[1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

[Oktober '22]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Ilario
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[1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

Mailand, der erste Frost hatte die lehmigen Straßen erstarren lassen und ihren Tross gut vorankommen lassen. Sie waren untergekommen wo man es ihnen gewiesen hatte, Ilario hatte dies nicht infrage gestellt. Ganz im Gegenteil. Er atmete bewusst die kalte Luft ein und wurde sich einmal mehr dessen gewahr, wo er hier war. Ein Kulminationspunkt verschiedenster Weltanschauungen und Konflikte. Ein Fels der Wege von Königen und Dienern des Himmels, eine Domäne im Abwehrkampf gegen schier übermächtige Gegner und doch selbst von greifbarer Machtfülle.

Er ließ allen Stolz von sich abfallen wie die Rüstung des Hochmuts, die mit dem Blut, dem Alter und der Macht kam, und ging, nach einem letzten Blick gen Giada, barfuß und im Pilgerkleid der Kirche entgegen. Sie kamen als Bittsteller, nicht als der Adel der Nacht den sie beide repräsentierten.

Mitten in die augustinische Mauer hineingebaut war San Giovanni sul Muro ebenso prachvoll wie ungewöhnlich in ihrer Architektur. Auf kainitischer Ebene war jene Platzierung in der Mauer sicher bedeutsam in mehrerer Hinsicht, war ein Symbol für sich selbst, wie auch für die jene Kainiten zu der so viele pilgerten.
Im dunkeln lag San Giovanni still da, nur vereinzelt waren Menschen auf den Straßen, in diesem Teil der Stadt. Vor dem massiven Portal mit hölzernen Schnitzungen kauerten einige Gläubige wie es schien. Ihr Aussehen war unauffälliger Natur, ihre Kleidung dem Viertel angemessen. Bewaffnet waren die wenigsten. Offenbar ein kleines Treffen in dieser lauen Nacht. Die Kirche dahinter lag nun still da, eben noch hatten die Glocken geläutet.

Schwach leuchtete die Sichel des Mondes den Pilgern ihren Pfad, ein schwaches Zwielicht trotz des klaren Himmels. Eine dunkle und kalte Nacht, die so mancher ohne Obdach vielleicht nicht überstehen würde. Hart und kalt, wie die Herzen von Königen. Hart und kalt wie die Wahrheit nach der sie suchten. Sie traten ein.

Die Kirche selbst war von innen nicht sonderlich massiv geschmückt, aber hier und da zeigte sich ein wenig Kirchenpomp. Alles in allem war sie jedoch dezenter gehalten als man erwarten sollte. Auch war sie keine riesige Kathedrale, sondern tatsächlich eine durchschnittlich große, städtische Kirche.
Die ausgesprochen gute Akustik, vermutlich der Dachkonstruktion geschuldet, untermalte jeden Schritt akustisch mit einem breiten Echo. Die Stille in ihr wirkte durch diesen stark betonten Kontrast gar noch tiefer. Kurz erinnerte sich Ilario seiner Kindheit und Jugend das unehelicher Nachkomme des Bischofs, er hatte nie gern gesungen aber hier würde jeder klerikale Choral etwas in geneigten Zuhörern zum klingen bringen.
Neben dem Altar waren eine Vielzahl von Kerzen aufgestellt, leuchteten in die sonst eher spärlich ausgeleuchtete Kirche hinein wie ein andachtsvoller Ort der Ruhe und der Selbstfindung.
Die Nächte lehren viel, was die Tage niemals wissen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Das einfache Pilgergewand lag rauh und fremd auf ihrer Haut. Giada war gewohnt, Reichtum und Status zu zeigen, war gewohnt, Stärke und Macht zu präsentieren. Nichts davon galt heute. Heute Nacht ging sie als Bittstellerin, um die Wahrheit zu finden.

Die Wahrheit jedoch war in der Tat ein zweischneidiges Schwert und wer zu sehr nach ihr griff, der musste sich blutig schneiden. In dieser Nacht würden Opfer gebracht werden, so wusste Giada. Und ebenso, dass sie selbst eines dieser Opfer sein würde.
Sie hatte damit ihren Frieden gemacht. Es gab keine überbordende Dramatik in diesen Dingen, keinen eisernen Willen, der heraufbeschworen werden musste. Die Dinge lagen so klar vor ihr wie das weite Innere der Kirche. Ihre bloßen Füße auf dem kalten Steinboden fanden festen Halt. Sie war hier, weil mit diesem Schwert der Wahrheit ein Kampf bestritten und letztlich eine Schlacht gewonnen werden musste.

