[1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

[September '21]
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Nubis
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[1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Der Frühling hatte schon bald sein Ende gefunden, da lag ein Schreiben für Giada persönlich im Elysium bereit. Der dort anwesende Bote hatte die Aufsicht darüber und würde ihr mitteilen, dass etwas für sie abgegeben wurde. Auch mögliche, bekannte Ghule durften natürlich dies Schreiben an ihre Herrin weiterreichen.

Darin war eine Einladung enthalten. Galeno würde sie gern erneut sprechen wollen, aber sei vor allem neugierig, ob denn die Zeichen noch ein Thema seien. Er hätte auf eine Einladung von ihrer Seite gehofft, wisse aber auch, dass die Zeiten sehr geschäftig seien und um ihre wenige Zeit. Dennoch frage er einmal an, ob dies noch ihr Ansinnen sei, oder ob sich mittlerweile anderes ergeben habe. Er selbst hätte allerdings ebenfalls ein Anliegen, welches diskreter Natur sei.
Eine Antwort könne an bekannter Adresse bei den Wachen abgegeben werden.
Dabei liess er ihr Ort und Zeit offen, alles war eher wie eine höfliche Anfrage geschrieben, nicht wie eine direkte Einladung oder gar ein Befehl zum Erscheinen.

Das Schriftstück war auf Pergament geschrieben, die alte und edle Variante Schriftstücke zu übermitteln....zumindest in Genua, welches doch mittlerweile guten Zugang zu Papier hatte. Zudem war ein Siegel ohne Motiv als Versluss gedacht, ein paar Schnüre legten sich um die Rolle als Zierde und gleichzeitig auch als Schutz vor Siegelbruch.
Im Innenteil war die gewohnt filigrane und gut leserliche Schrift Galenos zu erkennen, als Signum eine gezeichnete Kornblume.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

An den wohlwerten Galeno,

Euer Interesse ehrt Euch und in der Tat kann ich Euch wegen der Zeichen ein wenig mehr berichten und Euch auch die Kopien zeigen, die ich machen konnte. Es mag gut sein, dass ein gelehrter Mann in den Einzelheiten mehr zu erkennen und daraus Schlüsse zu ziehen weiß.
In einem der Händlerhäuser in Genua habe ich eine kleine Schreibstube angelegt, in welcher ich Euch die Kopien präsentieren kann. Wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr auch einen Diener mit Euch bringen, der bleiben und für Euch Abschriften anfertigen kann.

Was weiteres angeht, mag ein solches Treffen von angesicht zu angesicht uns beiden auch dienlich sein. Seid mir am zehnten Tag aprilis zur 11. Stunde in der Nacht willkommen.

gez.
Giada Salvaza Rossi
Diese Antwort verzichtete auf zu direkte Zeichen darauf, welcher Natur die beiden Schreiber waren, denn sie wurde von zwei Boten zu dem Anwesen gebracht, zu welchem Galeno Giada schon einmal geladen hatte. Die beiden wirkten recht hartgesotten, aber waren wohl nur sehr einfach bewaffnet und nicht gerüstet - außer wohl gegen das launische Wetter im Frühjahr. Beide trugen jedoch ordentliche und warme Kleidung, so dass man sie wahrhaftig nicht mit dahergelaufenem Pack verwechseln konnte.
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Nubis
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Die Boten bekamen sogleich eine Zusage für den vorgeschlagenen Zeit- und Treffpunkt überreicht, dieses Mal einfacher Natur, da nur eine simple Notiz.

Zu besagter Zeit fuhren wieder Totengräber in die Stadt durch die Siedlung Nord nach Platea Longa Dort trennte sich jemand von ihnen in einer dunklen Gasse, besser gesagt, zwei. Beide schlüpften aus den übergeworfenen, einfachen Kutten und wischten sich den Dreck aus dem Gesicht. Der eine war der junge Silvio, der andere Galeno. Beide hatten sich gut herausgeputzt und wirkten nun wie Händler und Sohn, die einen anderen Händler besuchen wollten. Zu einem guten Wein vielleich und einem guten Abendmahl und vielleicht den ein oder anderen Geschäften.

