[1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

[September '22]
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Fiamma
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[1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Die Nacht war dunkel, vielleicht dunkler als gewöhnlich, aber für einen Neumond vermutlich nichts Besonderes. Fiamma saß an einer Häuserecke im Schutze eines flachen Daches in der Hocke und verschmolz mit dessen Schatten. Die Nacht war noch jung und so nahm sie sich die Zeit, die sie brauchen würde. Etwas in ihr sträubte sich davor die Stadt zu betreten. Ihr Nacken prickelte unangenehm und am liebsten wäre sie wieder den weiten Weg zurück in den Schutz des Waldes geflohen. Aber sie hatte es ihm versprochen und wollte sich daran halten. Bisher hatte er viel für sie getan. Warum, das wusste sie nicht, aber sie war ihm dankbar und wollte ihn nicht enttäuschen. Sie dachte an die vergangenen Nächte und lächelte sanft und vor aller Augen verborgen in die Schatten hinein.

Die Wachen vor ihr waren definitiv nicht auf Gefahr eingestellt. Vermutlich war ihr Verhalten eine Taktik und sie wollten mit dem Lärm, den sie veranstalteten, sämtliche Diebe und Taugenichtse von dem kleinen Tor fernhalten. Fiamma beobachtete sie eine Weile bei ihrem Treiben und befand, dass sie damit Erfolg hatten. Sie spielten lautstark im Schein des Feuers irgendein Würfelspiel und tranken aus großen Krügen. Vielleicht kam heute kein Dieb in die Stadt hinein, aber sie würde es ganz sicher tun, wenn auch nicht durchs Tor.

Ihre Augen wanderten die Mauer entlang und suchten eine passende Stelle aus. Fiamma wollte nicht gleich beim ersten Versuch erwischt werden. Auch wenn die Männer sie sicher nicht bemerken würden, so zog Fiamma es vor, es nicht direkt vor Ihrer Nase zu probieren. Und so huschte sie leise im Schatten einiger Häuser an der Mauer entlang zu einem etwas dunkleren Teil, dem aktuell keine Aufmerksamkeit geschenkt werden würde.

Wieder verharrte sie einige Zeit im Dunkel, sah sich aufmerksam nach allen Seiten um und als keine Gefahr drohte, schlich sie hinüber und legte ihre linke Hand auf die Mauer. Der Stein war kühler, als sie es erwartet hatte, aber sie schenkte ihm keine weitere Aufmerksamkeit und suchte schnell nach Unebenheiten, die ihr Halt geben würden. Fiamma lief einige Schritte weiter und als sie eine geeignete Stelle gefunden hatte, kletterte sie etwas ungeübt die Mauer hinauf. Von einem unsauber gesetzten Stein zum nächsten bis hinauf auf die breite Mauer. Dort verweilte sie wieder einen Moment.

Arash hatte ihr grob erklärt, wo sie hingehen musste, und sie versuchte einen sicheren Weg mit ihren Augen zu erhaschen. Aber heute Nacht waren die Schatten sogar für sie zu dunkel. Sie wollte ihre Fähigkeit nicht einsetzen. Es musste auch so gehen. Fiamma sah die Mauer hinab und in die engen Gassen hinein. Dicht an dicht drängten sich die Häuser aneinander und hier und dort waren Körbe und Kisten an die Wände gestellt worden. Sie zögerte, legte die Hände an die Kante und hätte hinunterspringen können, aber sie tat es nicht. Wieder sträubte sich etwas in ihr und so blieb sie sitzen und blickte geradeaus. Sie betrachtete die Dächer, wie sie sich eng aneinander reihten und ganz kurz schnurrte etwas in ihr und sie lächelte.

