[1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

[August '22]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Vincente Carlos
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[1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Vincente freute sich auf den Abend. Es war schon eine Weile her, dass er Liviu Cosma beim Schachturnier der Harpyie kennengelernt hatte. Da Liviu jedoch nicht in Genua lebte und beide durch verschiedene Aufgaben und Geschäfte auf Trab gehalten worden waren, hatte sich erst an diesem Abend Zeit für ein Wiedersehen gefunden.

Er hatte im Vorfeld mit Mariam gesprochen, um den Abend vorzubereiten. So hatte er sich die Erlaubnis gesichert, dass Liviu und er im Elysium Unterricht abhalten durften und auch keinen anderen Gast oder gar den Herrn des Elysiums selbst mit ihrer Anwesenheit störten. Um die Schreibarbeit zu erleichtern, hatte Mariam sogar zusätzliche Lampen und Laternen aufstellen lassen, nachdem sie vom Termin informiert worden war.

Vincente erschien pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt am ausgemachten Treffpunkt. Er war zuvor durch den Garten geschlendert, um den Lärm der Stadt und den Stress anderer Aufgaben abzustreifen, damit er sich ganz auf den Unterricht und das anschließende Schachspiel konzentrieren konnte. Wenn man den Kopf mit etwas füllen wollte, so brauchte man darin auch Platz. Sobald sein Lehrer erschienen war und beide sich begrüßt hatten, würde er es Livius Kenntnis überlassen, ob es dem Raum an etwas für das Vorhaben fehlte. Im Vorfeld hatte er sich bereits eine Wachstafel, von der Liviu beim Turnier gesprochen hatte, und sonstiges Schreibzeug für den Unterricht besorgt.
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Liviu Cosma
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu Cosma, Vincente Carlos]

Beitrag von Liviu Cosma »

Liviu erschien zum verabredeten Abend im Elysium. Er genoss die Ruhe im Garten und war positiv überrascht zu sehen, was Vindente für den Abend alles organisiert hatte. Er nickte ihm zufrieden zu und begrüßte ihn freundlichen.

Seit gegrüßt werter Vindente. Wie ist es euch in den Nächten ergangen und hoffe euer Interesse Schreiben und Lesen lernen zu wollen ist noch immer so hoch wie damals beim Turnier?“

„Wir starten mit Italienisch und beginnen mit dem Handwerkzeug. Ich habe euch die ersten Buchstaben auf ein Stück Pergament vorbereitet und dieses könnt ihr für Übungszwecken nutzen. Ihr seht zuerst die Groß, dann die Kleinschreibung und dann die Lautschrift. Übt die Buchstaben zuerst auf der Wachstafel und wenn ihr geübter seid, werden wir auf Pergament übergehen.


A /a: a

B/b: bi

C/c: ci (tschi)

D/d: di

E/e: e

F/f: effe

„Sagt mir bitte ein Gegenstand, der euch zu den Buchstaben einfällt und ich schreibe dies später dazu. Ruhig etwas einfaches, damit ich das Ganze später mit einer Darstellung noch erweitern kann.“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Er strahlte, weil Liviu offenbar zufrieden mit seinen Vorbereitungen war. „Einen schönen Abend, werter Liviu“, begrüßte er ihn. „Ich bin nach wie vor am Lernen interessiert und weiß es zu schätzen, dass ihr euch die Zeit nehmt, mir Unterricht zu erteilen.“

Er ließ die vergangenen Nächte seit dem Treffen auf dem Schachturnier Revue passieren. „Ich hatte seit dem Turnier Gelegenheit, den verehrten Hüter des Elysiums zu treffen. Auch mit der wohlwerten Harpyie hatte ich eine Unterhaltung. Ansonsten sind die Monate eher ruhig gewesen.“ Kurz dachte er an die besagten Abende zurück. „Wie ist es euch ergangen? Was macht das Heilen? Wie steht es um das Heilerhaus?“

Er wartete die Antwort Livius ab und setzte sich an einen der bereitgestellten Tische. Dann holte er seine Wachstafel hervor und begann die Buchstaben des Pergaments auf die Tafel zu übertragen. Die Ergebnisse zeigte er Liviu. Sollten diese stark von der Vorlage unterscheiden, würde er sich Tipps für die Korrektur der Haltung des Schreibgriffels etc. holen, damit er so das Schreibergebnis verbessern konnte. Nachdem die Buchstaben sich zu festigen schienen, nannte er ihnen die Worte, welche ihm zu den Buchstaben einfielen.

