[1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

[Oktober '22]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Il Canzoniere
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Der geisterhafte Blick lag einen Moment noch auf Giada, ehe sie sich erneut Ilario zuwandte. Bisher schien noch nicht allzu viel mit Substanz herumgekommen. "In chronologischer Reihenfolge: was folgt darauf? Wir benötigen den ganzen Weg der Erzählung um es zu einem ganzen Bild zusammenzuführen. Spart nicht mit euren Erkenntnissen, dem was ihr gesehen habt, dem was ihr zusammengesetzt habt. Wir müssen dem Pfad der Wahrheit bis ganz ans Ende folgen." dann wandte sie den Kopf zurück zu Giada. "Danach ergänzt ihr alles von eurer Seite das auch nur im entferntesten in das Thema mit hineinspielt. Es ist komplex. Man muss das ganze Bild sehen um das Muster darin zu erkennen. Legt es mir und einander dar wie als ob ihr es für euch selbst durchgehen würdet. Verknüpft die Fäden und markiert die losen Enden. Was ergibt Sinn? Was ergibt keinen Sinn?"

Ihr Blick glitt durch den Raum und blieb einen Moment auf dem Eingang liegen, ehe sie sich erneut den beiden Gästen zuwandte. Einen Moment lag der Eindruck in der Luft als ob die Glocke gleich erneut mit dem Schlagen beginnen würde, dann verflog der Augenblick und ließ sie allein mit der geisterhaften Seherin zurück.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada senkte den Kopf. Für einen Augenblick musste sie sich sammeln. Es war schwer, das Gewicht der Kathedrale um sie her. Das Gewicht der Nähe der Sibylle von Mailand. Das Gewicht des Moments.
Dies mochte gut und gerne ein Zug sein, der ihre gesamte Existenz mit auf eine Karte setzte. Eine Karte in einem Spiel der Ahnen, in welches sie hineingeboren worden war. Es fühlte sich an als hätte ihre gesamte Existenz sich in all ihren Windungen nur auf diesen einen Punkt zubewegt.

Schwächere Geister verzweifelten an so einer Erkenntnis, verbitterten, verblassten. Noch schwächere versuchten eine ziellose, hoffnungslose Rebellion, nur um dann namenlos zu vergehen wie Funken, die aus einem Feuer in die kalte Nachtluft aufstoben.
Giada hatte die Verführung von beidem kennen gelernt und beides in so vielen, langen, hässlichen Stunden niedergekämpft. Verzweiflung, Blut, Tränen - darin lag keine Hilfe. Rebellion - darin lag keine Hoffnung. Was blieb, war die kalte, harte Gewissheit der Macht, von der sie geführt wurde, deren Echo in ihren Adern floss, die ihr ein zweites Leben gegeben hatte. Und mit Boukephos’ Blut eine Pflicht, die unvorstellbar viel größer war als sie selbst.

Darum stand sie nun hier und darum setzte sie nun an, die Lage zu schildern.

“Es ist ein Mosaikbild, das sich in der Tat aus vielen Einzelheiten zusammensetzt”, begann sie auszuholen. “Ich beginne mit den Anzeichen, die ich erkennen konnte. Der verehrte Ilario Contarini, dessen Blick weiter ist und welcher die Domäne Genua länger kennt als ich, kann dies gewiss ergänzen und in Zusammenhänge rücken.”

“Über die Jahre hinweg verfielen die Unterstützer Lydiadas’ in Genua. Sie wurden von der Weißen Prinzessin ausmanövriert, wie Salvador, oder sie begannen einen Pfad der eigenen Rebellion und Auflehnung gegen Lydiadas.”

“Da ist der Meuchelmörder Benjamin, der einst so eng an der Seite des Schwarzen Seneschalls stand und dann seine eigene Freiheit erklärte. Da ist der Hilfsliktor Salvador, verbannt aufs Meer und aus dem Stadtgeschehen heraus. Da sind die Brujah aus der See der Schatten, zur Zeit vertreten mit Gabriel Ducas, die trotz ihrer in der Geschichte begründeten Feindschaft gegenüber dem Clan der Könige doch nicht fertigbringen können, sich an Lydiadas’ Seite zu stellen und ihn zu unterstützen. Da sind die Toreador mit Adamo Manacres und dem Heiler und Seher Liviu Cosma, welche sich gänzlich in ihrem Selbstmitleid über die Behandlung durch den Clan Ventrue ergehen ohne auch nur daran zu denken, dass in der Unterstützung des Schwarzen Seneschalls eine Stärkung ihrer Lage liegen könnte.”

