[1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

[August '21]
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Gibt es denn Gemeinsamkeiten zwischen Latein, dem Hebräischen und dem Griechischen? Und wie steht dazu das Arabische?” Sie sah zu den Schriften herüber.
“Und sind nicht dennoch alle Sprachen einen Schritt entfernt vom Ursprung selbst und tragen darum Fehler in sich? Wie nah kann man so dem Ursprung kommen?”

“Vielleicht gibt es eine allgegenwärtige Hilfe Gottes für uns: Die Welt um uns her folgt Seiner ordnenden Hand. Wir erfahren darin Maß und Gleichmaß, erhalten Anhaltspunkte und Gesetzmäßigkeiten, welche in allen Ländern und für alle Menschen gelten, denn Gottes Wille kennt keine Grenze.” Giada schien von dieser vagen Idee fasziniert zu sein so wie sie auch die Worte Angeliques faszinierten. Die schwere Ernsthaftigkeit und Steifheit, mit der sie sich oft über das gesellschaftliche Parkett bewegte - vielleicht bewegen musste - war in diesen Momenten aufgebrochen.
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Angelique
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

"Latein und Griechisch sind sich in der Tat nah und Hebräisch und Arabisch ihrerseits auch.
Das ist wie ein Beweis der Gründungsmythen, dass Aeneas aus Troja Rom mitgründete und Abraham der Sippenvater sowohl der Juden, als auch der Sarazenen ist.
Aber beide Familien sind sich so fern in Vokabeln, Schrift und Grammatik wie Mann und Weib oder Normannen und Äthiopier."

Ich habe da noch viel Arbeit vor mir, bis ich die Ursprache entschlüsseln kann. Es ist vergleichbar mit dem Enträtseln der Zukunft in den Sternen.
Aber ich schaffe das und wenn es 1000 Jahre dauert!"*



*Angeliques Ansichten scheinen modern, aber es ist in der Tat der Zeitgeist, der "Forscher" damals so sehr beschäftigt wie Sprachwissenschaftler heute. Kaiser Friedrich II. wird angefeindet von Papisten werden, weil er nach der Ursprache forschen lässt.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ein würdiges Unterfangen, wohl auch für eine von Eurem Blut.” Giadas Blick wirkte für einen Moment dunkel und abwesend, als sähe sie durch das Hier und Jetzt der Welt hindurch.
“Es mag niemals ein Ende haben, auch nach tausend Jahren nicht, denn mit jedem Jahr bewegen wir uns weiter vom Ursprung fort. Habt Ihr jemals zu Eurem Ahnherren, dem Ketzer, über diese Dinge gesprochen? Könnte es nicht sein, dass er lange, lange vor uns schon über diese Dinge nachgesonnen und ihnen nachgegangen ist?”
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Angelique
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

"Interessant", meinte Angelique fasziniert. "Ihr glaubt also auch wie ich, dass die Welt ständigem Wandel unterliegt. Das ist aber gegen die Doktrin der Kirche und natürlich der erzkonservativen Kainanbeter."

Sie seufzte und streckte sich wie eine Katze.
"Mit dem Häretiker sprechen? Davor habe ich zu viel Angst. Ich habe noch nie mit ihm gesprochen, denn er wollte mich töten lassen. Ich habe nichts gegen das Martyrium an sich, aber ich wusste bis zu dem Moment, wo der Tod fast über mir war, nicht, dass ich dazu von ihm auserwählt war.
Ganz schlechter Stil, wenn Ihr mich fragt. Er hätte mir ja zumindest sagen können, dass das meine Bestimmung sei."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Die Ausrufung der zweiten Kirche, des zweiten Papstes, hat mich in düstere Stimmung gestürzt”, erwiderte Giada. “Viel habe ich darüber nachgedacht und auch mit Priestern dazu gesprochen, Sterblichen und Unsterblichen. Ihre Antworten waren uneins. Keine war ohne Hoffnung, alle sprachen von ihrem Glauben.”
Es war schwer zu sagen, ob die Lasombra dies guthieß. Da klang die Andeutung von barschem Unwillen durch, als sie von der Uneinigkeit in den Antworten sprach.

“Ich glaube wohl, dass es Dinge in der Welt gibt, welche unveränderlich sind, heilig durch die Zeiten hindurch und noch erfüllt vom Licht der Schöpfung und der Berührung durch Gottes Hand. Dies können greif- und sichtbare Dinge sein wie das Meer, wie der Himmel über uns und die Sterne. Es können schwerer greifbare Dinge sein wie das Gleichmaß im Lauf jener Sterne, der Wechsel zwischen Tag und Nacht und den Jahreszeiten, das Gefüge von Leben und Tod. Gottes fügende Hand liegt in dieser Ordnung der Welt.”

“Doch die Menschen entwickeln sich fort. Sind sie nicht aus dem Garten Eden heraus gegangen? Sind nicht die ersten Menschenstämme gänzlich andere gewesen als die Länder, Reiche, Völker und Stämme, welche wir heute kennen? In der Zeit schreiten sie weiter und weiter fort. Fort von dem Ursprung im Paradies, versucht von Kräften des Teufels. Ihr spracht vom Wirken des Demiurgen und je länger dies Wirken andauert, desto öfter werden sich in der Zeit Makel in das Geflecht der Ordnung einschleichen. Dies ist die Veränderung, von der ich spreche und so könnte sie leicht als immer schlecht gesehen werden. Unsere Altvorderen wären näher am Ursprung und dadurch reiner.”

