[1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

[Januar '22]
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Dies brach alte Wunden auf und schloss sie zugleich wieder. Wäre jetzt, in diesem Augenblick, jemand gekommen, um das Mädchen - ihr Kind? - in Giadas Armen zu bedrohen, so hätte sie das Mädchen um jeden Preis verteidigt. Von jedem Monster wäre wohl kaum mehr geblieben als Asche und dunkle Erinnerung.

In diesen Momenten schwor sie sich, schwor sich bei Gott und ihrer unsterblichen Seele, das dem Kind nichts zustoßen dürfte, dass ihrem Kind nichts geschehen könnte, um keinen Preis in der Welt.

Und so hielt sie Angelique sicher und sorgsam, mit aller Hingabe und Liebe wie wohl nur eine Mutter es kann. Sie wagte nicht, zu weinen, obwohl ihr vor Glück danach zumute war. Doch jede Träne hätte ihre liebe Tochter nur verängstigt. Nein, sie würde stark sein, sicher und fest und nichts sollte dem Kind in ihren Armen geschehen.
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Angelique
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

Angelique war mit ganz anderen Absichten hergekommen und sah sich nun plötzlich von Gefühlen übermannt, die sie seit vielen Jahren, vielen Jahrzehnten inzwischen, nicht mehr gefühlt hatte.

Seit Seinfreda nicht mehr war und sie jede Spur von ihrer eigenen Erzeugerin verloren hatte, war sie allein in der Nacht und ohne mütterlichen Beistand gewesen.

Wie sehr ihr das gefehlt hatte, wie sehr sie immer mehr in die Rolle einer Erwachsenen gedrängt worden war und dabei immer zynischer und misonekrotischer wurde, das wurde ihr erst jetzt richtig bewusst.

Die kleine Malkavianerin kehrte in diesem Moment in den Urzustand, der Urwahnsinn, zurück, den ihr vor anderthalb Jahrhunderten ihre grausame Erschafferin geschenkt hatte. Sie wurde wieder zu einem Kind.

Angelique war glücklich in diesem langen Moment und blutige Tränen der Freude kullerten über ihre Wangen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die Lasombra verharrte, zwiegespalten und verfangen zwischen halb vergessenen, lange begrabenen Erinnerungen und dem verwirrenden Augenblick. Er schien ihr langgezogen und ewig wie etwas, das sich auf immer in die Erinnerung einbrennen musste. Und vielleicht vergingen so auch Stunden, in denen sie das Mädchen in ihren Armen hielt und vielleicht mit dem Saum ihres Ärmels oder einem Tuch die Tränen zu trocknen versuchte.

Der Geruch von totem Blut und bitteren Tränen hing in der Luft, doch dies war nichts, das ihren Hunger weckte. Stattdessen kratzte er an einer alten, tiefen Wut und dem Drang, das Mädchen zu beschützen. Doch die Wut hatte kein Ziel und niemand bedrohte das Kind in ihren Armen.

Und so sprach sie tröstend ein paar Worte, die auch ihre eigene Mutter im Blute einst für sie gesprochen hatte, als Trost und Ruhe:
“Oh heiliger Quiricus und Herrin Julitta,
Seht doch in Güte auf uns herab
In dieser Nacht und allen kommenden.
Gebt Euren Segen und Schutz
Für alle Kinder und gegen all jene
Die ihnen Übles wollen.”

Es waren einfache Worte, in einfachem, von der Zeit glattgeschliffenem Latein, so wie es von Predigern und Mönchen in den Kirchen gesprochen wurde. Doch die Worte hatten eigenen eigenartigen Sog, eine Art von Rhythmus oder Formelhaftigkeit, die im Gedächtnis blieb und die eine ganz eigene Macht hatte.
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Angelique
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Angelique »

Angelique antwortete nicht darauf, sondern blieb weiter geborgen in den Armen der scheinbar Älteren. Das Bittgebet war ihr wohlbekannt und die Tragik der Heiligen und ihres Kindes auch, hatte doch Heilige Amâtre die Reliquien der beiden nach Burgund gebracht und die kleine Malkavianerin hatte sich so weit sie es nur vermochte gerade diesen Artefakten auf ihren Pilgerreisen zu nähern versucht.

Und ja, es mochte Stunden dauern und sie den Sonnenaufgang vergessen lassen, aber das war ihr egal.
Sie lebte im Moment und war glücklich. Es gab nur den Augenblick, keine schmerzliche Vergangenheit, keine verhängnisbehaftete Zukunft.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Dann war es die Sonne, die dieses Zusammensein beendete. Sie brachte bleischwere Gedanken, nahm den toten Körpern beider Kainiten den Anschein von Leben, ließ beide in sich versinken. Schlaf und Tod waren und sind einander Bruder und Schwester - und beide können Frieden bringen.

Und so blieb es an der Dienerschaft der Magistra, damit zurecht zu kommen. Beide, die Herrin und ihr Gast, wurden aufgebahrt und in dunkle Zimmer verbracht. Das Haus war für gewöhnlich nicht das Obdach für die Herrin, doch es gab Vorkehrungen für Fälle wie diesen.
Geflüster und Gerede derjenigen aus der Dienerschaft, die mit so einem Vorfall nicht zurecht kamen, wurde zum Schweigen gebracht, alle bekamen zu tun. Es gab für das gewöhnliche Tagwerk genug zu schaffen und lose Mundwerke wurden in diesem Hause ohnehin nicht geduldet.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1065] Woher und wohin [Angelique, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »


Angelique und Giada treffen sich einmal mehr für die Lehren Angeliques in den Sieben Künsten und der arabischen Sprache. Doch dieses Mal gleitet die gelehrte Debatte ab: Es geht um dunklere Geheimnisse, die wohl zwischen den beiden Kainitinnen hängen. Doch vielleicht gerade deswegen finde beide auf eine ungewöhnliche und unerwartete Weise zueinander - sogar so weit, dass sie vom Sonnenaufgang überrascht und von Giadas Dienerschaft zur Tagruhe gebettet werden müssen.
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