Es war noch ein weiter Weg, doch dumm war offensichtlich Genotin nicht. Nubis war zumindest zufrieden mit seinem Schüler und nickte, als dieser den Unterricht abbrach. Es war ohnehin die Zeit wie im Fluge verstrichen.
"Nun gut. Schreibt am besten ab sofort die ersten Beobachtungen auf, lernt so die Grammatik und die Vokabeln. Ich werde mir dies beim nächsten Male ansehen und Korrekturen einsetzen."
Nubis war kein Lehrer, der keine Hausaufgaben vergab, denn diese waren für die Übung.
Dann sah er zu dem Leichnahm und schmunzelte. "Eine arme Seele? Mh, wohl kaum. Er wird wohl eher das Höllenreich vorfinden. Ein Verbrecher, der mehreren Menschen das Leben nahm. Und dann wurde es ihm genommen. Ich könnte seinen Leichnahm noch von innen untersuchen, doch dies kann ich auch an anderen praktizieren. Sich aufzulösen, mag für ihn das wahrlich passendste Schicksal sein. Zumal dies auch eine lohnende Demonstration darstellt, aus der sich Wissen ziehen lässt. Also bitte."
Er lud mit einer Geste Genotin dazu ein, dass dieser sich zu dem Leichnahm begab und seine besondere Gabe einsetzen konnte. Natürlich würde er selbst genau zuschauen.
Spoiler!
Auspex 1 - SK um 3 gesunken - 5 Erfolge fürs Beobachten von Genotin, wenn er die Leiche auflöst
Dice Maiden
BOT
— heute um 17:10 Uhr Nubis (Iris) ❄ Roll: [7, 6, 5, 4, 4, 2] Result: 28
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
Nachdem sich der Söldner vergewissert hatte, dass das Buch und die Schreibutensilien wieder sorgfältig aufgeräumt waren, schritt er zum Tisch mit der Leiche. Mit der rechten griff er das Tuch, um gleichzeitig seine linke Hand zum Mund zu führen. Er zog die Decke von der Leiche und biss sich selbst im gleichen Moment in den Unterarm. Nach einem kurzen Blick zu Nubis hielt er seine Hand über den Leichnam, um etwas Blut auf diesem zu verteilen. Ein paar Tropfen landeten auf der Brust, ein paar auf dem Torso und der Rest auf Armen und Beinen. Es schien keine besondere Ordnung zu geben, allerdings achtete Genotin darauf, jeden Körperteil zumindest mit ein wenig Blut zu benetzen.
Ein kurzes Lecken über die Wunde, dann beugte sich der Söldner mit dem Kopf über die Leiche. Er öffnete den Mund und ein leiser Hauch von Luft ströhmte über dem Körper des Toten, während Genotin eine fließende Geste machte, als würde er mit beiden Händen eine Tür öffnen wollen.
Es vergingen nur wenige Sekunden, dann kam ein leichter Wind auf, als hätte jemand in dem fensterlosen Keller wirklich eine Tür nach draußen geöffnet. Der Wind vermischte sich mit dem Hauchen von Genotin und der Leichnam begann wie von Geisterhand in sich zusammenzufallen. Nubis hörte das leise Knacken sich auflösender Knochen, während sich die Haut über dem toten Körper zusammenzog, die Augen im Schädel verschwanden und sich dann, bei den Füßen und Händen beginnend, der Körper in grauer Asche auflöste, die teilweise durch den Wind vom Tisch geweht wurde.
Am Ende bliebt nicht einmal eine Siluette des Toten übrig, der Luftzug hatte alle Konturen der Leiche verschwimmen lassen. Übrig blieb nur grauer Staub, der auch aus einer beliebigen Feuerstelle hätte stammen können. Mit einem zufriedenen Lächeln drehte sich Genotin zu Nubis.
"Das meiste passiert hier ..."
Genotin deutete mit dem Finger auf seinen Kopf.
"Die Gesten sind bei jedem etwas anders. Man muss spüren, wie die Zeit nur für diesen einen toten Körper schneller verrinnt. Das Blut ..."
Ein übliches Räuspern und Husten folgte.
"Das Blut verbindet die Gedanken im Kopf mit dem Gefühl für die Zeit und dem Toten."
Während Genotin sich dem Körper hingab und seine Gesten vollführte, Blut hinauf träufelte und ihn nach und nach sich zersetzen liess, stand Nubis ruhig neben ihm. Er hätte eine Statue aus Gebein sein können, so statisch war dieser. Lediglich die Augen und der Geist bewegten sich. Das eine sichtbar, das andere nicht.
