[1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

[Juli '22]
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Iulia Cornelia
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[1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Sie hatte ihn eingeladen zum Steg nahe des Leuchthauses bei Quinto al Mare. Als Nubis hier vor vielen Jahren war, gab es hier nicht viel mehr als das und die Zeichnungen dessen, was hier entstehen sollte. Inzwischen stand unweit des Stegs nicht nur ein größeres Gästehaus, zu dem kein befestigter Weg führte, sondern vielmehr ein natürlicher Trampelpfad, der zwischen Fluss und Wald von der Hauptstraße in Richtung Meer verlief, sondern auch in einigem Abstand davon ein kleineres Gesindehaus, sowie Ställe in denen Pferde oder andere Tiere untergebracht werden konnten.

Die Umgebung wirkte friedlich und wie ein bescheidenes, kleines Idyll geschaffen aus Menschenhand. In den Sommermonaten mochten in den angelegten Beeten vor dem weißgekalktem Gästehaus Blumen blühen, doch zu der jetzigen Jahreszeit lagen sie brach. Die leisen Geräusche des Waldes vermischten sich hier draußen fern ab der Zivilisation mit dem des Wassers, welches am flacheren Strand anbrandete und den hölzernen Steg umspülte, auf welchem die Harpyie der Domäne auf ihren Gast in der heutigen Nacht wartete.

Iulia trug wie so oft in der kälteren Jahreszeit einen grauen Wollumhang samt Überwurf, dessen Säume mit weißem Lammfell besetzt waren. Ob dies noch immer ihren sterblichen Gewohnheiten geschuldet war, war schwer zu sagen, doch der leichte Wind spielte sanft mit dem schweren Stoff und gab gelegentlich einen Blick vom Meer her auf das seidene weiße Kleid frei, welches sie darunter trug. Ihre hellen Haare waren wie so oft mit einem Tuch aus selbigem Material bedeckt, während ihre blaugrauen Augen das auf und ab der Wellen betrachtete. Am Eingang zum Steg stand ein kleines silbernes Windlicht, welches den Weg zu ihr sanft erhellte.

Derweil lehnte unweit entfernt an der Eingangstür zum Gästehaus ein unter dem grauen Umhang gerüsteter Mann an das Holz, dessen Blick ruhig über die Umgebung wachte. In der einen Hand befand sich ein Speer, in der anderen ein Schild. Nubis hatte den hochgewachsenen Mann, mit seinen markanten Wangenknochen, kurzen Haaren und blauen Augen bereits des Öfteren an Iulias Seite gesehen. Wie sie hatte auch er sich über die Jahre nicht verändert.
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Nubis
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Nubis »

Nubis war mit einem Eselkarren zu Iulia unterwegs gewesen und kam nicht von Genua her, sondern von der Strasse aus Richtung Nervi. Der Esel war ein gemütliches Tier, ruhig liess er sich von seinem Lenker steuern. Wahrscheinlich lockte die Aussicht auf ein paar Rüben oder etwas Hafer.
Der maskierte Mann steig von dem Karren ab, als sie angekommen waren und begab sich zu den Gebäuden, liess es sich aber nicht nehmen, deren Wachstum für einen Moment zu betrachten. Es war durchaus mehr hinzugekommen.

Der Mann fror wahrscheinlich nicht unter all den guten Stoffen, die er trug. Gut gearbeitetes Leinen, hier und da etwas Seide als Zierde oder Stickereien, die interessante Muster bildeten. Darüber noch einmal ein Überwurf, der Kopf und Schultern, Arme, wie auch Rücken bedeckte und aus dunklem Stoff war, um Regen und anderes von den bunten Textilien fernzuhalten. Die Maske aus Olivenholz mit der goldenen Zierde sass gut am Kopf fest und so war kein Einblick in die Gestalt unter all der Verkleidung erkennbar. Keine Hände, keine Füsse, kein Gesicht.

Licht deutete oft an, dass jemand sich dort vor Ort befand. Wer würde sonst hier draussen Licht brennen und vielleicht ein Feuer riskieren wollen? So trat er darauf zu, wie eine Motte zum Lichte flog, so trat er zu ihr.

