein und Schultern, die rund von Muskeln waren. Seine Haare waren hellbraun, der noch sehr dünne Bart war eine gute Spur dunkler und wollte wohl noch nicht anständig wachsen.
Er hatte allerdings auch tiefe Augenringe und warf dem Gesindel auf dem Platz und in der Nähe argwöhnische Blicke zu. Eine Hand hatte er unter dem Mantel versteckt, vielleicht um einen Knüppel oder ein Messer geklammert, so nervös wie er doch war.
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Jacques Benoît
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques nährte sich ihm recht offensichtlich, schreitend, und klackerte ein wenig mit der Zunge während er herankam. Er trug wieder die Maske, das Gesicht seines Bruders, doch trug er auch die Manieren eines Mannes, der trotz der ranzig-edlen Garderobe beinahe eine gewisse Würde auszustrahlen schien - eine die die Klamotten fast vergessen lassen würde. Die eine Hand am Stock wie er sonst tat, die andere hinter seinem Rücken, locker auf dem geklauten Gürtel liegend. Sein Hinken war verschwunden und auch der Buckel wirkte beinahe unauffällig, so gerade wie er seinen Rücken machte.*

"Wohlan! Ihr seid der Jüngling den ich hier zu treffen bin, nehme ich an? Man heißt mich Jacques. So führet mich zur hohen Dame, auf das sie nicht länger warten muss als nötig.", gestikulierte er ein wenig und schaute diesen... Boten? Aufstrebenden Wachmann? Handlanger?... genauer an, musterte ihn mit einem Blick aus weißen Augen, die einem Sterblichen gewiss nicht wenig Unbehagen bieten würden.

Spoiler!
Galenos Edelmann-in-Schmutziger-Robe-Manieren kopieren, die er bei der letzten Begegnung mit dem Kappadozianer aufgeschnappt hat: Manipulation + Ausflüchte: Results: 1 2 7 10 4 (1 Erfolg)
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die hellbraunen Augen des jungen Mannes weiteten sich in einer Mischung aus Ekel, Faszination und Entsetzen, als er Jacques und dessen totes Gesicht sah. Er hielt eine tönerne Faustlaterne in der Hand und im ersten Reflex hielt er sie auch direkt Jacques entgegen als könne er nicht glauben, was er da sah. Doch eilig besann er sich wieder und nahm das Ding wieder weg.
“Äh…”, brachte er erst einmal nur heraus und schluckte. Dann spuckte er doch lieber zur Seite wieder aus. “Uh, ich bin Rado.” Er starrte einen Moment und besann sich. “...ald! Radoald!”
“Ich bring’ dich.. Euch… .” Er nickte dann einfach und begann, Jacques durch Platealonga zu führen. Der Geruch von Hafen und Meer war hier stärker als der von Latrine, Gosse und Stadt. Viele der Straßen waren breit und fest genug für Karren, die mit Waren von den Anlegeplätzen der Schiffe kamen oder dahin mussten. Die Häuser hier waren hoch gebaut, in mehreren Stockwerken, schön verputzt, oft auch verziert.

Das Haus, zu dem Rado Jacques führte, sah aus wie das eines gut betuchten Kaufmanns. Es gab einen Wachmann, der gerade auf einem kleinen Platz vor dem Haus herum lungerte, doch Rado winkte ihm zu, führte aber Jacques nicht über diesen Platz oder zur Haupttür sondern am Haus vorbei zu einem Seiteneingang, welcher allem Anschein nach auch zur Küche des Hauses führte.
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Jacques Benoît
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Rado heißt Du also.", stellte der Nosferatu aus dem Gestammel fest. "Und gräm' Dich nicht, was meine kränkliche Erscheinung, es ist nicht Ansteckend was ich trag auf der Haut und unter uns, ich bin mir sicher niemand würd' draus eine Szene machen wolln, bei der man...", das Grinsen wurde hörbar unter der Maske, "...das Gesicht verliert, nicht wahr? Einst war ich auch so jung und hübsch wie Du, doch wie's halt ist im Leben, nichts ist für die Ewigkeit bis auf den Schnitter selbst."

