[1071] Totengesicht der Vergangenheit [Nubis, Liutprand]

[Liutprand]

Über eben jenen Boten, den Nubis geschickt hatte, schickte Liutprand eine Botschaft zurück.

Werter Nubis, Neugeborener im Blute des Todes,
Herold zu Genua,
Kind von Bruder Martinus, Ancilla vom Blute Kappadozius,
Kind von Hephaistos, Ahn vom Clan des Todes und Seneschall der Domäne Florenz

Euer Amt und der Euch auferlegte Pharmakos passt zu einem Kappadozianer, den ich unter einem anderen Namen kenne. Ich möchte Euch dazu zum Vollmond vor eben jenem ersten Neumond mit euch im Elysium sprechen. Ich werde ab der Mitternachtsstunde dort zugegen sein.

Liutprand, Neugeborener vom Blute der Könige,
Erster Liktor Genuas,
Nachfahre des ehrwürdigen Mithras, Ahnherr vom Blut der Könige, dem Herrn der Sonne,
Kind des Ventrue, erster seines Blutes,
Kind des Enoch, des Weißen,
Kind des Kain, des Vaters,

In jener besagten Nacht wartete Liutprand beim Brunnen auf seinen Gesprächspartner. Er trug eine schlichte aber aus edlem Tuch gewebte dunkelblaue Tunika mit silbrig schimmernder Borte gesäumt. gegürtet mit einem schmalen nietenverzierten Gürtel. Schwarze Beinlinge und braune lederne Schuhe. Den weiten Kapuzenmantel, den er außerhalb des Elysiums trug hatte er abgelegt und zusammen mit seiner Waffe bei den Elysiumswachen abgegeben.

Geduldig wartete er auf seinen mysteriösen Gesprächspartner.

[Nubis]

Ruhigen Schrittes trat ins Elysium eine andere Person und steuerte zielsicher den Brunnen an. Er war in weiten, sehr edlen Tüchern gehüllt, die teils üppige Zierstickereien trugen, teils auch in güldener und silbriges Pracht. Die Stoffe waren farbig und zueinander passend, wobei einige harmonierten und eher Erdtönen entsprachen, andere dagegen sich davon farblich abhoben, um noch ein paar besondere Akzente zu setzen. Diese waren in teuren Farben gehalten, ein edles, reineres Blau oder gar ein kräftigeres rot. Er trug zu Beginn noch eine Maske aus Olivenholz, die reich verziert war und deren Schnitzwerk sogar hier und da vergoldet worden war. Eine gar meisterliche Handwerkskunst.

Doch als dieser in Sichtweite von Liutprand kam, nahm er mit geübtem Griff die Maske ab und hängte sie an eine Halterung an der Seite seiner Kleidung.
Darunter kam kein Gesicht zum Vorschein, wie es Liutprand kannte, sondern ein Fremdes. Bleiche Knochen schimmerten durch dünne Haut, unter der nur noch an einigen Stellen etwas Fleisch der Muskeln erkennbar waren. Er glich einer sehr alten Mumie, nicht verwest oder stinkend, nur eben ohne Flüssigkeiten, wahrlich nur noch Haut und Knochen.

Seine Finger oder seine Beine konnte man überhaupt nicht sehen, denn die lagen unter viel Stoff verborgen. Dort wo seine Finger sein sollten, war nur der Saum eines langen, weiten Glockenärmels zu sehen. Irgendwo darin musste wohl der Arm verborgen liegen.

Er nickte tief, weniger als vor Iulia, doch etwas mehr, als er andere begrüssen würde.
"Seid gegrüsst, wohlwerter Liutprand, ihr wolltet euch noch einmal mit mir treffen?"