Er grüsste sie respektvoll mit der typischen, tieferen Kopfbewegung, die er stets vollführte.
Den stetigen Begleiter nahm er wahrscheinlich nur nebenbei wahr, auch war das Meer weniger wichtig, als die Gastgeberin.

Der Eselkarren mit samt kräftigen Fahrer wartete hinten bei den Gebäuden. Niemand war sonst mitgekommen.
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Iulia Cornelia
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Die Augen des Wachmanns verfolgten den Vermummten einige Zeit stumm, bis dieser bei Iulia angekommen war. Erst dann ging er zu dem Gesindehaus, wandte sich mit wenigen Worten ins Innere, bevor er zum Gästehaus zurückschritt. Ein junger Mann kam wenig später heraus, der dem Esellenker anbot, dem Tier etwas Wasser und Heu aus den naheliegenden Ställen bringen zu dürfen. Des Weiteren erkundigte er sich bei dem Mann, ob dieser mit ins Innere des warmen Gesindehauses kommen möchte, um eine Suppe und etwas Brot zu sich zu nehmen. Iulia derweil wandte sich zu Nubis leicht um, als dieser nähergekommen war und nickte ihm höflich zu, bevor sie mit einer angenehm warmen Stimme sprach: „Ich wünsche euch einen guten Abend, werter Nubis. Ich hoffe, der Weg hierher war nicht zu beschwerlich und dass ihr wohlauf seid.“
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Nubis
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Nubis »

Sein Blick schweifte kurz über die Fläche, auf der die Gebäude standen, dann wieder zu ihr zurück. Der Esellenker hatte das Angebot dankend angenommen und war mitgekommen, freute sich über die angebotene, warme Mahlzeit und strahlte mit seinem sonnigen Gemüt den anderen entgegen, auf dass sie sich wohlfühlen sollten.

Nubis liess die Maske vorerst auf.
"Auch ich wünsche euch einen angenehmen Abend. Hier hat sich einiges seit unserem letzten Zusammentreffen geändert. Da ich öfter die Strasse von Genua in Richtung Nervi bereise, sind mit ab und an einige Änderungen aufgefallen, doch aus der Nähe betrachtet..."
Er nickte anerkennend.
"Die Anfahrt verlief ohne Probleme, danke der Nachfrage. Ich behalte die Maske lieber auf, um keinen eurer Diener oder vorbeikommende Fischer - wer auch immer sich zu dieser Stunde noch hier her verirren sollte - zu erschrecken.?"

Tatsächlich stellte er dies als unterschwellige Frage, betont nur ganz zum Schluss leicht gehoben. Er überliess es wieder der Gastgeberin. Schliesslich wusste sie am besten, wie sehr ihre Diener und die Umgebung Bescheid wussten oder nicht.

"Ich denke, es gibt einiges zu bereden, sodass ihr mich hier her zu euch einludet? Auch wenn mich sonst sicherlich auch eine Einladung gefreut hätte, doch wissen wir beide, wie es um unsere Zeit bestellt ist. Die Unendlichkeit zur Verfügung und doch rennt uns die Zeit davon, schlimmer, als so manch Mensch..."

Natürlich liess er Iulia die Auswahl der Themen, aus Anstand, aber auch, weil er natürlich sehen wollte, was ihr wichtiger oder weniger wichtiger war.
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Iulia Cornelia
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Das tut sie.“, pflichtete die Harpyie bei. Ihr Blick ging noch einmal über das Meer, bevor sie kryptisch meinte: „Mir scheint es zieht ein Sturm auf.“ Ihr Blick ging auf den Kappadozianer, bevor sie mit ihrer hellen Hand auf das Gästehaus deutete: „Lasst uns nach drinnen gehen, dort sollten wir ungestörter und freier miteinander sprechen können.“ Ihre blaugrauen Augen wanderten kurz dezent über die Maske, bevor sie ihre Schritte in Richtung dem größeren der Häuser lenkte, das Windlicht auf dem Weg dorthin aufnehmend.

