[1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

[August '22]
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Iulia Cornelia
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[1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Er war ihr aus mehreren Gründen aufgefallen, weshalb es nicht sonderlich verwunderlich war, dass die Harpyie es letztlich selbst gewesen war, die den Lasombra zu einem gemeinsamen Treffen eingeladen hatte, in der Agora innerhalb des Elysiums der Stadt eine Stunde nach Mitternacht am dritten Sonntag des Monats Januar 1072 anno Domini.

Über den Grund hierfür hatte das Kind des Prinzen in seinem Schreiben auf hellem Leder mit silberfarbener Tinte nichts verlautbaren lassen, jedoch freundlich und dezent angemerkt, dass es sich bei der Elysiumsdienerin Miriam nicht um ihre Dienerin handle. Stattdessen ließ sie ihn höflich wissen, man könne sie so denn nötig über das Leuchthaus zwischen Genua und Quinto al Mare erreichten.

Das Wetter war kühl, aber trocken in jener Nacht, in der die Harpyie von Mascharana aus durch den Garten zur Agora schritt. Über ihren Schultern lag ein grauer wollener Umhang mit weißem Lammfellbesatz unter dem dann und wann bei ihren Schritten ein weißes, seidenes Kleid hervorlinste. Gleich einer verheirateten Frau waren ihre Haare mit dem gleichen Stoff züchtig bedeckt. Aufmerksam aber ohne Eile wanderten ihre blaugrauen Augen über die Umgebung, während sie mit aufrechtem Gang Schritt für Schritt der Agora näherkam.
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Vincente Carlos »

Man hatte Vincente ein Schreiben überreicht. Er bekam so gut wie nie Post und wenn, dann musste man ihm diese eh vorlesen. Er nahm das Schreiben entgegen. Er öffnete das Siegel, sofern es mit einem versehen war, und ließ seine Augen zum Ende der Nachricht fliegen. Die Anzahl der Zeilen nach dem, was er für den Namen des Absenders halten musste, sollten ihm einen guten Anhaltspunkt bzgl. der Wichtigkeit des Absenders geben. Da waren eine Menge Zeilen. Und damit wahrscheinlich nichts was er mir nichts, dir nichts ignorieren konnte. Oder besser gesagt: er würde es nur einmal ignorieren können und dann würde sich die Erde unter ihm auftun.

Er bat einen Diener – vorzugsweise einen, den er schon kannte und dem er soweit vertraute wie man das bei Dienern anderer Herrn eben konnte – ihm die Nachricht vorzulesen.

Als die Nachricht zu Ende vorgelesen war, reagierte er nicht gleich. Wahrscheinlich hatte er sogar kurzzeitig vergessen zu atmen. Das Schreiben stammte von der Harpyie. Blieb nur die Frage, ob es sich um eine Ein- oder um eine Vorladung handelte. Gründe für den Wunsch des Treffens konnte er dem Schreiben jedenfalls nicht entnehmen.

Er zwang wieder Bewegung in seinen untoten Körper, dankte dem Diener und bat diesen der wohlwerten Absenderin auszurichten, dass er zum genannten Termin erscheinen würde. Wenn ich nicht doch vorher fluchtartig das Land verlasse, dachte er und knirschte mit den Zähnen. Dann bedankte er sich artig und ging wieder seiner Weg.

Die Tage unmittelbar vor dem Termin waren ihm eine Qual – wühlten sie doch die Ereignisse beim Schachturnier wieder auf. Es sollte ihn sehr wundern, wenn er nicht wieder gerügt, ermahnt oder freundlich bedroht werden würde.

Er wickelte sich in einen dicken Wollmantel, der schon an ein paar Stellen geflickt worden war. Ihm war nach Behaglichkeit und Wärme. Und wenn alle Stricke rissen, konnte man ihn damit aufknüpfen.

Selbst die Jagd war in dieser Nacht nicht so erfreulich verlaufen wie erhofft. Er hatte einen armen allein reisenden Kerl gepackt und abseits des Wegs, wo sie vor Blicken geschützt waren, mit dem Gesicht in den Schlamm einer Pfütze gedrückt und so langsam an Land ertränkt. Kurz vor seinem Tod hatte er zugebissen und ihn ausgesaugt.

