[1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

[November '21]
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Giada Salvaza Rossi
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[1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Das Elysium Genuas war ein Garten. Zumindest auf den ersten Blick wirkte er offen und weitläufig, eine Oase von Grün und Blüten gegen das enge, geschäftige, oft stinkende Gewühl einer lebendigen Stadt an der Küste des wichtigsten Meeres der bekannten Welt.

Es konnte vieles geben, das die Illusion eines zerbrechlichen Gartens hier zerbrechen konnte, doch für diese Nacht, für diesen Moment hielt sie. Die Nacht war lau, die Wächter des Elysiums still und zurückhaltend.

Am Brunnen, dem Fontana Rossa, stand eine Edelfrau. Und auf den ersten Blick hielt die Illusion noch immer, denn sie war aus der Ferne schön anzusehen, in teuren Gewändern, mit prunkvoll beringten Fingern und einer kunstvoll festgesteckten Haube. Die Illusion bekam erste Risse, wenn man den Brunnen näher betrachtete, der seinen Namen nicht ohne Grund trug. Im fahlen Licht des Mondes und einiger kleiner Laternen an der Agora nahebei wirkten seine Wasser rot wie Blut.
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Pietro Silvo
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Pietro Silvo »

Genua, genauer gesagt Clavicula, widerte Pietro an. Diese verkommene Hoffnungslosigkeit, wo sich jeder der nächste war, untermalt mit einem Stadtbild voller Müll und Fäkalien konnte er nicht ausstehen. Er hasste es von Venedig nach Genua versetzt worden zu sein. Er hasste seinen Auftrag. Er hasste Genua. Diese Stimmung trat er auch nach außen, als er in seiner beschmutzten schwarzen Robe an den Passanten im Schatten der Nacht vorbei huschte.

Als er durch die beiden großen Tore aus massivem Eichenholz schritt und mit wachsamen Augen und Speeren von den Diensthabenden gemustert wurde, eröffnete sich ihm eine kleine Oase. Für einen kurzen Moment in Träumen versunken schritt er durch die, mit blutroten Rosen überzogenen, Holzbögen und ertappte sich selbst dabei, wie er kurz an ihnen schnupperte. Als er sich wieder besann und die Blicke der Wächter spürte, ärgerte er sich und schritt gehetzt voran.

Nach einem kurzen Rundgang verlangsamte er seine Schritte, als er in der Ferne eine Frau in einem edlem und prachtvollen Gewand an der Fontana Rossa erblickte. Er blieb kurz stehen und musterte sie in der Ferne. Sie erinnerte ihn an jemanden, an etwas, sie erinnerte ihn an Venedig, Venedig war gefährlich. Er versteckte seine rissige, trockene Haut tief in seiner Kapuze, Schritt langsam näher un behielt nur mehr einen Höflichkeitsabstand bei, um es zu vermeiden sie zu stören, ihr Gebaren noch etwas weiter zu beobachten und sich der idyllische Stimmung zu ergötzen.
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Paul Heyse
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Es war eine Täuschung aus Licht und Farben. Beide waren schwach, so tief in der Nacht, doch das machte die Täuschung erst möglich. Die Steine im Brunnen hatten verschiedene Töne von Rot und irgendwie hing die Farbe in den Spiegelungen polierter Kanten und stiller Wasser.

Die Frau wandte sich langsam zu Pietro um. Aus der Nähe war sie nicht ganz so schön anzusehen. Auch hier brach die Illusion. Oh, unzweifelhaft war sie schöner als das Elend in der Gosse Claviculas - sie war kräftig und heil, mit glatter Haut und klarem Blick aus dunklen Augen. Dieser Blick richtete sich nun auf Pietro und hier kam hinzu, was die Schönheit trübte. Diese Frau besaß eine Art von Härte oder Grimm, die die Illusion von zarten Edelfrauen Lügen strafte. Sie wirkte eher kräftig als zart, eher grausam als milde. Es lag in ihrer Haltung und den Gesichtszügen, den Schultern, dem Stand.

Gerade nun betrachtete sie den Nosferatu einen stillen Moment lang ernst. Dann sagte sie: “Genua ist nicht meine Heimat, doch ich kann der Stadt nicht absprechen, dass sie Reisende anzieht. Seid Ihr ein solcher?” Sie hob knapp die Hand wie um ihn einzuladen, näher zu treten.
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Pietro Silvo
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Pietro Silvo »

Diese unwiederbringliche Verwandlung der zarten, ja nahezu wehrlosen Edelfrau am unheilig blutenden Brunnen hämmerte an Pietros Hinterkopf, als hätte ihn jemand bei seiner Zeichnung eines Porträts gestört, und zwar in der Art und Weise, dass sein innerer Illuminator nun zweifelsohne seine zuvor angelegten Skizzen völlig ignorierte und gnadenlos übermalte.