„Ich hatte lange überlegt, was ich mit diesem Fleckchen Erde hier anstellen möchte, nach dem Unfall.“, schnitt die Ventrue ein unverfänglicheres Thema auf dem Weg plaudernd an. Iulia zuckte sanft mit den Schultern, bevor sie mit einer liebevollen Stimme zu verstehen gab: „Auch wenn es mich schmerzte, war ich zu dem Entschluss gekommen, seinem letzten Entwurf eine Form zu geben, in dem sein Erbe in Ehren gehalten werden kann.“

„Doch ihr erwähntet, ihr reist öfter in Richtung Nervi?“, erkundigte sich die Harpyie mit einem weiterhin entspannten Ton. „Wie ist die Lage dort? Ich komme bedauerlicherweise zu selten in diese Richtung, doch ich hatte Adamo Manacres aufgetragen, das Dorf während der Hungersnot mit Nahrung zu versorgen. Ich hörte, er soll in den darauffolgenden Jahren dort weitergewirkt haben, auch wenn er in letzter Zeit kaum in der Domäne zugegen war, sowie auf gesellschaftlichen Anlässen noch immer durch sein Fehlen auf sich aufmerksam macht, was bedauerlicherweise alles andere als ein gutes Licht auf ihn wirft. Doch sagt, wie ist eure Einschätzung hinsichtlich ihm und seines Tuns, gerade in Nervi, so ihr dort des Öfteren zu verweilen scheint?“
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Nubis »

"Wir sollten hineingehen.", pflichtete er ihr zu, als würde er ebenfalls am Horizont einen Sturm aufkommen sehen. So folgte er ihr zum Gästehaus hin. Er trat ruhig leicht versetzt neben ihr her, sodass sie einen Fuss vor ihm war, er aber auch nicht direkt hintendran, sodass man sich gut noch unterhalten konnte.

"Eine gute Entscheidung.", pflichtete er ihr bei. "So bleibt etwas erhalten, ja. Eine gute Ehrung der Toten."
Der Kappadozianer nickte ruhig, seine Worte klangen sanft, ein leises Flüstern. Irgendwie andächtig.

Als sie dann jedoch zu Adamo und Nervi wechselte, hob er deutlich eine Braue, auch wenn diese gar nicht mehr da war, ebenso wenig, wie die Muskeln, die für das Heben und Senken notwendig waren.
"Ah, sieh an, lediglich während der Hungersnot? Oder noch darüber hinaus?" fragte er sich verwundert, dann setzte er aber noch die eigentliche Antwort nach.

"Nervi und Bavari sind besonders mein Aufgabenbereich. Adamo liefert Nahrung, noch immer und sollte ursprünglich auch für die Stille sorgen, nur kam er nicht dazu und entzog ihm diese Aufgabe wieder. Er hatte wohl ziemliche Schwierigkeiten in Syrakus, somit nachvollziehbar und ich habe schlichtweg unseren damaligen Handel komplett zurückgezogen. Ansonsten hätte Adamo wohl nun mehr Einfluss in Nervi, allerdings auch fraglich, ob er dies gewünscht hätte.
Die Dorfbewohner sind sehr eigen und ich denke, es ist noch viel von Alains Handeln in den Dörfern spürbar. Nach und nach muss dies rausgewaschen werden und die Dorfbewohner benötigen etwas mehr Zeit, um Neuerungen zu akzeptieren."

Er lächelte sachte. "Fast, als wenn die Zeit bei ihnen anders laufen würde. Langsamer."
Noch einmal setzte er ab und kam wieder auf Adamo zu sprechen.
"Auch wenn sich der Clan der Rose bisher wenig in Genua glänzte, so zeigen sowohl er, wie auch der neue, Liviu, ein reges Interesse daran, der Stadt in einer gewissen Weise zu helfen. Ich finde, sie besitzen beide ein gutes Potenzial und Adamo ist der Ältere von ihnen, muss aber durch seine längere Abwesenheit den rechten Weg hier noch finden. Auch den Weg zu den gesellschaftlichen Anlässen. Ich denke, Genua kann ihn und Liviu gebrauchen. Besonders im Hinblick auf den Auf- oder Ausbau im Bereich der Menschen der Stadt und des Handels kann sich ein positiver Umgang mit ihnen lohnen."