Aber jetzt lagen ihm das Adrenalin der Todesqual quer im Magen.

Die innere Unruhe hatte seine Schritte schneller gelenkt als gedacht, weshalb er bereits früher eingetroffen war. Jetzt wartete er in einem Wind geschützten Eckchen, hatte den Kragen des Mantels hochgezogen und die Hände unter die Achseln geklemmt, bevor sie gänzlich taub wurden. Er wartete und hing seinen trüben Gedanken nach.
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Iulia Cornelia
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Die Bewegungen der feingepflegten, hellen Finger, die unter dem Umhang hervorgetreten waren, nachdem die Harpyie in der Agora angekommen und einige Momente inmitten dieser stehen geblieben war, sich schließlich umgesehen hatte und letztlich ihre blaugrauen Augen auf den Lasombra gelegt hatte, waren zart und weich, als sie den Schatten damit zu sich rief.

Sie schien alles andere als in Eile und wirkte in sich ruhend, seine Bewegungen auf sie zu geduldig verfolgend und so er sie mit einem Nicken begrüßte, dieses höflich erwidernd, bevor sie sprach: „Seid gegrüßt, werter Vincente. Es freut mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ich hoffe ihr seid wohlauf und fürchtet euch nicht allzu sehr vor mir oder meinen angeblich ach so schlimmen Gründen, die eure Clansschwester fälschlicherweise auf der letzten Veranstaltung annahm, als sie meinte ich hätte euch in eurer Entscheidung unter Druck gesetzt.“

Ihre Stimme klang angenehm warm und wohlwollend, als sie milde lächelte und ergänzte: „Zumal es doch euer Blick gewesen war, der sich an mich gewandt hatte. Entsprechend wollte ich euch, auch abseits eurer Entscheidung, besser kennenlernen. Denn ihr müsst verstehen, es ist eher selten, dass sich Kainiten eures Geblüts, bei Unsicherheiten öffentlich an das Meine wenden. Auch wenn ich selbstverständlich geschworen habe, als Harpyie für alle ein Ansprechpartner zu sein.“

„Umso mehr hatte ich mich hierüber gefreut, sind jene vorurteilsbelasteten und blinden Einteilungen manch Neugeborener in ein striktes schwarz und weiß, nicht nur überaus lästig, sondern auch schlichtweg falsch, verkennen sie doch die Realität.“, erklärte die Harpyie weiter, bevor sie freundlich meinte: „Doch ich will euch nicht mit dem politischen langweilen. Vielmehr interessiert mich, wer ihr seid, was euch nach Genua führte, ob ihr beabsichtigt zu bleiben und so ja, was ihr mit eurer Zeit zu tun gedenkt, die ihr in der Domäne meiner Herrin verbringt?“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Vincente Carlos »

Vincente war noch in Gedanken versunken, daher dauerte es einen Moment bis er die Ankunft der Harpyie bemerkte. Schließlich hatte er versucht sich bei dem Wetter warme Gedanken zu machen – ohne großen Erfolg. Er warte, bis sie ihn bemerkt hatte, da er sich ihr nicht unbemerkt und überraschend nähern wollte. Er nahm die Hände, die er zum Wärmen unter die Achseln gesteckt hatte, herunter und trat auf ihr Zeichen hin an sie heran, um sie zu begrüßen.

„Wie könnte ich eure Einladung zum Gespräch ablehnen, wohlwerte Harpyie“, er nickte ihr ehrerbietig zu. „Ich freue mich, dass ihr auch nach … besagtem Abend“, er geriet bei der Erinnerung an das Turnier kurz ins Stocken, „noch meine Bekanntschaft machen wollt.“ Er lächelte, aber es mochte nicht ganz ungezwungen erscheinen. Er hatte gehofft, dass es bei einem Aufeinandertreffen nicht gleich solche Erinnerungen zwischen ihnen gab. Aber nun ja, die Vergangenheit konnte auch er leider nicht ändern. Er würde mit dem arbeiten müssen was war. „Ich hoffe, es ist euch seit jenem Abend wohl ergangen.“

