[1073] Zweite Begegnung, erstes Gespräch [Angelique, Vincente] [Die letzten haben keine Rivalen]

[Vincente Carlos]

„Ich werde einfach vorsorglich etwas mehr Pergament und Tinte besorgen, sobald ich dieses für die Stunden mit Liviu brauche.“ Vincente blickte sich um, stellte jedoch fest, dass sich der Beginn des Wettbewerbs offenbar noch nicht ankündigte. Die anderen Gäste ging weiterhin entspannt ihren Gesprächen nach und keiner machte Anstalten sich der Bühne zu nähern.

Vincente zögerte einen Moment, unsicher, ob er dies schon bei ihrem ersten Gespräch ansprechen sollte. Aber wenn nicht jetzt die Gelegenheit nutzen, wann dann?

„Falls ich noch einen Moment eure Aufmerksamkeit haben darf“, begann er, „Ich will euch keineswegs in euren Vorbereitungen für den Wettkampf stören.“ Er zögerte, blickte sich um und sah sich ein wenig verschwörerisch um, ob auch keiner in der Nähe lauschte. Dann machte er zögern einen Schritt auf Angelique zu, um die Vertraulichkeit der nächsten Worte zu betonen.

„Wie ihr sicher wisst, ist es Gästen der Domäne auferlegt binnen einer gesetzten Frist Fürsprecher zu finden“, begann er. „Ich nehme an, ihr habt diesen...Prozess bereits begonnen oder gar schon hinter euch?“, fragte er unsicher.

[Angelique]

Sie musste tatsächlich nachdenken.

"Ich bin mir nicht sicher. Dieser launige Spaß ist erst eingeführt worden, als ich schon ewig in Genua weilte. Irgendwie immer nur als Gast, weil ich anfangs nicht auf Aurore schwören wollte, als sie noch bekennende Heidin war.
Als sie konvertierte, habe ich dann Vasallentreue geschworen.

Ich bin da also eigen und ein bisschen autarkis. Ihr müsst am besten Ilario fragen, ob meine Fürsprache ausreicht.

Ihr seid nett zu mir. Meine Fürsprache hättet Ihr."

Sie lächelte niedlich.

[Vincente Carlos]

Diese Worte ließen Vincente kurz überlegen, klangen sie doch ganz so, als wäre Angelique ein Sonderfall, was ihre Stellung in der Gesellschaft betraf – und dies nicht nur, weil sie in einem so jungem Körper steckte und ein Orakel war. Interessant.

„Habt vielen Dank für eure Zusage“, seine Augen wurden kleiner, als sein Lächeln die Backen nach oben schob. „Wenn ich das so sagen darf, es ist schön einmal klare Worte diesbezüglich zu hören.“ Er atmete tief durch und entspannte sich ein wenig, nun, da er diese schwierige Frage gestellt hatte.

„Wenn ich bisher mit anderen über dieses Thema gesprochen habe, so schienen diese in ihren Antworten stets vage. Es gab weder eine feste Zu- noch eine Absage, nicht einmal Bedingungen für eine positive Antwort wurden formuliert. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es keine bloße Notwendigkeit, keine Formalität ist, sondern auch sehr viel Politik mit hineinspielt“, sagte er betrübt und ließ dabei den Blick über die Gäste schweifen. Sein Blick blieb an kurz Ilario und der Harpyie hängen. „Und in der Politik scheint sich keiner in die Karten schauen lassen zu wollen.“ Er machte eine Pause, bevor er ein anderes Thema aufgriff. „Es freut mich zu hören, dass ihr mein Auftreten nicht als unangenehm empfindet. Bedauerlicherweise denkt nicht jeder so. Ihr meintet soeben,dass ich eure Fürsprache habe, weil ich nett zu euch bin. Seid bitte versichert, dass ich dies nicht tue, um mich... nun einzuschleimen.“, erklärte er in Ermangelung eines besseren Wortes. „Gibt es denn Leute, die nicht nett zu euch sind? Alleine, dass ihr ein Orakel seid, sollte euch doch eine Menge an Freunden“, er betonte das Wort so, dass man die Gänsefüßchen hören konnte, „bescheren.“

[Angelique]

"Dass Ihr das ernst meint, weiß ich, sonst würdet Ihr das merken. Ich bin schließlich ein Orakel."

Sie seufzte. "Ach, irgendwie haben alle Vorbehalte gegen meine Blutlinie oder auch gegen mich selbst. Manche meinen, ich sei zu jung in die Nacht geholt worden, andere mögen meine gnostische Auslegung der Schrift nicht. Wieder andere sind Konkurrenten im Seehandel. Andere mögen nicht die Art, wie ich mich ernähre. Manche denke, Kinder sind eine leichte Beute. Und manche kann ich nicht leiden."

