[1070] Einen Sprung vorbereiten [Nubis, Angelique]

[Nubis]

"Sehr beruhigend..." Nubis war wohl nicht so zu Scherzen aufgelegt, nicht unbedingt nun bei diesem Thema. So klang dies eher weniger begeistert und etwas brummig.

Doch danach folgte ein dankendes Nicken.

"Doch noch etwas anderes. Ich denke, ihr seid gelehrter, als so manch anderer hier in der Stadt. Nicht nur aufgrund eures Talentes, eurer Fähigkeit. Wie ihr sicher wisst, ist Alains Palast in meinem Besitz und ich konnte diesem um- und ausbauen. Insbesondere soll dort das Kunsthandwerk, aber eben auch die Inspiration durch Theologie und Philosophie gefördert werden. Könntet ihr euch vorstellen, dort einmal selbst tätig zu werden? Für interessierte Kainiten natürlich. Oder könntet ihr euch dort Möglichkeiten ausmalen, die interessant für unsere Gesellschaft wären und die auch die Fahrt oder die Anreise dorthin wertiger erscheinen lassen? Es ist ja doch recht weit ausserhalb der Stadt, doch dies bietet auch gewisse Vorteile. Es ist mehr möglich, als bei Veranstaltungen innerhalb Genuas Mauern, mit Augen und Ohren überall drumherum. Die Abgeschiedenheit kann Gold wert sein."

[Angelique]

Angelique war wie elektrisiert.

"Ja, ja und nochmals ja!", rief sie begeistert aus. "Genau so etwas habe ich gesucht! Diesen Ort des Lasters in einen Ort der Musen zu verwandeln, wäre zudem eine späte Rache an Alain, der mir dort - zumindest kurzfristig - meine Unschuld mit seiner Hexerei geraubt hatte."

Ihr niedliches Gesicht bekam einen Anflug füchsischer Schläue bei diesen Worten. Auch Angelique war dem ach so menschlichen Gefühl der Rache nicht entwachsen.
Dann wurde sie wieder sachlich, wenn auch immer noch sehr begeistert.

"Ich kann ein wenig von allen der sieben Künsten, sagt man, und auch manches, was seit den Tagen Konstantins nicht mehr gern gesehen ist."

[Nubis]

Nubis starrte sie sprachlos an. Die Stirn zog lediglich ein paar feine Falten.

Eine Weile danach eine Art Blinzeln, als hole er sich selbst aus einer Trance oder schüttele sich wach, aus Gedanken ....

"Eure Unschuld? Nun ... ja... wenn ihr das so sehen wollt, gern geschehen. Der Ort hat sich sehr gewandelt."
Wieder ein kurzer Gedanke, der durch den Geist sprang, dann war er wieder bei ihr.

"Ich denke eher, es geht hier vor allem darum, was ihr darbieten wollt. Der Palast ist lediglich die Plattform und bietet zudem Unterkunftsmöglichkeiten. Es geht nur zu bestimmten Zeiten, wenn in der Schule eine Pause stattfindet, um bei der Familie zu sein oder neue Lehrer anreisen und wechseln. Einmal im Jahr wurde dies eingerichtet, zur Erntezeit, da auch Bauernsöhne dort die Möglichkeit haben, etwas zu lernen und auf dem Hof zur Ernte kräftig helfen müssen."

[Angelique]

"Bauernsöhne?", fragte sie verblüfft. "Ihr seid wie meine Sire, die mit mir beweisen wollte, dass selbst ein kleines Mädchen so gut die sieben Künste erlernen könnte wie jeder gelehrte Mann.

Seid vorsichtig! Dem Klerus und dem Adel wird das nicht gefallen. Ganz und gar nicht gefallen.

Es würde die GOtt gegebene Ordnung der Stände gefährden. Wenn jeder Bauer die Bibel lesen könnte, wofür bräuchte man dann noch den Klerus?
Wenn jeder Bauer lernen könnte, etwas anderes zu werden und wie die Welt funktioniert, womit wäre dann noch der Adel legitimiert?

Was käme als Nächstes? Republik? Demokratie gar? Humanismus vielleicht, der nicht mehr GOtt selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern den Menschen?
Heidnische Gedanken aus alter Zeit. Vor den Barbarenhäuptlingen, die sich heute Kaiser und Grafen nennen."