A – Anker
B – Bug
C – Capitano
D - Deck
E - Entern
F - Flossen
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Liviu Cosma
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Liviu Cosma »

„Es freut mich zu sehen wie agiert ihr seid und ich möchte euch nicht bremsen, aber es wird etwas dauern, bis ihr diesen Unterricht abgeschlossen haben. Wir beginnen mit den ersten Buchstaben und ihr werdet diese üben und nochmals üben, um die Bewegungen zu verinnerlichen und sie sich die Buchstaben einzuprägen. Dann werden wir langsam auf den ersten einfachen Wörtern und Sätze übergehen. Es ist daher gut zu wissen, dass euch Schiffe und das Meer sehr nah sind. Ich werde versuchen aus diesem Bereich Beispiele zu nehmen. Was ist eure Verbindung zu dem Element?“

„Mit dem Lesen wird es im Italienischen etwas schwierig, da die meisten Bücher bei uns in Lateinisch geschrieben sind. Hier müssen wir schauen welche anderen Möglichkeiten sich ergeben. Vielleicht wären Brief eine Möglichkeit und ihr könntet zu einem späteren Zeitpunkt ein Briefwechsel erst mit etwas Hilfe und dann später allein dafür austauscht. Bedenkt aber, dass ihr am Anfang und auch zwischendurch Unterstützung braucht und daher sollte er nicht zu privat oder sogar intime sein. Vielleicht fällt euch jemand passendes dafür ein und in zwei bis drei Jahren solltet ihr dafür bereit sein“

„Übt weiter A /a, B/b, C/c, D/d, E/e, F/f. außerdem werden wir noch mehr Wachstafeln und später vor allem Pergament brauchen. Ich werde mir erlauben eure Schritte festzuhalten und vielleicht gelingt es mir die wohlwerte Angelique zu überreden, einige Seite zu illuminieren.“

„Wie ist es euch nach dem Turnier ergangen und habt ihr euch überlegt am Wettbewerb teilzunehmen?“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Was immer ihr für das beste Vorgehen in dieser Sache haltet“, entgegnete Vincente, „schließlich habt ihr von uns beiden im Unterricht die meiste Erfahrung.“ Kleine Fältchen bildeten sich um die Augen, als er lächelte. Er blicke auf die Wachstafel und den Griffel, mit dem er die Buchstaben in die Wachsschicht zog, hinab. Es wirkte alles noch sehr fremd und seine Pranken waren eher für das Halten von Tauen und das Zudrücken von Kehlen gemacht. Wenn er nicht aufpasste, würde er mit seinem noch recht steifen und ungeschickten Griff den dünnen Stab zerbrechen.

„Ich habe viel Zeit auf See verbracht. In beiden Leben“, ergänzte er nach Livus Erkundigung. „Ich bin Seefahrer und der Jargon ist mir entsprechend vertraut. Wahrscheinlich kann ich mir die Worte zu den Buchstaben dann tatsächlich eher merken, als“, er überlegte kurz, „wenn wir über ein anderes Handwerk sprächen oder Bereiche wie Pflanzenkunde.“ Er deutete grob in eine Richtung, in der er verschiedene Blumen auf seinem Gang durch den Garten gesehen hatte. „Wenn ihr mich zum Beispiel fragen würdet wie diese großen, hoch wachsenden Blumen mit den weißen Köpfen heißen so würde ich sie als große Gänseblümchen beschreiben.“ Er lachte. „Aber selbst mir ist klar, dass das wohl kaum ihr Name sein wird.“

Als der Briefwechsel angesprochen wurde, geriet er ins Grübeln. Vielleicht fand sich unter seinen Leuten einer, der zumindest ein wenig Lesen und Schreiben konnte. Oder es fand sich ein anderer Kainit, an dem er das üben konnte. Die Zeit würde es zeigen. Er würde sich jedenfalls auf die Suche machen.

„Ein Briefwechsel ist eine gute Idee, dann kann ich Fehler machen, ohne mich gleich vor den anderen Kainiten in wichtigen Schriften zu blamieren. Ich werde darüber nachdenken und mir etwas einfallen lassen.“ Im Moment hatte er noch keine Idee, aber das würde schon irgendwie machbar sein.