Giada atmete den kalten Geruch der Kirche ein: Stein und Staub, das schale Echo des Gestanks vieler Menschenleiber, das sich mit dem alten Duft von längst abgebranntem Weihrauch mischte. Dies war ein Ort des Glaubens, eine Manifestation der Via Caeli und der tatsächlichen Macht Gottes und der Christenheit in dieser Welt. Der Glaube, so wusste Giada, schuf eine eigene Wahrheit und sie wurde hundert- und tausendfach durch die Gläubigen in die Welt getragen und zu greifbaren Tatsachen gemacht.

So wie diese Kirche selbst, Stein auf Stein auf Stein, ein festes Mauerwerk, das der Zeit trotzte und in dessen Schatten und Pracht die Menschen ihre ganzen Leben verbrachten. Auch sie selbst hatte so gelebt. Es war als würde sich ein Kreis schließen als sie nun an brennenden Kerzen und hohen Säulen vorbei durch die Kirche schritt.

Was auf sie und Ilario wartete, war ein Wahrspruch in seiner vielleicht reinsten und härtesten Form.
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Il Canzoniere
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Die Kirche lag leer da, wenn auch nicht verlassen. Das Licht einiger Kerzen blendete heimelig zu ihnen hinüber, die Akustik ihrer Schritte klang nicht ganz so leer und echohaft wie sie es in einigen anderen, größeren Kirchen tat. Der Altar schob seine Umrisse andeutungsweise aus der Dunkelheit hervor und hier und da sah man vertraute Konturen, wie etwa die Schale mit geweihtem Wasser, am Eingang oder ein großes Kreuz Christi an der Wand. Insgesamt war die Kirche von innen jedoch unscheinbar. Wirkte sie von aussen wuchtig und wehrhaft schien sie beinahe eng und gedrückt von innen zu wirken - zumindest für die Verhältnisse von Kirchen.

Sie wurden offenbar bereits erwartet. Die geisterhafte Gestalt hinter den Schleiern stand neben den Kerzen, rechts neben dem Altar, stand den Eintretenden zugewandt, reglos daneben wie ein Stück des Inventars, welches hier unpassenderweise abgestellt und dann nicht mehr abgeholt wurde. Reglos und ohne erkennbares Anzeichen von Höflichkeitsgesten, Erkennen oder auch nur geistiger Anwesenheit stand sie dort. Kein Atem hob und senkte ihre Brust, kein Puls erklang leise in den gespitzten Ohren der eintretenden Nächtlichen.
Bild

Nachdem das Eingangsportal hinter ihnen geschlossen wurde, waren sie allein. Auch wenn sie offensichtlich erwartet wurden, fühlte es sich auch so an wie einer jener Orte an denen man ganz alleine war, wie eine alte, ausgebrannte Hütte in einem tiefen Wald. Jedes hier auftretende Geräusch - und seien es die eigenen Schritte - waren fehl am Platze. Das spürten sie und das spürte das Tier in ihnen, welches misstrauisch seinen grässlichen Kopf hob.
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Ilario
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

So sehr dieser Ort Stille verlangte war Ilario bereit sie ihm zu geben und ging langsam auf die verhüllte Gestalt zu, setzte leise* seine nackten Füße einen vor den anderen. Drei Schritte vor ihrer Gastgeberin hielt er inne und senkte demütig das Haupt und schwieg. Man mochte spitzfindig argumentieren können, dass er zwar jünger war aber von hohem Blut und sie beide Ancilla, dass er das Kind eines Ahnen war... Doch nicht nur war er auf Weisung seiner Ahnen hier, nein Ilario war klar wessen Nachkomme diese Gestalt war und für was sie stand. Hier und heute stand außer Frage wie die Hierarchie zu deuten war, selbst abseits aller Demut. Diese hier war vermutlich schon Ancilla gewesen als er selbst noch geatmet hatte. Könige waren stolzer als viele andere Kainiten, doch wussten sie auch besser als viele zu erkennen wo ihr Platz war.

Also schwieg Ilario, leerte seinen Geist von allem Zweifel und Unsicherheit, denn er war hier nach dem Willen seiner Linie, und wartete darauf, dass das weitgerühmte Orakel das Wort ergriff.