[Vincente Carlos]

Vincente lachte laut und herzlich. „Wahr gesprochen, werte Angelique. Es dürfte für den Großteil schwer bis unmöglich sein, ein Orakel hinters Licht zu führen. Und wehe dem, der es versucht“, er zwinkerte ihr schelmisch zu. „Aus Interesse und ohne euch zu nahe treten zu wollen, wie muss ich mir diese Fähigkeit vorstellen“, fuhr er ernster fort. „Strömen etwa Zukunftsversionen permanent auf euch ein? Ohne, dass ihr diese steuern könnt oder pausieren, wenn ihr eure Ruhe haben wollt?“ Das musste furchtbar anstrengend sein.

Er überlegte. „Ich könnte mir vorstellen, dass manche fürchten, was sie nicht verstehen. Oder, was sie nicht für ihre eigenen Zwecke verwenden können.“ Er nickte sich selbst zustimmend zu. Ja, was man nicht kannte, das konnte einem Angst machen.

Er deutete grob in die Richtung der anderen Gäste. „Ein jeder hier hier dürfte eine andere Lebens- und Zeugungsgeschichte haben. Und der gemeinsame Nenner ist sehr wahrscheinlich der Kuss, der uns in die Nacht holt. Alles andere, die Abweichungen, sind verglichen damit sicher nur Nuancen.“ Er blickte Angelique und ihre Gestalt an. „Wichtig ist doch letzten Endes nur, dass ihr euch ernähren könnt, ohne am Ende die Aufmerksamkeit auf unsere Art zu lenken. Und wenn ihr dafür andere Methoden verwendet, als einer, der seine Opfer mit schierer Kraft überwältigen kann, nun denn, warum nicht. Letztlich zeugt es von eurer Einfallsgabe und eurem Geschickt.“

[Angelique]

Wieder fühlte sie sich sichtlich geschmeichelt.

Auf die Frage nach den Visionen meinte sie:
"Ich bin es gewohnt, seit ich sterblich war, Visionen zu haben und Dinge sehen zu können, die andere nicht wahrnehmen.
Ich weiß nicht einmal, wie es anders wäre. Wahrscheinlich wäre ich glücklicher, wenn ich mir andere so anschaue.

Aber eine gute Frage, die eine Antwort verdient. Ich benutze althergebrachte Riten der Mantie, um die Visionen kontrolliert wahrzunehmen und in fokussierter Weise zu deuten.
Die Zukunft ist ein Geflecht aus Myriaden Möglichkeiten, deren Fäden miteinander verwoben sind und im Lauf der Gestirne geschrieben stehen. Es ist ein bisschen wie in einem Wirrwarr aus verschiedenen Wollknäuel den richtigen Faden zu finden und ihm folgen zu können."

[Vincente Carlos]

„Tatsächlich“, fragte er. Wenn der Abend weiter so verlief, würden seine Brauen nicht mehr aus dem Haaransatz zurückfinden. Was für ein kurioses Bild er dann abgeben würde (nicht, dass er es selbst in einem Spiegel betrachten könnte, es müsste für ihn gemalt werden). „Euch haben diese … Visionen bereits in euren sterblichen Jahren...befallen?“ Er blickte ein wenig ratlos. „Das muss euer Leben unter den Menschen sicher verkompliziert haben, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit... Andersartigen besonders freundlich umgehen.“ Er blicke kurz in die Ferne ohne ein genaues Objekt oder eine bestimmte Person in den Fokus zu nehmen, dann sah er wieder zu Angelique. „Ich weiß, dass manche Kainiten durch den Kuss … Eigenschaften erhalten oder diese mit den Jahrzehnten erlernen können. Ich dachte nicht, dass auch Menschen etwas... Magisches inne wohnt... Ich will euch nicht zu nahe treten, aber wisst ihr, warum ihr so seid? Habt ihr dieses Geheimnis je ergründen können? Und was bedeutet dies für die ganzen Fabeln, die man sich an Lagerfeuern und in Schenken erzählt? Die Meerjungfrauen und Hexen und sprechenden Tiere etc.? Seid ihr anderen Wesen begegnet oder habt zuverlässige Berichte gelesen, die von anderen magischen Gestalten handeln und die womöglich ebenfalls wahr sein könnten?“

[Angelique]

"Oh, das habe ich in der Tat. Ich rate davon ab, in der Richtung zu forschen. Besonders die Lupines, in meiner Heimat stark sind, lieben so etwas gar nicht. Aber auch Magier und Feen sollte man lieber nicht begegnen. Sie halten wenig von uns.
Was Dämonen betrifft, muss ich wohl nicht extra die Gefahr betonen, die vom Umgang mit den infernalischen Mächten ausgehen. Wir sind nur die geringsten unter gefallenen Engeln in ihren Augen."

