[1064] Balneum Regni [Iulia, Liutprand]

[Liutprand]

Liutprand lächelte leicht, führte nun den Schwamm erneut über ihren Hals über die Schultern und dann zwischen ihre Brüste. Ob beabsichtig oder unbeabsichtigt war aus seiner Miene oder seinen Bewegungen nicht abzulesen.

"Ihr habt nie die Kameradschaft unter Soldaten erlebt und werdet das auch nie. Vielleicht könnt Ihr deshalb meinen Gedanken nicht folgen."

Sprach er feststellend, ohne ihr daraus einen Vorwurf zu machen...wie auch? Frauen würden niemals Soldaten sein.

"Was ist mit Euch? Habt Ihr etwas in der sterblichen Welt zurück gelassen, was Ihr vermisst?"

[Iulia Cornelia]

Die Ventrue dachte einige Zeit über die Frage ihres Clansbruders nach, während der Schwamm auf ihrer Brust war, bevor sie in einer ruhigen Bewegung den Kopf schüttelte und erklärte: „Nein, offen gestanden nichts. Mein Erzeuger hatte mir nach meiner Wandlung bereits recht früh und klar zu verstehen gegeben, dass ich alles was mein sterbliches Dasein einst ausmachte, zurücklassen muss. Ich habe mir entsprechend nie großartig Gedanken darüber gemacht, ob ich womöglich etwas vermissen würde. Zumal ich die Gründe dafür verstand und wusste, dass es sein musste.“

Ihre feingliedrigen Hände deuteten ihrem erhabenen untoten Körper selbstbewusst entlang, als sie meinte: „Dies ist mein neues Dasein. Wozu ich bestimmt wurde. Ich habe entsprechend keinen Grund etwas zu vermissen.“ Ihre blaugrauen Augen ruhten in denen ihres Gegenübers, bevor sie weiter sprach: „Davon ab, werter Bruder, solltet ihr niemals nie sagen. Eine solche Haltung würde euch und eurer Klugheit nicht gerecht werden, sondern eher von einem beschränkten Geist zeugen, der weder Chancen noch Möglichkeiten sieht.“ Schweigend sah sie ihn weiter an, bevor ein zartes Lächeln ihre Lippen umspielte.

[Liutprand]

Liutprand beging weiter sein Werk, hob sanft einen ihrer Arme, um von ihrer Schulter den Arm entlang den Schwamm zu führen. Auf ihre Worte lächelte er mild.

"Vielleicht seid Ihr noch nicht lange genug in der Nacht, um etwas aus sterblichen Tagen zu vermissen und ich noch nicht lange genug, um diese Gefühle vergessen zuhaben."

Mit diesen Worten trafen sich ihre Blicke wieder.

"Aber vielleicht kommt das noch, man sollte ja schließlich niemals nie sagen "

Mit diesen Worten zwinkerte er ihr zu und legte den Schwamm auf den Rand der Wanne und sah sich ein wenig um.

"Was jetzt?"

[Iulia Cornelia]

Iulia nickte nur leicht mit ihrem Kopf in Richtung der Tür am anderen Ende. Der Raum dahinter schien nicht sonderlich groß zu sein, doch strahlte er eine gewisse Wärme ab. Für einen Moment verblieben ihre Augen jedoch noch in den Seinen, als sie ihm zu verstehen gab: „Ich weiß nicht, wie alt ihr wohl sein mögt, werter Bruder, auch wenn Alter unter uns Neugeborenen ohnehin so gut wie keinerlei Relevanz hat.“

Die Harpyie ließ sich erneut auf den Beckenrand hinter ihr nieder, hob ihre Beine geschlossen über diesen hinweg und setzte sie auf der anderen Seite ab, bevor sie ihm über die Schulter blickend zuwarf: „Ich weiß nur, dass ihr wohl einige Zeit geruht hattet, bevor ihr wieder gefunden und erweckt worden sein sollt.“

Mit einer ruhigen Bewegung erhob sich die Ventrue und nahm ihr Leinentuch auf, um sich die noch feuchten Stellen sorgsam abzutupfen, während sie feststellte: „Entsprechend fremd mögen euch sicherlich die heutigen Sitten und Gebräuche wohl noch immer sein, wofür ich in einem gewissen Rahmen natürlich stets Verständnis hatte.“ Die Harpyie lächelte sanft, während sie das Tuch über ihrem Arm drapierte und meinte: „Auch wenn ich es als eure wohlwerte Schwester und Harpyie natürlich durchaus begrüßen würde, so ihr dazulernen würdet.“

Sie wandte ihrem Bruder leicht den Rücken zu, während sie in Richtung der Tür schritt. „Jedoch nein, ich habe ganz sicher die Gefühle für die Söhne nicht vergessen, die mir dereinst in brutalsterweise genommen wurden.“ Die blaugrauen Augen wirkten ungleich kühler noch als das Wasser aus welchem sie gerade entstiegen waren. Sie waren hart wie Stein, der sich auch in ihrem Tonfall widergespiegelt hatte.