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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Hier hatte einst Noellina gestanden. Vielleicht mehr als einmal - Giada wusste es nicht. Sie kannte diesen Blick ihrer Blutsmutter, diesen harten, unverrückbaren Kern jenseits von Argumenten, Logik oder Drohungen. Glaube war in diesem Kern, eine Quelle der Kraft und Macht, die keiner verstand, der sie nicht selbst erfahren hatte. Oder sie wenigstens bezeugen konnte so wie Giada. Neben ihrer verehrten, geliebten, gefürchteten Erzeugerin fühlte sie sich in ihrem Glauben oft wie eine Scharlatanin, wie eine Schaustellerin, die die richtigen Texte und Bewegungen kannte, doch sie nicht sicher im Herzen trug.

Diese Dinge gingen Giada durch den Kopf als sie näher traten. Ehrfurcht holte sie ein: Ehrfurcht vor einem Geist wie dem dieser Sybille. Was für ein Verstand musste dies sein? Von Gott berührt, mit dem Blut der ihren verflucht und gesegnet zugleich? Konnte jemand wie die Sybille noch existieren so wie sie oder vielleicht Ilario es taten oder war ihr Verstand zu weit, ihre Welt zu groß, mit einem Horizont offen auf allen Seiten, selbst nach oben und unten, ins Innerste und ins Äußerste? War es so oder erfuhr sie Schübe an Visionen so wie Angelique es einmal vor Giada angedeutet hatte?
Heilig war eine solche Gabe. Heilig vor Gott und verdammt vor Gott. Um nichts in dieser Welt wollte sie den Platz mit dieser Sybille tauschen, selbst wenn ihr eigenes Schicksal in dieser Nacht noch enden sollte. Es gab schlimmere Schicksale als den Tod.

Ilarios Geste riss sie aus ihren eigenen Gedanken und sie beeilte sich, sich tief zu verbeugen, einmal vor dem Orakel selbst, einmal in Ehrfurcht vor jenem Hauch Gottes, welcher in dieser hohen Halle zu verweilen schien wie ein Richtschwert. Heute Nacht begleitete ihre Dienerin sie nicht in dieses Haus Gottes, um Opfergaben an die Armen zu verteilen und so legte Giada ihre Gabe selbst nieder. Zwei Olivenzweige wie sie auch am Ende der Fastenzeit zum Palmsonntag verbrannt werden könnten - einen für sie selbst, einen für Ilario. Sie stammten aus Genua und so waren sie mittlerweile schon recht trocken und grau - gut für das Feuer, aber nicht allzu ansehnlich. Der dritte Zweig war seltener, denn es war ein Zweig von einem fernen Weihrauchbaum und galt der Sibylle selbst.
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Il Canzoniere
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Als sie sich schließlich bewegte schien sie so leicht zu sein wie ein Gedanke. Kein noch so leiser Ton ging von ihr aus, als ob sie abseits der Realität solcher profanen Dinge wie Geräuschen stehen würde. Keiner ihrer Schritte machte auch nur die Anstalt einen eigenen Klang entwickeln zu wollen. Dies unterstrich ihre geisterhafte Gestalt nur noch umso mehr und jedem der sie so betrachtete offenbarte sich ein Gedanke: waren sie alle wirklich zum Vampirismus verdammt oder lediglich zum Untod? Gab es nicht Clans, wie die Nosferatu die etwas ghoulhaftes hatten, unabhängig von der Bezeichnung "Ghul" für einen vitaeabhängigen Diener? Gab es nicht verfaulende Zombies und klapprige Skelette unter den Kappadozianern? Groteske homunculi- oder gar chimärenhafte Mischgestalten unter den Gangrel? Ungestaltige Wiedergänger im Clan des Drachen? Vor dem Hintergrund der Wirklichkeit verblassende Kreaturen in den Schatten?

Wenn man diesem Gedanken folgen sollte, dann war jene Gestalt, vielleicht alle aus jenem Geblüt, eine geradezu geisterhafte Gestalt. Ihr Kontakt mit der phyikalischen Welt schien sich auf ein Minimum zu beschränken. Ihr Schleier und ihre Kleidung bewegte sich, wie von einem geisterhaften Lufthauch getroffen, leicht nach hinten, als würde sie entgegen des Windes laufen. Ihre blasse, mondfarbene, ja durscheinende Haut hatte den Effekt, das man beinahe durch sie hindurchblicken konnte. So irrgestaltlich und surreal wirkte ihre Erscheinung, das sie auch bloß ein Abbild ihrer selbst hätte sein können.