„Um Wachstafeln und Pergament kann ich mich kümmern, wenn ihr mögt. Ich will euch die Kosten für meinen Unterricht nicht aufhalsen. Falls ich beim Kauf auf etwas achten sollte, so teilt es mir gerne mit. Ich habe noch nie Pergament erstanden und würde nur ungern das falsche Unterrichtsmaterial besorgen“, bot er an.

Als die Sprache auf Angelique kam, wurde er hellhörig. „Angelique“, grübelte er. „Ich glaube mich an den Namen vom Schachturnier zu erinnern. Handelt es sich bei ihr um das Kind? Sie hatte sich, wenn ich sie nicht mit einem anderen Gast verwechsle, als Orakel bezeichnet? Kann sie wirklich in die Zukunft blicken? Und nennt ihr sie deshalb wohlwert, weil Orakel mit einem Amt gleichzusetzen ist?“ Er fand dieses Thema sehr spannend und man merkte es seinen Worten an. „Ich habe noch nie ein Orakel kennengelernt. Habt ihr es schon einmal befragt?“

„Ich habe versucht mich nach dem Turnier um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, aber wenn man einem gesellschaftlichen Abend beiwohnt, so werden verschiedene Personen automatisch auf einen aufmerksam.“ Kurz verzog sich sein Gesicht als er an bestimmte Ereignisse beim Turnier dachte. „So habe ich beispielsweise von unserer wohlwerten Gastgeberin eine Einladung bekommen und auch vom Herrn des Elysiums, dem verehrten Ilario. Ein treffen mit anderen, außer euch versteht sich, hat sich noch nicht ergeben. Aber das wundert mich auch nicht weiter, da ich bei weitem nicht alle Gäste an dem Abend kennengelernt habe.“ Er überlegte. „Was den Wettkampf um die Villa betrifft, nun ich denke die Betonung sollte hier auf Kampf liegen.“ Er erinnerte sich noch gut daran wie eine Unruhe die Gäste ergriffen hatte, als der Gewinn bekanntgegeben wurde. „Sicher, eine Villa wäre nett, aber ich bin schon mit genug anderen Personen angeeckt, dass ich nicht sonderlich versessen darauf bin mir weitere Feinde zu machen. Und wenn ich antreten sollte, dann auch nur ungern mit irgendwas.“ Er blicke Liviu nachdenklich an. „Aber ich rede wieder nur von mir. Habt ihr schon eine Idee für den Wettkampf? Und wie steht es um euer Heilerhaus und die Grenze?“
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Liviu Cosma
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Liviu Cosma »

„Schon sehr gut, probieren wir die nächsten Buchstaben und was fällt euch zu diesen ein.“

G/g: gi (dschi) = h/h: acca = i/i: i = J/j: i lunga = K/k: kappa

„Nun dann habt ihr bestimmt mehr erlebt als ich. Als Mensch habe ich meine Ausbildung im Kloster verbracht und erst als ich in die Gefolge meiner Erzeugerin aufgenommen wurde, habe ich die Welt und noch so viel mehr kennen gelernt. Obwohl meine Eltern mich gerne als Händler mit unseren Schiffen gesehen hätten.“

„Ja die gute Angelique ist von außen ein Kind, aber sie hat einen sehr scharfen Verstand und ein großes Wissen. Nein, ihre Fähigkeiten als Orakel habe ich noch nicht genutzt. Wir tauschen uns als Gelehrte, als Freunde des Schachs aus. Sollte mir etwas passieren, wird sie für mich einspringen und den Unterricht mit euch beenden. Dennoch hoffe ich das es erst nicht so weit kommt.“

„Leider spielt auch hier wieder die Politik mit und weiß nicht, ob es viel Sinn macht, wenn ich mitmache. Ich war von der Art und Weise, wie man das Turnier für diverse Machtspiele missbraucht sehr geschockt. Das Spiel verdient es nicht so in den Dreck gezogen zu werden. Versucht bei den Streitigkeiten auch auf die Personen im Hintergrund zu achten. Oft gibt es Hintergrund Strippenzieher.“

„Nun ich habe noch einmal den Schleim getestet.“


Konzentriert gibt er die Worte wieder
Spoiler!
Vortrag: 7 8 7 4 5 7
„Die Tiere fliehen vor ihr aus dem Wald in das Dorf. Sie sind so verängstig, dass selbst die Anwesenheit von Menschen sie nicht mehr abschreckt. Vögel flüchte in die Häuser, bis sie vor Hunger und Durst erschöpft von den Dachbalken fallen. Tiere gerate in Panik und trampelt sich gegenseitig zu Tode oder verletzten sich.“