„Doch was nutzt es mir sie zu vermissen, nachdem Ancus Leib so zerfetzt wurde, dass seine Seele wohl niemals Frieden finden wird.“, stellte die Ventrue trocken fest, während die Knöchelchen ihrer marmorfarbenen Hand noch heller hervortraten, als sie ihre Hand an die Tür gelegt hatte und diese öffnete. Ihr Gesicht wandte sich um, und ihr Blick fiel kurz auf ihren Bruder, als ein regelrechter Schwall warmer Luft den beiden Kainiten entgegenschlug.

Ohne weitere Worte zu sprechen, schritt die Harpyie in den dunkleren Raum, der von den heißen Steinen und nur einer einzelnen Kerze schwach erleuchtet wurde. Ihre freie Hand deutete einladend auf eine der beiden schmalen Liegen, auf welche Liutprand sich setzen oder auch legen konnte, während sie seinen Blick mied, als sie die Tür hinter ihnen zuzog.

Die Hitze, die sie in dem kleinen Raum empfing, war für die hochgewachsene Ventrue offenbar nicht fremd. Stattdessen hieß sie die starke Wärme, die sich um ihren Körper schmiegte und in diesen drang willkommen. Es war angenehm ruhig in dem Raum und die Stille wurde nur vor dem Rascheln des Leinen unterbrochen, welche Iulia als Unterlage nutzte, um sich darauf niederzulegen, nachdem sie sie zuvor leicht nach vorne über gebeugt drapiert hatte.

[Liutprand]

Liutprand tat es seine Clanschwester gleich, stieg aus dem Becken und trocknete sich mit den bereitgelegten Leinentüchern. Dann folgte er Iulia in den kleinen Raum.

Er ließ seine Aufmerksamkeit stehts auf ihr gerichtet und er hielt ihrem Blick stehts stand, wenn sie ihm in die Augen sah. Auch als sie von den traumatischen Erlebnissen sprach, als ihr ihre Söhne auf so brutale Weise genommen wurden. Und vielleicht hätte jeder normale Mensch oder sogar mäßig gläubige Christ eine Art von Mitleid, Mitgefühl oder Trauer empfunden und durch irgendeine Form zum Ausdruck gebracht...jedoch nicht von Liutprand. Seine Augen waren so wie immer...aufmerksam, erhaben ... aber kühl. Das war ein Moment, der verriet, dass er sich schon lange und endgültig von soetwas wie Menschlichkeit abgewandt hatte. Ein unmenschliches Monster, das durch die Augen eines charismatischen Königs seine Clanschwester betrachtete, die ihm versuchte auf bemüht charmante Art und Weise seinen Platz unter ihr zu weisen.

Er reagierte zunächst nicht darauf, folgte Iulia in die Hitzekammer und legte sich ebenfalls auf ein von ihm ausgebreitete Leinentuch auf den warmen Stein. Einen Fuß hatte er aufgestellt, das andere Bein hatte er ausgestreckt, die Arme hinter den Kopf verschränkt. Die Hitze war für ihn etwas ungewohnt...war es doch eine Weile her, wo ihm wirklich warm war. Und so genoss er das Gefühl einen Moment stumm fixierte keinen besonderen Punkt an der Decke.

"Verratet mir...werte Schwester, wann hat es sich gewandelt, dass das Alter unter Neugeborenen keine Relevanz mehr hat? Ist doch unter den Jungen die Zeit noch maßgeblich für vieles. Wie reagiert man, wenn man eine ganze Generation der Menschen heranwachsen und sterben sieht? Und was ist bei der zweiten...oder dritten? Was macht es mit dem Verstand...und dem Verhältnis zu den Menschen? Was löst es in jemandem aus, wenn man realisiert, dass man ein Alter erreicht hat, das man sich als Mensch nie hätte träumen lassen?"

Er pausierte kurz, bevor er weiter sprach.

"Unter den Ahnen, die Jahrhunderte in dieser Welt wandeln, da habt Ihr sicher recht...was sind da schon zehn...zwanzig...fünfzig oder gar hundert Jahre mehr oder weniger? Aber unter Neugeborenen? Was macht da ein Unterschied von sagen wir einmal einem halben Jahrhundert, wenn man erst..." Er zögerte einen Augenblick. "...dreiundzwanzig Jahre freigesprochen ist?"