Er seufzte. "Anders, als bei anderen von uns.... Ich hörte zudem, dass sie in Votori einer Aufgabe der höchst verehrten Aurore nachgehen und dass Liviu dort sich ein Heilerhaus geschaffen hat, um Menschen zu helfen. Auch überlegen sie wegen anderer, wichtiger Bauten für unsereins oder für die Stadt. Ich würde ihren Einsatz entsprechend bekräftigen wollen und ihnen keine Steine in den Weg legen.
Ich komme mit Adamo sehr gut aus und wir überlegen an einem gemeinsamen Projekt für den Ausbau des Hafens. Die Zukunft wird zeigen, ob sich daraus Positives entwickelt."
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Iulia Cornelia
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Das Innere des Gästehauses, zu welchem der Wachmann nach einer Verneigung wortlos die Tür geöffnet und hinter ihnen wieder geschlossen hatte, war schlicht gehalten. Der Boden war mit eingelassenen Holzdielen bedeckt, die durch das eingeriebene Öl über die Jahre dunkler geworden waren, während die mit Kalk verputzen Wände strahlend weiß waren. Dann und wann befanden sich kleinere silberfarbene Halterungen an den Mauern, in denen hinter feingeschabter Haut, Flammen brannten und angenehm warmes Licht verbreiteten.

Im Haus war es angenehm warm, was von der linken Seite aus zu kommen schien. Die Rechte wirkte dagegen etwas kühler. Es lag der Geruch von Essen und frisch gebackenem Brot in der Luft, der eine gewisse Heimeligkeit verströmte und dem Haus eine Spur Leben einhauchte, auch wenn es verhältnismäßig ruhig im Inneren war. Das Zimmer in welches Iulia Nubis geleitete, lag zur linken, auf der rechten Seite des Ganges und musste wohl als Esszimmer oder auch Besprechungszimmer dienen. Ein größerer hölzerner Tisch mit mehreren Stühlen, sowie ein Kamin mit niedergebranntem Feuer war darin, der dem Raum Wärme und Licht spendete. Die Ventrue war während der Unterhaltung zur Kopfseite des Tisches auf der entgegengelegenen Seite der Glut geschritten und hatte sich dort gesetzt, während sie Nubis einen Platz zu ihrer rechten angedeutet hatte, ohne ihn jedoch in seinen Worten zu unterbrechen. Auch hier brannten zudem Lichter an den Wänden.

„Was Nervi anbelangt, so hatte ich meine Aussage gegenüber Adamo bewusst vage gehalten, und einzig von den kommenden Jahren gesprochen.“, erklärte die Ventrue bereitwillig, bevor sie erweiterte: „Einerseits war es damals noch nicht absehbar, wie lange die Not wohl andauern würde. Andererseits wollte ich sehen, um was für eine Art von Kainit es sich bei Adamo Manacres wirklich handelt. Wie er Dinge angeht und diese handhabt.“ Ihre hellen Hände lagen adrett und sittsam in ihrem Schoss, während sie aufrecht dasaß und zu verstehen gab: „Sagen wir mich plagten Zweifel ob der Aufrichtigkeit seines Charakters, weshalb ich herausfinden wollte, wie er denkt oder auch handeln wird.“

Die Harpyie wirkte vollkommen entspannt, als sie recht offen weiter berichtete: „Deshalb hatte ich Adamo auch zudem aufgetragen, diskret ein Auge auf die Entwicklungen in Nervi zu halten, insbesondere jene von kainitischer Natur. Dass die Bewohner in Nervi eigen sind, war mir bereits damals bewusst, weshalb ich die Aufgabe der Observation auch übergeben hatte. Davon ab gab es für mich weitaus wichtigere und größere Aufgaben während der Hungernot zu bewältigen, weshalb mir schlicht auch die Zeit gefehlt hatte, dies selbst zu tun. Ich hatte darauf gehofft oder auch gebaut, Adamo würde die Informationen, die er in Nervi erlangt mir anbieten. Auch oder gerade vor allem als Beweis für sein erfolgreiches Werken dort. Doch dem war nicht der Fall.“