Pietros Miene schien sich dabei nicht zu verziehen und er wartete ab bis sein neu gewonnenes Bild sich mit Farbe zu füllte. Anschließend trat er näher und blickte sie mit seinen blauen, in der schweren Kapuze versteckten Augen an.

“Ein Reisender bin ich wohl.” ertönte seine leicht krazige Stimme, bevor sie sich langsam klärte. “Ein Reisender… noch auf dem
Weg und weit entfernt von der endlosen Stagnation des Seins.. aber verzeiht mir meine Etikette, meine Name ist Pietro Silvo, ein Neugeborener… und ihr, edle Gestalt, seid ihr auch eine Reisende?”
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Es ist ein luftiger Begriff, der vom Reisenden, wenn Ihr ihn so wenden wollt, wie Ihr ihn gewendet habt”, stellte die Frau fest. Sie straffte sich und der schwere Stoff ihrer bestickten Gewänder raschelte leise.
“Doch ich sollte nicht in eben solcher Luftigkeit antworten.” Das klang hart, auch wenn diese Härte sich wohl einfach gegen sie selbst richtete. Der eigene Maßstab, ein Korsett - lange bevor solcherlei erfunden worden war.

“Ich bin ein Gast Genuas und meine Reise führte genau hierhin”, war dementsprechend die ernste und ein wenig steife Antwort. “Giada Salvaza Rossi, neugeboren in den Clan der Nacht, Tochter im Blute der Ancilla Noellina, Tochter im Blute Totilas, des Fürsten von Mailand und der Lombardei.” Es klang nach politischem Gewicht, insbesondere wenn man Genuas eigene politische Lage bedachte, seinen Prinzen, seinen Seneschall und vermutlich hundert Abgründe dahinter.

Die Lasombra hob eine Augenbraue. “Doch wenn Ihr auf der Reise seid, dann habt Ihr auch etwas zu berichten. Teilt ein paar Neuigkeiten mit mir. Vielleicht kann ich sie mit Neuigkeiten aus Genua vergelten, wenn Euch derlei interessiert.”
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Pietro Silvo
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Pietro Silvo »

Ein leichtes Bedauern war den lächelnden Mundwinkeln von Pietro zu entnehmen, nach dem Motto, warum sie sich tatsächlich nicht die mühe machte die Scharade mitzuspielen und stattdessen mit ihrer ernsten Ausstrahlung die Konversation nicht von dem Boden der Tatsachen heben lies. Dies gefiel dem Nosferatu nicht, es bedeutete der Handlungsspielraum war vermutlich eingeschränkt. Insbesondere nach ihrer Ausführung, merkte Pietro, dass mit der Lasombra keineswegs, außer er wollte sich wirklich die Finger verbrennen bei dem Versuch, zu spaßen war. Er machte nach der Ausführung ein der Etikette entsprechendes Nicken.

„Nun, dann will ich tatsächlich versuchen zu vermeiden eure kostbare Zeit zu stehlen. Was die Neuigkeiten betrifft…“ Pietro schien zu überlegen und abzuschätzen. „Meine Quellen flüstern, dass Prinz Tiberian von Venedig, ein Blutsverwandter von euch, Schwierigkeiten haben könnte seine dortige Machtposition wieder zu festigen“ neben der tieferen Tonlage, verschwand das Lächeln erstmals aus dem Gesicht des Nosferatu während des Gespräches.

„Über euer indirektes Angebot, einen Informationsaustausch, würde ich gerne darauf zurückkommen, wenn ich meine Anwesenheit in Genua etabliert habe… ich habe vor zu bleiben.“ seufzte der Nosferatu dabei, bevor sich seine trockenen Lippen wieder zu einem Lächeln formten. Was verbirgt sich bloß hinter dieser ernsten Fassade der Lasombra? Wieviele Leichen hat sie wohl im Keller? Welches Spiel spielte sie hier in Genua?

„Was ist eure Rolle die ihr hier in Genua spielt?.. Was für Informationen würden euch den interessieren? Es wäre ja nicht auszuschließen, dass ich jene durch Zufall aufschnappen könnte wie den wunderbaren Geruch der Wildrosen am Eingang des Elysiums“
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Neuigkeiten aus Venedig gehören in jedem Falle dazu”, antwortete Giada. “Doch von hier? In Eurer ersten Zeit hier werden ohnehin viele Meinungen und Eindrücke auf Euch einwirken. Haltet die Ohren danach offen, wie über die Geißel Genuas gesprochen wird. Im Guten oder im Schlechten.”