“Doch ich glaube auch daran nicht allein. Täte ich das, wäre mein Blick in die Zukunft trostlos und schwarz.” Und in dem Augenblick schien das auch gar nicht so abwegig, so wie die Lasombra in die Nacht sah. Doch ihr Blick fand Angeliques kleines Gesicht und sie meinte: “Der Sohn Gottes wurde zu einem Licht der Hoffnung in der Welt.”
Für eine Weile schwieg sie dann. Die Worte waren zu gewichtig und nahmen anderen Dingen den Raum.

Als sie neu ansetzte, versuchte sie, Angeliques vorige Worte aufzugreifen:
“Es mag sein, dass dies, was Euch widerfuhr, die Art des Ketzers war, Euch Eure Bestimmung wissen zu lassen. Wollt Ihr mir genauer erzählen, was sich zutrug?”
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Angelique
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

"Nein, das möchte ich nicht. Ich will Euch nicht mit dieser Stunde der Todesangst belasten, noch mit dem, was ich sah.
Und nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sterben sollte. Das ist kein Glaube, das ist Gewissheit.

Ich war einfach besser im Verstecken Spielen, als ich sollte. So einfach.
Er hat trotzdem sein Ziel erreicht. Es ist wohl so, dass wahre Meister in diesem Spiel selbst, wenn ein Plan scheitert, gewinnen.

Der Makel, von dem Ihr sprecht, war bereits am Anfang, auf dem Höhepunkt, als Kain Abel erschlug und GOtt belog. Keine größere Sünde hat der Demiurg je in die Herzen größerer und geringerer Menschen gepflanzt.

Und alle hat er in seinen Strudel auf Gewalt und Hybris mitgerissen.
Ich bete, dass Jesus auch für uns das Licht gewesen ist, aber der Glaube daran fällt mir schwer, denn er ist das Licht des Morgens und der Morgen vernichtet uns."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“So teilen wir eine Furcht.” Giada senkte den Blick für einen Moment und bekreuzigte sich. Doch dann hob sie ihn wieder und sagte: “Doch diese Furcht ist nur eine für uns düstere und schreckliche Auslegung, eine Hoffnungslosigkeit, während doch der Sohn Gottes ein Wahrzeichen der Hoffnung ist.”

“Erstand er nicht vom Tode auf? Steht nicht in der Bibel bei Johannes geschrieben: ‘Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut: Jesus Christus; nicht mit dem Wasser allein, sondern mit dem Wasser und mit dem Blut; und der Geist ist es, der zeugt, weil der Geist die Wahrheit ist.’?”

“Und ist es nicht das Heilige Abendmahl selbst, zu welchem bei Matthäus geschrieben steht: ‘Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.’?”

“Wir lesen diese Dinge und hören die Worte der Priester der Menschen und erinnern uns an unsere eigenen Blicke aus der Welt der Menschen heraus. Doch das Heilige Buch umfasst mehr und es kann auch mit einem Geist wie unserem gelesen werden, welcher die erste Schwelle des Todes überschritt und welcher die Sünde von Angesicht zu Angesicht kennt, zu jeder Zeit. Selbst wir können, ja, müssen Hoffnung finden in Jesus Christus.”
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Angelique
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

"Auf alle Fälle können wir das Werk GOttes tun, ob wir nun an Erlösung glauben oder nicht. Wir haben mit diesen engelsgleichen Kräften auch die Verantwortung bekommen, sie in SEinem Namen zu nutzen.
Diese Pflicht wirkt doppelt schwer, als wären wir nur Menschen, denn wir müssen für die Tat unseres Ahnherrn Kain büßen."

Sie seufzte und schüttelte den Kopf heftig, als wolle sie schwermütige Gedanken verscheuchen.
"Aber wollten wir uns nicht eigentlich auch der anderen Künste wegen treffen? Nur über die Theologie zu sinnieren, ist die Nacht noch zu jung."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada hielt einen Moment inne. “Es sind Dinge, die wert sind, dass wir über sie nachdenken. Und doch habt Ihr recht. Vielleicht werden wir einmal ein solches Gespräch in der Sprache der Araber führen.”

“Mit der Sprache tut sich auch ein Teil der Gedankenwelt auf. Ich bin gespannt darauf. Wie kommt es, dass Ihr diese Sprache sprecht? War dies ein gelehrtes Interesse?”
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Angelique
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Re: [1060] al-ǧabr [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

"Ja, in der Tat! Gelehrtes Interesse. Ihr werdet bald feststellen, dass alles antike Wissen, das überhaupt noch im Westen vorhanden ist und nicht von den tumben Barbaren dem Verrotten überlassen wurde, verstreut in Klöstern von Hibernia bis Rom verstaubt.
Einzig die Oströmer haben noch eine einzige Bibliothek.*

Will man also lernen, kommt man bald an seine Grenzen. Und frustriert stellt man fest, dass die Sarazenen in jeder größeren Stadt ihrer Kalifate und Sultanate eine Bibliothek haben mit jeweils zehnmal mehr Bücher als die Christenheit des Westens zusammengenommen.
Sie kommentieren und erweitern das Wissen der Altvorderen, während wir uns freuen, wenn ein Kloster zehn Bücher hat, die meisten davon Bibeln und Gesangbücher.**

Ergo muss man das Arabische lernen, will man sich bilden."



*Wahre, traurige Geschichte
*Angelique übertreibt hier nicht. Die Zehn Bücher-Regel ist obligatorisch und ausreichend für Klostergründungen
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