Silvio trug ein Bündel bei sich, sowie eine kleine Tasche aus Leder, sowie ein gerolltes Leder, welches zugebunden war und optisch einer Rolle entsprach.
Galeno war in gutem Leinen, bestickt, gekleidet. Dunkel natürlich. Ausserdem Ringe an den Händen, sowie einem aufwändigerem Gürtel. Gegenüber hohem Besuch, oder wenn er bei welchem eingeladen war, schien er zumindest von der Kleidung und den Accessoires her keinen schlechten Eindruck hinterlassen oder gar eine Beleidigung fürs Auge darstellen zu wollen. Da schwamm wohl der Einfluss einer Toreador noch immer mit.
Auch waren auch Bart und Haare stets gut gepflegt. Und auch Silvio liess sich sehen, wenn auch mit weniger Schmuck, stand er doch im Rang unter seinem Herrn oder seinem Vater.

Silvio war jener, der anklopfen durfte. Galeno stand, noch eine Gugel übers Haupt gezogen leicht hinter ihm, die Hände hinterm Körper verschränkt, aufrecht, abwartend, hin und wieder leicht hüstelnd, so, als wolle er sich dies aber gar nicht zu sehr anmerken lassen.
Sofern jemand öffnen würde, wäre Silvio jener, der sie ankündigen würde, die Herren Fiorente erbitten Einlass, man habe besonders den alten Herrn Fiorente hier her zu jener Stunde eingeladen und er wäre trotz seines bekannten gesundheitlichen Befindens überaus gern hier erschienen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Schon auf dem Weg zur Tür wurden beide von einem Hauswächter in Empfang genommen. Der Mann war wortkarg und bitter, docker merkte auf, als Silvio ihm diese Namen nannte. Er machte eine Verbeugung vor dem alten Herren und begleitete die beiden bis zur Haupttür.

Ganz offenbar wurde der Besuch auch erwartet, denn selbst zu dieser nächtlichen Stunde wurde dort zügig geöffnet. Eine junge Magd erwartete die Besucher und hielt eine Schale mit Wasser und Tücher bereit, dass man sich den Straßenstaub abwaschen könne. Ein paar getrocknete Blütenblätter trieben auf dem gewärmten Wasser und ihr Duft hing gegen den Stadtgestank auch im Hausflur. Getrocknete Blüten, getrockneter Lavendel und ein paar aufgehängte Rosmarinzweige drängten den Geruch weiter zurück.

Das Hausinnere passte zu dem Eindruck, es hier mit dem Haus eines gut betuchten Handelsmannes zu tun zu haben: An den ordentlich verputzten Wänden hingen dichte Wandteppiche gegen die Kälte, der Boden war aus polierten Dielen oder Fliesenkacheln. Eine Holztreppe mit geschnitztem, breiten Geländer führte in ein höheres Stockwerk empor und ein Flur führte weiter ins Gebäude hinein, wo man wohl eine Küche und noch weitere Räume vermuten konnte.

Die Magd jedoch führte die beiden Besucher letztlich die Treppe hinauf. Sie würden erwartet, erklärte sie in leiser Sorgfalt. Zu keinem der beiden wagte sie einen direkten Blickkontakt, doch ihre Bewegungen waren sehr ruhig und bestimmt, so dass dies wohl nicht einfache Schüchternheit war.

Ein besonderer Blickfang in alledem waren wohl die Metallarbeiten: Der Türknauf oder die Türbeschläge, Kerzen- und Lichterhalter, die Schälchen für Sand und Blüten und derlei mehr. Sie alle waren einen Deut besser in ihrer Qualität und Verarbeitung - wohl eine stolz vorgezeigte Spezialität des Händlers?

Die Schreibstube, in die Magd diese beiden Besucher führte, war wohl jüngst vergrößert worden, indem in einer Wand ein Durchgang mehr geschaffen worden war. Der Rahmen jedenfalls war aus hellem, noch neuen Holz und ebenso auch die hier eingelegten Dielen. Der bittere Geruch von Tinte hing hier in der Luft und mischte sich mit dem vom Holz, von Leim und altem Leder, Staub, Papier und Pergament. An den Wänden gab es Regale und Halter für verschiedene Arten von Schriften. Bei weitem nicht alle waren befüllt - dies war keine Bibliothek sondern in der Tat eine Schreibstube, in der alltags auch mit Griffel und Wachstafel gearbeitet wurde. Eine Feuerstelle oder überhaupt offenes Feuer suchte man hier vergeblich. Das Licht kam von einigen Laternen her, die sorgfältig abgeschirmt und abgetrennt von den Schriften an den Wänden aufgehängt waren. Dennoch war es nicht kalt hier: von unten her zog Küchenwärme herauf und machte auch einen Teil des Bodens warm unter den Füßen.