Fiamma stieß sich von der Mauer ab, sprang hinüber und landete halbwegs sicher auf der Kante des gegenüberliegenden Daches. Sie schlich langsam über die Dächer und suchte immer wieder geeignete Stellen um aufs nächste Dach zu springen. Sie bewegte sich vorsichtig. Ab und an rutschte sie aus oder unterschätzte die Entfernung, die sie überbrücken musste, ließ sich davon jedoch nicht entmutigen. Die Ziegel klapperten leise unter ihren Füßen. Hin und wieder verharrte sie still und horchte, ob jemand auf sie aufmerksam geworden war. Aber ihre Reise über die Dächer wurde lediglich von lautem Schnarchen oder einem nächtlichen Streit unter Betrunkenen oder eines zu lauten Gesprächs eines unglücklichen Ehepaars begleitet. Fast hätte sie sich verleiten lassen zu lauschen, aber sie lächelte nur verlegen und suchte weiter.

Es verging einige Zeit, bis sie an einem Dachrand verweilte und in der Hocke sitzen blieb. Vor ihr tat sich ein kleiner Platz auf. Der vierte oder fünfte, den sie diese Nacht betrachtete. Aber dieser hier sah aus, wie die Beschreibung, die Arash ihr gegeben hatte. Hier könnte es sein. Fiamma lauschte. In unregelmäßigen Abständen hallten die schweren Schritte der Wachen zu ihr hinauf. Die meiste Zeit standen sie artig vor der Eingangstür und schritten nur gelegentlich etwas auf dem Platz herum. Vermutlich um sich die Beine zu vertreten.

Fiamma zog nachdenklich die Stirn in Falten. Das Erscheinungsbild dieser Wachen wirkte anders auf sie, als das der Wachen am Tor und dennoch folgten sie pflichtbewusst einer Aufgabe. Fiammas Blick flog kurz über die Feuerkörbe, die den Platz erhellten, hinüber zu dem zweistöckigen Gebäude. Die Fenster, sowie die Eingangstür waren verschlossen. Langsam und vorsichtig bewegte Fiamma sich weiter über die Dächer und umrundete den Platz zur Hälfte. Die Wachen hatten sie noch nicht bemerkt und so ging sie einige Schritte in Richtung einer schmalen Gasse weiter und ließ sich langsam über den Rand hinunter. Mit einem leisen Geräusch kam sie auf dem Boden auf und ging hinüber zur Hausecke.

Noch verbarg sie das Dunkel und noch immer war Fiamma ungesehen. Sie drückte ihr Gesicht an die kühle Hauswand, schloss die Augen und musste sich daran erinnern, warum sie hergekommen war. Das Prickeln in ihrem Nacken wurde stärker, aber nun war sie hier und würde bleiben. Also stieß sie sich von der Wand ab und trat hinaus in den Feuerschein auf den Platz und den Wachen entgegen. Ihre Schritte waren langsam und zuerst zögerlich, wurden aber fester, je näher sie sich auf die Wachen zubewegte. Kurz überlegte sie einfach wieder umzudrehen, hätte eine der Wachen sie nicht bereits bemerkt. Also beschleunigte sie Ihren Schritt, blieb in einigem Abstand vor ihnen stehen und nahm all ihren Mut zusammen.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber handelt es sich bei dem Gebäude hinter Ihnen um das A Tarda Ora?“
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Nubis
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Die Wachen nickten bestätigend und musterten Fianna einen Moment lang. Möglich, dass einer sie sich auch lieber noch ohne alles vorstellte. Es war zumindest nie langweilig hier, auch wenn sie sich die Beine in den Bauch standen, so waren die wenigen Besuche so mancher ungewöhnlichen Gäste, die das A Tarda Ora suchten, eine gelungene Abwechslung und manchmal gar eine Augenweide.

Kaum wollte er etwas sagen, ging hinter ihm die Tür auf und ein etwas stämmiger, gut genährter Mann trat hinaus, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

"Ah endlich bist du gekommen, das dauerte aber lange! Der Herr wartet schon ganz ungeduldig auf dich. Nun eile dich aber und komme hinein."

Dabei vollführte er eine glückliche, einladende Handbewegung, die Fianna wohl in das Haus beinahe schon fegen sollte.
Die Wachen wurden damit so richtig zur Seite gedrängt und sagten dabei nichts, schienen dies wohl als völlig normal zu sehen.