Auf ihre Anspielung der Clans hin überlegte er kurz bevor er antwortete. „Nun, es mag sein, dass die Clanzugehörigkeit einem, z.B. in der Fremde, eine gewisse Sicherheit und Zugehörigkeit bietet. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass man sich auch untereinander versteht oder von Clanmitgliedern warm empfangen wird.“ Er machte eine kurze Pause, die er mit dem benetzen der Lippen zu überspielen versuchte. „Ich bin in den Jahren eher selten für lange Zeit an einem Ort gewesen und hatte damit Gelegenheit unterschiedliche Personen aus unterschiedlichen Regionen zu treffen und kennenzulernen. Meiner Erfahrung nach bedeutet Familie - oder Zugehörigkeit im Allgemeinen – nicht automatisch auch, dass es einem in den besagten Banden wohl ergeht. Manch ein Sohn oder eine Tochter wird mir mit dem Blick auf die eigene Verwandtschaft sicherlich zustimmen, würde man sie fragen. Und nicht selten erschlägt ein Bruder einen Sohn oder ein Vater sein Kind.“ Er dachte kurz an das Elend, dass er schon erlebt hatte. Nein, Familie bedeutete für die wenigsten Menschen Glück und Geborgenheit. „Ich versuche daher Personen eher nach ihrem Tun und weniger nach anderen Dingen zu beurteilen, schließlich schadet es nie, wenn man über den eigenen Horizont ein wenig hinüber späht. Man denke nur was für Dinge einem dann entgehen würden!“ Diesmal war sein Lächeln echter.

Ihm war bewusst, dass auch die Harpyie einen Grund für dieses Treffen haben musste, genauso wie sie auch einen Grund gehabt hatte, dass er beim Turnier Giada zugeteilt gewesen war. So wie auch Giada ein Grund für ihr Tun hatte. Aber nur weil man selbst vielleicht für etwas gebraucht wurde, hieß das nicht, dass man den anderen nicht selbst auch brauchen konnte. Was sonst waren Beziehungen, wenn nicht nehmen und geben?

„Was meinen Blick betraf“, fuhr er fort, „ihr war an dem Abend Gastgeberin, zudem übt ihr das Amt der Harpyie in Genau aus. Und wie bereits am Abend demonstriert wurde, entscheidet ihr über den Stand den ein jeder in der hiesigen Gesellschaft hat. Ich hoffe nur, dass mein...“, auch hier fehlten ihm wieder die richtigen Worte. Aus irgendeinem Grund schienen sie ihm heute immer zu entfliehen. Er räusperte sich kurz. „Nun, ich hoffe, dass die Geschehnisse nicht dazu führen, dass ich zukünftig keine Einladung zu Zusammentreffen erhalten werde, auch wenn mein Besuch des Turniers nicht ganz unglimpflich vonstatten gegangen ist.“

„Was meine Person betrifft, nun“, er legte beim Denken kurz den Kopf schief. Sicher würde sie nicht seine Lebensgeschichte interessieren. „Ich bin ein einfacher Mann und ich hatte die letzten Jahre eher weniger Kontakt zu Unsereins. Ich hoffe, dass ich mich nun länger in Genua niederlassen kann, auch weil ich mir hier etwas eigenes Aufbauen möchte. Und ich finde die Stadt bisher recht schön und anziehend. Ob mir dies gestattet wird, hängt natürlich auch davon ab, ob ich Fürsprecher finde und die Aufgabe zumindest zufriedenstellend beginnen konnte.Zudem hat mich natürlich auch mein Erzeuger mit einer Aufgabe betraut, ich soll mich um Diplomatie bemühen.“
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Iulia Cornelia
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Aufmerksam und freundlich war der Blick der Ventrue auf dem Lasombra verblieben, ihm die Zeit gebend und lassend zu antworten, gelegentlich und abschließend lächelnd, nickend und respektvoll meinend: „Eine weise Aufgabe, die euch euer Erzeuger Kasib Sami mit auf euren Weg gegeben hat. Wenn auch sicher keine einfache, betrachtet man das politische Geflecht unserer Gesellschaft. Ich bin jedoch zuversichtlich, sie wird euch dabei helfen, geeignete Fürsprecher zu finden. Und ja, natürlich wollte ich eure Bekanntschaft noch machen, werter Vincente. Weshalb auch nicht?!“