Auf einem breiten Pult bereitgelegt lagen einige Schraffuren und grobe Zeichnungen, die an eben das erinnerten, was Giada für Galeno schon angedeutet hatte. Die Schraffuren waren nicht einmal auf Papier sondern auf feinem Tuch gemacht worden.
“Die Herrin wird gleich zu uns stoßen”, erläuterte die Magd leise. “Haben die Herren bis dahin einen Wunsch?”
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Nubis
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Die Herren traten ein und liessen sich führen. Beide bestaunten vor allem Kunsthandwerk in den Räumen, wie Schnitzkunst oder die des Schmiedehandwerks, doch jeder auch mit einem anderen Auge. Der Ältere mit dem Blick fürs Handwerk selbst, der jüngere mit Zahlen für Geschäfte, die damit möglich währen...

Sie drängten die Magd nicht, fragten sie auch nichts. Und als sie sich erkundigte, ob sie etwas bräuchten, lehnte der junge Herr an.
"Nein, danke. Es ist alles bestens."

Der ältere nickte daraufhin bestätigend und sah sich in der Schreibstube um.
Die Einrichtung schien ihm zu gefallen.
Auch wenn er nun herumlaufen und alles in Augenschein nehmen könnte, so tat er dies nicht. Keiner von beiden. Sie warteten höflich und geduldig auf die Hausherrin.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Allzu lang war die Wartezeit nicht. Die junge Magd hatte sich nach den Worten der beiden Gäste zurückgezogen, aber wohl auch nicht allzu weit, denn sie war es, die die Tür für ihre Herrin wieder öffnete.

Giada trat ein, in eher gestreng anmutenden Gewändern und mit einer ordentlich festgesteckten Haube auf dem Kopf. Sie neigte das Haupt einmal knapp vor ihren Gästen.
“Willkommen in diesem Haus. Der Brief und dieser Besuch nun freuen mich”, sagte sie ernst. Sie machte eine einladende Geste in den Raum hinein. “Es wirkt wie eine karge Stube, um Gäste zu empfangen, doch sie ist reich an den Dingen, welche den Geist und Verstand nähren.”
Damit legte sie die Hände wieder ineinander. “Doch ein Gast sollte in keiner Weise hungrig bleiben. Also frage ich: Soll ich etwas zur Stärkung bringen lassen?”
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Nubis
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Nubis »

"Es freut mich ebenso", meinte Galeno nickend, als Giada geendet hatte und seine Augen sahen sich noch einmal kurz um. Dann fügte er hinzu: "Die Wahl des Raumes hätte nicht passender sein können und als karg mag ich ihn nicht bezeichnen. Wie ihr sagt, er ist doch reich bestückt."

Sein Blick landete knapp einmal bei seinem Begleiter, der ruhig da stand und wartete. Jedoch sah er sich schon um, soweit dies ohne grosse Bewegungen möglich war. Er wollte nicht stören oder ablenken.

"Eure Gastfreundschaft ehrt euch und ich nehme sie gern an. Doch für meinen Begleiter reicht etwas Wasser zum befeuchten der Kehle."

Daraufhin nickte der Begleiter sogar.
Galeno dedete eine leichte Geste zu ihm hin, indem er die Hand so hielt, dass man etwas hinein legen konnte und der Diener schaltete schnell. Er kramte in dem Bündel herum, welches er mitgebracht hatte und schob die darin liegenden Überwürfe bei Seite, die rau wie Jutesäcke waren.
Etwas in Stoff geschlagenes tauchte auf. Viereckig. Er gab es so Galeno, welcher dann eben dies an Giada reichte und den Stoff bei Seite schlug.

"Ich habe euch diesmal etwas mitgebracht. Kein Wissen, doch ebenfalls wichtig, um Wissen festzuhalten. Eine Kleinigkeit für die ihr sicher Verwendung finden werdet."