"Kommt doch hinein...ja, kommt schon...", ermutigte der freundliche Mann die Dame und hoffte, sie würde mitspielen.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Fiamma
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Die Tür wurde so abrupt aufgezogen, dass Fiamma leicht zusammenzuckte. Erschrocken blickte sie geradeaus und dennoch war sie dankbar, dass der freundliche Mann, der mitten in der Tür stand, ihr aus dieser kleinen Misere half. Ihre Wangen haben sich bereits menschlich rot gefärbt und ihr war anzusehen, dass die Situation ihr deutlich unangenehm war.

Fiamma trug die einfache Lederbekleidung eines Jägers, eng anliegend, aber eindeutig nicht für sie geschneidert. Ihre roten Haare trug sie akkurat geflochten und hochgesteckt und sie bildeten einen starken Kontrast zu ihrer Kleidung. Ansonsten machte sie einen sauberen und ordentlichen Eindruck, wenn man von dem kleinen schmutzigen Streifen an ihrer linken Wange einmal absah.

Äußerlich unsicher, stand sie nur eine Sekunde an Ort und Stelle, während sich etwas in ihr, nur von geübten Augen ersichtlich, regte. Fiamma schluckte ein aufsteigendes Knurren hinunter. Zu gerne hätte etwas in ihr der rechten Wache einen ordentlichen Kinnhaken verpasst – vielleicht sogar mehr. Aber sie durfte nicht und vermutlich war es auch besser so. Also nickte sie nur stumm, sah verlegen zu Boden und setzte sich schnell in Gang. Noch während sie die wenigen Schritte zur Tür überbrückte, fragte sie sich, ob es auch verboten wäre, wenn sich ein Städter zu weit in die Wälder hinaus wagte. Aber sie schalt sich schnell selbst für den Gedanken.

Mit leisen Schritten huschte Fiamma an dem stämmigen Mann vorbei. Wenn er wollte, könnte er den Duft von frischen Kiefernadeln und frischer Erde wahrnehmen, der ganz leicht mit Fiamma mitschwang.

Drinnen angekommen drehte sie sich, ohne der Räumlichkeit zu viel Aufmerksamkeit zukommen zulassen, sofort zu ihm um. Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und senkte wieder ihre Augen zu Boden auf die Schuhe, die sie extra für diesen "Ausflug" angezogen hatte. „Habt vielen Dank!“ Unsicherheit lag in ihrer leisen Stimme. Es war deutlich zu sehen, dass sie nicht hier sein wollte.
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Nubis
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Drinnen reagierte dann derjenige, der sie hinein"gebeten" hatte, völlig anders. Nicht schüchtern, wie sie, jedoch vorsichtig und mit einer guten Portion Demut.
"Ich nehme an, ihr seid die angemeldete Fiamma? Die der hohe Herr Arash angemeldet hat?"
Er schien bereit für eine Verbeugung, wartete nur noch ihre Antwort ab.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Fiamma
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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„Ich wurde angemeldet?“ Ihre Stimme war noch immer leise, aber weniger ängstlich als noch vor wenigen Augenblicken.
Wieder spürte Fiamma die Anspannung in ihrem Nacken und sie sah sich verstohlen um, vielleicht einen Ausweg suchend. Als sie jedoch sah, dass der Mann vor ihr scheinbar auf eine Antwort von ihr wartete, besann sie sich. Schnell schüttelte sie kaum merklich den Kopf. „Wie unhöflich von mir. Mein Name ist Fiamma Degano. Bitte verzeiht mir meine Überraschung. Ich habe nicht damit gerechnet.“ Dann nickte sie ihm höflich zu. Hätte sie das jetzt sagen dürfen oder hätte sie doch lieber schweigen sollen? Sie war froh, dass Arash sich das nicht mitansehen musste. Jedoch war sie sich sicher, dass er davon erfahren würde. Sicherlich hatte er sie angemeldet, damit sie sich nicht darum drücken konnte. In ihrer Unsicherheit schwang ein leicht trotziger Ausdruck mit. Prompt erinnerte Fiamma sich an die Worte des Mannes, als er die Tür geöffnet hatte. Sie straffte ihre Schultern und sprach mit erstaunlich kräftiger Stimme weiter. „Sonst hätte ich mir nicht so viel Zeit gelassen.“
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Nubis
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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"Oh, entschuldigt....Remigio mein Name", der Mann verneigte sich tief vor ihr und räusperte sich noch in der Verbeugung mit einem nachfolgenden "und entschuldigt ausserdem meinen doch recht saloppen Ton dort Draussen, der eurer nicht gerecht wird. Doch die Stille sollte in Genua stets gewahrt bleiben und so dachte ich, euch schneller und für die Wachen nachvollziehbarer hineinzubitten, ohne das höfische Prozedere, welches sonst üblich, aber für die Aussenwelt verwirrend sein mag."