Nun hob die Kleine die Augenbrauen. "Die Menschen sind die Magischsten aller Lebewesen, denn jeder Einzelner, vom Bettler bis zum Kaiser, vom Kleinkind bis zum Greis, trägt den göttlichen Funken in sich. Wer das anzweifelt, sollte einfach versuchen, einen Ort zu besuchen oder einen Gestand zu berühren, den der Glaube vieler Menschen geheiligt hat."

Sie seufzte. "Meine Gabe hat mir Anfeindungen und Bewunderung gebracht, wie es alle Gaben tun. Ich habe versucht, sie zum Wohle meines Dorfes zu verwenden. Die Menschen und Vampire fürchten, was sie nicht verstehen. Nützt es ihnen aber und schadet nicht, können sie damit leben."

[Vincente Carlos]

Vincente blickte in das kindliche Gesicht von Angelique und fragte sich kurz, ob sein Gehör ihn getrübt hatte. Sicher, sie selbst waren nicht mehr Menschen, sie waren jetzt anders, mehr, oder eben weniger. Und Angelique selbst hatte ihre Fähigkeiten eines Orakels bereits zu Lebzeiten besessen. Und einen Grund, über dieses Thema zu scherzen, gab es doch sicherlich auch nicht.

Dennoch waren diese Informationen, so ganz ohne Scherz vorgetragen, nicht ganz einfach zu verdauen. „Es klingt ganz so, als würde jedes Grüppchen für sich bleiben, statt zueinander Beziehungen aufzubauen. Vielleicht ist es auch besser so.“ Er erinnerte sich an etwas, das Liviu ihm erzählt hatte. „Ich bin jedoch immer noch neugierig. Liviu sagte mir in einem Gespräch, dass ihr ...“, er versuchte sich an den Begriff zu erinnern, „ach wie hieß das noch gleich … illus, illum.., ach, na ihr versteht schon, Bücher bemalt.“ Ihm wollte der Begriff, den Liviu genannt hatte, gerade einfach nicht einfallen. „Vielleicht habt ihr später einmal Lust, euch näher zu diesem Thema mit mir auszutauschen. Vielleicht ergibt sich ja auch die Gelegenheit, mir die ein oder andere Darstellung anzusehen?“, fragte er höflich. „Schließlich ist es eine Sache, wenn man sich das Tavernengeschwätz und Lagerfeuergeschichten anhört. Eine ganz andere ist es wohl aber, wenn man dies aus dem Blick der Gelehrten tut?“ Er war schon gespannt, was man so alles zu diesen Andersartigkeiten zusammengetragen und was für Theorien man gebildet hatte.

„Ich stimme euch zu, dass Menschen insofern einen Funken in sich tragen, indem sie Potenzial für alles Mögliche in sich tragen. Mir selbst fehlt jedoch die Fähigkeit dergleichen zu sehen, daher fürchte ich, dass durch Berührung oder Betrachtung einer Reliquie diese nur ein einfacher Gegenstand für mich bleibt.“ Auch hier fühlte er sich wieder an Liviu erinnert. „Ist dieser Funke mit der Kunst zu vergleichen? Livu sprach von etwas ganz Ähnlichem. Wenn er das Werk eines Künstlers betrachtet, so sieht er etwas darin.“ Liviu hatte versucht es ihm in ihrem Gespräch zu erklären, jedoch hatte bisher die Zeit gefehlt, dem näher nachzugehen. Auch glaubte er nicht, dass er ohne Anleitung dergleichen in einer Statue oder in anderen Dingen dergleichen sehen konnte.

Dann fügte er hinzu: „Ihr scheint mir viel mit dem Glauben auseinander zu setzen. Habt ihr ein persönliches Interesse an Religion?“

[Angelique]

"Ach, Gelehrtenwissen ist auch nur das Tavernengeschwätz und die Lagerfeuergeschichten kluger Leute", beschwichtigte sie. "Brilliante Ideen hatte manche Philosophen in der Badewanne oder bei den Hetären."

"Sicher kann ich euch Buchkunst zeigen, wenn Ihr wollt."

Sie grinste bei den Worten über Reliquien. "Bitte testet eure Theorie über die Machtlosigkeit von Reliquien nicht am Objekt aus, sonst werdet Ihr große Schmerzen haben und vielleicht sogar die Stille gefährden."

Auf die Gretchenfrage wurde sie wieder ernst.
"Ich glaube an GOtt und die Sophia, seine Weisheit. Sie zu ergründen, ist mein Ziel. Unseren Platz in SEiner Ordnung zu verstehen, SEinen Willen in der Sternen zu finden. SEine Handschrift in der Werken der Heiden, Juden und Ungläubigen zu erkennen.
Ja, ich kann sagen, ich habe ein persönliches Interesse an der Religion."