Sie neigte den Kopf ein wenig und setzte dann einen trocken hinzu: “Es mag sein, dass die Geister sich hier scheiden, auch wenn es wohl umstrittenere Persönlichkeiten in der Gesellschaft geben mag.” Wenn in diesem Satz etwas wie Humor lag, dann war er derart trocken, dass man sich daran hätte hustend verschlucken können.

“Mir gefällt Euer Gedanke, dass Ihr Euch etwas Zeit nehmt.” Und das war wohl ihre Version einer Zustimmung zu seinem Vorschlag. Sie ging damit auch einfach im Gespräch weiter: “Eure Gerüchte aus Venedig klingen beunruhigend - nach Umsturz? Wer bietet dem höchst verehrten Herren Venedigs die Stirn?”
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Pietro Silvo
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Pietro Silvo »

„Ja, das mag wohl zutreffen. Ich entnehme der Aussage, das es euch ähnlich erging, als ihr zum ersten Mal einen Fuß in diese Stadt gesetzt habt. Welchen Ort würdet ihr denn als Heimat bezeichnen? Die Geißel Genuas sagt ihr, etwas was ich über jene wissen sollte?“

„Ich verstehe, ich verstehe“ erwiderte Pietro während sich seine Mundwinkel nun gänzlich zu einem breiten Lächeln formten, was der grotesken Erscheinung seines ungesund blassen Gesichtes ohne Nase immer noch keine Abhilfe gewährte. Er schien schon kurz davor zu sein aufzulachen, als er stattdessen „Das habt ihr schön ausgedrückt“ antwortete.

„Umsturz… ist ein gefährliches Wort, sehr gefährlich… was aber nicht von der Hand zu weisen ist, ist dass die Totengräber beachtlich an Einfluss dazu gewonnen haben, nachdem sie vor einigen Jahrzehnten einer wohlhabenden Händlersfamilie den Kuss gewährten. Genauer gesagt einer italienischen Großfamilie mit dem Namen Giovanni. Sie haben sicherlich mittlerweile.. um die Hundert Kainiten gezeugt, mit denen sie ihren Einfluss vielerorts effektiv und stetig ausbauen, was damit indirekt die Machtposition der Kappadozianer in Venedig massiv stärkt.“
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Giada Salvaza Rossi
Lasombra
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Um solche Zahlen an Nachkommen zeugen zu können, müssen sie mehr als einen Prinzen sich gewogen gestimmt haben.” Das klang nach Skepsis, doch auch nach Anerkennung für eine solche Errungenschaft der Macht.

“Venedig mit seiner Offenheit im Handel nach Osten hin hat Bedeutung für alle Länder und Reiche um das Mare Nostrum. Für dies, was Ihr mir bislang gesagt habt, kann ich Euch den Rat geben: Sprecht mit dem verehrten Hüter des Elysiums von Genua, Ilario Contarini. Er stammt aus Venedig und wird Neuigkeiten wie die Euren zu schätzen wissen.”

Es war schwer zu deuten, wieviel sie tatsächlich von jenem Ancilla und Hüter des Elysiums hielt. Politische Verwerfungen zwischen den verschiedenen Fraktionen im Clan der Schatten waren weder neu noch waren sie versöhnlich oder einfach zu fassen. Doch aus ihren Worten sprach eine gewisse Ernsthaftigkeit - sie schien zumindest den Austausch mit Pietro zu achten.
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Pietro Silvo
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Re: [1063] Freund und Feind [Giada, Pietro]

Beitrag von Pietro Silvo »

„Ganz recht, ganz recht, ein politisches Feingefühl müssen sie wohl auch besitzen, es würde mich nicht wundern, wenn die Kappadozianer mit diesem neuen ambitioniertem Blut.. den Rest kann sich wohl jeder selbst ausmalen, vielleicht ja mit Rot.“

„Ilario Contarini sagt ihr? Dann wird das ein Name sein denn ich mir auf jeden Fall merken werde.. an Geschmack scheint es dem verehrten Hüter des Elysiums schon mal nicht zu mangeln“ der Tonfall lies Zweifel offen, ob dies hierbei um nun eine Frage oder Aussage handelte, während Pietro seine Augen durch das Elysium streifen lies. Es wirkte für den Nosferatu wie eine kleine Oase, nachdem er sich schon wider Willen an das Elend der Gassen von Clavicula gewohnt hatte.
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Paul Heyse
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