Iulia zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, als sie offenkundig mit dem Thema oder auch mit dem Toreador selbst abgeschlossen hatte, als sie zu verstehen gab: „Stattdessen beleidigte Adamo Manacres abseits bekannter anderer Verfehlungen, nicht nur mich, sondern zeigte ein überaus schlechtes Benehmen gegenüber dem Hofgelehrten, den ich ihm vorgestellt hatte. Adamo wirkte damals wild entschlossen, die Schuld an allem, bei allen und jedem anderen außer sich selbst zu suchen, darunter den Liktoren wie auch den Herolden. Ich hatte euch damals ja bereits davon berichtet. Auch sprach er seit jener Nacht kein einziges Wort mehr mit mir. Stattdessen richtete er geradezu demonstrativ sein Theater ohne meine Hilfe ein und lud mich auch nicht mehr nach der Fertigstellung zum Flanieren mit ihm dort ein, wie es wohl einst sein Plan gewesen war.“

Ihre Hände lagen noch immer völlig entspannt in ihrem Schoss, als sie unbewegt anmerkte: „Adamo verhält sich damit zwar gleich einem bockigen Kind, doch schadet er sich in erster Linie letztlich nur selbst damit. Ich respektiere seine Entscheidung dahingehend jedoch und betrachte mich nach Abwägung aller Gefallen gegeneinander, als mit ihm quitt. Ich habe entsprechend keinerlei Grund ihm Steine in seinen Weg zu legen.“ Die Worte der Ventrue wirkten aufrichtig und so als hätte sie tatsächlich mit dem Toreador abgeschlossen, was sowohl gut oder auch schlecht für ihn sein konnte, je nachdem wen man hierzu wohl fragen mochte. Iulia selbst schien sich derweil nicht weiter um Adamo oder seine Interessen zu kümmern. Oder ob die Rose sich selbst weiter Steine in den Weg legen würde. „Noch seinem Clansbruder Liviu.“, ergänzte die Harpyie eher beiläufig.

Stattdessen widmete sie sich offenbar für sie interessanteren wie auch wichtigeren Themen, als sie an Nubis gewandt meinte: „Da ich bisher allerdings keinerlei Informationen hinsichtlich kainitischer Aktivitäten in Nervi erhalten habe, und ihr dort einen doch recht guten Überblick zu haben scheint, werter Nubis, wäre ich durchaus interessiert daran, diese von euch abzukaufen. Sofern ihr diese denn anbieten würdet?“ Ihre blaugrauen Augen lagen durchaus interessiert auf dem Kappadozianer, dessen Entscheidung geduldig abwartend.

„Votori dagegen ist auf Grund seiner Lage zu Savona ein recht eigenes Thema.“, erklärte die Ventrue, als sie sich etwas weiter zurückgelehnt hatte und Nubis somit etwas Zeit zum Überlegen gab, während sie nachdenklich fortfuhr: „Ihr hattet mir auf der Veranstaltung 1064 anno Domini signalisiert, besser über das Thema hinsichtlich der Baali zu schweigen. Ich gehe entsprechend davon aus, dass ihr durchaus über gewisse Problematiken im Bilde seid, gerade nach den sterblichen Gerüchten, die von Votori nach Genua drangen. Auch aus Nervi gab es, so ich mich richtig erinnere, damals unschöne Berichte.“
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Nubis
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Nubis »

Er hatte sich zu ihr gesetzt und ihr gelauscht, ab und an verstehend genickt.
"Wir sprachen schon über die einen oder anderen Dinge betreffend Adamo und der Beziehung zu euch. Ja, er hat sicherlich Fehler gemacht, doch ich denke, er ist etwas auf den Boden zurückgekehrt. Zumindest wirkte es bei unserem letzten Gespräch so. Was seine wahren Absichten sind, weiss ich natürlich nicht. Doch auch dies trifft auf eine Vielzahl von Kainiten zu, die in Genua an Macht gewinnen. Ich schätze seine Ideen und den Willen, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich bin gespannt, wie er reagieren wird, wenn ihr ihm mitgeteilt habt, dass ihr die Händel als beendet seht."

Er setzte ab und kam dann zu Nervi zu sprechen.
"Informationen über kainitische Aktivitäten in Nervi sind nicht einfach zu bekommen und ich kann durchaus verstehen, dass jemand wie Adamo, der noch relativ neu in der Domäne war, dort beinahe nichts herausbekommen konnte. Seit Iusticia habe ich meinen Schwerpunkt nun mehr hier her, statt Maddalena oder dem Ausbau Nord, verlagert, doch es ist schwierig, etwas Vernünftiges zu finden. Einigen Ungereimtheiten bin ich nachgegangen, unter anderem mit eurem Bruder im Blute, doch es endete darin, dass wir nichts fanden. Die Dörfer, auch Votori, haben einen Vorteil. Sie sind recht weit aussen und somit ist es umständlich und Kulte oder dergleichen können sich gut verbergen."