„Sie und ihr Schleim. Er ist wie eine zweite Haut für sie und bedeckt ihren Körper. Klebt an ihrer Zunge und ihre Haut glänzt im fahlen Sternenlicht. Sie ist eine Jägerin und gleitet lautlos durch die Nacht. Nichts kann sie greifen oder halten und ihr Durst nach Blut lässt sie jagen. Der Rausch der Jagd, die Lust, sich mit der Beute zu messen ist ein ewiger Ansporn. Jede Beute eine neue Herausforderung, jeder Jäger eine neue Prüfung, jeder Moment des Überlebens eine Behauptung der eigenen Stärke, und jede erlegte Beute ein Triumph. Ihr toter Körper ist ein perfektes Werkzeug für die Jagt!“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

In einem besonders einfältigem Moment fühlte sich Vincente durch das Lob seines Lehrers fast schon selbst wie ein Gelehrter. Zumindest so lange wie er nicht an dem Kopieren der Buchstaben scheiterte oder er versehentlich seine Wachstafel erstach. Sein Hochgefühl war von entsprechend kurzer Dauer.

Als er nach Wörtern für die neuen Buchstaben gefragt wurde, überlegte er kurz und antwortete dann:

G - Gezeiten
H – Hafen
I - Insel
J - Jolle
K- Kahn

Als Liviu seine Fragen beantwortete, legte er den Griffel für den Moment beiseite und lauschte aufmerksam. „Kloster?“, fragte er. Er versuchte sich sein junges Gegenüber in einem vorzustellen und scheiterte. Aber das war nicht weiter überraschend, hatte er wenn dann doch nur Geschichten darüber gehört und nie selbst eines betreten.

„Vermisst ihr das Kloster und … eure Mit-Klosternden?“ Bei dem letzten Wort war seine Stimme fragend nach oben gerutscht. In Ermangelung an der Klosternähe zur Küste hatte er diese bisher nie geplündert und somit nicht sonderlich viel Interesse an ihnen entwickelt. Ein Leben hinter Mauern, immer an nur einem Ort stellte er sich sehr beengend vor. Schließlich blickte man von den Mauern zwangsläufig immer auf die gleiche Landschaft.

Als Liviu die Schiffe seiner Eltern erwähnte, leuchteten seine Augen. „Dann seid ihr ja mit der See und ihren Begrifflichkeiten vertraut“, rief er freudig aus. Vielleicht waren sie einander doch nicht so fremd. „Vermisst ihr die Freiheit, die das Meer mit sich bringt? Oder sehnt ihr euch nach den Mauern des Klosters zurück? Falls ihr mal aufs Meer hinauswollt.. das ließe sich einrichten.“ Er lächelte ihn an. Vielleicht würde er ihn noch zum Seemann machen. Es wäre beim Plündern sicher von Vorteil, wenn man lesen könnte, um was für Schätze es sich handelte oder ob man die Schriften doch getrost am Abort hinterlegen konnte. Sicher würde er auch mit bestimmten Objekten eher etwas anfangen können, als er, der ihren Zweck nicht erahnte. „Mit was habt ihr denn gehandelt und habt ihr vor euch wieder den Geschäften der Vorfahren zu widmen?“ Er musterte die Kleidung seines Gegenübers und fragte sich, ob er erst nach seiner Wandlung zu Wohlstand gekommen war oder schon vorher aus einer besser bestellten Familie entstammte.

„Angelique klingt nach eurer Beschreibung sehr interessant. Habt auch vielen Dank, dass ihr euch um eine Vertretung für die Lehrstunden bemüht habt. Es bedeutet mir viel.“ Er überlegte. „Vielleicht kann mir ja das Orakel bei Gelegenheit ein paar Fragen beantworten... ich finde die Vorstellung sehr faszinierend. Ich frage mich, mit welchem Blick sie der Welt begegnet.“ Er strich sich mit der Zunge über den rechten Eckzahn. „Ich hoffe ihr habt euch meinetwegen bei Angelique nicht in Schuld begeben müssen?“ Er wartete die Antwort ab.

