[Fluff] Den Schmerz erdulden [Iulia]

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Iulia Cornelia
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[Fluff] Den Schmerz erdulden [Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Trage und dulde: dir wird dieser Schmerz dereinst noch nützen.“, schrieb Jemand einst, doch wie soll man einen Schmerz ertragen lernen, den man nicht kommen sieht. Der aus einer unsichtbaren Wunde erwächst. Der zu jeder Zeit, jedem noch so kleinen Augenblick deiner verfluchten Existenz, ohne jedwede Vorwarnung und binnen eines einzigen Wimpernschlages unvermittelt auf dich einprasseln kann. Rücksichtslos, wie faustdicke Hagelkörner in einem plötzlich aufgezogenen Sommergewitter. Was würdest du tun? Würdest du aufgeben? Es über dich ergehen lassen? Dich dem Sog ins unbekannte Dunkel hingeben, nur damit der Schmerz endlich aufhört? Oder würdest du kämpfen? Mit aller Kraft dagegen an? Innerlich schreiend, weinend, fluchend, verzweifelnd an etwas, wogegen du letzten Endes doch immer nur eines kannst: verlieren.

Ich wusste, es würde wieder geschehen, doch ich wusste nicht wann oder auch wie. Dieses mit messerscharfen Klingen bespickte Netz, welches sich urplötzlich über mich gestülpt hatte, und an welchem ich mich nur selbst immer weiter verletzte, je stärker ich zappelte, um überhaupt den Raum zu schaffen, mich freistrampeln zu können. Doch dieses Mal war es das eklige Gefühl eines glühenden gebogenen Hakens, der unvermittelt in meine Eingeweide gestoßen wurde und drückend sich immer weiter bohrte. Der rücksichtslos und in aller Härte an mir zog und zerrte, während ich mich selbst wie ein hilfloser Fisch fühlte, der in gieriger Verheißung, den todbringenden Köder zu schnell und zu tief artig geschluckt hatte, nur um dann in einer harschen Bewegung zappelnd aus der See gerissen zu werden.

Es war nicht der Schmerz, der mich mein Gesicht verziehen ließ, als vielmehr die Plötzlichkeit und Härte, mit der das Ganze schon wieder geschah. Einer glühenden Faust gleich, die mit aller Macht in meine Magengrube gehämmert wurde und dafür sorgte, dass ich mich übergeben wollte, so dies nur möglich gewesen und irgendwie geholfen hätte. Ich hasste dieses Gefühl zutiefst. Die damit einhergehende Hilflosigkeit gegenüber der Alten und ihrem unbändigen Willen, die einen in den unabdingbaren Gehorsam zwangen, auch wenn ich mich ihnen selbst nie verweigert hatte oder auch verweigert hätte.

Doch ich wusste, dass es geschehen musste, auch wenn ich es innerlich verachtete. Denn Nein zu sagen, barg immer Konsequenzen. Gerade gegenüber den Ahnen. Es kostete nicht nur allen Mut. Vielmehr war es eine ungeheure Kraftanstrengung, wider der eigenen Natur zu handeln. Wider jedweden besseren Wissens und Gewissens. Doch ich tat es. Quälte mich durch den Schmerz. Führte meinen Verstand, gar meinen ganzen Körper, bis zum Punkt der vollständigen Erschöpfung. Kämpfte gegen den formlosen Schmerz an und dem Drang zu folgen. Gehorchte, in dem ich nicht gehorchte. Ich litt. Wieder und wieder. Nacht um Nacht. Ich wollte nicht versagen. Nicht vor ihr knien und ihren enttäuschten Blick auf mir spüren. Nein. Sie sollte, konnte, stolz auf mich sein.

Doch alles was ich danach spürte, war die anhaltende Leere. Keine Genugtuung. Nicht einmal das fade Gefühl einen Sieg errungen zu haben. Stattdessen fühlte ich mich abgekämpft wie lange nicht mehr, auch wenn ich keine einzige, sichtbare Schramme jenes ungleichen Duells davongetragen hatte. Ich war erschöpft, während sich mein Innerstes in wilder Wollust gegen die auferlegten Fesseln warf. Mal sanft verlockend wispernd, mal aus voller Brust wütend brüllend, ihm die Oberhand zu überlassen. Doch selbst dafür war ich zu müde.

Was letztlich verblieb war jener zarte Streifen tiefgründiger Erkenntnis am fernen Horizont über das, wozu mein Blut fähig war. Wozu auch ich eines nachts fähig sein würde. Es ließ mich mit einem wohligen Lächeln einschlafen… zu mehr fehlte mir die Kraft…
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