“Andere Neugeborene haben sich in Feindschaft gegen ihn geäußert: Arash, die Geißel. Liutprand, der Erste Liktor - auch wenn seine Äußerungen verhalten und sehr verdeckt bleiben. Keinen der Ancilla konnte der Schwarze Seneschall an sich binden.”

Giada machte eine knappe Geste zu Ilario him wie um diesen Teil dann doch lieber ihm zu überlassen.

“Zugleich wuchs der Druck aus der See der Schatten, denn es war in der Domäne Genua, das dort zum ersten Male eine direkte Grenze zwischen der See und den Deutschen aus dem Norden lag. Zugleich jagt die Flotte der Deutschen in der See. Lydiadas hätte längst schon einen Erfolg zeigen müssen und es gab keinen.”

Giada straffte sich.

“Und dann begannen die Schattenkämpfe um Votori. Es ist ein kleiner Grenzort zwischen Savona und Genua. Die Grenze ist auch in der Welt der Sterblichen nicht unumstritten zwischen Kaiser und Papst.”

“Die Weiße Prinzessin gab den Befehl aus, dass Votori zu sichern sei. Und ihre Amtsträger gehorchten, ebenso wie jene, die sich die Gunst Aurores verdienen wollten. Doch es wurde kaum ein Fortschritt erzielt.”

Giada beschwor das Bild von Arashs Bitterkeit vor dem inneren Auge auf. Das Bild des Eifers und zugleich der Ratlosigkeit von Liviu Cosma. Das Bild von Liutprand, der sich stoisch um Haltung bemühte.

“Es hatte Gründe, warum Savona eine Nosferatu nach Votori geschickt hat anstatt jemanden wie Brimir direkt wie Waffe oder Wehr zu gebrauchen. Er kann verborgen die Nachrichten überbringen, die sie überbringen muss. Und es hat Gründe, weshalb Arash, trotz all seiner Fähigkeiten, seiner gut ausgebildeten Waldläufer, der Bestien und Tiere unter seinem Befehl unfähig war, auch nur eine Spur von ihr zu erhaschen. Es hatte Gründe, weshalb der Seher Liviu Cosma in seinen Erkenntnissen nur Jagdlust und Dunkelheit fand. Es hatte Gründe, weshalb selbst Nicolo Trevisan mit dem Dritten Auge keine Hilfe bei jener Jagd geben konnte.”

Mit einer harschen Geste unterstrich Giada ihre Ausführungen und führte sie zusammen: “Es war Lydiadas selbst, der diese Nachforschungen in Schatten tauchte. Sein Hauptweg für Nachrichten und Austausch liegt genau dort.”

“Was mir fehlte und mir noch immer bruchstückhaft ist, worin ich die Gewissheit Eurer Weisheit erhoffe, ist die Festigkeit der Einzelheiten. Ich weiß jedoch dies, gerissen in Bruchstücken und Fetzen aus dem Geist von Lydidas’ eigenen Männern: … .”
Wie oft hatte Giada diese Worte nun schon in ihrem Geist gewälzt und gewälzt? Sie konnte es nicht sagen.

“Dass er ein Bündnis mit den Deutschen gesucht hat. Es muss dort in Savona wenigstens einen geben, der eine direkte Verbindung zu den Mächtigeren unter ihnen hat. Lydiadas bietet für seine Herrschaft in Genua an, den Nachschub für Mailand zu unterbinden. Er bietet an, die Deutschen nicht zu flankieren, wenn sie Mailand angreifen und nach Turin greifen. Er verlangt dafür den Löwenthron von Genua und er verlangt einen ersten Zugriff auf die Mysterien von Turin.”