Er nickte zustimmend, als Liviu auf das Turnier zu sprechen kam. „Tatsächlich muss ich gestehen, dass es naiv von mir war, als ich annahm, dass es lediglich um das Spiel an sich ging. So oder so war der Abend...lehrreich und ich werde mich in Zukunft anders verhalten als es meine Naivität an jenem Abend mir vorgab.“

Aufmerksam lauscht er den Worten, als Liviu von seinem Experiment mit dem Schleim sprach. „Habt ihr keine Angst vor der Wirkung dieser unerprobten Substanzen? Was, wenn es euch langfristig mehr schadet als nützt? Was wird dann aus euch, eurem Wissen und dem Heilerhaus?“
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Liviu Cosma
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Liviu Cosma »

"Nun nicht jedes Kloster ist gleich. Salerno ist eine Hafenstadt und die Benediktiner haben neben dem Kloster vor allem noch eine Schule für die Heilkunst. Dazu kam die nähe meiner Familie und es war keine Leben hinter Mauern. Dennoch war die Zeit im Gefolge meiner Erzeugerin was gänzlich anderes. Zuerst als Mensch, dann als Ghule und später wurde ich vollends in der Familie aufgenommen. Allein diese Eindrücke und dazu die eigenen Sinne, die sich immer mehr schärften. Auf einmal schien man nicht nur die Einzelheit zu erkennen, sondern die besonderen Kunstwerke begannen zu einem zu sprechen. Die Gefühle der Künstler, ihre Leidenschaft, ihre Lebenskraft, die sie in ihre Werke steckten, könnte ich plötzlich erkennen.“

Seine Augen funkeln dabei vor Entzücken und eine kurze Pause entsteht. Es folgt dann ein Lächeln und er wendet sich wieder seinem Schüler zu.

"Lernt weiter so fleißig und ich werde zusammen mit euch ihren Turm besuchen. Nein, ich werde ihr ein Teil meiner Schriftrollen und Bücher vermachen, falls ich diese Welt für immer verlassen muss. Ich wüste aber auch niemanden, der sie mehr verdient hat und ihr scharfer Verstand sucht in der Stadt ihres Gleichen.“

Seine Stimme wird ernster und leiser.
"Was das Turnier angeht, so hatte es an dem Abend nicht wirklich viel mit dem eigentlichen Spiel zu tun und ich werde an keinem weiteren Schachturnier der Harpyie mehr teilnehmen. Es ist eine Schande für den Sinn und den Geist des Spieles. Allein das durch die Farbe der Figuren eine Wertigkeit der Spieler aufgezeigt werden soll lässt mich das Blut erstarren.“

Schnell wechselt er aber wieder das Thema und seine Worte werden wieder freundlicher
„Ist der Einsatz unserer Fähigkeiten nicht immer mit gewissen Nebenwirkungen und Gefahren verbunden. Ich habe bei meinem Eintreffen einen sehr überheblichen Eindruck auf den Herold gemacht und statt einer einfachen Aufgabe, durfte ich auf den Straßen der Stadt nach herrenlose Ghule suchen. Was dann zu einer zeitweisen Erblindung meiner Person führte, da mich eine Welle aus Dreck, Gestank verschlang und meine Sinne regelrecht mit Eindrücken überflutete. Wenn ihr möchtet könnt ihr mir gerne einen persönlichen Gegenstand geben und ich kann euch einmal zeige was für Eindrücke ihr oder jemand anderes dort hinterlassen hat. Bei der Jägerin ist es ihr Schleim, der mir diese Eindrücke vermittelt. Es geht also nicht um die Art der Substanz oder des Gegenstandes, sondern ehr um seine Bindung zu seinem Besitzer und die Gefühle und Eindrücke, die sie oder er darauf hinterlassen hat.“
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Vincente Carlos
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Ja, der Übergang vom Menschsein kann...überwältigend wie prägend sein.“ Er dachte kurz an die Zeit mit seinem Erzeuger zurück und wie besonders, verwirrend und erschreckend die ersten Wochen und Monate gewesen waren.

Eine Augenbraue – die linke - schoss in die Höhe als Liviu sagte, dass Kunstwerke irgendwann begannen zu ihm sprechen. „Werke sprechen zu euch?“, hakte er noch einmal nach, unsicher, ob er ihn richtig verstand. Meint er die Sprache des Geldes?