Er nahm alles auf, jeden Eindruck, der Genotin umgab, jede Handlung und begann herauszufiltern, was wichtig und was eher Beiwerk war. Was würde es für die Blutkraft tatsächlich benötigen, was weniger. Das Blut war sicherlich ein sehr wichtiges Kernelement. Die Gesten vielleicht weniger. Das Gespühr für den Toten musste man sicherlich haben, war es in vielen ihrer Anwendungen doch der Fall. Ob Genotin vielleicht auch deswegen so ausseh, weil er den Zerfall in sich verinnerlicht hatte?
Der Wind war seltsam, doch könnte man ihn als etwas sehen, was aus dem Reich der Toten hier herüberkam. Ein Wind geleitet durch den Strom der Seelen, dem Fluss, der letztlich alles verband und hinfort spülte. Der auch alles zersetzen konnte. Das Stoffliche, wie auch die Seele und den Geist.
Als Genotin geendet hatte, setzte auch eine Zeit später die Bewegung in Nubis wieder ein. Er trat heran und betrachtete das Wenige, was davon übrig war, liess die letzten Krümel der Asche in seinen knochigen Fingern zergehen.
"Interessant und durchaus wirklich praktisch. Vorausgesetzt, der Hunger nagt nicht schon zu sehr. Habt ihr euch schon gefragt, ob euer steter eigener Zerfall an diesem hier liegen mag? Wenn alles in eurem Kopf geschieht, vielleicht hat dies auch Auswirkungen auf euch selbst? Und was würdet ihr wollen, wenn euch ein Bruder im Blute fragen würde, ob ihr ihm dies nicht nur demonstrieren, sondern auch beibringen würdet?"
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
"Oh, ich weiß, dass mein ... Zerfall ... mit Nekromantie zusammenhängt. Allerdings nicht mit meiner eigenen."
Seine Augen blickten fast melancholisch in die Vergangenheit.
"Die Nekromantie hat mich gerettet und gezeichnet. Vielleicht hat sie aber auch etwas beschleunigt, was jedem Kappadozianer blüht, der Jahrhunderte oder Jahrtausende existiert."
Fast entschuldigend senkte er seinen Kopf. Auf ein Knacken folgte ein Räuspern und Röcheln. Nach einem kurzen Zögern antwortete er Nubis auf dessen letzte Frage.
"Ich würde dem Bruder antworten, dass wir voneinander lernen. Sei es die Nekromantie oder die Kunst des Schreibens oder etwas völlig anderes. Das Studium dient jedem Studierenden. Ich werde nichts von meinem Wissen zurückhalten. Ihr fragt und ich antworte. Ich frage und ihr antwortet. Und wenn wir die Lösung nicht kennen, werden wir sie gemeinsam finden."
Der letzte Satz klang wie eine Drohung, jedoch nicht in Richtung Nubis.
"Interessant.. ihr gefallt mir", bemerkte Nubis. Doch er mustert Genotin auch noch einmal mit einem gewissen forschenden Interesse. Besonders dieser Pfeil im Hals. Die Gedanken dazu behielt er allerdings erst einmal für sich.
"Was ihr lernen wollt, ist etwas, wofür wir beide ohnehin sehr viel weiter blicken müssen. Über so manche Grenzen hinaus gehen müssen. Das Verständnis der Erweckung von Leichen zum Beispiel hilft dabei. Es verstärkt das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Seele und Körper. Auch die Sicht auf die Seele und die Gefühlswelt eines Menschen oder Kainiten ist wichtig, um zu beobachten, wie unsere Kräfte wirken und ob sie gelungen sind, oder etwas nicht klappte."
Er schmunzelte leicht, was allerdings kaum merklich wurde.
"Ich denke, das werden wir in Angriff nehmen, wenn ich wieder bei vollen Kräften sein werde. Dann stelle ich euch auch unserem verehrten Ältesten vor. Versucht euch bis dahin anzugewöhnen, beim Sprechen nicht in die Augen eures Gegenübers zu blicken. Dies könne sonst schnell dazu führen, dass ihr Dinge tun werdet, die ihr nicht im Sinn hattet."
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
Genotin und Nubis treffen sich im Keller des Heilerhauses. Dort sprechen sie über Genotins Möglichkeiten in Genua und dass sie voneinander lernen können. Ein Handel und zugleich Bündnis entsteht zwischen den beiden.
Zum Abschluss zeigt Genotin noch die Kraft des Zerfalls, welches sich Nubis natürlich genauer betrachtet.
Da man die Nacht nicht überstrapazieren sollte, verabschieden sie sich danach.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
Nubis (Iris) ❄ Roll: [7, 6, 5, 4, 4, 2] Result: 28
