[1064] Im Auge des Betrachters [Gabriel, Giada]

[Giada Salvaza Rossi]

“Dann will ich hoffen, dass meine Antwort Euch gut genug sein konnte”, meinte Giada in der ihr eigenen, ernsten und vielleicht auch etwas steifen Art. “Und wenn Euer Anliegen ehrbar genug ist, dann gibt es gewiss den Weg, es vorzubringen, um zu prüfen, ob man Euch nicht doch dort dulden würde.”

So oder so, sie schien ihm diesen Wortwechsel nicht übel zu nehmen und wirkte auch sonst nicht erzürnt oder so als würde sie an seinem Betragen zweifeln.
“Ich will annehmen, dass Ihr Euch hier gut zurechtfinden könnt? Eine jede neue Stadt und Domäne, die man kennen lernt, hat ihre Eigenheiten. Mir schien es immer so als beträte ich eine Art eigener Welt mit einem eigenen Wetter aus örtlichen Stürmen oder geneigten Winden. Es braucht gewiss ein wenig Zeit und Mühe, sich auf derlei einzustellen?”

Offenbar bestand sie nicht auf dem einen oder dem anderen Thema. Dies war ein Brückenschlag zu einem Wechsel, wenn er es denn wünschte.

[Gabriel Ducas]

Er nickte, offenbar dankbar für die Möglichkeit das Thema wechseln zu können und sie durch einen solchen Wechsel, scheinbar, nicht zu verärgern. „Eure Antworten waren sehr erhellend und werfen ein anderes Licht auf einen höchst komplexen Sachverhalt. Ich hoffe sehr dereinst die Schönheit Mailands erblicken zu können und vielleicht mag es mir, dank eurer Einsichten gar gelingen.“ Seine Stimmung hob sich etwas als sie den Themenwechsel initiierte und er stieg freundlich darauf ein und lächelte wieder.

„Fürwahr ist jede neue Stadt ein eigenes kleines Reich. Sowohl mit eigenem Wetter aber auch eigenen Bergen und Tälern und teilweise tiefen Wäldern.“ ergänzte er die blumigen Worte der Magistra. „Habt Dank für die Frage. Ich versuche bislang die Stürme zu meiden und mir geneigte Winde zu finden, um mich zurecht zu finden. So mir die Frage gestattet sei, seit wann weilt ihr in der Domäne?“

[Giada Salvaza Rossi]

“Norditalien - die Lombardei - ist seit wohl einhundertfünfzig Jahren meine Heimat. Direkt nach Genua, hierher, kam ich vor einem Jahrzehnt. Das war schon nach jenen blutigen Fünf Nächten und dem Aschenen Pakt und auch nach dem Tophet.”

Sie runzelte die Stirn ein wenig. “Ich gehe immer davon aus, dass diese Dinge bereits jedem hier geläufig sind. Doch Ihr habt jetzt durchblicken lassen, dass Eure Interessen anderswo liegen - auch wenn solche Ereignisse in einer Domäne wohl tiefgreifend sind und alle Bereiche unserer Gesellschaft hier betreffen. Habt Ihr Euch mit Genuas jüngerer Vergangenheit bereits befasst?”

[Gabriel Ducas]

Er nickte und bestätigte, sich mit der jüngeren Vergangenheit etwas beschäftigt zu haben. „Ich hörte bereits vom Aschenen Pakt von San Donato und dem Tophet. Jedoch keine großen Details. Es sind nur hier und da ein paar flüchtige Sätze von anderen. Habt ihr bereits mehr darüber erfahren dürfen? Die Erlebnisse scheinen ja einschneidender Natur gewesen zu sein.“ er zeigte sanft mit dem Finger auf sich und die Magistra „Wir beide haben nicht einmal teilgenommen, dennoch sind die Themen allgegenwärtig.“

Gabriel zuckte mit den Schultern. „Aber mehr als die Namen dieser beiden Ereignisse und einige Bruchstücke an Informationen kann ich nicht bieten. Obwohl mich das Gefühl beschleicht ich müsste mich mehr mit den Ereignissen beschäftigen um,“ er lächelte sie freundlich an „wie ihr so treffend formuliert habt. Nicht in einen örtlichen Sturm zu geraten. Jedoch bin ich der Einzige meines Blutes in Genua, so dass ich leider keines meiner Clansgeschwister fragen kann“ erneut zuckten seine Schulter „Ich werde wohl selbst den Staub der Vergangenheit, vorsichtig abklopfen müssen, um aus diesen Ereignissen meine eigenen Lehren zu ziehen. Wie steht es um euch? Hattet ihr die Gelegenheit mit dem verehrten Hüter dieses wunderschönen Elysiums oder gar dem Seneschall über diese Ereignisse sprechen zu können?“