Er seufzte.
"Ein Verkauf..." Ein wenig wog er mit dem Kopf hin und her und schüttelte diesen dann sacht je einmal.
"Informationen sind das eine, hinter sie zu blicken, das andere. Ich verstehe den Tod und ich kann den Tode in all seinen Formen und Fascetten ergründen und erforschen, doch anderes gibt mir oft noch Rätsel auf oder fühlt sich so weit entfernt an. Das Leben wird immer weniger greifbar. Im Bezug auf die Baali, ist eher eine Zusammenarbeit wichtig, als lediglich ein Verkauf, nicht? Ein Zusammenlegen von Fähigkeiten und Verständnis."

Er blickte sie ernst an.
"Votori beklagt angeblich seltsame Todesfälle, so wurde mir von Liviu berichtet. Seltsam, dass sie nicht bei mir landen. Untersucht sie etwa mein verehrter Ältester? Wenn ja, wie viel gibt er von den Erkenntnissen wirklich preis... Wenn nein, wo sind die Leichen? Und warum hat die Geissel nicht schon längst mit mir deswegen Kontakt aufgenommen? Er weiss, seit er Liktor war, dass es meine Aufgabe ist, die Leichen Ganuas zu untersuchen und Stillebrüche oder den Einfluss von Kainiten nachzuweisen. Ich kann dieser Aufgabe sehr schwer nur nachgehen, wenn andere dies sabotieren. Es wirkt auf mich so, als wolle man Dinge verschleiern. Denn sind die Leichen irgendwann zu alt, dann, ja dann lässt sich wirklich nichts mehr finden. Dann bleibt vom Mensch nichts weiter, als stinkender Abfall oder Dünger für Salpeter..."

In seiner Stimme lag keine Wut, aber Unverständnis. Sein Blick war wahrlich todernst geworden, doch sie konnte sehen, dass auch eine tiefe Enttäuschung darin lag. Eine Verständnislosigkeit für solch eine Ignoranz oder auch Borniertheit. Vielleicht sogar absichtliche Verschleierung.

"Angeblich sollen sie nun zu mir gebracht werden, jedoch…wer weiss, was noch zu finden sein wird.
Ich bin noch immer der Meinung, dass nicht zu viele von den Baali wissen sollten, denn dann wissen diese es auch. Solche Herangehensweisen beispielsweise lassen mich misstrauisch werden."
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Iulia Cornelia
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Die Baali sind unser aller Feind, werter Nubis, und es gibt wohl abseits der Traditionen kaum etwas Anderes, auf das sich die unterschiedlichsten Domänen und Fraktionen gleichermaßen verständigen könnten, als denn der Vernichtung der Baali.“, klärte die Harpyie den Herold auf.

„Je mehr Kainiten um die Existenz der Baali wissen, desto mehr wird auch der Blick auf Ungereimtheiten geschärft sein.“, gab sie ihren Standpunkt diesbezüglich zu verstehen, bevor sie relativierte: „Ich rede hier ganz sicher nicht davon, dass nun jeder Einzelne herumziehen und tiefere Nachforschungen anstellen sollte, nur um dabei die Baali aufzuschrecken oder schlimmstenfalls sich selbst in Gefahr zu bringen. Doch so dieses Thema totgeschwiegen wird, ähnlich der Egelverbindungen, können diese im Verborgenen weiter ungestört wachsen und sich ausbreiten.“

„Was derweil euren Ältesten betrifft, so frage ich mich, welchen Grund er hätte euch etwas vorzuenthalten, werter Nubis?“, erkundigte sich die Harpyie. „Weshalb es keine Leichen gibt, mag derweil unterschiedlichste Gründe haben. Einerseits sind manche Gerüchte auch schlichtweg falsch. Davon ab schätze ich die Baali alles andere als dumm ein. So sie entsprechend nicht verhindern können, dass Gerüchte entstehen, schaffen sie es womöglich die Beweise, die zu ihnen führen würden, bei Seite zu schaffen. Oder aber es werden bewusst falsche Spuren gestreut, um zu beobachten, wie in Votori vorgegangen wird.“, erläuterte Iulia weiter eine kleine Auswahl unzähliger Möglichkeiten, bevor sie nur sanft mit den Schultern zuckte und meinte: „So oder so, die Jagd nach Baali ist schwierig, langwierig und gefährlich.“