Jene Mysterien, welche Lydiadas niemals bekommen durfte. Welche niemand jemals in den Händen halten durfte, der nicht in Blut und Pflicht eingeschworen war, sie für immer versiegelt zu halten. Lydiadas’ Griff war eine Gefahr, die weder die Deutschen noch der Großteil der See der Schatten begreifen konnte. Deshalb war Mailand kein Teil der See. Deshalb war Turin verschlossen. Giada sprach diese Dinge nicht aus. Sie versiegelte sie in ihren Gedanken so gut sie es nur konnte.

“Wie lange diese Botschaften schon gehen, konnte ich nicht erkennen. Ich kann einen Geist aufbrechen, doch ich besitze nicht das feine Geschick der Ältesten. Ich besitze keine Sehergabe und mein Blick richtet sich allzu oft nur in die Finsternis.”

“Doch was ich erfahren konnte, war, dass aus Genuas Norden her die Tedesci begannen, ebenso eine Linie von Boten zu eröffnen. Und wieder schienen Genuas Geißel und selbst der Meuchler Benjamin hilflos, diese auch nur zu entdecken. Richard von Tann, Blutvogt von Pavia, hat mir selbst die Namen einiger Neugeborener in Genua abgepresst, als er mich von Mailands Grund weg gefangen nahm. Er hat begonnen, Neugeborene in meinem Namen zu kontaktieren.”

“Dies habe ich mir zusammengesetzt aus seinem Gebrauch meiner eigenen, in der Folter gebrochenen Diener, aus dem Bericht des Herolds Nubis, welcher wohl eine solche Einladung zum Gespräch erhielt, aus den Andeutungen des Nosferatu Vergonzo Faro. Doch Pavias Schergen von Norden her agieren so geschickt dank des Rückhalts, des Schutzes und der Informationen von Lydiadas, ähnlich wie es um Votori her geschieht.”

Hier setzte Giada eine erste Pause, um dann zu bitten: “An welcher Stelle kann ich Euch das Bild noch besser zusammensetzen?” Und dann, an Ilario gewandt: “Ich will hoffen, dass ich dies gut umrissen habe so wie es sich mit Euren eigenen Erkenntnissen zusammenfindet.”
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

Er ließ Giada gewähren, nickte hier und da bei ihren Schilderungen. Immer wenn die Rede auf eine Übereinkunft oder Zusammenarbeit mit den Tedesci kam legte sich bittere Verachtung für dieses tun auf sein Gesicht. Schließlich, als Giada geendet hatte, verschränkte Ilario die Arme und begann selbst ruhig zu sprechen.

"Es ist so wie die werte Giada sagt. Der sehr verehrte Lydiadas wird seinen Ruf nicht nur gerecht, er setzt alles daran ihn nun auch zu übertreffen. Dies liegt sicher auch darin begründet, dass er sich wiederholt als zu schwach erwies die höchstverehrte Aurore von Genua zu bezwingen, ihr den Thron zu rauben. Allein dass der Aschene Pakt zustande kam bewahrte ihn vor dem Fall. Unser Blut ist nicht dafür bekannt Versagen zu tolerieren. Der Schwarze Seneschall steht nicht nur unter Druck, er steht unter Zugzwang. Denn wie die werte Enkelin des höchstverehrten Prinzen Totila andeutete ist die Weiße Prinzessin viel besser darin die Bedürfnisse der Neugeborenen zu lesen und sie an sich zu binden. Sie verbirgt ihre Kälte, ihren Schrecken, während er mit dem seinen spielt. Dadurch, auch weil junge Kainiten noch viel mehr wie Menschen denken, verliert er jede Nacht ein wenig mehr seines Einflusses an meine Lehnsherrin. Und das während tief im Herzen der See die Feinde Lydiadas sitzen und nur auf ihre Gelegenheit warten. Also tut er neue Verbündete auf."
Ilario passierte, sah zu Boden und suchte dort eine Fixpunkt, eine Fuge im Gestein, an der sein Blick sich festhielt, während seine Kiefer vor unterdrückter Wut voll Anspannung waren.
"Ich habe es gesehen, in den Schatten. Fabian von Wittlingen. Er liest die Botschaft. Das Pergament. Unsere Unterstützung für Mailand... versenkt. Es ist undeutlich, wie alles um den Schwarzen Seneschall herum entzieht es sich den Schatten. Er schützt sich vor seinem eigenen Blut. Warum nur...? Gleichsam losgelöst von der Schöpfung... Warum nur? Er fürchtet eine große Macht Siziliens, was also läge näher als sich gen Norden zu wenden und mit tedescischer Hilfe zu erlangen was er begehrt und braucht?
Wie kann sich Fabian von Wittlingen mitsamt der Tedesci-Flotte jeder Entdeckung entziehen? Genuesen, Pisani, alle suchen und sind wachsam, doch bleibt eine ganze Flotte verborgen... Durch Verrat."