Die leise Stimme war dünn und fern, aber ließ dennoch ein Volumen - besonders in den hohen Tonlagen - erkennen das einer Banshee würdig wäre, wenn man von einer solchen denn schon jemals gehört habe. Es war nur ein kurzes seufzen das sie erklingen ließ und doch ließ es die Kälte in die Knochen der Gäste kriechen.
Mit einer grazilen aber substanzlosen Geste bat sie die beiden sich zu erheben, dann, mit einer weiteren, zu sprechen.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada richtete sich gerade auf. Naturgemäß wollte sie sogleich antworten, doch ebenso naturgemäß gebührte Ilario das erste Wort. Sie hielt sich zurück - nicht zum ersten Mal in diesen Tagen. Nicht zum letzten Mal, ganz gewiss.

Sie lenkte ihre Gedanken auf das, was vor ihnen lag: Was war eine Wahrheit? Auf den ersten Blick konnte dies so simpel wirken: Der Himmel ist blau, die Sonne gelb, die Steine sind grau. Doch war dann ihre Welt falsch, in der der Himmel schwarz war, in der es keine Sonne gab und in der die Farbe der Steine sich mit jedem Ort und jeder Landschaft wandelte? Natürlich nicht. Ihre Welt war wahr.

Wie konnten zwei solche Dinge, wahr sein? Absolutheit war eine Antwort. Der Himmel war nicht immer blau oder schwarz. Die Sonne war nicht immer zu sehen. Nicht jeder Stein war grau oder weiß oder schwarz oder rot. Kaum eine Wahrheit war vollständig und absolut.
Nicht einmal Gott.
Der letzte Gedanke kam ungebeten und erinnerte sie daran, wie brüchig ihr eigener Glaube war. Sie verdrängte ihn mit den altvertrauten Formeln des Glaubensbekenntnisses. Credo in Spiritum Sanctum, sanctam ecclesiam, sanctorumcommunionem, remissionempeccatorumcarnisresurrectionemetvitamaeternam... . Die tausenfach gedachten und zuvor schon tausendfach gesprochenen Worte rollten durch ihre Gedanken und machten sich selbst dennoch nicht wahrer. Sie wünschte, sie könnte wahrhaftig glauben wie ihre Blutsmutter es konnte. Wie Ferrucio in Genua es anscheinend vermochte, wie womöglich Macario es versuchte, wenn er vor seinen abgrundverfärbten Alpträumen floh. Doch Giada musste zugeben: Zumindest in ihrem Herzen war Gott keine absolute und keine vollständige Wahrheit.

Was sonst? Der Abgrund.
Ja, das war eine absolute Wahrheit. Der Abgrund war immer lichtlos. Er war vor dem Licht und würde auch nach dem Licht sein. Er war zeitlos und endlos. Es gab nichts an ihm, das brechen konnte so wie die ewig widerstreitenden Wahrheiten in dieser fehlerhaften Welt brechen, sich verfälschen und verdrehen konnten.

Und damit waren ihre Gedanken an jener Erkenntnis angelangt, die wohl der Schmiedehammer für das Werk dieser Nacht werden konnte. Nichts in und aus dieser Welt, in der sie standen, konnte eine absolute Wahrheit sein. Und darum war jede Wahrheit, die ausgesprochen wurde, wandelbar, formbar, verschiebbar. Es kam darauf an, von welcher Seite sie gezeigt und von welcher sie gesehen wurde.
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

Seine schmale Gestalt straffte sich, sie waren nicht nur in Demut hier, sondern auch als Repräsentanten ihrer jeweiligen Linien. Alten, stolzen Linien, die am schwarzen Stein von Ferrara einen Pakt geschlossen hatten. Er sprach leise angesichts der Stille um sie herum, doch mit in sich ruhender Gewissheit. Er war hier, weil er hier sein sollte, hier sein musste. Eid und Blut ließen keine Wahl.

"Wir treten vor euch verehrte Sybille der Lombardei, Ancilla vom Blut Malkavs, Kind dessen den man den Ketzer heisst, Ahn vom Blute Malks, der schon den Glauben an den einzig wahren Gott erkannte in jenen Nächten da dies als Ketzerei galt. Wir treten vor euch um Gewissheit zu erbitten auf Geheiß unserer und eurer Ahnen. Gewissheit über unsere Vermutungen, Gesehenes, Gehörtes und Erahntes. Schreckliche Gewissheit, die uns nicht mehr loslassen, nicht mehr untätig bleiben lassen wird."

Ilario hielt inne, ließ all die Kälte die jene ältere Ancilla vor ihm ausstrahlte in sich einsickern. Er nahm sie auf und sie fand sich in seiner Stimme wieder als er weitersprach, ohne weitere Umschweife zur Sache kam.


