[1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

[Juni '22]
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Genotin
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[1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Genotin »

Nach der Unterbrechung durch die Gastgeberin wendete sich Genotin wieder Giada zu. Mit einem krächzenden Husten begann er zu sprechen.

"Bitte entschuldigt ..."

Sein Kiefer zuckte etwas nach vorne, als würde er von seinen Muskeln und Sehen nicht mehr ganz dort gehalten, wo er eigentlich sein sollte.

"Ich möchte mich kurz vorstellen ..."

Das letzte Wort ging in einem ungesundenen Röcheln unter.

"Mein Name ist Génotin Radulf Dalgaard, Neugeborener vom Clan des Todes, Kind von Bazil Tourmente."

Es schien nicht so als würde er erwarten, dass Giada seinen Namen oder den seines Erzeugers kennen sollte. Was er allerdings zu erwarten schien, war eine Entgegnung. Das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer, deshalb sparte er sich die offensichtliche Bitte um eine Vorstellung ihrerseits.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die Magistra überging das Husten, die raue Kehle und das Krächzen in den Worten ihres Gegenübers vollständig. Es sprach wohl für ihre Übung in diesen Dingen, auf dem glatten Grund von Hof und Etikette, dass sie dem keine Beachtung zu schenken schien und dafür umso aufmerksamer wurde, als Génotin seine Vorstellung machte.

Seinen Worten ließ sie ihren Raum - oder vielleicht wartete sie noch darauf, dass er fortfuhr. Letztlich jedoch nickte sie einmal knapp.

“Ich bin erfreut, hier einen Mann des Kriegshandwerks vor mir zu sehen”, stellte sie zunächst fest. Giadas Stimme war dunkel für eine Frau und klang ernst. “So ist Eure Entschuldigung nicht vonnöten.” Damit wischte sie seine Einleitung mit einer harschen Geste beiseite.

“Ich bin Giada Salvaza Rossi, neugeboren in den Clan der Nacht, Tochter im Blute der verehrten Santa Noellina di Milano, Ancilla vom Clan der Nacht und Tochter im Blute des höchst verehrten Totila, des Fürsten von Mailand und Ahnen im Clan der Nacht aus der Linie Boukephos’, Herrn der Lombardei, Gafaúrd des Zirkels der bitteren Erinnerung.”

Auch diesen Worten ließ sie ihren Raum und schwieg einen kurzen Moment. Mit dieser Eröffnung zeigten sich erste, politische Linien und offenkundig war sie an diesen auch interessiert, als sie dann ihrerseits nachfragte:

“Ich kenne den Namen Eures Erzeugers nicht. In den letzten Dekaden waren es jedoch am ehesten Kainiten aus der See der Schatten, die ihren Weg hierher nach Genua fanden. Gilt dies auch für Euch?”
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Genotin
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Genotin »

Genotin senkte sein Haupt und ließ die Worte kurz auf sich wirken. Dann schaute er ihr direkt in die Augen und antwortete:

"Mein Erzeuger, der verehrte Bazil Tourmente, bevorzugt ein Wirken im Stillen. Mich hätte ... überrascht, wenn ihr von ihm gehört hättet."

Sein Blick erfasste kurz einen Punkt etwas hinter ihr und er fuhr fort:

"Wir halfen dem höchst verehrten Prinz Guarin du Tarent, Capua und Tarent von Byzanz zu befreien."

Wieder machte Genotin eine Pause. Es war offensichtlich, dass er jedes Wort mit Bedacht wählte und seine langsame Sprechweise nicht nur von den Problemen mit seiner Stimme herrührten.

"... also ja, das gilt auch für mich."

Erneut legte er den Kopf zustimmend zur Seite.

"Sicher könnt ihr mir etwas über euch und über Genua erzählen?"

Eine die Anwesenden im Pavillon umfassende Geste folgte.

"Gibt es hier auch solche, die der See der Schatten nicht ... gewogen sind?"
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ah.” Ein einzelner Laut, ernst und knapp. Es klang so als schnitte Giada damit diese letzte Nachfrage Genotins bereits in der Wurzel ab.
“Eure Frage ist zweischneidig und scharf”, versetzte sie dann. “Bedenkt, dass Ihr selbst schon sagt, dass Ihr mit Eurer Hände Werk an der Befreiung vom Einfluss von Byzanz teilnahmt. Und ist Byzanz nicht eng verflochten mit dem stolzen Venedig? Sind daher jene, welche aus Venedig stammen, Eure Feinde? Oder Feinde der See der Schatten?”