Ilarios Blick riss auch los von der Fuge und fand jenen der Sybille. "Ihm muss Einhalt geboten werden. Er ist ein Feind Genuas, ein Feind Mailands und Turins. Ein Verräter und Feind der Schatten. Kein Wunder dass er nach Genua zusammen mit den deutschen Ventrue seine fahle Hand gen Turin streckt."
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Il Canzoniere
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Die Sybille stieg mit ein, in den Ringtausch der Erkenntnisse, der Vermutungen, der Zusammenhänge. Sie warf jenes ein was sich nach und nach in ihrem Geiste angesammelt hatte wie Waben in einem Bienenstock. Zog alte Informationen aus ihrem Unterbewusstsein und ergänzte sie um Erkenntnisse der letzten Nächte:

"Sie kennen sich schon ewig. Manfred von Ulm, Ahn des Clans der Könige und Prinz von Tübingen und euer schwarzer Seneschall. Sie haben sich um 900 herum die Hände geschüttelt, als Sizilien und Aachen um Korsika verhandelten. Als sich die ersten auf jene verbrannte Erde wagten. Lydiadas besuchte die Alpen, von Fraxinetum aus tarnte dies als Raubzug und stieß Verhandlungen mit den Tedesci an. Manfred von Ulms Kind, Markus von Ansbach, wurde daraufhin erster - und letzter - tedescischer Prinz Korsikas. Sie handelten Demarkationslinien aus die jüngst durcheinandergeraten sind, durch diepisanische Eroberung der Insel. Nördlich der Demarkationslinie begannen die Tedesci daraufhin eine Domäne nach der nächsten zu stürzen, ohne das die See einen Finger rührte. Lugano, Varese, Como, Bergamo, Brescia, Verona, Mantua, Cremona, Pavia. Ihr wart selbst dabei. Die See wiederrum ging völlig ungestört im Rest taliens voran. Cosenza, Tarent, Brindisi, Genua, Bari. Auch da wart ihr dabei. Und dann ist Korsika passiert. Pisanische Söldner überschreiten die Demarkationslinie die Lydiadas selbst ausgehandelt hat. Eine Abtauschdomäne wird ausgehandelt. Genua. Lydiadas wird nicht nur die weiße Prinzessin verraten, er wird die See als ganzes verraten. Denn nicht nur in Genua hat er keinen Rückhalt mehr. Auch in Catania sieht es ganz ähnlich aus. Die wenigen Getreuen die er dort noch hatte hat er mit nach Genua genommen. Sie sind dem blutigen Bürgerkrieg zum Opfer gefallen. Mehrere Gruppen Kainiten auf Sizilien hungern nach seiner Asche. Er wird die Rolle Aurores in der See übernehmen - auf tedescischer Seite. Durch jenes was er aus den Ruinen Turins stehlen wird, rettet er sich vor Racheakten der Sizilianern. Das ist seine Hoffnung. Auch ist er durch den etruskischen Puffer weit genug entfernt von Vergeltungsakten und er steht zu gut mit den banu haqim als das diese Jagd auf ihn machen würden. Was hat er zu verlieren? Er war stets sich selbst der Nächste." warf sie die eher als gesichert geltenden Informationen in die Mitte, ehe sie sich erneut Ilario und Giada zuwandte.