Jacques folgte und stolzierte hinter dem jungen Mann hinterher, immer mit genug Abstand, als daß er ihm nicht zu nahe auf die Pelle rückte. Als die Gegend besser wurde, wurde auch Jacques' Gang sicherer. Es wirkte beinahe etwas übertrieben, aber nur einen Hauch. An der Küchentür angekommen, schaute er sich nochmal um, ob ihnen wer gefolgt war und glitt hinein, wo auch das Stolzieren endete und er in gewohnter Manier wieder am Stock ging.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Drinnen fanden sie sich in der Tat in einem Seitenflur wieder, welcher zur einen Seite hin zur Küche halboffen war, was nur mit einem schweren Vorhang gegen Zug und Winterkälte abgetrennt war. Die Küche und das Haus lagen glücklicherweise recht still. Vielleicht schliefen seine Bewohner. Aus der Küche strahlte noch etwas Herdwärme herüber und irgend jemand schnarchte dort auch leise, wohl eben aus dieser wohligen Wärme heraus.

Beim Eintreten hatte Rado sich auch den ärgsten Dreck von den Schuhen gewischt und sah nun etwas unbehaglich auf Jacques Erscheinung. Dann gab er sich aber einen Ruck und winkte den Gast mit sich, weiter hinein in das Haus.

Es war prachtvoll, hier drinnen. Überall waren Schalen mit Blüten und Kräutern gegen den Gestank der Stadt hingestellt oder diese waren als Gestecke aufgehängt worden. Der Boden war aus Stein oder dicken Dielen, die Wände zeigten dichte Wandteppiche oder aufgehängt und aufgestellt Erinnerungsstücke oder Protzereien wie man es einem erfolgreichen Kaufmann auch zumuten konnte: Seltsamkeiten von der See her oder allerlei Werkstücke aus Metall, einige noch in einem Zwischenstand der Verarbeitung.
Überhaupt waren die Dinge aus Metall, die es in diesem Haushalt gab, allesamt einen Schritt hübscher und besser gearbeitet als gemeinhin üblich war: Laternenhalter, Türbeschläge, Knäufe, Winkel und solcherlei mehr zeugten allesamt von einer gewissen Qualität. Vielleicht war dies das Geschäft jenes Kaufmanns, der hier sein Heim hatte?

Rado führte Jacques am Haupteingang des Hauses vorbei, wo es auch eine Schale mit klarem Wasser und einige Tücher standen - und eine neuerliche Gelegenheit, die Schuhe ab zu wischen oder kurzerhand einfach dort zu lassen. Rado würde sich sicher nicht dagegen wehren, brachte es aber auch nicht fertig, Jacques dazu aufzufordern.

Danach ging es eine Holztreppe hinauf und neuerlich einen Flur entlang bis zu einem Zimmer, das vermutlich dem Hafen und dem Meer zugewandt war. Dort klopfte Rado an und wartete das “Herein!” seiner Herrin ab bis er die Tür öffnete. “Ich bring’ den Herren wie Ihr gewünscht habt”, erklärte er mit einer etwas unbeholfenen Verbeugung vor eben jener Dame, die Jacques auch im Theater kennen gelernt hatte.

Ähnlich wie dort war sie in vermutlich teure Stoffe gekleidet, bestickt und verziert, mit einer ordentlichen Haube auf dem Kopf. Sie stand in etwas, das wie eine Schreibstube anmutete, auch wenn es hier eine Gruppe tiefer Sitze und einen Tisch gab. Was dem Raum den Charakter der Schreibstube verlieh, war das Pult mit seinem Schreibwerkzeug, und ein wohl noch recht neues, geschnitztes Regal, in welchem verschiedene Schriftrollen und sogar ein oder zwei Bücher lagen. Die Dame hatte eine solche Rolle in der einen Hand, so dass man die schwarzen, geschwungenen Linien von wohl arabischer Schrift darauf erkennen konnte bis sie die Rolle beiseite legte und sich ganz ihrem Gast zuwandte. Mit einem ernsten Nicken entließ sie Rado aus seiner Pflicht und dieser trat darauf auch eilig den Rückzug an. Jacques’ Äußeres schien ihn eindeutig zu ängstigen.

“Seid willkommen in meinem Hause, werter Jacques Benoît, neugeboren in das Blut Absimiliards, Sohn im Blute des ...Meisters Carolus aus der Brut von Mâcon.” Es klang förmlich und vielleicht ein wenig steif in den letzten Teilen, die wohl auch nicht eben üblich für diese Umgangsformen waren. Doch was in der Nacht blieb schon lange beim ‘Üblichen’?