Er stand wieder einigermassen aufrecht und doch etwas geduckt, stets nun den Gast mit einer Aufmerksamkeit bedacht, wie jemand, der damit rechnete, dass sich eventuell auch ein Raubtier zeigen könnte.
Und doch sah man ihm irgendwie auch die lange Erfahrung an, die er mit ihresgleichen wohl hatte.

"Mein Herr, der Herold von Genua, wartet schon auf euer Erscheinen und trug mir zu, euch hineinzubitten, sobald ihr, auf welche die uns erreichte Beschreibung passt, draussen des Weges kommt. So geleite ich euch gern zu ihm."

Er wartete allerdings noch ab, ob Fiamma einen Moment brauchte oder vielleicht auch anfängliche Fragen hätte. Bei ihrer letzten Aussage hatte er gelächelt, ein Verlegenheitslächeln eher.
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Fiamma
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

Beitrag von Fiamma »

Seine Entschuldigung ignorierte Fiamma. Sie hatte keine großen Leistungen vollbracht, also sah sie es auch nicht als notwendig an, dass man so tat, als ob. Außerdem war es ihr unangenehm. Niemand hatte sie bisher so angeredet. Aber sie ließ sich ihre Gedanken nicht anmerken und nickte nur knapp.

Dennoch fragte sie sich, ob er immer so war oder ob er möglicherweise Angst vor ihr hatte. Nein, ganz sicher nicht vor ihr, sondern eher vor seinem HERRN. Und ohne es beeinflussen zu können, sahen ihre eben noch suchenden Augen hinüber zu der Tür, die Remigio vermutlich gleich für sie öffnen würde. Das war definitiv kein Ausweg, eher der Käfig des Löwen oder eine Kuhle voller Skorpione oder vermutlich noch Schlimmeres. Ja, vermutlich schlimmeres, wenn sie daran dachte, was auch sie nun war.

Fiamma sah schüchtern zu Remigio und ihr schossen tausend Fragen gleichzeitig durch den Kopf und sie hätte sie gerne alle auf einmal gestellt, aber vermutlich war dafür keine Zeit mehr. Und sicherlich schickte sich das nicht. Wenn der HERR bereits auf sie wartete, dann war er vielleicht schon sehr ungehalten und vielleicht schaffte sie es nicht in einem Stück wieder hier raus. Fiamma wurde innerlich immer nervöser. Dann war es auch egal, dass sie kein Gastgeschenk mitgebracht hatte. Hätte sie eins dabei haben müssen? Ihre Nervosität begann sich nach außen zu übertragen. Sie musste das schnell hinter sich bringen und weil sie nun irgendwie Mitleid mit dem freundlichen Mann hatte, entschied sie sich ihm ein kurzes ehrliches Lächeln zu schenken. Sie wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Ihre Worte hatten ihn bereits verlegen werden lassen, wie war es dann erst, wenn sie auch noch angefangen hätte zu fragen. „Dann wollen wir ihn nicht länger warten lassen.“
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Nubis
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Der Diener nickte und führte sie sodann freundlich lächelnd einige Stufen hinauf und nicht zu der Tür am Ende dieses Ganges. Nein, davon schien er sich eher fern halten zu wollen. Es ging kurz noch an einem Fresko vorbei, auf dem eine Meeresszene zu sehen war und dann eben zu besagten Treppen und zu einem Raum, der nicht allzu gross war. Ein Tisch, Zwei Stühle, mehr hatte kein Platz. Auf dem Tisch eine Öllampe.
Bevor sie eintreten konnte, klopfte Remigio an der Tür an, ging kurz hinein und kam dann wieder heraus. Es war keineswegs gesprochen worden. Doch Remigio wies nun Fiamma an, einzutreten. Er machte selbst keine Anstalten, mitzukommen.