"Das Zerrbild... Sprach er mit unser aller Feind? Übte er Verrat an unserer Heimat, an der See, an den Schatten und am Blut?"
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Die durscheinende Gestalt wandte ihren Kopf Ilario zu, als dieser zu sprechen begann. Ihr Blick fokussierte einen Punkt einige Zentimeter hinter seinen Augen, ihre geisterhaften Bewegungen begleiteten ihre Antwort wie eine Aura. Statt das die Begegnung durch die beiden Gäste mehr an Greifbarkeit oder gar Realität gewonnen hätte, schien sie mit jedem Augenblick irrelaer zu werden, dabei war bisher nicht vielmehr passiert als das ein paar Worte der Begrüßung gewechselt worden waren.

Mit einer zustimmenden Geste und einem knappen Blick, auch zu Giada hinüber, schien sie ihn dazu antreiben zu wollen jene Vermutungen, Gesehenes, Gehörtes und Erahntes weiter auszuführen. Sie wollte es laut ausgesprochen und aus ihrer beider Münder hören. Dabei schwieg sie, wechselte lediglich mit einem lediglich spürbaren Augenaufschlag mit der Aufmerksamkeit zwischen ihnen beiden hin und her.

Die ganze Geschichte musste ihren Weg hinaus finden. In diese Kirche, in der schon so viele Worte gesprochen worden waren, so viele Schicksale berührt, so viele Offenbarungen und Erkenntnisse gefunden worden waren. Zwischen all diesen Wahrheiten, würde die ihre doch nicht weiter auffallen oder nicht?
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada neigte den Kopf und beeilte sich dann, der Aufforderung zu folgen und einen Anfang zu machen. Sie hielt den Blick dabei gesenkt, um sich ganz auf diese Dinge zu konzentrieren. Auf Erinnerungen, wie alles begonnen hatte.

“Als ich in Genua ankam, war die Lage des Schwarzen Seneschalls bereits …prekär”, begann sie. “Seine Gefolgsleute wurden weniger und sie allesamt wankten. Zugleich standen die Ventrue geschlossen und die Weiße Prinzessin hatte begonnen, junge Neugeborene fester an sich zu binden.”

Sie räusperte sich. “Mir schien damals nur natürlich, dass jemand wie der Seneschall nach Verbündeten Ausschau hält. Nach solchen, die ihm auf den Thron helfen, der ihm in diesem blutigen Streit in den Fünf Nächten, nach dem Klagenden Hof, versagt worden war.” Sie beschwor vor ihrem geistigen Auge das Bild des Seneschalls herauf, wie er in jener Halle im A Tarda Ora stand. Die Halle, die nicht der Löwenthron war. Sie konzentrierte sich, um seine Worte in ihre Erinnerung zu zwingen, die er einst zu ihr gesprochen hatte, als sie es gewagt hatte, sich ihm vorzustellen: ‘Das erste Mal, als ich die Stadt in meiner Gewalt hatte…’. Die Worte zogen in ihrer Erinnerung vorbei und klangen darin mit dem vereitelten Eifer des gescheiterten Usurpators.*

“Ich selbst wusste nur zu gut, wie die Tedesci vorgehen. Wie sie arbeiten. Ich habe es dutzendfach gehört und ich habe es selbst mit angesehen. Wenn es ihnen gelänge, ihm ein Angebot zu machen… …wenn es ihm gelänge, dies vor dem Großteil der See der Schatten geheim zu halten, dann könnten sie ihm auf diesen Löwenthron von Genua helfen. Es wäre nur eine Frage des Preises, für beide Seiten.” Sie konzentrierte sich erneut, um sich Lydiadas’ Worte in ihre Erinnerung zu rufen: ‘Wenn ich von den Nosferatu für eine Wagenladung Hafer die Information einkaufen kann welche drei Figuren ich umwerfen muss, damit der König fällt…’

Giada sah langsam auf. Sie hatte den Punkt erreicht, indem ihr Zorn über das Vordringen der Tedesci langsam heller zu glühen begann. Meist hielt sie ihn sorgfältig begraben und im Zaum, doch allein der Gedanke daran, wie leicht jemand aus dem eigenen Clan bereit sein konnte, sich für einen Marionettenthron an den Feind aus dem Norden zu verkaufen, ließ ihre Wut heißer brennen.


*die Erinnerung kommt von hier: viewtopic.php?p=70124#p70124
…und hier: viewtopic.php?p=70664#p70664

Wurf um sich richtig zu erinnern: 10, 9, 6, 4, 4, 3, 2
Gesperrt

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