Dies waren offene Fragen, die keine Antwort von Genotin erforderten. Giada sprach sie ernst und sorgfältig aus, wie eine milde Warnung vor den Fallstricken und Abgründen dieser Art von politischen Landschaft.

“Meine eigene Heimat ist kein Teil der See der Schatten. Doch Genua ist es - und schon seit einer Weile bin ich dankbar für das Gastrecht, das mir hier ausgesprochen wurde.” Die Lasombra hob ihre rechte Augenbraue an und beobachtete ihren Gegenüber prüfend.
“Jene Siege, an denen Ihr Euren Anteil hattet, müssen sich nicht erklären. Sie sprechen für sich und für Euch. Seid Ihr für weitere solche Siege an Norditaliens Küste gekommen? Ein Krieger für die See?”
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Genotin
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Genotin »

Genotins lippenloser Mund und seine Augen zuckten in schelmischer Freude, wie als wäre er stolz darauf, bei etwas Großem und Ungehörigem ertappt worden zu sein. Es war ein völlig anderer Gesichtsausdruck als alles, was er bisher an diesem Abend bewusst oder unbewusst gezeigt hatte.

"Seid bedankt für die freundlichen Worte."

Seine Stimme raschelte, als hätte er einen Korb voller Blätter in der Lunge.

"Siege sind süß und sie zu erringen verschafft mir sicher eine gewisse Freude."

Genotins Blick wanderte durch das Pavillon. Fast entschuldigend senkte er sein Haupt.

"Jedoch benötigt jeder Krieger irgendwann mal eine Pause von der Schlacht. Ich versichere euch, meine Ziele in Genua sind ganz und gar gewöhnlicher Natur. Diese Ziele sind natürlich ebenfalls mit kleinen Siegen verbunden. Auch wenn ich nach wie vor der See der Schatten verbunden bin und das sicher auch bleiben werde, werden diese kleinen Siege meine eigenen sein. Das ist der Lohn für meine Taten im Süden Italiens."

Dann breitete er die Arme aus.

"Ich hege keinen Groll gegen solche, die nicht in der See der Schatten schwimmen. Nur sind die, deren Brüder ich erschlagen habe, oft nachtragend. Es ist ... gut ... diese zu kennen."

Genotin schaute direkt in Giadas Augen, als würde er noch etwas erwarten.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Es sind nicht meine Brüder, welche ihr erschlagen habt”, bemerkte Giada ihrerseits untypisch milde auf solche Worte hin. “Es mag gut sein, dass die Euren und die meinen gemeinsame Feinde haben, die aus dem Norden her über die Alpen drängen.”

“Dies ist für mich einer der Gründe, hier in Genua zu sein. Die meinen, in Mailand, mussten lange schon gegen diesen Feind aus dem Norden kämpfen. Doch mittlerweile steht er wohl auch an den Grenzen der Länder und Domänen, die zur See der Schatten gehören.” Sie war eine Frau und daher wohl kaum jemand, die zumindest im Leben im Kriegshandwerk geschult worden war. Doch so wie sie über diese Dinge sprach, klang ihre Stimme hart und grimmig genug, dass man durchaus glauben oder ahnen konnte, dass sie ihren Teil von Kämpfen, Tod und Blutvergießen in der Nacht gesehen hatte.
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Genotin
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Genotin »

"Ein gemeinsamer Feind aus dem Norden ..."

Genotin schob mit seiner Hand nachdenklich die gespannte Haut auf seinem Kiefer hin und her.

"Bitte erzählt mir mehr über diesen Feind."

Die Bitte klang sehnsüchtig, ganz so, als könnte er es entgegen seinen Ausführungen nicht so recht erwarten, wieder ins Feld zu ziehen. Aber vielleicht war es auch Byzanz als Feind, dessen er überdrüssig geworden war. Vielleicht war ihm ein anderer Feind willkommener, mit neuen Herausforderungen. Oder er belog sich und andere. Es war schwer zu erkennen, was wohl am meisten zutraf.

"Wenn es diesen gemeinsamen Feind gibt, wäre dann vielleicht eine Allianz ..."

Er beendete den Satz in einem Anfall von Husten und Röcheln.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Dieser letzte Ausklang ließ Giada den einen Mundwinkel heben. Ein halbes Lächeln - doch keine Ablehnung.

“Es sind die Tedesci, die von Norden her über die Alpen drängen. Die Namen und Mächte, die dahinter stecken, kommen ebenfalls von dort. Und es ist wohl gerade jetzt, in diese Jahren und Jahrzehnten, in denen sich zeigen wird, wie die See der Schatten ihnen begegnet.”