Drin war es etwas kühler, als draussen, was spürbar war, selbst für einen Kainiten, der vielleicht nicht mehr so viel Wert darauf legen würde.
Auf besagtem Tisch lagen eine Wachsplatte mit Holzrahmen und ein Griffel bereit. Ausserdem noch ein paar kleinere Zettel, die aus einem für die meisten sonderbares Material bestanden. Es war kein Pergament.
Dabei auch eine Feder und ein Tintenfässchen.

Doch all das war noch nicht alles, denn neben dem Tisch wartete ihr eigentlicher Gastgeber dieses Abends. Deutlich ein Kainit oder etwas anderes, aber zumindest nicht menschlich.
Ein Mann von an sich normaler Statur, der in farbige, reich verzierte Leinen- und Seidenstoffe gehüllt war, wobei die Seide nur feine Akzente lieferte. Beine, wie Hände waren nicht zu sehen, waren sie doch gänzlich von den herabhängenden Stoffen verdeckt oder in langen, weiten Glockenärmeln verborgen. Ab der Seite hing zudem eine Maske aus Olivenholz und mit feinen, vergoldeten Zierelementen versehen.
Deutlich zu sehen war aber sein Gesicht, oder zumindest das, was davon noch übrig war. Feine, teils durchscheinende Haut zog sich über blanken Knochen, nur hier und da noch Fleisch der Muskeln vorhanden. Die Augen lagen tief in dunklen Augenhöhlen und durch das Licht der Lampe flammten sie wie kleine Bernsteinfunken immer wieder auf.
Die Zähne waren teilweise durch die fast gar nicht vorhandenen Lippen zu erkennen und konnten wohl selbst ein Lächeln ungeheuerlich erscheinen lassen.
Seine Haltung war steif, gerade, edel anmutend. Der Blick starr zur Tür gerichtet, genauer gesagt, sie, erwartend.

Als sie eintrat, raunte eine Stimme, wohlklingend und doch flüsternd, durch den Raum. Rau und mit einem Rascheln von trockenem Pergament begleitet, wurden Worte zu ihr getragen und umschmeichelten ihr Ohr.

"Willkommen in Genua, Fiamma, vom Clan des Tiers. Ich hoffe, der Weg durch die Wälder und durch die Stadt bereitete keine allzu grossen Mühen? Keine besonderen Vorkommnisse?"
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Fiamma
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Fiamma sah irritiert zu der Tür, von der sie gerade noch angenommen hatte, dass sich dahinter der Herold befinden würde und dann hinter Remigio hinterher. Konnte es noch peinlicher werden? Still seufzte Fiamma, ärgerte sich über sich selbst und folgte Remigio die Stufen hinauf. Das Fresco betrachtete sie nur kurz, war sie doch zu aufgewühlt, um es tatsächlich wahrnehmen zu können. Der Aufstieg ließ ihren Kopf schier explodieren vor Fragen, Annahmen und Gedanken, die sich ihr Kopf anstelle der Realität für sie ausgedacht hatte.

Artig wartete sie in gebührendem Abstand vor der Tür, in die Remigio verschwunden war. Sie wollte nicht lauschen, aber ihre Sinne waren geschärft und auf Flucht vorbereitet. Dennoch konnte sie kein einziges Wort vernehmen. Unsicher und ein wenig neugierig, wie das wohl funktionierte, runzelte sie die Stirn.

Als Remigio ihr freundlich, aber bestimmt den Weg in den Raum wies, klopfte ihr ihr totes Herz bis in den Hals hinein. Na, zumindest konnte sie daran nicht mehr ersticken.