Auch die Stimme war nicht mehr die des Kappadozianers. Nicht mehr so glockenklar und hell, nicht mehr die eines Knaben, sondern raunend, flüsternd, wie der Wind, der durch altes Gemäuer zog und die Geschichten von Geistern entfachte. Rau und doch wohlklingend. Sicherlich wäre er ein guter Geschichtenerzähler geworden, gerade wenn es sich um Bücher mit etwas okkultem Inhalt handelte. Oder die Nachtgeschichten, die man Kindern erzählte, wenn sie noch nicht schlafen wollten, damit sie es etwas mit der Angst zu tun bekamen und schnell die Augen schlossen und nicht mehr motzten.

[Liutprand]

Liutprand nickte der ihm unbekannten Gestalt knapp zu und sein Blick lag offenbar ein wenig verwirrt und unschlüssig auf dem verunstalteten Gesicht des Kappadozianers.

Schließlich nach einer gewissen Weile und nach einigen Optionen, die sich der Ventrue in seinem Verstand zurecht gelegt hatte erhob er das Wort.

"Seid gegrüßt...verzeiht, ich will Euch nicht zu nahe treten, aber wollte Ihr mir ... das ..."

Er gestikulierte mit seiner rechten Hand in Richtung des Gesichtes und des restlichen Körpers des Kappadozianers.

"...also Eure Erscheinung erklären? Seid Ihr der werte Galeno, den ich kenne...kannte? Was ist passiert?"

Er bemühte sich um einen höflichen Ton in seiner stimme, doch konnte er die Verwirrung und Verwunderung nicht gänzlich unterdrücken.

[Nubis]

Sein Gegenüber blieb ruhig und gab Liutprand genug Raum für seine Verwirrung.
Dann nickte er sachte.
"Ja, meine sterbliche Hülle war Galeno. Doch der Wechsel zu einer anderen Existenzebene macht es notwendig, das Alte von sich zu streifen und etwas Neues zu beginnen. Etwas, dass mehr zur eigentlichen Bestimmung passt. Ich bin lediglich dem Pfad gefolgt, der tief verwurzelt im Blute meines Clans liegt. Nicht ohne Grund werden wir der Clan des Todes genannt. Wir sind die Personifikation dessen. Nicht ohne Grund teilte ich auch den Liktoren jeweils mit, dass Todesfälle von mir untersucht werden und ich mehr Informationen aus dem Tode einer Person herauslesen kann, als beispielsweise ihr."

Ein knappes Lächeln war nur ansatzweise zu erkennen, da einfach die Muskeln wenig ausgeprägt waren, um dies deutlicher werden zu lassen.
"Habt ihr mich deswegen hier herbestellt? Weil im Schreiben der Name euch fremd erschien?"

[Liutprand]

Liutprand's Gesichtsausdruck, lies nicht wirklich erkennen, als würde er das verstehen, was die Gestalt, die er früher als Galeno kannte, so von sich gab. Doch er war ein Soldat und Befehlshaber und jene zeichnete sich dadurch aus, sich ändernde Umstände zu akzeptieren und damit umzugehen. Und genau, dies schien er zu tun und die Verwirrung wich allmählich aus seinem Gesicht..

"Also gut, werter ... Nubis. Ihr werdet Euch also am nächsten Neumond von dem Hafenturm stürzen..."

Gab er nüchtern mehr für sich selbst als für Nubis zu Protokoll. Für Außenstehende und Nichteingeweihte mochte diese Aussage allein schon eine gehörige Portion Verwunderung hervorrufen. Liutprand schien dies aber recht professionell zu behandeln, wusste er doch von dem Urteilsspruch der Prinzessin in jener Nacht.

"Welche Vorkehrungen habt Ihr getroffen? Welche Vorkehrungen werdet Ihr noch treffen? Vor allem interessieren mich jene, die die Stille des Blutes schützen und zu großes Aufsehen verhindern."

[Nubis]

Der Kappadozianer nickte abermals. "Eine Strafe ist eine Strafe und ich werde diese sicherlich nicht umgehen. Ja, ich werde springen."
Sein Kommentar war sachlich gehalten. Keinerlei Emotionen lagen darin. Es war eben einfach so.