Fragend lagen ihre blaugrauen Augen auf dem Schatten, bevor sie eine kurze Sprechpause machte und sich anschließend erkundigte: „Ihr erwähntet, ihr hättet in den letzten Jahren eher weniger Kontakt zu Unsereins gehabt?! Darf ich fragen, wie es hierzu kam, erscheint es mir doch überaus bedauerlich, einen solch charmanten Kainiten fern der Gesellschaft zu wissen. Zumal ich euch schließlich gerne weiterhin auf meinen Veranstaltungen willkommen heißen würde.“

Iulia schenkte Vincente ein bezauberndes Lächeln, bevor sie weiter mit einer angenehm warmen und melodischen Stimme sprach: „Es freut mich sehr zu hören, dass euch die Stadt bisher zu gefallen scheint. So ihr die Frage erlaubt, was gefiel euch bisher am besten? Und was wünscht ihr euch selbst hier aufbauen zu können? Gibt es gar etwas, bei dem ihr Hilfe oder auch Unterstützung benötigen würdet?“

Die Harpyie machte eine kurze Sprechpause, bevor ihr Gesicht etwas ernster wurde und sie bestätigte: „Und ja, Familienbande sind niemals einfach. Viele unterschätzen, dass die Einigkeit innerhalb der Clans, nicht immer gegeben ist. Dass sie sich und ihre Interessen mitunter grundlegend unterscheiden können, abhängig welcher Fraktion oder auch Linie man selbst angehören mag. Welchen Wurzen fühlt ihr euch zugehörig, werter Vincente? Nennt ihr womöglich gar bereits einen Prinzen euren Lehnsherrn?“

Die Ventrue wirkte interessiert, offen und weiterhin freundlich. Anscheinend war es für sie weder überraschend, so Jemand der nach Genua kam, einem anderen Prinzen verpflichtet war, noch schien es für sie ein Hindernis darzustellen, so dem so war. Womöglich war sie es als Kind des Prinzen und Harpyie der Domäne auch schlicht gewohnt, Diplomatie betreiben zu müssen. „Und ja, mir ist es gut ergangen. Ich konnte einige Projekte auf sterblicher Seite voranbringen, die mir sehr am Herzen liegen und lagen.“, ergänzte die Ventrue mit einem Lächeln.
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Vincente Carlos »

Er kam nicht umhin sich darüber zu freuen, dass Iulia ihn - unabhängig vom Verlauf ihrer Veranstaltung - hatte kennenlernen wollen. Aber vielleicht war das auch Teil ihres Amtes – dass man ein jeden kennenlernen musste, damit man ihn anschließend in der Hierarchie - und damit auch für alle anderen - entsprechend platzieren konnte.

Ihm war mehr als bewusst, dass er nicht immer das nötige Feingefühl an den Tag legte oder sich aalglatt in jeder Situation zurechtfand. Er war schließlich kein Politiker und war jeden Tag ein bisschen froh darüber. Auch, wenn es sicher bei mancher Gelegenheit nützlich gewesen wäre.

Hätte er sich selbst beschreiben müssen, so hätte er sich eher als Mann fürs Grobe beschrieben. Jedenfalls hatten ihn Meer und die Jahre auf Reisen nicht weich werden lassen. Aber vielleicht war er deshalb nach Genau geschickt worden. Manchmal half ein wenig frischer Wind, um Dinge voranzubringen. Jedenfalls würde ein Teil von ihm sich gerne so sehen.

