An die Vasallen ihrer Majestät Aurore von Genua und Gäste der Domäne Genua
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Entwicklungen in der Domäne Genua, doch zu wenige konkrete Anlässe, an denen sich Kainiten hätten treffen können, um sich über diese miteinander austauschen zu können. Um dies zu verändern, lade ich alle Interessierten am letzten Freitag des Monats Dezember 1060 anno Domini eine Stunde nach Mitternacht in die Casa der Heiligen Hallen des Elysiums Giardino della Rosa silenziosa ein.
Iulia Cornelia,
Harpyie von Genua,
Neugeborener vom Blut der Könige,
Kind der Aurore, la principessa bianca, Prinz von Genua, Ahn vom Blut der Könige,
Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige,
Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige,
Kind des Ventrue, erster seines Blutes,
Kind des Enoch, des Weisen,
Kind des Kain, des Vaters
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Bevor dieser Aushang jedoch im Elysium angeschlagen worden war, war einiges zuvor geschehen. So hatte die Harpyie unter anderem mit einer routinierten Selbstverständlichkeit persönliche Einladungen an die Kainiten der Domäne verfasst, diese feinsäuberlich geschrieben wie der Aushang selbst. Ebenso auf hochwertigem hellem Pergament und mit silberfarbener Tinte.
Der offenkundige Unterschied war jedoch, dass die Harpyie die Schreiben an die jeweiligen Kainiten selbst adressiert hatte, mit vollständiger Anrede, soweit Iulia bekannt und gesiegelt mit einem weißen Wachs ohne Emblem. Auch enthielten diese individuelle Gruß- und Abschiedszeilen an den jeweiligen Kainiten.
Die Harpyie hielt sich dabei an die Etikette und nahm sich zudem die Zeit, die Schreiben einem jedem Neugeborenen Amtsträger der hohen Clans persönlich vorbeizubringen. Selbst einige wenige Neugeborene der niederen Clans, wie im Falle von Angelique, Davide oder auch Il Ghiotto, erhielten die Schreiben von der Ventrue selbst.
Alle anderen Einladungen, wie jene an die Neugeborenen Amtsträger der niederen Clans oder auch andere Neugeborene ohne Amt, mit denen Iulia bekannt war und von denen sie eine Möglichkeit des Kontakts kannte, erhielten die entsprechenden persönlichen Schreiben, allerdings über Boten.
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Die Nacht des in der Einladung datierten Freitags war kühl und ein leichter Wind blies unentwegt von Richtung Meer über die Stadt hinweg. In Platealonga oben und somit innerhalb der heiligen Mauern, die das Elysium schützend umgaben, war hiervon jedoch nur wenig zu spüren. Noch weniger in dem Versammlungssaal der Casa, durch welchen die Harpyie der Domäne bereits seit einiger Zeit schritt.
Hochgewachsen und voll anmutiger Schönheit, die durch die feine und hochwertige Seide, die ihren Körper bei jedem Schritt sanft umspielte, nur noch weiter betont wurde. Und auch wenn vielen Kainiten der Domäne wohl die verlockenden Verheißungen bekannt waren, die unter diesem zarten Stoff lauern mochten, so wirkte sie selbst doch geradezu züchtig darin.
Der Schnitt der Kleidung war modisch und doch von einer eleganten Schlichtheit geprägt, die nicht abzulenken versuchte, sondern ihren Träger gekonnt in den Fokus setzte, auch wenn dezente weiße Stickereien an den Säumen, den Augen durchaus ausreichend Raum zum Erkunden der kleinen Details gaben.
Ihre hellen Haare waren kunstvoll eingeflochten und mit kleinen, perlenbesetzten, silberfarbenen Kämmchen hochgesteckt worden. Helle offene Schuhe, die einen Blick auf ihre makellosen Zehen freigaben, wurden von zarten Bändchen gehalten, die zwischen ihre Zehen und über ihre Fesseln geschlagen worden waren, so dass sie diese verheißungsvoll bei jedem der unaufgeregten und aufrechten Schritte betont wurden, die sie auf dem glatten Boten tat.
Ihre blaugrauen Augen wanderten ruhig über das Innere des Versammlungssaales, diesen begutachtend. Kein Anzeichen falschen Lebens war an ihrem gepflegten Körper zu sehen, dessen Taint so hell, wie weißer Marmor war, was ihrem Äußeren den Eindruck einer wandelnden Skulptur verlieh, vor allem, da sich ihr Brustkorb weder gleichmäßig hob und senkte, noch ihre Lider sich unregelmäßig schlossen und öffneten. Dennoch wirkte die Ventrue auf eine natürliche Art und Weise sympathisch.
Und so erwartete die Harpyie in jener Nacht geduldig die Kainiten, die wie sie an einem Austausch interessiert waren und ihrer Einladung hierzu folgen würden.