Giadas Blick ruhte schwer auf ihrem Gegenüber. “Ich habe Domänen an sie fallen sehen. Die Euren werden nicht blind für diese Dinge sein und ich glaube, dass ein Mann wie Ihr es zu sein scheint nicht ohne Grund hierher geschickt wurde.” Sie hob das Kinn ein wenig an. “Ich will Euch die verdiente Zeit der Muße oder eigenen Angelegenheiten nicht nehmen. Doch wenn Ihr diesen Feind einst klarer umrissen seht, dann sollten wir erneut sprechen. Und ja, vielleicht mag es dann eine Allianz geben, geschmiedet durch den Hammerschlag einer gemeinsamen Feindschaft.”
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Genotin
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Genotin »

Genotins Blick in die Ferne signalisierte nachdenkliche Zustimmung.

"Ich bin noch jung und ich weiß nicht viel über die ... Spiele der Alten. Mir scheint, bei all den Eroberungen im Süden wurde der Norden lange vernachlässigt."

Dann knackte der Kiefer und das nächste Wort kam zischend zwischen den fast geschlossenen Zähnen hervorgeschossen.

"Tedesci!"

Es war, als hätte Giada einem Bluthund das nächste Ziel gegeben und dieser würde sich bald schon in dieses verbeißen. Auf das Zischen folgte ein Röcheln, dann fuhr Genotin fort.

"Genua ist gut befestigt. Wenn sie kommen, werden sie es nicht offen tun."

Er ließ seinen Blick durch die Reihen von Vampiren im Pavillon schweifen. Vielleicht wartete er auf ein Zeichen von Giada, ihm einen Ansatz für weitere Nachforschungen zu geben. Vielleicht war er auch nur auf der Suche nach einem Konflikt und drohender oder vermeindlicher Verrat war immer ein willkommener Anlass dafür. Vielleicht war es aber auch die Abscheu vor der Sorglosigkeit, mit der die Gesellschaft Genuas hier eine Feier ausrichtete, ohne den Feinden im Süden und im Norden die nötige Beachtung zu schenken. Giada bemerkte Genotins Hand, die suchend zu der leeren Schlaufe am Gürtel griff, dabei aber anstatt einer Waffe nur einen Beutel mit einem kantigen Gegenstand fand.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1070] schwarze Schatten, weiße Knochen [Genotin, Giada] [Die Kunst des Wettkampfs]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Nein, so offen nehmen sie die Domänen in ihrem Blick selten”, bestätigte Giada. Ihr Blick war kurz seiner Geste gefolgt und ihre eigene Hand war an ihre eigene Seite gewandert. Auch dort hing keine Waffe, nur ein schwerer Rosenkranz mit Perlen aus verschiedenen Metallen. Sie fuhr fort: “Die Wege, die sie nehmen, sind sich stets ähnlich: Sie beginnen damit, jene zu suchen, die unzufrieden sind.”

Giada sah über die Versammelten hinweg. “Die, die sich ungerecht behandelt fühlen. Die, die sich ungesehen, unbeachtet und verachtet fühlen. Die, die darum einen wachsenden Groll in sich schwären lassen.”

“Sie knüpfen Kontakte zu ihnen. Sie bieten Unterstützung, Halt, Rat. Sie bieten Anerkennung, wenn es nur gelänge, die Herrschaft zu stürzen. So sähen sie Unfrieden in den Domänen und bereiten einen Umsturz vor.”

“Der Umsturz kann viele Gesichter haben. Am häufigsten wohl ist eine Nacht der Langen Messer, in der sich alles wandelt. Davor wurden Unterstützer der Herrschaft abgelenkt, waren auf Reisen, wurden geschwächt oder beseitigt. Dann schlagen sie zu und oft ist die Gegenwehr nicht schnell genug, nicht stark genug. Nicht genug.”

“Dann halten die Unzufriedenen von zuvor ihre Ernte: Und die Tedesci halten ihr Wort von der Belohnung. Sie fördern diese nachwachsenden Fürsten und Prinzen auf ihren Thronen und binden sie weiter an sich, immer weiter.”

Giada legte die Hände ineinander. “Darum ist Wachsamkeit das erste Gebot. Jede Herrschaft in jeder Domäne wird immer auch die Unzufriedenen am Rande haben. Es wird sie immer geben. Doch es ist klug, sie im Blick zu behalten. Es ist klug, sich niemals in Sicherheit zu wiegen nur weil die Mauern hoch und fest sind.”
Der Blick der Lasombra lag schwer auf Genotin. “Es ist klug, die zu kennen, mit denen man Seite an Seite in einer Domäne weilt.”
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