In eben jener Holzbox befanden sich diverse Papiersorten, manche mit Blüten, andere einfach, manche etwas fester, manche dünn. Ein guter Start, um auch das Passende für den jeweiligen Zweck zu finden. Je Sorte ungefähr zehn Bögen, getrennt je mit einem Band aus Seidenstoff. Somit ca 40 Blatt. Abgetrennt von dem Schacht fürs Papier war ein Tintenfässchen aus guter Keramik zu finden, sowie eine gute Schreibfeder. Ein Gänsekiel mit gut verabeiteten, gehärteten Zuschnitt. Ausserm noch 2 weitere Federn mit gehärtetem Kiel, bereit zum Zuschneiden und ein kleines Messer für diesen Zweck. Gebettet war alles zudem in dunklem Stoff, sodass nichts rutschte.
Ein Schreibset, fein aufbereitet und als Geschenk für edle Herren oder Damen gedacht. Und die Holzbox konnte man immer wieder gebrauchen, hatte sie am Deckel doch Scharniere und eine Schliesse.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada gab der Magd daraufhin einen knappen Wink und diese zog sich eilig und erstaunlich leise zurück. Die Lasombra betrachtete in der Zeit das Mitbringsel und dessen Wert, gerade in einer frisch eingerichteten Schreibstube, traf eindeutig ihr Gefallen. Man konnte es vielleicht auch aus ihren Worten lesen, als sie bedächtig sagte:
“Mit meinen Studien denke ich oft, dass eine goldene Zeit von Wissen und Erkenntnis hinter uns liegt und unsere Zeiten von jetzt nur blasse und vielleicht fehlerhafte Kopien alter Errungenschaften sind. Doch es sind Errungenschaften wie diese, welche mich doch von dieser allzu abwertenden Sicht auf unsere Zeit abrücken lassen. Die Menschheit entwickelt sich fort, in Handwerk und Künsten, Mechanik und Bau.”
Sie legte den Holzkasten sorgfältig zur Seite und eine Hand darauf. “Es ist eine sehr treffende Gabe für unsere Zusammenkunft.”

Ein Klopfen kündigte das erneute Öffnen der Tür wieder an. Dieses Mal war es nicht die junge Magd, die eintraf, sondern eine erwachsene Frau. Sie war schmal und wirkte mit ihren sehr biederen, sehr hochgeschlossenen, fein gearbeiten und doch schlicht geschnittenen Kleidern gestreng. Sie balancierte ein Tablett auf der einen Hand, auf welchem zwei metallene Kelche standen. Der Geruch von frischem Blut kam daher. Auf dem Tablett stand auch ein tönerner Krug mit Wasser und metallener Becher.
Die Frau präsentierte das Tablett kurz Giada, welche es mit einer sehr knappen Geste wohl freigab und so wurde es nun Galeno präsentiert, der frei wählen konnte, welchen der Kelche er nehmen wollte. Auch dies schien eine ganz bewusste Geste zu sein, wurzelnd in einer Gesellschaft, in welcher Politik und selbst einfache Zusammenkünfte mörderisch sein konnten.

Galenos jüngerer Begleiter erhielt das Tablett hernach gereicht. Die Frau schenkte ihm mit ruhiger Hand Wasser ein, so dass er sehen konnte, dass es so klar und rein war wie man es eben von Brunnen- oder Regenwasser am Hafen erwarten konnte. Giada nahm den verbliebenen Kelch.
Diese ganze, kleine Begebenheit schien einer festen Form zu folgen, einer Art von Choreographie, abgezirkelt und ernst. Vielleicht hätten andere, welche sich geschmeidiger und hübscher über das gesellschaftliche Parkett bewegten als die Lasombra, es in eine natürliche Leichtigkeit verwandelt. Doch Giada war keine Rose und sie bewegte sich in Genua auf einem so viel schmaleren Grat als die meisten anderen Neugeborenen.

“Ich hoffe, irgendwann in Genua als ein dauerhafterer Gast anerkannt zu werden. Denn dann muss ich nicht zur Klarheit und Rechtschaffenheit betonen, dass unser beider Stärkung nicht von der Herde der höchst verehrten Herrin Aurore stammt und keiner Jagd innerhalb der Stadtgrenzen entspringt.” Auch das folgte dieser ein wenig steifen Förmlichkeit, der diese Umgangsformen folgen mussten. Sie machte eine knappe, wegwischende Geste, sobald dies nun auch klargestellt worden war. Wer dachte an solche Einzel- und Feinheiten? Wer gab solche Nuancen in die Gesetze der Gastfreundschaft und die alten Traditionen? Und wer wollte die feinen Bruchstellen, die sich doch immer ergeben musste, als scharfe Schneiden gegen Rivalen, Feinde und Opfer gebrauchen? Dies war die Welt, durch welche die Lasombra gehen musste.