Bei diesem Gedanken musterte er noch einmal kurz Iulias Erscheinung. Er war sich sicher, dass ihre Kleiderwahl - wie alles andere auch – ebenso eine Botschaft war wie der Rest ihrer Erscheinung oder Worte und Gesten. Auch war er sich des Kontrasts bewusst, den er im Vergleich mit ihr darstellte. Vielleicht hätte ich mir doch mehr Mühe mit meiner Erscheinung geben sollen. Sicherlich hätte ich irgendwo noch einen schöneren Mantel auftreiben können. Dann strich er den Gedanken wieder. Er war schließlich kein Gockel, der überall und immer herausgeputzt herumstolzieren musste.

Kurz überlegte er wie er auf Iulias Frage antworten sollte. Er beschloss direkt zu bleiben und diese Direktheit mit einem Lächeln zu süßen. „Nun“, begann er, „wie soll ich sagen. Bereits der erste Abend in Gesellschaft hat gezeigt, dass ich einen gewissen Aufholbedarf habe was den Umgang mit anderen betrifft. Mit Sicherheit war es nicht mein geschicktestes Auftreten und der ein oder andere mag nicht den besten Eindruck von mir haben. Oder zumindest besteht die Möglichkeit, dass es nicht der Eindruck gewesen ist, den ich hatte hinterlassen wollen.“ Er presste kurz die Lippen aufeinander wie um sich daran zu hindern, dass er sich weiter in belanglosen Erklärungen verlor. „Jedenfalls besteht erfahrungsgemäß daher immer die Möglichkeit, dass man als Gast, der negativ aufgefallen sein mag, anschließend nicht mehr ganz so gern gesehen wird.“ Er lächelte ein wenig wehmütig.

„Ich freue mich daher zu hören, dass ihr mich bei zukünftigen Veranstaltungen weiterhin als Gast willkommen heißen möchtet. Und das, obgleich meinetwegen der Abend nicht ganz so reibungslos verlaufen ist wie geplant.“Aber vielleicht irrte er sich in diesem Punkt auch, hatte doch die Harpyie das Aufeinandertreffen der Turnierteilnehmer geplant und sicher nicht dem Zufall überlassen. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, er hätte jedenfalls mit Sorgfalt seine Wahl getroffen.

Was die Frage nach Genua und seinen Plänen für die Stadt betraf, überlegte er, da ihm die Antwort nicht unbedingt leicht fiel. Er wandte den Blick von seinem Gegenüber ab und blickte zur Stadt, sofern er sie von hier aus erkennen konnte. Er ging in Gedanken die Wege entlang, die er am Liebsten und Häufigsten ging. Dann setzte er zu einer Antwort an: „Die Stadt ist vielseitig und abwechslungsreich wie ich es von einer Stadt mit Hafen und Handel auch erwarten würde. Wenn man ein paar Momente am Hafen sitzt, dann kann man die verschiedensten Akzente, Sprachen und Dialekte vernehmen. Man kann sich mit Personen aus unterschiedlichen Ecken und Ländern unterhalten, so man denn möchte. Ständig kommen neue Güter in die Stadt und machen das Leben reicher. Natürlich geschieht dies auch über die Handelsstraßen an Land“, fügte er rasch hinterher. „Verbringt man genug Zeit an Hafen und Marktplatz, dann kann man die Welt sehen und kennenlernen. Ich wage zu behaupten, dass man im Gespräch mit den einfachen Menschen die Welt erst richtig kennenlernt, sicherlich mitunter besser als andernorts.“ Er schluckte. Er war es nicht mehr gewohnt so viel am Stück zu sprechen und sein Hals war trocken geworden.

„Dadurch bleibt vieles in Bewegung, es entstehen einen Kommen und Gehen, ein Austausch. Das macht Vieles interessanter. Sicherlich auch einiges komplizierter.“ Er blickte sie wieder direkt an. „Ich glaube, ich fände es furchtbar, wenn man in absolutem Stillstand leben müsste, ohne dass es neue interessante Impulse gibt. Es würde die Ewigkeit doch etwas karg und langweilig erscheinen lassen. Wenn man viel auf Reisen gewesen ist, so hat man sich daran gewöhnt, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Man hat ja auch nie das gleiche Wasser unter dem Kiel oder den gleichen Staub unter den Füßen. Ich habe mich daher entsprechend gefreut, dass ich nach Genua geschickt worden bin und nicht in einen abgelegenen Teil der Welt. Natürlich sind auch Orte wie dieser“, er zeigte auf das Gebäude und das umliegende Gelände, „ein Besuch und Aufenthalt wert, auch wenn ich von Architektur nicht viel verstehe, sicherlich nicht in dem Maße wie es beispielsweise ein Baumeister könnte.“ Wenn er ein Gebäude betrachtete, dann meist um einen einfachen Eingang und Ausgang zu finden, wenn er einen Überfall plante.