„Davon ab kann ich nur schwerlich beurteilen, weshalb Arash nicht mit euch Kontakt aufgenommen hat.“, erklärte die Ventrue weiter, bevor sie zu verstehen gab: „Doch nur weil es eure Aufgabe ist und er darum weiß, ist es kein Garant, dass er sich an euch wenden wird. Vor allem nicht ohne Gegenleistung. Auch, weil ihr des Amtsweges Herold und nicht Liktor seid, weshalb es entsprechend keine Verpflichtung zur Zusammenarbeit gibt, auf welche ihr euch indirekt berufen könntet. Ich hatte allerdings 1067 anno Domini, in der Zeit als sowohl ihr wie auch Toma als Herolde unpässlich gewesen wart, den Salubri Yishmael Levi in der Domäne empfangen und diesem das Aufspüren der Teufelsanbieter zur Aufgabe gemacht. Dies sollte die Suche zusätzlich verstärken. Insbesondere nachdem das Amt der Liktoren in den letzten Jahren derart dünn besetzt war.“

Dass der Kappadozianer einen Verkauf von Informationen abgelehnt hatte, hatte die Harpyie dagegen nur schweigsam zur Kenntnis genommen und ging auf seine Frage nach Zusammenarbeit nicht weiter ein. Stattdessen fragte sie abschließend rhetorisch: „Was Adamo derweil anbelangt, so habe ich ihm Einladungen zukommen lassen. Auch zur letzten Veranstaltung. Sie blieben unbeantwortet. Wer, werter Nubis, hat also Händel mit wem?!“ Offenkundig erwartete das Kind des Prinzen keine Antwort hierauf, denn sie zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, bevor sie meinte: „Doch lasst uns über erfreulicheres sprechen. Gedenkt ihr am Wettbewerb der Künste teilzunehmen? Oder hat sich mit eurer Wandlung auch das Interesse an der Schöpfung von Kunst verändert?“
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Nubis
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Re: [1071] Visionen des Lebens und des Todes [Iulia, Nubis]

Beitrag von Nubis »

Neutral betrachtete Nubis die Harpyie, als sie sprach, dann wechselte es kurz zu Ersteaunen, dann wieder zu einem leicht verblüfften Ausdruck. Auch wenn die Anzeichen für alle Emotionen eher gering waren, im feinen Detail waren sie zu erkennen.

Er liess sie komplett ausreden und schüttelte dann mit dem Kopf. Kräftig, langsam, einmalig.

"Zum einen sagt ihr, dass die Baali unser aller Problem seien, zum anderen sprecht ihr von Verkauf und Handel von Informationen, Leichen, die zu Informationen führen und so weiter. Ist dies nicht etwas widersprüchlich? Nicht jeder hier in der Domäne ist bereit, etwas zu zahlen, oder Schulden aufzunehmen oder sieht einen Handel als gerecht an. Die blockiert den Informationsfluss. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass viele Informationen nie zum Richtigen gelangen, sondern nur zu dem, der mehr zahlt. Und wenn es der Feind ist, der sie verschwinden lassen möchte.

Meine erste Handlung in Genua war unter anderem das Aufsuchen der Liktoren und das Unterbreiten von Angeboten, eben jene Leichen betreffend. Nun ist Arash natürlich kein Liktor mehr, doch dies mag doch egal sein. Er würde noch immer Information gegen Leichen bekommen. Was will er sonst damit anfangen? Denn wenn wirklich die Baali unser aller Problem wären, und ja, das sind sie definitiv, dann sollte ein Handel zweitrangig sein, sondern eine Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Im Grunde keine Einzelhandel, sondern ein grosser, alles umspannender. Informationen gegen Informationen, sozusagen. Jeder arbeitet jedem zu, sodass die Probleme bewältigt werden können. Und daran scheitert es in Genua stets. Zu viel Egoismus, zu viel Wille, die eigene Macht zu stärken."