Seine Stimme war ruhig und selbstverständlich...ohne Hast, ohne Biss. Die Entspannung, die Liutprand in dieser wohligen Wärme empfand, war deutlich in ihr zu hören und strafte den recht eindeutigen Inhalt Lügen. Er sah sie nicht an, fixierte weiterhin den wahllosen Punkt an der Decke.

[Iulia Cornelia]

Auch Iulia hatte es ihrem Clansbruder ähnlich getan. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücken und blickte ziellos auf die Decke, als sie bestätigte: „Eine interessante Frage.“ Die Ventrue pausierte für einen Moment, indem sie die heiße Luft in ihre Lungen dringen ließ, bevor sie sie ausatmete und meinte: „Bezüglich dem was es mit einem macht, wenn man eine ganze Generation der Menschen heranwachsen und sterben sieht meine ich. Dem Verhältnis zu den Menschen.“ Entspannt winkelte die Ventrue ihren Arm an und legte ihn unter ihren Kopf, bevor sie meinte: „Ich glaube es ist eine Frage der inneren Einstellung.“

„Aber sagt, weshalb glaubt ihr, dass Alter unter uns Neugeborenen in Genua unter Aurores Herrschaft je von großer Relevanz gewesen wäre?“, erkundigte sich die Harpyie, bevor sie ihm zu verstehen gab: „Zumal ein Neugeborener, nachdem er freigesprochen wurde, die kainitische Gesellschaft gemeiden und sich gut und gerne in irgendeinem nicht beanspruchten Grenzgebiet irgendwo im nirgendwo niedergelassen haben könnte, wo er locker fünfzig, vielleicht sogar hundert Jahre lang, glücklich vor sich hin existierte.“

„Sicher, für uns als Nachfahren Ventrues, ist dies eine eher absonderliche Vorstellung und Entscheidung, die von unseren Alten sicher nicht toleriert werden würde.“, erklärte Iulia, bevor sie mit den Schultern zuckte und meinte: „Doch für andere Clans eher weniger. Sollte man einen solchen Kainiten dann gesellschaftlich höher setzten nur weil er älter wurde als Jemanden, der im Gegensatz dazu vielleicht nur dreißig Jahre als Kainit freigesprochen ist, allerdings unter mehreren Ahnen und Ancillae in einem hochpolitischen Amt, inmitten eines von diversen Fraktionen begehrten strategischen Gebiets bestand?“

Der Kopf der Harpyie wandte sich in Richtung ihres Clansbruders, als sie sich ohne einen Vorwurf in der Stimme erkundigte: „Wer von Beiden genießt wohl mehr Ansehen in der kainitischen Gesellschaft? Und was könnte ein Kainit, der sich stets oder vorwiegend fernab dieser bewegte, darüber schon sagen, wie es wohl sein mag, sich darin zu bewegen? Mit welchem Recht wöllte er sich denn als höherstehend sehen? Und werden, und vor allem bleiben, nicht eben jene Neugeborene irgendwann Ancilla, die eben das gesellschaftliche System verstanden haben und gelernt haben, sich darin bewegen zu können, anstatt Jene, die einfach nur da waren und alt wurden?“

Iulias Kopf lehnte sich in eine entspannte Haltung zurück und ihre blaugrauen Augen gingen erneut in die Leere der hölzernen Decke als sie feststellte: „Außerdem sagte ich nicht, dass das Alter keine Relevanz hat, sondern nur dass es in Genua unter Neugeborenen verschwindend gering ist, im Vergleich zu anderen Aspekten. In anderen Domänen, in denen alle seit ihrem Freispruch in einem harten gesellschaftlichen Wettkampf zueinanderstehen, wie an den Höfen der Liebe, mag das Alter durchaus relevanter sein, aber dort werdet ihr auch schon für die allerkleinsten Fehltritte gesellschaftlich geächtet, während Genua unter Aurore durchaus etwas milder ist. Wäre sie ein anderer Prinz oder dies eine andere Domäne, ihr könnt mir glauben, viele von den Neugeborenen, die ach so viel von sich halten nur weil sie älter sind, wären dort schon längst verblichen, weil sie nie gelernt haben sich zu benehmen.“

[Liutprand]

"Ihr führt ein leicht zu durchschauendes Strohmann-Argument an."

Sagte er unaufgeregt feststellend und lächelte mild.

"Natürlich ist Alter einzeln für sich gesehen kein Alleinstellungsmerkmal für gesellschaftlichen Status und das habe ich auch nicht behauptet. Ihr habt es mir mit Eurem Strohmann-Argument in den Mund gelegt um es richtiger Weise zu widerlegen und so zu tun, als wäre damit mein ursprüngliches Argument ebenfalls widerlegt."

Er machte eine Pause.