Die Zeit hatte ihn gelehrt, den ungefähren Wert eines Gegenstands zu schätzen – eine Daumenregel besagte: je mehr Edelsteine,Verzierungen und teure Materialien, desto wertvoller und damit desto höher der Gewinn. Natürlich kam es auch immer darauf an, wem man etwas stahl. „Was für Kunst betrachtet ihr denn, die dann zu euch spricht?“ Er dachte an den Wasserschaden des Herolds, der offenbar keiner, sondern „Kunst“ gewesen war. Damals hatte die Wand nicht zu ihm gesprochen, wohl aber der Herold, der seinen Missmut bezüglich seiner Äußerung deutlich kund getan hatte.

„Ihr scheint große Stücke auf Angelique zu halten, wenn ihr sie sogar im Falle eures Ablebens beerben wollt. Kennt ihr sie schon lange, dass ihr sie in der Vergangenheit so schätzen gelernt habt? Ich hatte immer den Eindruck, dass die Beziehung zwischen Kainiten sehr auf Politik, den Anderen (noch) brauchen und dulden beruht – und weniger auf Zuneigung und Freundschaft.“

Jeder arbeitete gegen jeden und zu seinem eigenen Vorteil, er kannte es nicht anders.

„Natürlich freue ich mich immer über neue Bekanntschaften. Für gewöhnlich weiß ich auch mich zu benehmen“, scherzte er in Anspielung auf das Turnier. „Auf jeden Fall gebt ihr mir da einen weiteren Ansporn mich zu verbessern und Leistung zu bringen. Und ihr fügt damit einen weiteren Punkt hinzu, neben eurer Gesellschaft und dem Schachspiel.“

Als Liviu die Farben der Spielsteine der Figuren erwähnte, erinnerte er sich an die Worte der Harpye. Wenn er sich recht entsann, dann hatte man dem im Rang höher gestellten Teilnehmer die schwarzen Spielsteine zugewiesen. Er erwähnte dies gegenüber Liviu und fragte ihn nach seiner Meinung, da er die Farbwahl für zufällig gehalten hatte.

„Nun ich freue mich, dass ihr nicht länger erblindet und wieder wohl genesen seid.“ Sonst hätte ich jetzt keinen Lehrmeister, dachte er und wurde für einen kurzen Moment bei dem Gedanken betrübt. „Wie muss ich mir diese eure Fähigkeit vorstellen?“, fragte er erstaunt. Er selbst war zu dergleich nicht in der Lage. „Ihr berührt einen Gegenstand und könnt dann Eindrücke aus der Vergangenheit des Trägers sehen?“ Beide Augenbrauen huschten die Stirn hinauf. „Und weil ihr den Schleim dieser Jägerin gefunden habt und nun analysiert, könnt ihr Eindrücke, die sie durchlebt hat, nachempfinden?“
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Liviu Cosma
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Re: [1072] Lernen und Lehren [Liviu, Vincente]

Beitrag von Liviu Cosma »

„Es gibt einige in Genua, von denen ich aufgrund ihres Könnens, ihrer Taten und ihrer Persönlichkeit sehr viel halte. Ja, aber im Grunde habt ihr Recht, es geht bei den meisten um das Streben nach Macht und Einfluss. Dennoch gibt auch Ziele, die uns verbinden wie unsere Familie, unsere Wege oder die persönlichen Steckenpferde.“

Seine Stimme wirkt leicht genervt bei dem Thema Schachturnier: „Nein, die Wahl der Mitspieler und der Farben war politisch von der Gastgeberin ausgewählt. Darum durfte Arash seine beiden Partien mit Schwarz beginnen. Aber das hat nichts mit dem Spiel zu tun. Im Gegenteil man spielt in der Regel zwei Partien und die Farben wechseln dabei.“

Seine Stimme wirkt wieder freundlicher und fasziniert bei dem Thema Kunstwerke: „Aber zu den Kunstwerken. Nein, nicht ihr Wert, sondern der Künstler hinterlässt eine Spur seiner Essenz, seiner Leidenschaft, seiner Gefühle in dem Werk und übermittelt sie an den Betrachtern, Zuhörer oder Leser. Ähnlich ist es auch bei dem Schleim, er übermittelt die Emotionen der Jägerin. Ihr Verlangen und ihre Liebe zur Jagd und lässt mir diese Eindrücke nachempfinden. Das ist aber keine exakte Wissenschaft und kommt auf den Gegenstand, seine Bindung und Bedeutung für den Träger und eine Reihe andere Faktoren ab. Kann uns aber wichtige Hinweise auf der Suche nach seinem Träger geben. Ich bin schon gespannt, was bei dem Orakel raus kommt, ich habe eine Probe zum Turm bringen lassen.“
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