“Euer Brief hat mich sehr interessiert”, machte Giada dann jedoch den Brückenschlag zu den weit weniger rigiden Dingen hin. Die Dienerin derweil hielt sich vollständig still im Hintergrund.
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Nubis
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Nubis »

"Mhh ich denke, dass dies vielleicht auch dem geschuldet ist, dass wir nicht erahnen können, oder in den seltensten Fällen, was genau noch vor uns liegen wird. Wir sehen vergangene Zeiten in Schrift und anderen Arten der Überlieferungen und sehen sie als goldene Zeit an, da manches davon sogar verloren scheint. Verloren, weil keiner es je überliefert hat oder verloren, weil die Überlieferung selbst zerstört oder von wenigen nur noch behütet wird. Und doch kehrt es wieder zurück. Kennen wir die Errungenschaften, so halten wir das, was anderen neu erscheint nur für eine Kopie. Grob gesagt, wäre dies Papier auch etwas in der Art. Es ist von alten Ideen, wie dem Schreiben auf Holz oder Blattwerk inspiriert und doch etwas ganz Eigenes geworden. Feiner, durchdachter. Die goldene Zeit mag auch die Fülle sein, die wir entdecken, blicken wir zurück und das doch langsame Voranschreiten unserer Zeit. Doch was ist mit nachfolgenden, die auf uns zurück blicken? Wir würden sie es empfinden."

Er bemerkte selbst, dass er etwas abgeschwiffen war und lächelte knapp. "Entschudligt, ich wollte gar nicht so weit ausholen. Und noch weniger eure Sichtweise kritisieren oder etwas in der Art. Nur falls der Gedanke dazu aufkommen mag. Doch mich bewegen ab und an auch die Gedanken zu unserer und vergangener zeiten, den Ergebnissen, die wir erzielen oder andere vor uns erzielt haben und auch die Frage nach der Notwendigkeit von neuen Errungenschaften und ob wir als Kainiten diese weiter verfolgen sollten, ein Auge darauf haben sollten oder gar eine steuernde Hand."

Er räusperte sich.
"Es freut, nein, ehrt mich jedenfalls sehr, dass euch das kleine Mitbringsel zusagt, besonders, da es aus eigener Produktion stammt."

Er nahm den Kelch und wartete ab, bis auch sie ihren nahm, prostete ihr knapp, still und anerkennend zu und trank einen Schluck.

"Müsst ihr dies betonen? Fühlt ihr euch dahingehend genötigt? Nun, nicht durch mich, so hoffe ich?"
Er musterte sie eindrücklich. Versuchte wohl abzuschätzen, wie sie dies sah und wie ihre Position gegenüber ihm war.
"Solch eine Betonung kann auch anders gesehen werden...kann Angriffspunkte liefern."
Seine Worte klangen düster, mit etwas im Nachhall, etwas, das wissend klang, etwas, das aus Erfahrung geboren war.
"Doch ihr seid die Zweite, die eine ähnliche Fragestellung oder einen ähnlichen Hinweis brachte, da auch als nicht anerkannter Gast doch der Wille da ist, seinen Gästen etwas bieten zu können."

Er lächelte.
"Bei euch hatte ich keine Bedenken, dass ihr euch an die hier geltenden Regeln halten werdet. Ihr seid von hohem Blut, wisst, was sich gehört, wollt hier etwas erreichen. Ihr wisst, wie unklug es ist, sich ausserhalb der geltenden Gesetze zu bewegen. Und ich denke nicht, dass ihr dazu neigen würdet, selbst wenn sich dadurch eine Abkürzung ergeben würde...eine gefährliche und dumme auf den zweiten, aber einfach wirkende auf den ersten Blick. Ihr handelt bedacht und ich denke, dies wäre unter eurer Würde. Wer anders über euch denkt, der wird euch daraufhin befragen oder gar beschuldigen, sollten ihm diese Feinheiten überhaupt in den Sinn kommen."

Aber nun wechselte er auch zu dem Brief und schmunzelte. "So? Er ist doch lediglich eine festere Zusage zu eurer einstigen Einladung gewesen. Ihr habt mein Interesse geweckt."