Er überlegte weiter. „Was andere Örtlichkeiten betrifft, so hatte ich noch keine Gelegenheit diese weiter zu erkunden. Der werte Herold hatte mir bei meiner Ankunft bestimmte Orte vor den Mauern der Stadt genannt, die ohne Einladung nicht betreten werden sollten. Ich habe sie daher bisher nicht besuchen und erkunden können. Und auch beim Turnier wurde eine Villa erwähnt. Natürlich ist mir die Baustelle vor der Stadt aufgefallen, diese habe ich jedoch nur aus der Entfernung gesehen. Falls es in der Stadt Orte der Kunst, der Kultur und Gelehrsamkeit gibt, so habe ich bisher noch nicht den Weg zu ihnen gefunden. Ich bin sicher, dass es in Genua auch solche Orte gibt, die wiederum eine ganz eigene Schönheit bereithalten.“ Er gestikulierte in Richtung Stadt und Umland. „Sicherlich werden sich mit der Zeit weitere Orte herausbilden, die ich dann lieber aufsuche als andere.“

Er warf ihr einen musternden Blick zu, um zu prüfen, ob seine ausführlichen Äußerungen ermüdeten. „Was meine persönlichen Ziele für die Stadt betrifft, so wird die Zeit es sicherlich zeigen. Zum einen natürlich eine gewisse Unabhängigkeit, vorrangig auch finanzieller Natur. Ein jeder muss sich zumindest zunächst um die Grundbedürfnisse kümmern, bevor größere Aufgaben angegangen werden können. Dazu gehört natürlich auch, dass man andere Personen der Gesellschaft kennenlernt und Bekanntschaften knüpft. Früher oder später wird man immer in irgendeiner Form aufeinander treffen, auch wenn man nicht direkt zusammenarbeiten sollte. Als Harpyie seid ihr euch sicher der Bedeutung eines Miteinanders bewusst. “

Er strich sich einmal kurz durch den Bart. „Tatsächlich bin ich noch auf der Suche nach Fürsprechern“, begann er und ließ den Satz ein wenig in der Luft hängen, als Iulia das Thema Unterstützung ansprach. „Ich habe bisher noch keinen, benötige jedoch zwei, wenn ich mich länger als 5 Jahre in der Stadt und der angrenzenden Domäne aufhalten möchte.“ Er legte den Kopf fragend schief. „Ihr kennt nicht zufällig jemanden, der dazu bereit wäre? Oder würde ihr mir vielleicht selbst eure Fürsprache zu Teil werden lassen? Vielleicht könntet ihr mir auch mit ein wenig Rat und Tat zur Seite stehen, wenn ich mir den Kunstwettstreit um die Villa anschaue. Ich würde ungern erneut Gäste vor den Kopf stoßen, zumal es eine Veranstaltung des Prinzen ist, wenn ich mich recht erinnere.“

Auf die Frage nach seinen Wurzeln und Zugehörigkeit schüttelte er kurz den Kopf. Eine Strähne fiel ihm daraufhin in die Stirn und er strich sie beiseite. „Ich habe keinen Lehnsherrn. Die engste Verbindung habe ich derzeit mit meinem Erzeuger, schon alleine deshalb, weil ich ihm viel verdanke und wir entsprechend viel Zeit miteinander verbracht haben. Wie bei den meisten Kainiten wird durch den Kuss das Band entsprechend eng geknüpft.“
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Iulia Cornelia
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Die Ventrue wirkte nicht im Ansatz ermüdet, sondern hörte dem Lasombra geduldig und offenkundig durchaus interessiert zu. Sie unterbrach ihn nicht, noch hakte sie nach, sondern ließ ihn vorerst sprechen. Gab ihm den Raum und die Zeit sich auszudrücken. Erst als er geendet hatte, wandte sie sich verbal an ihn.