[Giada Salvaza Rossi]

“Der Einzige, sagt Ihr?” Giada runzelte die Stirn. “Ich sprach vor nicht allzu langer Zeit mit einem anderen aus dem Clan der Gelehrten. Wahrscheinlich zog er allzu schnell weiter? Wenn es so sei, so bedauere ich dies. Er war ein gelehrter Mann und ich genoss den Austausch.” Sie dachte wohl darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf und wischte die Gedanken mit einer knappen Geste fort.
“Es war auch die Rede von der verehrten …Charda, einer Ancilla Eures Blutes, die auf der Fährte eines wohl Blutgejagten aus der Vergangenheit Genuas ist? Ich habe über all dies bislang selbst noch nichts allzu Klares gehört, doch sicherlich könnt Ihr dem einfach nachspüren. Ich wäre Euch verbunden, wenn Ihr dann Eurerseits mir Klarheit über diese Gegebenheiten verschaffen könntet, wenn Ihr sie erlangt.”

Giada straffte sich. “Was meine Gespräche zu dem verehrten Ilario Contarini oder gar dem hoch verehrten Lydiadas angeht, so rate ich Euch dringend, Eure Neugier zu zügeln. Fragen wie diesen können leicht äußerst unbedarft wirken und Euch mitten in eben jenen Sturm hinaustreiben, welchen Ihr doch zu meiden versucht."

"Gewiss seid Ihr jedoch fernab solcher völligen Unbedarftheit. Stattdessen ist Euch bewusst, dass es politische Notwendigkeiten, Gegebenheiten und Bestrebungen gibt, welche mitunter die bloße Zugehörigkeit zu einem Clan …überschatten.” Das letzte klang staubtrocken. Mit Nichts konnte man Giada ansehen, dass darin in irgendeiner Weise Humor gelegen hatte.

[Gabriel Ducas]

„Oh bitte verzeiht meine Neugier. Ich selbst hatte leider noch nicht die Möglichkeit mit anderen eures Blutes in Genua zu sprechen. Der verehrte Hüter ist mir, bis auf seinen Namen und sein Amt gänzlich unbekannt und der sehr verehrte Seneschall verließ Catania vor einiger Zeit, so dass sich auch da keine Möglichkeit geboten hätte. Ich schloss von meinem Blut auf andere und wollte euch hierbei nicht zu Nahe treten.“ Er hob entschuldigend die Hände und bat aufrichtig um Verzeihung sollte er die Magistra beleidigt haben.

Bei der Erwähnung des Gesprächs mit einem anderen aus dem Clan der Gelehrten wurde Gabriel jedoch etwas hellhörig. Ein Clansbruder? Vor nicht allzu langer Zeit? er runzelte fragend die Stirn bevor er antwortete. „Nun über die Gegenwart der verehrten Charda bin ich tatsächlich informiert. Allerdings dachte ich eher an Mitglieder der Domäne, meines Wissens ist die verehrte Ancilla nur Gast in Genua. Unglücklicherweise hatten wir noch nicht das Vergnügen eines Gesprächs. Doch sagt, von welchem Clansbruder sprecht ihr?“ Im Kopf ging er die Mitglieder seines Clans durch, von denen er wusste, dass diese in Genua verweilt hatten. Zwar verlief die Zeit für die meisten Kainiten etwas anders, dennoch war vor kurzer Zeit sicher nicht vor einem Menschenleben. Oder etwa doch?

[Giada Salvaza Rossi]

“Er wird wohl weiter gezogen sein”, bemerkte Giada unwirsch. “Ein Neugeborener unter den Gelehrten.” Sie wischte die Sache mit einer knappen Geste beiseite.

“Könnt Ihr mir mehr über die verehrte Charda sagen? Weshalb ist sie es, die sich auf die Fährte dieser Blutjagd gesetzt hat? Woher stammt sie? Wird sie weiter ziehen, wenn sie fest gestellt hat, dass Ihr Ziel nicht in dieser Domäne weilt?”

[Gabriel Ducas]

Etwas enttäuscht nickte Gabriel verstehend da auch dieser Clansbruder offenbar nicht mehr in Genua verweilte. Seine Augen sahen kurz zur Decke und man mochte wohl das fragende Warum? in seinem Blick erkennen. Was ist es? Warum verblieb niemand hier? Warum verschwanden sie? Zogen weiter? Wurden vernichtet? Langsam richtete er seinen Blick wieder auf seine Gesprächspartnerin und sagte knapp. „Nun das ist bedauerlich.“ es hatte einen ähnlich abschließenden Charakter wie die Worte der Magistra.