"Mein Argument ist, dass Alter einen Einfluss auf gesellschaftlichen Status hat. Ebenso wie der Clan, die Blutlinie, ob man ein Amt inne hat, gesellschaftliches Betragen und das Verständnis der gesellschaftlichen Systems. Alter bedeutet Erfahrung, mehr Zeit, um seine persönliche Macht auszubauen, seine Machtbasis zu erweitern. Hohes Alter bedeutet die Fähigkeit zu überleben...sei es in der Wildnis, was entgegen Eurer Annahme alles andere als trivial ist...oder in einer Stadt wie Genua."

Er drehte den Kopf in Ihre Richtung, betrachtete das fahle licht der einzelnen Laterne auf ihren hübschen Wangenknochen.

"Ich vermute Ihr messt dem Alter nur einen verschwindend geringen Wert bei...weil ihr selbst noch so jung seid?"

[Iulia Cornelia]

„Nein.“, erklärte die Ventrue leise hell und vergnügt auflachend, während sich ihr außergewöhnlich hübsches Gesicht zu einem amüsierten Lächeln verzogen hatte, als ihre blaugrauen Augen aus den Augenwinkeln heraus sanft in Liutprands Richtung gingen und sie ihm mit einem Schmunzeln zu verstehen gab: „Sondern weil ich die Harpyie dieser Domäne bin, und ich mich herausragend mit der Etikette auskenne, wurde ich schließlich nicht ohne Grund hierin mehrere Jahrzehnte im Gegensatz zu so vielen anderen ausgebildet und erzogen.“

Noch einen Moment verblieben ihre blaugrauen Augen auf ihm, bevor sie sie erneut in Richtung Decke wandern ließ und sprach: „Ihr vergesst im Übrigen bei eurer Aufzählung, die Abstammung, sowie die vollständige Kenntnis über diese.“ Kurz wanderte ihr Blick zu ihm, als sie milde ergänzte: „Nicht, dass ich euch vorwerfen wollte, dass ihr diesen Punkt ganz bewusst unten durchfallen lassen würdet, wie auch den Status des eigenen Erzeugers.“ Iulia betrachtete den Ventrue für einen Moment im fahlen Licht, bevor ihr Blick wieder zielloser und nach oben gerichtet wurde, als sie hinzufügte: „Oder auch wer der Prinz einer Domäne ist.“

Die Harpyie winkelte entspannt ihr Bein an und legte ihren anderen Arm ebenso unter ihren Kopf, während die blaugrauen Augen der Ventrue unbewegt, fast starr auf der Decke verweilten. „Da ihr gerade von Macht sprecht. Wie geht es eigentlich Alains einstigen Männern?“, erkundigte sich die Harpyie rhetorisch bei ihrem Clansbruder über die übriggebliebenen Reste des Tzimiscen, dem sämtliche Macht mit nur einem einzelnen Wimpernschlag genommen worden war.

[Liutprand]

Sein Lächeln wurde ein wenig breiter, als er seinen Blick wieder gen Decke richtete.

"Oh ich kenne meine vollständige Abstammung..."

Der Ton hatte etwas wissendes und überlegenes in sich, doch beließ er es erst einmal dabei.

"Ah Alains Männer...nun sie sind gewinnbringend eingesetzt worden. Die beiden Hauptmänner allerdings...nun ja. Alain hatte offenbar keine hohen Ansprüche an seine Blutsdiener. Die Prüfung um den erhöhten Ansprüchen für die Gabe meines Blutes hat einer von ihnen nicht...bestanden"

So wie er es aussprach war eindeutig, was dieses 'nicht bestanden' letztlich für eine furchtbare Konsequenz hatte. Ihm schien es allerdings keineswegs leid zu tun.

[Iulia Cornelia]

„Nun, wenn dem so ist…“, entgegnete die Harpyie auf Liutprands Aussage hin hörbar entspannt und scheinbar abwartend, während sie dabei die angenehme Wärme des Raumes genoss, die ihren kalten toten Körper umschlang wie ein sanftes seidenes Tuch und diesen auch von innen ausfüllte, wann immer sie sprach.

„Bedauerlich.“, entgegnete die Ventrue dann ruhig auf das Nichtbestehen der erhöhten Ansprüche ihres Clansbruders hin, noch einen Augenblick die stille Wärme genießend, bevor sie sich langsam aufrichtete, durchstreckte und ihren Kopf sanft hin und her wog, als sie philosophisch meinte: „Ich frage mich, was er wohl in ihm gesehen hat.“

„Wie dem auch sei.“, ergänzte Iulia nur einen Moment später, als sie sich ohne jedwede Hast erhob und an Liutprand gerichtet sprach: „Ich werde mich abkühlen und danach ins warme Becken legen. So ihr möchtet, verweilt gerne noch einen Moment und genießt die Wärme.“