"Weiter. Als nächstes kommen die Mutmaßungen, jene Teile des Wissens wo noch Stücken fehlen. Auf die man sich weniger einen Deut machen kann als auf jene anderen. Danach jene bloßen, ungesicherten Vermutungen." als ob sie drei Haufen voller Informationen sorgfältig aufstapeln wollen würde.
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Ilario
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

"Wenn dem so ist, dann ist es nicht abwegig zu ergründen, wieso der sehr verehrte Lydiadas die seinen in Genua eher meidet. Man sollte meinen er würde als Ältester im Blut der Schatten mehr delegieren, mehr Präsenz zeigen. Doch nein, er macht sich rar... mutmaßlich auch, damit ihm niemand auf die Schliche käme. Er hat gemordet unter Ahnen unseres Blutes, auf den ersten Blick scheinen es Feinde der See gewesen zu sein. Alexander in Pisa, der Erzeuger der ebenfalls verblichenen Acacia, ein gut vernetzter Ahn der Schatten... eliminiert. Vielleicht wusste er etwas? Vielleicht war ein Handelspartner im Begriff ihm Informationen über Lydiadas Gespräche mit dem höchstverehrten Manfred von Ulm zu verkaufen?"
Mutmaßung reihte sich an Mutmaßung. Dann rieb Ilario sich nachdenklich das Kinn.
"Vielleicht wurde jene tedescische Hintertür stets offengelassen... Als am klagenden Hof Lydiadas der Weißen Prinzessin den Fehdehandschuh hin warf, zogen sich die Ahnen anderer Mächte zurück. Der höchstverehrte Totila hatte sicherlich gute Gründe, vielleicht argwöhnte er einen zeitgleichen Schlag der Tedesci gen Milano? Mein sehr verehrter Erzeuger, Lucius Valerius Galba, zog sich zurück. Vermutlich weil er seinerseits die Tedesci seit Dekaden gegeneinander ausspielte, wie auch weil Lydiadas sein Kopf sicherlich auch gut auf einer Lanze gefallen hätte. Womit er vielleicht sowohl nördlich der Alpen wie in Catania hätte punkten können.
Zuletzt wären da die Tedesci zu nennen, warum hatten sie es so eilig fortzukommen? Die Unterstützung ihres Clans für die Herrin Aurore kam erst spät, von Savona aus. Und wurde abgefangen, verraten. Von dem der damals noch Galeno hieß. Unser Chronist versuchte meine Person damit in Verbindung zu bringen... Doch ich war mit anderen, schattigen Geschäften beschäftigt. Mit dem Blut der Wanderer... Was wenn Lydiadas um die savonesische Route wusste, was wenn ihm unwahrscheinliche Verbündete diese steckten?"

Man konnte sich in solchen Spekulationen verlieren, solche zu ergründen waren Teil von Ilarios Essenz. Vielfach erwiesen sich Intrigen und politische Spinnennetze als filigrane Konstrukte in einer Welt aus Spiegeln und Schatten. Manchmal war die Wahrheit aber auch schlicht und brutal, traf wie ein Hammerschlag.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Genua ist am äußeren Rande der Einflussbereiche der See der Schatten - ein Brückenkopf vielleicht, eine Trophäe womöglich. Hätte Lydiadas es nehmen können, so hätte er seinen Machtanspruch bewiesen und gefestigt.”
“Doch Aurore ist keine Närrin. Sie ist auch kein einfacher Spielball für ihn oder für die Mächtigen, die aus dem Norden herunter drängen.”

“Ich erinnere mich an den für ihre Verhältnisse beinahe empörten Widerspruch von Aurores Tochter im Blut, von Iulia Cornelia, als ich einmal das Gespräch öffentlich auf Aurores gebrochenen Vasalleneid brachte. Empörung, verletzter Stolz, die Verteidigung, dass es seinerzeit keine bessere Wahl gegeben habe. Sie wird mir mein Herausreizen ihrer Reaktion vielleicht auf ewig nachtragen und mich auf ewig in diesem Licht zeichnen, doch was ich in ihrer Reaktion sah, ebenso wie in Andeutungen Liutprands, eines anderen Neugeborenen Ventrue aus Mithras’ Linie, ist doch, dass zumindest diese beiden Genuas Position alles andere als besiegelt sehen. Ob dies ein Echo davon ist, wie Aurore selbst sich ihnen gegenüber gegeben hat?”