„Was die ehrenwerte Charda angeht…mmmhh…“ Gabriel schien einen Moment zu überlegen und seine Gegenüber zu mustern. Er war sich bewusst, dass die gestellten Fragen ihn just in den politischen Sumpf ziehen konnten, von dem er sagte, er wolle ihn meiden. Ihren Fragen nach schien sie nicht viel mehr als den Namen der Ancilla zu kennen. Langsam und kaum merklich hatte der Brujah ein wenig auf seiner Unterlippe gekaut, um schließlich unvermittelt den Blick zu heben und ihr in die Augen zu schauen. Er straffte den Körper etwas und man konnte den Eindruck gewinnen, der philosophierende Handwerker wich einem angesehenen Kaufmann. “Sagt, ihr seid offenkundig hoch gebildet. Was denkt ihr, könnte den Ruf Genuas als Hort von Kultur und Wissen stärken?“ Ein abrupter Wechsel, der zwar andeutete, dass der Brujah etwas erzählen konnte allerdings erst einmal völlig andere Dinge besprechen wollte. Seine Worte hatten etwas Lockendes und vermochten wohl anzudeuten, dass Gabriel scheinbar doch nicht völlig unbedarft war, wenn es um die Politik ging. Zumindest wusste er wohl das Informationen immer auch einen Preis hatten.

[Giada Salvaza Rossi]

“Da bleibt zuerst die Frage zurück: Den Ruf in welchen Reihen? Denen des Tages? Denen der Nacht?”
Giada hob das Kinn ein wenig an. “Bei Tage ist die Antwort einfach und folgt den Sitten dieser Länder: Die Kirche muss erstarken, die Schriftenhallen der Klöster und der Kirchen müssen sich füllen und die gute Lehre muss ihren Eingang in das Leben finden. Wissen kann greifbare Anwendung entfalten, im Ausbau von Handel, von Kultur und den Künsten, in der Schifffahrt und in den Bauwerken. Dieses Zeitalter ist eine Ödnis im Vergleich zu dem Glanz von einst.”

“Für die Nacht ist die Antwort wohl noch vielfältiger: Genua ist innerhalb der einhundert Jahre der Regentschaft der Weißen Prinzessin aufgeblüht. Es liegt an der Küste eines wahrhaftig bewegten Meeres. Es ist nicht eben als größte Städte der Gelehrtheit bekannt, doch die Möglichkeiten sind bereits hier. Die Hofgelehrten tragen diesen Titel gewiss nicht ohne Grund und auch abseits ihrer Reihen gibt es mehr als einen Kainiten, der sein Dasein der Forschung und Ergründung der Mysterien unserer Existenz verschrieb. Doch diese vielfältigen, gewiss auch oft widerstreitenden Bestrebungen müssten einen Rahmen erhalten, in welchem sie miteinander für das Größere Ganze wirken. Es könnte einen gemeinsamen Saatboden geben, so dass die Früchte der Gelehrsamkeit auch geachtet und gewürdigt werden.”

Sie sah Gabriel mit einer gewissen Skepsis an. “All diese Dinge jedoch sind so groß, dass sie schwerlich das Werk von nur einem Paar Händen sind. Und letztlich ist es das Wort, der Wille und die Vision des Prinzen der Domäne, das Gesicht und den Weg eben derselben zu bestimmen. Geht Eure Frage vielleicht gar in diese Richtung? Hat einer der Herolde Euch mit einer Aufgabe in dieser Richtung betraut?”

[Gabriel Ducas]

Aufmerksam lauschte Gabriel der Magistra. Ihre eingehende Frage beantwortete er nickend sowohl für den Tag als auch die Nacht. Ihm schien offenbar sehr daran gelegen keine der Gesellschaften zu bevorzugen. Ihren Worten bezüglich der Gesellschaft am Tage schien er in vollem Umfang zuzustimmen, auch wenn sie ihn nachdenklich stimmen mochten. Lediglich bei der Schilderung Genuas schien er etwas irritiert bezüglich einiger Aussagen zu sein, ließ dies jedoch unkommentiert als er ihr schließlich nach einem kurzen bedächtigen Schweigen antwortete.

„Das Gedeihen Genuas zu fördern sollte uns allen am Herzen liegen. Ist eine blühende Domäne doch nicht nur eine Vision, sondern auch in Wort und Willen des sehr verehrten Prinzen zu sehen und auch in unserem ureigenen Interesse sollte eine lebendige Stadt wohl sein. Sollte es daher nicht unser aller Aufgabe sein?“ er ließ nach dieser rhetorischen Frage nur eine kurze Pause, ehe er erneut ansetzte, „Wie steht es um die Vielfalt? Meint ihr unsere und die Unterschiede der Sethskinder befruchten das kulturelle Erblühen einer Stadt?“