Ihr schiefes Lächeln und die durchdringenden Augen verrieten, dass diese Warnung keine Warnung war, sondern eine Ermutigung, genau das zu tun.

"Wofür braucht Ihr mich denn? Ich kann vieles, wenn auch nichts richtig. Ich bin nur ein kleines Mädchen. Ich würde aber gerne Eure Vision unterstützen. Sie ist so lebendig und Ihr erinnert mich an eine alte Freundin von mir, die Kappadokierin war."

[Nubis]

"Keine Sorge, diese wird nicht gefährdet. Es werden lediglich sehr begabte Bauern gefördert, auf dass sie ein Handwerk erlernen können. Lesen und Schreiben ist dabei durchaus auch im Lehrinhalt gegeben, doch nicht mit solch hohen Ansprüchen, wie im Kloster oder unter so manch gebildetem Adligen. Die Schule ist vor allem für hohe Familien oder für Handwerker, die ihren Horizont erweitern möchten."

Er schmunzelte sanft.

"Nun... mhh ich bezweifle, dass ihr NUR ein Mädchen seid. Ihr seid älter also viele andere hier in der Domäne und entsprechend besitzt ihr sicher auch vieles an Wissen und viele Talente. Was würdet ihr beispielsweise von einem philosophischen Wettstreit halten? Eine Diskussion zu einem bestimmten Thema zum Beispiel. Für Adamo Manacres Theater hatte ich den Einfall, einen Gedichtwettbewerb oder in der Art zu schaffen. Auch einfache Vorträge, ohne den Wettbewerbsgedanken, sind natürlich interessant."

Er setzte ab und überlegte.
"Welche Kappadozianerin meint ihr? Nicht etwas meine dahingeschiedene Blutschwester Seinfrieda? Wie würdet ihr die Vision denn unterstützen wollen?"

[Angelique]

"Doch genau die meinte ich. Ich war sehr befreundet mit ihr und ich war nicht da, als sie das ultimative Ziel Eurer Blutlinie erreichte.
Ich hoffe, sie wartet mit meinem liebsten Roger auf der anderen Seite auf mich."

Melancholie ergriff sie kurz, dann war sie aber wieder das fröhliche Kind.
"Ein Wettstreit dieser Art wäre schön. Aber ich bin keine gute Reimeschmiedin. Ich kann zwar vieles sehr gut rezitieren - das Talent vieler, die erst spät vom Analphabeten zum Schriftkundigen wurden - bin aber recht einfallslos, wenn ich etwas selber ersinnen soll.

Die Vision könnte ich mit Geld oder einem Buch unterstützen. Oder mit Unterricht. Ich bin eine erfahrene Lehrerin, die selbst Unsterblichen noch Dinge beibrachte. Selbst dem Vorbesitzer der Villa brachte ich Latein bei."

[Nubis]

"Das ultimative Ziel unserer Blutlinie ist es nicht, Asche zu werden!", korrigierte Nubis Angelique.
"Besser ist es, in dieser Existenz hinüber treten zu können. Die Geheimnisse nach dem Tode zu ergründen, ohne selbst den endgültigen Tod zu finden."

Er schien für einen Moment eine Gedanken festzuhalten, sprach ihn dann aber nicht aus.
"Ihr könntet zum Wettbewerb auch etwas pasdendes Vortragen, was einst wer anderes verfasste. Es durch euren Ausdruck zu etwas Besonderem machen oder schlichtweg andere an dieser Weisheit oder dem Stück Teil haben lassen.

Die Vision... ich weiss gute Büchher zu schätzen, vor allem mit lehrreichem Inhalt und kunstvoller Machart. Auch Unterricht wäre interessant, doch beherrsche ich selbst viele Sprachen in Wort und Schrift und lehre diese auch. Wem brachtet ihr Latein bei? Genua besitzt nicht wenig Villen."

Er schmunzelte leicht.

"Ich suche in einem bestimmten Bereich einen Lehrmeister, doch wahrscheinlich könnt ihr mir dabei auch nicht weiter helfen? Oder doch? Es betrifft allerdings nicht die Kenntnisse, die auch ein Mensch erlangen könnte oder sollte, sondern Kennnisse unserer Art."