“Tretet ein. Eine Zusammenkunft wie zwischen uns, mit der Hoffnung auf einen Austausch wie sich andeutete, gibt es nicht allezeit. Sehen wir, ob wir unsere Unterschiede überbrücken können, dass wir zu den Gemeinsamkeiten finden.” Es klang womöglich diplomatisch, doch die Frau hatte zu viele Härten und Kanten, so dass es nicht wirklich geschmeidig klang. Immerhin aber war es wohl höflich.
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Jacques Benoît
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques verschwendete keine Zeit mit dem Wasser oder der Gelegenheit die Schuhe dazulassen. Die Handschuhe, die seine langen und beinahe spinnenartig wirkenden Finger bedeckten würde er gewiss zum Wohle aller Beteiligten anbehalten und nicht anders war es um seine Füße bestellt. Aber er schien ein wenig hörbar zu schnüffeln, als sie die Räumlichkeiten passierten und eine gewisse Begeisterung mit sich zu bringen, wie hübsch es hier doch war. Als ihn der junge Mann beim Zimmer abgab und sich von Dannen machen wollte, winkte er ihm halb zu - was mit seiner Hand und seinen Fingern, so freundlich es gemeint gewesen mag, beunruhigend wirken konnte.

Als die Lasombra begann zu sprechen, verneigte er sich tief vor ihr und machte eine ausladende Geste, die das noch etwas betonte. Er wartete artig bis sie ausgeredet hatte, wie man das bei hohen Herrschaften so zu tun pflegt, und ergriff darauf das Wort, in seiner etwas krächzenden aber im Gegensatz zum Theater nicht mehr so gedämpften Stimme. Diese würde man zumindest wiedererkennen können.

"Seit bedankt für Eu're warmen Worte des Willkommens, überaus geschätzte Herrin Rossi. Ich habe mir gestattet, Euch eine kleine Aufmerksamkeit mitzubringen die gleichwohl persönlich wie historisch ist. Und auch symbolisch." Eine seiner Hände wanderte zu einem etwa faustgroßen Lederbeutel, der schwer von seinem Gürtel baumelte. Mit beiden Händen brachte er ihr ihn dar und sprach: "Dies ist ein Stein aus einem Grabe, meinem Grabe." Der Nosferatu machte eine bedeutungsschwangere Pause, um dem Ganzen die Würde zu verleihen, die mit einem solch persönlichen Geschenk einherging. "Bezog ich's nicht als erster, doch erwacht' ich dort zu neuem Leben nach dem Schlummer, der Unsereines zu eigen ist. Seit Römerzeiten wohl wird dort beerdigt, wie ihr am Rand, der Kant', der Ecke und dem G'meißel sehen könnt - der Tod hat diesen Stein berührt und so wie er mit seinen Linien für einen Rahmen stand wo ich ihn herhab', so möge er für uns'ren Austausch doch von Bildnis sein: Von Gewicht, was offensichtlich ist, doch auch von Wert und auch Bedeutung, wenn man um die Geschichte weiß woher er kommt und wohin er nun gewandert."

Er ließ einige Momente verstreichen, um Giada die Zeit zu lassen, die rausgebrochene Ecke der Grabtafel genauer zu sichten, die auf der einen Seite erstaunlich glatt, poliert und mit einer gemeißelten Eckkante versehen war - auf der anderen rauh und gebrochen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada nahm den Stein in die Hand und betrachtete ihn. In der Geste wirkte es fast als habe er kein Gewicht, doch ihr Blick sagte anderes.
“Es ist in der Tat ein gutes Zeichen, denn Ihr habt ganz Recht: Auch ich suche nach etwas jenseits dieser Schwelle. Soll er uns immer daran erinnern, denn wenn ich eines bislang lernte, dann doch wohl, dass es allzu leicht ist, sich auf Irrwegen zu verlaufen.”

Für einen Moment strich sie mit dem Daumen über den Stein und betrachtete auch das Fragment der gemeißelten Zeichen darauf. Dann setzte sie ihn auf dem Tisch ab.

“Ihr könnt Euch denken, dass ich nicht über jene Mächte sprechen kann und darf, welche mir im Blut liegen. Doch die Richtung, in die ich mit unserem Austausch zielen will, ist eine andere, wenn auch damit verwandt.” Sie machte eine Geste zu dem Stein hin. “Dies hier steht für eine Schwelle zwischen Leben und Tod. Haben wir ihn bereits zweimal überschritten, einmal hin und einmal zurück? Oder ist er uns nie ganz geglückt? Und wenn wir den Tod, wenn auch nur kurz, kennen lernten, gibt es dahinter eine zweite Schwelle? Eine Schwelle zu dem Reich, in welchem Nichts ist, eine Auflösung von allem? Ich suche und frage nach Entropie, dem Hinsinken zu dem Frieden, der das Fehlen von allem ist, was ist.”