„Nun, was eure Frage nach dem Wettbewerb der Künste anbelangt, so kann ich euch gerne ein wenig mit Rat und Tat zur Seite stehen, so ihr dies möchtet.“, erklärte die Harpyie wohlwollend, bevor sie ihn ruhig musterte und schließlich meinte: „Was derweil eure Frage nach meiner Fürsprache anbelangt, so bin mir nicht sicher, was eure Clansschwester wohl hiervon halten mag.“ Iulia lächelte nur zart, sagte jedoch vorerst nichts weiter hierzu.

„Doch bevor wir den Gedanken weiter spinnen, würde ich gerne etwas von euch wissen, werter Vincente, denn ich kam nicht umhin zu bemerken, dass ihr noch oft von Leben und all seinen Formen sprecht. Von Gesprächen mit einfachen Menschen und davon in diesen die Welt erst richtig kennen zu lernen. Ich fragte mich, ob dies daher kommt, da ihr euch noch immer den Menschen verbunden fühlt? Schließlich verschieben sich die Interessen der Meisten doch mit den Jahren auf die Interessen und Belangen der kainitischen Gesellschaft?“, erkundigte sie sich.
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Da der Wettstreit von der höchst verehrten Aurore ausgerufen worden ist, würde ich Etikette-Fehltritte auf der Veranstaltung gerne vermeiden. Zumal ich beim Schachspiel ähm... nicht formell korrekt“, er suchte nach Worten die nicht 'aber mal so richtig in die Kacke getreten bin' lauteten, „äh aufgetreten bin. Sicherlich ist nicht jeder nachsichtig was diese Dinge betrifft, zumal es an dem Abend viel zu gewinnen gibt und auch höchste Vertreter unserer Gesellschaft anwesend sein mögen. Ich würde ungern erneut eine gesellschaftliche Veranstaltung auf diese Weise stören.“ Und natürlich möchte ich mir auch den Ärger und die Rügen ersparen, zumal ich irgendwann ja auch noch vorsprechen muss.

„Vielleicht könnten wir uns gemeinsam auf den Weg zur Villa machen?“, fragte er. „Ich bin noch nie dort gewesen und das Verbot hindert mich daran, den Weg vorher schon einmal abzuschreiten.“

Als die Sprache auf seine Clansschwester kam, zuckte es kurz um seinen Mund. Jedoch schwieg er, da Iulia das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. Über ihre Frage musste er tatsächlich nachdenken. Ja, was verband ihn noch mit den Menschen, von denen er sich Nacht für Nacht mit Genuss nährte? Die Antwort darauf war sicher nicht einfach. Dennoch setzte er zu einer Antwort an.

„Mein... Kuss liegt noch nicht all zu lange zurück und ich verbringe noch immer viel Zeit unter Menschen, nicht nur wegen der Jagd. Sie bieten viel Abwechslung. Und sie sind zu schrecklichen wie kreativen Taten fähig, egal, welches Alter, Geschlecht oder Stand sie haben oder in welchem Land sie leben.“ Er blickte zum Mond hinauf. „Was Zielgerichtetheit und das Befriedigen von Bedürfnissen betrifft, so sucht der menschliche Verstand seinesgleichen.“ Er blickte sie an und lächelte. „Sicherlich kann man viel von ihnen lernen.“
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Das kann man durchaus.“, bestätigte die Ventrue mit einem zarten Lächeln auf die letzten Worte des Lasombras hin, nachdem sie ihm zuvor aufmerksam zugehört hatte. Ihre Hände lagen weiterhin auf ihrem Rücken, bevor sie ihre Schulter in seine Richtung eindrehte, leicht über diese blickte und mit einem dezenten Wink zu verstehen gab, dass ihr offenbar danach war, etwas durch den Garten zu schreiten und er hierzu eingeladen wurde.