[Angelique]

Angelique war sehr interessiert. Eigentlich war sie sogar sehr aufgeregt. Alles andere war vergessen.
"Ihr könnt auf die andere Seite? Könnt Ihr mit den Geistern der Toten reden? Ist Nigromantia die Quelle Eurer Weissagungen? Das ist die einzige Orakelkunst, die ich nicht wage, zu praktizieren.

Aber wenn Ihr das beherrscht, gäbe es sooo viele, mit denen ich Kontakt aufnehmen wollen würde.
Ich glaube nicht an die Doktrin der Kirche, dass alle Geister verkleidete Dämonen sind, die uns narren wollen.
Ich bin ziemlich sicher, dass Verstorbene in der Nähe der Lebenden - oder Vampire - verweilen können.

Manche, die ich sprechen möchte, sind sehr gewaltsam gestorben. Mein Liebster Roger oder mein kleiner Alerio.
Können wir selbst eigentlich nach dem finalen Tod selber zu Geistern werden?
Wie kann man auf die andere Seite? Astralreise? Tore? Blutmagie?"

[Nubis]

Nubis war von dem plötzlichen Enthusiasmus des kleinen Orakels etwas überrascht. Er blinzelte tatsächlich mit seinen Augen, die in den tiefen Augenhöhlen verborgen lagen und es wirkte wie kleine Funken, die kurz erloschen und dann wieder aufglommen.

"Noch bin ich nicht ganz so weit, doch ich beschäftige mich damit und ja, ich denke, dass auch meine Visionen ihre Kraft daraus ziehen. Auch ein Grund, warum sie sich stets mit den Ereignissen um Tod und Zerstörung drehen und weniger um diese, welche die Glorie des Lebens darstellen."

Er setzte kurz ab, schien nachzudenken. Dann breitete sich seine raue Stimme wieder mit ihrem wohltuenden Klang im Raum aus, ein tiefes, mystisch klingendes Flüstern, welches gerade voll Geheimnisse sprach.

"Ich beschäftige mich mit den Seelen der Menschen und jener, die dem Tode nahe sind. Was mit ihnen geschieht, wohin sie gehen und wenn sie bleiben, was sie hier hält. Geister sind keine Dämonen. Geister sind Seelen der Menschen, die an unsere Welt in einer bestimmten Form gebunden sind.
Ob wir selbst zu Geistern werden können, ist eine gute Frage, doch ich denke, dass es nicht völlig unmöglich sein wird. Denn auch wir besitzen noch immer einen Teil, den wir als Seele definieren können oder würden. Dies natürlich gänzlich zu wissen, wird noch Jahrhunderte der Forschung und Beobachtung benötigen."

Er setzte noch einmal ab, blieb einfach kurz still, regte sich nicht.
"Eure Vertrauten sind wahrlich nicht gut behandelt worden. Selbst euer Verbleib war lange unklar gewesen. Ich glaube nicht, dass ihr einfach mit ihnen Kontakt aufnehmen könnt, genauso wenig, wie es für mich einfach ist. Im Moment kann ich den Tod einer Person genauer ergründen, indem der Tote mit mir spricht. Doch für Weiteres muss ich selbst noch viel lernen und ergründen. Aber es ist ein Ziel...eine Bestimmung in meinem Blute."

[Angelique]

Die Kleine sprang auf und lief lachend umher wie ein kleines Kind, das sie ja scheinbar war.
"Ja, ja, JAAAA! Ich wusste es! All die Bücher, das scholastische Studieren, die vagen Andeutungen von Benedetto und Seinfreda! Es ist wahr und beglaubigt von einem Kappadokier selber!"

Sie sprühte vor Leben und Elan.
"Kann man diese Kräfte lernen? Euch helfen, bei Euren Exerzitien? Boah, ich will sehen, wie Ihr mit einem Toten redet...."

Sie verstummte und wurde nachdenklich. "Hatte Seinfreda damals etwa genau das getan?", fragte sie sich entsetzt selbst, "Musste sie deshalb sterben? Hatte sie zu viel herausgefunden? Den Mörder Rpgers, der mich mit Pflöcken im Herzen in der Kloake versenkt hatte?"

Ernst fragte sie: "Wisst Ihr, wer sie umgebracht hat damals? Euere Familia muss doch damals mit diesen Methoden geforscht haben."