Sie machte eine Geste zu Ilario herüber. “Es mag sein, dass Lydiadas nicht wagt, sein eigenes Blut stärker in sein Joch zu zwingen, weil er zurecht den Einfluss Aurores auf die Neugeborenen fürchtet. Ist nicht Macario ihr mittlerweile verschworen? Ist nicht Vincente bereits aufgrund seiner Unerfahrenheit von Iulia Cornelia so beeindruckt und vereinnahmt, dass er sie dem eigenen Blut vorzieht?”

“Nein, Lydiadas musste sich zurecht Rückhalt, Stärke, Verbündete und Helfer außerhalb von Aurores direkter Einflusssphäre suchen.”
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Sie nickte Ilario ob seiner Mutmaßungen sanft zu. "Savona als Bauernopfer, nur zu dem Zweck an Bord geholt worden um Soldaten zu schicken... deren tedescische Uniformen so neu waren, das ihre Kragen nur einen Knick hatten. Es war die erste öffentliche Präsentation Liutprands von Savona, gemeinsam mit den Tedesci und soweit ich weiß auch seine letzte. Er schickt ein paar Soldaten die gesehen werden, aber niemals nützlich sind und dann verkaufen die Tedesci es als Hilfe. Und Lydiadas? Der macht damit klar das er jedwede Hilfe zerschmettern wird. Auch in Mailand gab es damals Rekrutierungen, Totila kehrte eilends in seinen Palast zurück und schickte Soldaten. Diese wurden jedoch nahe Pavia in Gefechte verwickelt und aufgehalten. Es gelang ihnen erst nach drei Tagen den Ticino zu überqueren. Söldner vom Balkan, mutmaßlich in Pavia stationiert, waren es, die dort eingriffen." es gab keine Atempause, eine mutmaßliche Information wurde an die nächste gereiht. Es schien sogar das sie ein wenig schneller sprach als noch eben: "Wieso also verhindern die Tedesci an einer Stelle eine Unterstützung Genuas an die See und an der anderen schicken sie eine Alibi-Truppe einer frisch rekrutierten Domäne? Ich sage das sie lügen. Sie wollten das Genua an Lydiadas fällt..." was ihren Kopf leicht zu Giada hinüberschwenken ließ, als ob sie ein Thema aufgreifen gedenke das diese platziert habe.
"...was weiterhin zu Aurores Eidbruch gegenüber Mailand führte, die See sollte Genua bekommen, dafür haben die Tedesci Sorge getragen. Und es sollte auch mit Mailand brechen, dafür hat wiederrum die See, stellvertretend durch Lydiadas Sorge getragen. Die See bekam eine Domäne, Mailand verlor seine Flotte. Und wer begann direkt darauf die Nachschublinie die per See den genuesischen Hafen erreichte zu attackieren? Der tedescische Prinz von Korsika. Und da Genua kein Gefolge Mailands mehr war, wurde auch keine Flotte entsandt um diesen Überfällen ein Ende zu setzen. Oder habt ihr einen derartigen Befehl Aurores oder seitens Lydiadas erhalten?" einen Moment blickte sie die beiden fragen an, ließ jedoch kaum Zeit um länger darüber nachzudenken.