Eingetreten, blieb Fiamma direkt hinter der Tür stehen. Zu klein! Der Raum war zu klein. Bevor sie die Szenerie in Gänze wahrnehmen konnte, huschten Ihre Augen von Wand zu Wand, erneut einen Ausweg suchend. Womöglich wurde der Raum gerade noch ein bisschen kleiner für sie.

Dann überflog ihr Blick die Einrichtung und die Utensilien, die auf dem Tisch lagen und blieb auf der imposanten Gestalt hängen. Ihre Augen musterten ihn mit großem Interesse vielleicht einen Tick zu lange und als ihr bewusst wurde, dass sie vielleicht sogar etwas starrte, schoss ihr wieder die Scham in die Wangen und sie senkte sofort den Kopf und sah auf ihre Füße. Das war ganz sicher ihr Ende!

Und so gar nicht zu ihrem bisherigen Auftreten passend, sank Fiamma in einen eleganten Knicks und lauschte seiner gar angenehmen Stimme und verharrte wie gelähmt in dieser Position.
All die Dinge, die sie gerade noch beim Aufstieg im Kopf hatte, waren nichts gegen die eine Frage, die alles andere verdrängt hatte. Wie war das nochmal? Höchst Verehrt, Wohlwert, wert, oder nur Verehrt? Ihr Mund wurde trocken und sie schluckte schwer.

Und auch wenn in ihr schwere Unwetter tobten, ließ sie nur eine angemessene Pause zwischen seinen Worten und ihrer Antwort entstehen.

Mit leiser Stimme sprach sie: „Wohlwerter Nubis vom Clan der Kappadozianer, Herold der Domäne, ich danke Euch, dass ihr mich empfangt. Meine Reise von Ferrara nach Genua verlief ohne große Vorkommnisse.“ Ein wenig Unsicherheit schwang in ihren Worten mit. Fiamma war sich nicht sicher, was er genau mit dem Erkunden nach den Vorkommnissen gemeint haben könnte. Aber sie fragte nicht nach. Sie traute sich nicht. Stattdessen hoffte sie einfach nur, dass er sie nicht an Ort und Stelle zerfleischte und sie zu seinem letzten Nachtmahl nehmen würde.
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Nubis
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Re: [1073] Versprechen müssen eingehalten werden [Nubis, Fiamma]

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Der Blick des Herolds war eisig und stechend, als Fiamma einen tieferen Knicks vor ihm vollführte. Dazu kam noch die ohnehin etwas abgesenkte Raumtemperatur im Vergleich zum Flur draussen. Etwas milderte sich dies, als wenigstens die rechte Anrede danach ihren Mund verliess.
Stumm deutete er zum Sitzplatz und setzte sich selbst, wohl, um ihr einen weiteren Fauxpas zu ersparen.

"So. Aus Ferrara also. Ist es in Ferrara üblich, dass Neugeborene gegenüber wohlwerten Amtsträgern einen Knicks vollführen müssen? Wenn ja, so seid hiermit aufgeklärt, dass sich dies hier nicht so ziemt. Es reicht ein Nicken, je nach Status ein kürzeres oder etwas längeres, tieferes. Verbeugungen beginnen bei den Ancilla und entsprechend höherer Ränge könnt ihr euch hoffentlich ausmalen, wie dies weiter geht. Falls nicht, so empfehle ich euch etwas Etikette bei der wohlwerten Harpyie Genuas zu studieren. Iulia Cornelia, Harpyie von Genua, Neugeborene vom Blut der Könige, Kind der Aurore, la principessa bianca, Prinz von Genua, Ahn vom Blut der Könige, Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige, Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige, Kind des Ventrue, erster seines Blutes, Kind des Enoch, des Weisen, Kind des Kain, des Vaters, wird euch da sicherlich auf die Sprünge helfen."

Letzteres klang wie auswendig gelernt und nun rezitiert, ohne dabei wirklich grosse Gefühle oder besondere Betonungen auf einzelne Teile der Ahnenlinie zu legen. Er setzte kurz ab.

"Doch kommen wir zu euch zurück. Ihr wollt hier vorübergehend Gaststatus erhalten. Auch für länger? Oder möchtet ihr in den kommenden Wochen oder Monaten diese Domäne wieder verlassen?"
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