Ernst blieb sein Blick auf ihr ruhen.
"Ich sagte zudem nicht, dass es keine Leichen gibt, sondern genau, dass es welche gibt. Leichen, die merkwürdige Todesfälle aufweisen. Sofern ihr, die sich wohl offensichtlich auch um die Baali bemüht, nichts wisst, nehme ich sehr stark an, dass auch ihr im Dunkel gelassen wurdet? Oder ihr gebt es schlichtweg nicht preis."

Interessiert hob er eine Braue.
"Was meinen verehrten Ältesten betrifft, solltet ihr eins und eins zusammenzählen können. Das muss ich nicht weiter ausführen.
Dass die Baali nicht dumm sind, zweifle ich nicht an. Und genau deswegen halte ich zu viel Informationsweitergabe durchaus auch für gefährlich. Eine Ratte, die sich in Sicherheit wägt, ist leichter zu fangen, als eine, die in die Ecke gedrängt wird und dann zu beissen beginnt. Aber teilt es der Domäne mit. Ihr werdet sehen, dass dies nicht wirklich unsere Position stärken wird. Ähnlich dem Problem mit den Egeln. Es wird uns wahrscheinlich schwächen. Die Baali werden aktiv gegen unsere Informationen mit Schläue vorgehen und wir verlieren vermutlich nach und nach jeden einzelnen Verbündeten gegen sie. Yshmamael habt ihr vermutlich in sein eigenes Verderben geschickt. Oder gabt ihr ihm Verbündete mit auf dem Weg?
Die Egel sind ähnlich schlimm gewesen und ich fand, sie waren bekannt genug. Nicht zu Anfang, aber doch noch zu einer Zeit, in der etwas hätte geschehen können. Nur kaum einer tat wirklich etwas dagegen und die, die es taten, die standen auf verlorenem Posten."

Er seufzte.
"Wenn ihr also ein Problem angehen möchtet, wie das der Baali, dann muss Genua auch geeint dahinter stehen, dann müssen Liktoren und Geissel wissen, was sie tun, an wen sie sich für welche Informationen wenden müssen und das auch nutzen. Ansonsten sehe ich da keine Möglichkeit. Im Genua, wie es jetzt ist, zweifle ich stark daran, dass allen klar wird, welche Gefahr von dem dunklen Kult ausgeht. Der wohlwerte Niccolo hat schon oft versucht, Streiter für dieses Problem zu finden...recht ergebnislos. Ihr seht die Einigkeit auf euren Festen ... ihr hättet so manch Reaktion diverser Kainiten erfahren sollen, die vor Dingen gewarnt wurden. Herrje, einer dachte sogar, dort, wo die Egel ihr Unwesen treiben, sei ein Schatz verborgen. Die Warnung als Verwirrung, lohnendem Reichtum schützend."

Für ihn war dies Thema wichtiger, als die Kunst, zu der Iulia eine Überleitung versuchte. Er ging weder auf Adamo, noch auf die Kunst ein.

"Wenn ihr die Baali bekämpfen wollt, gebe ich euch gern die nötigen Informationen dafür. Denn im Grunde hätten wir doch alle etwas davon, wenn sie vernichtet würden. Ich untersuche auch die Leichen, sofern es noch welche gibt und gebe euch die Informationen darüber, die ich aus diesen ziehen konnte, ähnlich dem, was ich hier schon einmal tat. Und da ihr dies als Handel wollt, etwas als Gegenleistung, das ebenfalls uns allen hilft. Informationen zu den Geschicken in Genuas Politik, kainitisch besonders. Informationen, die dem Schutze der Stadt und ihrer Bevölkerung dienen, die zum Aufschwung der Stadt führen können, die hier und da auch Neulinge wissen sollten, beispielsweise auch Grenzkonflikte. Und natürlich nicht veraltet."

Die Worte bleiben weiterhin ruhig gesprochen. Die Stimmlage und Betonung wies darauf hin, dass die Worte allerdings eine grosse Relevanz hatten. Nubis nahm dies Thema nicht auf die leichte Schulter. Der Schutz der Domäne stand hier schliesslich im Mittelpunkt.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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