"Die einzige Macht die ebenfalls in der Lage dazu wäre nun die Nachschubroute Mailands zu sichern ist Pisa. Und wen attackierte Lydiadas noch bevor er Genua angriff? Genau. Pisa. Er vernichtete den sehr verehrten Alexander, der beste Kontakte nach Mailand besaß. Er wollte sicherstellen das Pisa die Drohung verstand, rechnete aber nicht damit was für eine Söldnerseele Calistus ist. Unser Glück würde ich sagen. So konnte Mailand Pisa kaufen - für einen horrenden Preis, soviel ist sicher - und dafür sorgen das sein Nachschub gesichert wurde. Aber es wird damit nicht enden. Jetzt gerade verhandeln die Tedesci bereits mit Venedig, mit den dortigen Kappadozianern, das dort die Nachschubroute für Mailand gar nicht erst losgeschickt wird. Sie wollen es beenden, sie machen es zu einer venezianischen Machtprobe. Wird das Wort des höchst verehrten Tiberian ausreichen oder werden die neu erstarkenden Kappadozianer und ihre Familie Giovanni sich durchsetzen? Gleichzeitig ist all dies ein mächtiger Schlag gegen die via regalis. Die großen Lasombraprinzen Norditaliens, Totila, Tiberian, Calistus, Lamissio. Sie sind danach erledigt. Totila und Lamissio vernichtet, Tiberian in seiner eigenen Domäne gedemütigt und nicht einmal in der Lage sein Wort zu halten, Calistus zu einem simplen Erfüllungsgehilfen degradiert. Clan Lasombra vereint in der via noctis. Das ist es was Lydiadas mit den Ventrue eint. Die Ventrue wollen die Prinzen der Schatten durch ihr eigenes Blut ersetzen, weil sie nur ihr eigenes Blut als Herrscher akzeptieren. Lydiadas will seinen Clan von der via regalis reinigen. Die Schnittmenge sind jene vier Prinzen." gab sie ihr schockierendes Plädoyer zurück an die beiden Lasombra. Doch ehe diese mehr als einen chaotischen, erschrockenen Gedanken darauf verwenden konnten trieb sie die beiden weiter:

"Mehr! Nun die Theorien die unbewiesen sind, diejenigen die ihr im Gefühl habt, von denen ihr ahnt, das sie die Wahrheit sein können!" sie hetzte die beiden durch diesen Austausch voller Informationen, Theorien und Enthüllungen das ihnen der blutige Schweiß auf der Stirn erschien. Einen klaren Gedanken zu fassen war nur noch begrenzt möglich, da das Erzähltempo so schnell voranschritt. Es gab nur eine Richtung: vorwärts. Wohin würde dies alles nur führen?
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Ilario »

"Ja..." Sinnierte Ilario leise."Ein massiver Schlag gegen die via regalis. Er fürchtet sicherlich erstarkende Bande zwischen jenen auf diesem Weg und denen die dem Weg des Himmels folgen. Er fürchtet was geschieht, wenn weltliche und geistliche Macht zusammenfindet, an einem Strang zieht.
Der Schwarze Seneschall verfolgte von Beginn an e ii ne Strategie der tausend kleinen Schnitte gegen die via regalis in Genua: Unter Druck und Zwang konvertierte er Acacia della Velanera zur via noctis, wissend um die Loyalitätskonflikte die der Weg birgt manövrierte er mich zwischen die Mühlen von Wort- oder Einbruch. Von Eidruch selbst der höchstverehrten Aurore ganz zu schweigen, führte jener doch auch dazu, dass der verehrte Maximinianus ins Exil ging. Der sehr verehrte Godeoc, Ahn auf der Via Regalis verschwand während des Angriffs auf Genua... Zufall? Und zuletzt jene Prüfung vor der bald die werte Enkelin Totilas hier stehen wird. War es wirklich ihre Idee? Oder ist das nur die Erinnerung die er schuf um sie vor das Tor zu schaffen?


Da war Zweifel, Fragen gehüllt in Vermutungen und Überlegungen gekleidet in nicht ganz so abwegige Gedankengänge. Doch auch wenn Farbe über den Rand lief, ergab sich ein Bild. Vor einem größeren Bild im Hintergrund. Vor einem Bild vor einem Bild...
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Sie wollte empört aufbegehren gegen so eine Andeutung. Doch die kalte Erkenntnis, dass Ilario tatsächlich recht haben könnte, überzog Giadas aufglühende Empörung mit dem eisig kalten Rauhreif bitterer Erkenntnis.
“Vor das Tor und aus seinem Weg. Vor das Tor und abgeschlagen allein”, bestätigte sie düster. Sie hasste jedes einzelne Wort davon. Doch die Wahrheit scherte sich nicht um ihre persönlichen Befindlichkeiten.

“Mir schien stets denkwürdig, wie viele vom Clan der Gelehrten starben und scheiterten in Genua”, begann sie dann neu. “Gewiss, Josef Szoykel konnte sich halten, doch er ist auf Sardinien. Salvatore lebt noch, doch ist er auf See und nicht in der Stadt. Dort ist nur der eine, Gabriel Ducas, und er steht alles andere als sicher oder gut.” Sie schnaubte.