„Bedauerlicherweise bin ich in der Nacht des Wettstreits in meinen Pflichten gebunden, weshalb ich bereits vor Ort sein werde, doch der Weg hinauf zur Villa ist nicht sonderlich schwer zu finden. Sie leuchtet hell und strahlend auf den Hügeln über der Stadt. Ich bin zuversichtlich, ihr werdet sie finden.“, erklärte das Kind des Prinzen voll tiefer Verehrung für das Bauwerk. „Ich kann euch jedoch gerne am Eingang zur Villa begegnen.“, ergänzte die Harpyie charmant, bevor sie sich erkundigte: „Gedenkt ihr denn selbst mit einem Beitrag am Wettstreit teilzunehmen?“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Dasein zwischen Licht und Schatten [Vincente, Iulia]

Beitrag von Vincente Carlos »

Vincente passte seine Schritte an Iulias an und gemeinsam lustwandelten sie gemächlich durch die Grünanlagen des Elysiums. Er überließ es ihr, den Weg zu wählen, kannte sie den Garten doch sicherlich besser als er. Auch war er neugierig zu erfahren, wohin ihre Schritte sie führen würden.

„Pflichten, fragte er? Seid ihr an der Organisation und Durchführung auch dieser Veranstaltung beteiligt?“, fragte er. Sicherlich musste es einen Großteil ihrer Zeit in Anspruch nehmen, wenn sie eine Veranstaltung nach der anderen ausrichten musste. Er fragte sich, ob sie nicht manchmal dessen müde wurde. „Ich selbst habe nicht vor an dem Wettkampf teilzunehmen“, er machte eine kurze Pause und begann dann seine Aussage zu erklären. Er war ein wenig betreten, ganz so als gestand er es nicht gerne ein. Anderseits, warum mit etwas prahlen was man nicht hatte.

„Ich … habe sicherlich meine Talente.“ Er verzichtete auf das 'sonst wäre ich nicht hier'. „Allerdings bin ich kein Gelehrter, oder Künstler oder Handwerker, so wie es andere Teilnehmer sind.“ Er erinnerte sich an die Ankündigungen der Teilnehmer am Wettkampfaushang. „Ich hätte mir mit einem Beitrag nur eine Blöße gegeben und mir schien es, dass man ohne ernsthaften Versuch und mit ausgesuchter Vorbereitung nur Missgunst auf sich zieht, würde es doch bezeugen, dass man die Teilnahme nicht ernst nimmt. Sicherlich erwartet die höchst verehrte Prinzessin, dass sich die Teilnehmer für einen solchen Preis auch mit ihren Fähigkeiten beweisen. Gerade, wenn es um einen solchen Preis geht.“ Er blickte zu Iulia, um zu sehen, ob diese seine Einschätzung bestätigen oder berichtigen würde. Er ergänzte: „So oder so gibt es sicherlich Gründe für die Ausrichtung des Wettkampfs, und sei es nur für Unterhaltung und Vergnügen. Ich jedenfalls freue mich auf das Spektakel.“ Tatsächlich war er gespannt, was an diesem Abend vorgetragen werden würde. Und wie gut die Teilnehmer abschnitten oder wie geringschätzig die Bewertungen ausfallen mochten. „Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn ihr euch mit mir am Eingang treffen wollt.“ Kurz dachte er an Giada und hoffte, dass es zu keinem Eklat kam, wenn er bei dieser Veranstaltung mit der Harpyie erschien. Anderseits, er gehörte niemandem. Oder zumindest noch niemandem.

Er lenkte das Gespräch noch einmal auf den Gewinn des Wettkampfs. „Als der Preis verkündet wurde, so schien unter den Gästen eine gewisse Unruhe zu entstehen. Ich bin noch zu neu in der Stadt und kenne die Villa und ihre Geschichte nicht, einigen Gästen schien sie jedoch ein Begriff zu sein. Sicher, eine Villa ist ein wertvoller Preis für einen Abend der Unterhaltung. Aber dennoch schien es da um … mehr zu gehen? Hat die Villa eine besondere Bedeutung für unsere Gesellschaft?“
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