Sie sah den Nosferatu an und schien ihn mit ihrem Blick zu prüfen. Was tat er wohl mit ihren Worten?
“Bin ich zu forsch und gerade heraus?”
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Jacques Benoît
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Re: [1060] Toter Winkel [Giada, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Keineswegs, keineswegs.", winkte der Nosferatu ab. "Ich schätze ein direktes Thema immer mehr als ein wohlfeiles Herumgeeiere um Metaphern die am Ende doch nur nett gekleidete Worte für hässliche Dinge sind." Er wirkte amüsiert und beinahe enthusiastisch. "Was den Tod selbst angeht, bin ich mir recht sicher, daß wir die Sanduhr angehalten haben, die für uns lief. Seine Schwelle betraten wir, doch kreuzten wir sie nicht. Wir lehnten uns eher an den Türrahmen und blickten mal in die eine, mal in die andere Richtung. Hätten wir sein Reich zur Gänze betreten, wären wir nicht mehr an unsere Körper gebunden - denn eins ist jedem Tod gewiss, ob Mensch, ob Tier oder gar unsereins: Der Abschluss des Prozesses selbst ist das Verlassen des Vehikels durch das wir durch das Leben reisten. Ob nun als Leich, Kadaver oder Asche, wer tot ist - ist nicht mehr wie einst. So sind wir nicht. Noch nicht, zumindest. Und doch um so viel mehr und näher an dem Tode als des bloßen Lebens. Wie ein Bier, daß Suppe näher ist als Wasser, wenngleich es immer noch so flüssig ist wie das.", führte er aus.

"Die Schwellen zwischen Leben und uns, uns und dem Tod, dem Tod und dem Danach und dem Danach und dem Nichts sind wie ein gesponnen Netz. Man kann von einem Punkt zum and'ren ohne alle Knoten gar zu kennen. So wie Menschen sterben können ohne je von uns erfahren zu können. Oder so zeitlos sein zu können wie es uns vergönnt. Doch einige der Bahnen sind nur in eine Richtung zu begeh'n, wie die vom Leben in den Tod oder vom Tode ins Vergehen. Weswegen niemand je zurückgekehrt, der davon spricht oder auch bloß flüstert. Doch wo die Wege die gegangen werden nur in eine Richtung führen, könnten sich andere Wege auftun, zunächst Wege des Geistes - und irgendwann, wer weiß, Wege des Körpers. So hilft uns manche Ingredienz zu sein als wären wir am Leben, das Blut in uns'ren Adern kann so eine Macht gewähren. Und ähnlich müsst's nach den Gesetzen, daß alles gleich sei und auch doch nicht gleich, mit and'ren Zuständen sich verhalten. Doch ist das noch zu unerforscht, geschweige das was liegt dahinter." Jacques sah für einen Augenblick etwas nachdenklich aus. "Ich bin so manchem Kind des Todes schon begegnet, die meisten vorsichtig was Austausch zu den Themen dieser Art. Doch eint mich mit ihnen eine Überzeugung, die mir gebietet mein Wissen mit ihnen zu teilen und auch ihnen ist's mit mir geboten, so ich mich ihnen als ein Weggefährte dieser schwarzen Wasser der Endlichkeit offenbare."

"Die Brücke zwischen Seel' und Körper ist nur die erste die zerstört wird, wenn gestorben wird! Es ist der erste Stein, der von ihr bröckelt, es heißt bevor sie übertreten, sind Überbleibsel noch gekettet an die Welt - so kommen Spukgeschichten auch zustande, von rastlos Geist, der unverrichtet Dinge doch hinübertrat. Die sind die nächsten - von uns aus betrachtet - auf dieser Straße des Vergehens. Und als nächster Schritt ein großes Interesse meinerseits, denn zu erkunden was mit ihnen wird wenn sie der Welt den Rücken kehren, das wird am ehesten noch gelingen wenn man ihnen folgen kann, sie in seinem Blick behält und derlei."
Ich kann nicht, solange sie noch atmen.
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