“Die Brujah sind keine Freunde der Ventrue aus dem Norden. Doch sie sind machtvoll genug, dass eine starker Stand von auch nur einem von ihnen in Genua diesen Plänen zwischen Lydiadas und den Tedesci ein echter Dorn in der Flanke sein könnte. Ich glaube nicht daran, dass es Zufall war und ist, dass jeder von ihnen mit auch nur ein wenig Stärke fällt, verschwindet oder nach außerhalb geschickt wird.”
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Re: [1074] veritas [Giada, Ilario, (SL)]

Beitrag von Il Canzoniere »

Abermals nickte sie zu jeder geäusserten Information und Überlegung, begann erneut schneller zu sprechen so das ihre Worte aus ihr herausflossen wie nur aus jemandem der keine Luft mehr holen muss. "Weshalb nennt er sich immer noch cacciatore? Weil er noch immer jenen Interessen Akis di Catanias nachgeht. Dem Prinzen Catanias, Kind von Ahriman min alzilal, dem größten Strategen Siziliens. Dieser hat nicht nur Lydiadas geschickt um den Weg zu ebnen. Hintergrund ist Freimachung von Kräften die bisher in Italien und im östlichen Mittelmeer gebunden waren. Die Kriege in Iberien laufen nicht sonderlich gut, daher lässt Ahriman Italien und das östliche Adriaufer von den frischen normannischen Kräften erobern und Norditalien durch geschickte Positionierung einiger wichtiger Mittelsmänner wie etwa Lydiadas zum einen ohne hohe Verluste sichern, zum anderen zu einer neuen Aufmarschzone gegen die Höfe einrichten. Von Genua und Korsika aus können die südöstlichen Hinterlande der Höfe bedroht werden. Etwas das sich diese, nach dem Chaos in der Normandie und dem Schattenkrieg in Burgund schlichtweg nicht leisten können. Damit gewinnt die See Zeit in Iberien.

Es ist für die See daher unumgänglich Frieden mit den Tedesci zu schließen."
schlussfolgerte sie. "...oder sogar einen Kanal zu ihr etablieren. Die Höfe könnten durchaus ein gemeinsames Ziel sein. Burgund könne so an die Tedesci gehen, die fränkische Südküste an die See. Auch ein gemeinsames Vorgehen gegen Byzanz könne über jene diplomatischen Kanäle angeleiert werden." ging sie noch weiter auf die strategischen Sicht auf der Landkarte ein, ehe sie die Richtung doch noch einmal änderte.

"Die Tedesci sind jedoch ein gefährlicher Partner. Sie sind sogar noch expansiver als die See und Hardestadts Gier kennt keine Grenzen. Und sein Einfallstor ist die via regalis. Er benutzt sie wie ein Brecheisen um Abhängigkeiten zu erzeugen und sie im entscheidenden Augenblick zum kippen zu bringen. Deshalb geht Lydiadas gegen jene vor, nicht aus persönlichem Groll. Aber mit jemandem wie Ahriman min alzilal im Nacken darf es kein scheitern geben. Er verzeiht nicht, er vergibt nicht. Es wäre Lydiadas unweigerliche Vernichtung, wenn er an dieser Aufgabe scheitert. Etwas vor dem er natürlich riesige Angst hat. Hinter jedem Alten steht ein noch älterer und die Angst wird aus der Vergangenheit bis in die Zukunft weitergegeben." schliesst sie dann kryptisch.

Sie wirft den beiden einen Blick zu, prüfend, mit einer bitteren Ernsthaftigkeit, obwohl sie selbst noch nicht einmal sonderlich schwer betroffen ist. "Als nächstes benötige ich eure Eide, mit dem jeweils anderen von euch beiden als Eidwahrer für den Eid des ersten." ging es, nur ein klein wenig langsamer als zuvor, bereits weiter.

"Schwört das ihr den tedescischen Agenten Lydiadas als jenes erkennt und das ihr jenen Umtrieben der Verbrüderung Lydiadas mit den Tedesci nicht tatenlos zusehen werdet!" begann sie die Schritte des heutigen Tanzes an den sich ändernden Takt anzupassen.
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