"Vorkehrungen in Bezug zur Stille, nun, ihr kennt euch eures Amtes wegen damit wohl am besten aus, weswegen ich euch schrieb. Meine Ghule werden sonst auch aufpassen und verhindern, dass Menschen in die Nähe des Turms kommen. Auch die wohlwerte Iulia ist informiert. Ausserdem wird Neumond sein, eine Nacht, in der wenig zu sehen sein wird und natürlich werde ich zur tiefen Nachtruhe springen, wenn am Hafen kaum noch einer wach ist. Auch im Falle der Sprung geht daneben oder richtet mehr Schaden an meinem Leib an, so wurde dafür gesorgt, dass einige Kainiten dabei Hilfe leisten mittels Heilung oder dass sie mich aus dem Wasser fischen oder im Falle einer Raserei auch entsprechend reagieren könnten.."

[Liutprand]

Der erste Liktor blickte Nubis eine Weile kritisch an, dann wog er den Kopf nachdenklich hin und her.

"Eine dunkle Neumondnacht hält schon einmal ein paar Blicke ab. Mein Vorschlag, um von diesem ... Ereignis weiter abzulenken: Wählt einen eurer Diener, stattet ihn mit ein wenig Geld aus und lasst ihn in eine nahe Hafentaverne gehen und lauthals ein glückliches Ereignis in seinem Leben erzählen. Die Geburt eines männlichen Kindes, ein Verlöbnis oder plötzlichen Reichtum oder dergleichen. Alle Menschen in der Nähe werden zu mehreren Bechern Wein eingeladen. Am besten bezahlt ihr noch ein paar Musikanten, die dann in der Taverne einige muntere aber laute Lieder spielen zum mitgrölen und mitstampfen. Dann ist die Aufmerksamkeit der meisten Sterblichen in der Umgebung dort."

"Zur Sicherheit werde ich mit einigen Männern in der Gegend sein, und die wenigen Herumtreiber, die sich dennoch in Richtung des Turms aufmachen, zu verscheuchen."

Dann blickte er ihn nocheinmal eindringlich an.

"Ihr seid sicher, dass jene Kainiten mit Euch in Raserei schnell und vor allem leise fertig werden?"

[Nubis]

"Nun, da liegt das Problem. Unsereins ist wenig zu trauen und so mancher hat auch schon Abkommen nicht sonderlich gut eingehalten oder gar in den Wind geblasen. Jedoch denke ich, dass ich keine zu grosse Gefahr bin, sollte sich mein Tier melden. Ich bin sehr wahrscheinlich gefährlicher in einer Bibliothek, als irgendwo sonst."

Er schmunzelte leicht ob der eigenen Aussage.
"Jedoch weiss man es nie genau, nicht? Deswegen wende ich mich auch an euch. Auch weil ich nicht die Traditionen in irgendeiner Form brechen möchte. Lieber wähle ich den kleinen oder grossen Tod. Sollte der Fall also eintreten, führt euer Amt aus."

[Liutprand]

Liutprand nickte.

"Nun gut, dann werde ich mich in der besagten Neumondnacht an jenem Turm einfinden und meine Pflicht tun. Zu welcher Stunde, wollt Ihr den Sprung vollführen?"

[Nubis]

Nubis nickte.

"Ich hätte noch etwas anderes an euch heranzutragen, würde dies allerdings gern in einem anderen Umfeld tun. Es geht um die Sicherheit der Stadt und ich möchte mit euch noch vor meinem möglichen Ende darüber diskutieren. Nicht, dass es dann zu spät sein wird. Es ist jetzt schon wieder viel zu spät, doch leider wechseln die Liktoren auch viel zu häufig und die Informationen, die sie trugen, scheinen immer wieder mit ihnen zu verschwinden."

Ernst blickte er Liutprand an.
"Würdet ihr mich begleiten wollen, oder haltet ihr das Elysium für privat genug, um ein sehr wichtiges Thema zu besprechen?"