Er blickte zu dem Tuch auf dem Tisch, den Abdrücken, die sie wohl gemacht hatte.
"Wollt ihr mir einmal zeigen, was ihr entdeckt hat und dazu auch noch etwas sagen? Die beschaffenheit des Steins..hart oder weich? Die Art der Anordnung...versteut? zusammen? Einzeln oder Zeichen auch gruppiert? Mit Werkzeugen geschaffen, wie Hammer und Meissel, oder hineingeritzt oder geschabt? Mit Farbe versehen oder nur rillen im Stein? Gab es Bauten in der Nähe oder Anzeichen davon? Oder vielleicht auch anderes, was auf Leben dort hinweisen könnte. Werkzeuge, Schlafstätten oder dergleichen? Ihr sagted ja bereits, dass ihr es als alt anseht und dass niemand in der Umgebung genaueres dazu wusste."

Er war in seinem Eleent, wenn auch nicht ganz genau. Hier und da stockte er, zögerte, dachte nach oder schien unsicher, ob die Frage Sinn machte. Aber er stellte Fragen und das nicht zu knapp. Offen, direkt. Vielleicht auch gleich zu viele auf einmal. Wie würde des wohl aussehen, wenn er WAHRLICH in seinem Element steckte?
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1061] Das Mysterium der Zeichen [Giada, Galeno]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Das weite Ausholen im Diskurs ist ein Privileg jener, die die Zeit auf ihrer Seite haben”, meinte Giada zunächst auf die Entschuldigung Galenos hin. “Und zwischen solchen, die sich im gelehrten Gespräch versuchen wollen, sollte eine gegenseitige Kritik kein Grund zur Entschuldigung sein sondern ein Ansporn. Und halten wir nicht so uns im Geiste beweglich? Inspiriert und angespornt durch den anderen im Gespräch wechseln wir leichter unseren Blickwinkel, aus welchem wir den Gegenstand des Gesprächs betrachten. Oft ergeben sich so ungeahnte Erkenntnisse und jeder im Diskurs gewinnt daraus.”

Sie hob ein wenig das Kinn. “Diese Gedanken sind nicht neu und nicht allein die meinigen. Schon vor Jahrhunderten haben sich so die griechischen und römischen Gelehrten gegenseitig den Geist und auch ihre Rhetorik geschärft. Doch ihre Lehren dazu erschienen mir stets einleuchtend.”

Seine Überlegungen zu Blut und Gastfreundschaft ließ sie einfach so stehen und nickte sie ab. Offensichtlich - und scheinbar für beide erfahrungsgemäß - konnten solche Dinge eben ihre Schwierigkeiten haben. Doch die Lasombra schien wohl damit alles für gesagt zu halten.

Und so führte sie das Gespräch direkt zu jenen Zeichen weiter, die ihn und sie selbst so interessierten.
“Seht sie euch gern an. Sie sind von unterschiedlicher Machart, was sich in den Kopien nicht gut zeigt, doch offenkundig unterscheidet sich der Stil. Nach dem, was ich einschätzen konnte, stammen sie aus unterschiedlichen Zeiten und sie sind dort über einen großen Bereich verstreut. Es muss hunderte und tausende geben, vielleicht noch mehr. In der Gegend gibt es allerlei Felsen und Kluften.”

“Ich habe mit der werten Angelique ebenso über diese Zeichen gesprochen, denn sie hat ein reges, gelehrtes Interesse. Ihre Vermutung ist, dass die Altvorderen hier im Stein niederschrieben, was sie über die Zeit aufbewahren wollten.” Damit deutete Giada zu einer Tuchkopie, die tatsächlich etwas wie die gepflügten Linien eines Ackers, einen Ochsen und einen sehr stilisierten Pflug darstellen könnte. Es war nicht mehr als eine Art gemeißelter Strichzeichnung, doch man konnte die Grundzüge als solches erkennen.

“Ich sah mit eigenen Augen auch Zeichen, die wohl Krieger und ihre Waffen darstellen sollten. Doch dann waren da auch andere, reine Symbole, die ich nicht zuordnen konnte, und Zeichen, welche von den Menschen wohl verehrt wurden. Zeichen für alte Götzen vielleicht oder eine Art von Ritus und Zauberei, der die Heiden anhingen?”
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