[1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

[Dezember '22]
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Liutprand
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[1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von Liutprand »

Man brauchte Geduld, um eine Audienz bei der principessa bianca zu erlangen. Liutprand hatte Il Omnivoro das förmliche Ersuchen um eine persönliche Audienz bei Aurore übermittelt und schließlich musste er ein ganzes Jahr warten, bevor er schließlich eine Antwort erhielt. Ihm wurde ein Termin genannt...in einem halben Jahr zur Tag- und Nachtgleiche um Mitternacht.

Liutprand hatte ein Bad genommen und sich von einem Diener den drei Tage Bart rasieren lassen. Er zog sich eine römische Tunika aus naturfarbenen Leinen und römische Ledersandalen an, die er auf alte Sitte band. Ein nachtblaues Viereckstuch hängte er über die rechte Schulter nach langobardischer Sitte und befestigte sie mit einer silbernen Brosche. Ein mit Nieten verzierter Gürtel, hielt die Tunika zusammen und an diesem war der Gladius in der bemalten Holzscheide befestigt. Das Heft war mit einem weißen Band in einem Friedensknoten befestigt, so das es nicht ohne weiteres gezogen werden konnte.

Auf seinem Weg von der Söldnerschule bis zur Villa Illuminata, den er zu Fuß beging, hatte er sich in einen weiten Reiseumhang geschlungen und eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Das Wetter war klar und kühl und die Sterne funkelten und der Mond war zwar nur halb, doch die halbe Seite strahlte so hell, dass der Weg in der Nacht gut zu sehen war.

Liutprand war angespannt, denn einen Prinzen und einen Ahn, vor allem vom Blute der Könige, traf man nicht alle Nächte. Und es gab einiges zu besprechen.
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I Tarocchi
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Das ummauerte Gelände um die Villa Illuminata mit ihren Gärten und kleinen Feldern, den weitläufigen Nebengebäuden und dem prachtvollen, hell erleuchteten Haupthaus schien Liutprand willkommen zu heißen. Die Torwachen ließen ihn ein, als er sich zu erkennen gab. Einer der Wächter geleitete ihn hinauf zum Haupthaus und dort war es der Allesfresser, der ihn empfing.
Die weite Tunika, die er trug, spannte dennoch ein wenig am Bauch. Der breite Gürtel und das Schultertuch lenkten ein wenig davon ab. Ebenso auch sein herzliches Willkommen für Liutprand, mit einer tiefen Verbeugung, aber auch einem ehrlichen Lächeln.

“Kommt herein”, sagte er danach. Eine Dienerin hielt eine Schale mit gewärmtem Wasser bereit, auf welchem einige frische Lavendelzweige mit ihren kleinen, violetten Blüten trieben. Lucio ließ Liutprand alle Zeit, um sich den Straßenstaub von Gesicht und Händen zu waschen.

Dann führte er ihn in das Herz der Villa - nicht die Weiße Halle sondern das mondbeschienene Atrium. Dieses machte wohl, wenn Liutprands Besuche in der Villa dafür als Anzeichen herhalten wollten, am ehesten einen Wandel durch. Der Brunnen war geblieben, doch die steinernen, glatt geschliffenen Bänke hatten ihren Ort gewechselt und standen nun in einer lockeren Anordnung unter einer Art Baldachin aus weißem Stoff und hölzernem Gestänge, an dem sich bereits wilde Rosen emporrankten.

Der weiße Marmor der Villa und der Bänke schien im Mondlicht zu leuchten. Das wärmere, goldene Licht zahlreicher Laternen vertrieb jeden Schatten im Säulengang um das Atrium herum.

Die Szene wirkte weniger förmlich als die weiße Klarheit der Halle. Doch zugleich konnte vieles hier auch ungewisser sein und der Allesfresser machte nur eine simple Geste in das Atrium hinein. “Ihr könnt hier warten, wohlwerter Herr”, sagte er.
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Liutprand
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von Liutprand »

Liutprand nickte dem Allesfresse knapp zu. Er war zwar nur ein Ghul, doch diente er der weißen Prinzessin schon über ein Jahrhundert lang. Somit hatte er sich zumindest einen gewissen Respekt verdient.

Ausgiebig wusch sich der erste Liktor Hände und Gesicht mit dem nach Lavendel duftenden Wasser ausgiebig und tupfte sich das Wasser mit einem Leinentuch ab.

Liutprand betrat das Atrium und sah sich ausgiebig um. Er ließ den ein oder anderen Atemzug zu, um seine Anspannung etwas zu lösen. geduldig wartete er, bis sich die weiße Prinzessin entschied, zu ihm zu treten. Bis dahin betrachtete er die Rosenranken, die sich am hölzernen Gestänge des Baldachins emporhoben.
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I Tarocchi
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Irgendwo in den Hügeln westlich der Villa Illuminata spielte jemand eine Weidenflöte. Ein einsamer Hirte vielleicht, der sich in der Nachtwache gegen die Wölfe die Zeit vertrieb. Das langgezogene auf und ab der Melodie wurde vom Wind herüber getragen. Es schien so flüchtig, doch dieses Lied wurde in diesen Bergen und Hängen schon gespielt als die Welt noch eine ganz andere gewesen war, als der Kaiser in Rom über ganz Italien und große Teile der bekannten Welt geherrscht hatte, als es noch keinen Papst gab und lange, lange noch keinen Streit zwischen diesen beiden. Die Töne des alten Hirtenlieds klangen einfach und klar.

Aurores Schritte waren leicht, ihre weichen Sandalen machten kaum ein Geräusch auf dem gefliesten Säulengang um das Atrium herum oder auf dem sorgfältig gepflegten Weg zu den Bänken und Rosen hin, bei denen Liutprand wartete. Ihr Auftritt war dennoch immer wie ein kleiner Schock. So oft man sie auch schon gesehen hatte, so sehr man auch meinen könnte, sich längst dagegen gewappnet zu haben: Die Schönheit der Weißen Prinzessin war nichts, an das man sich gewöhnen konnte. Weiß und Gold trat sie auf Liutprand zu: weiß wie das Mondlicht auf ihrer blassen, makellosen Haut, gold wie das Licht der Laternen, das sich in ihren braunen Locken und ein paar feinen Spangen fing, die es zurückhielten.
Manchmal konnte Aurore wie ein junges Mädchen wirken, das gerade erst den Wandel zur Frau machte. Solche Mädchen hatten hübsche junge Männer im Sinn, zukünftige Ehemänner, Rivalinnen, die Geschicke von Haushalt und Familie, Geflüster über dies und jenes in der Stadt, die eigene, noch so ungewisse Zukunft. Dieser Eindruck überlagerte sich dann auf surreale Weise mit dem Gewicht des Alters der Weißen Prinzessin, mit den Dingen, die sie bereits gesehen und getan hatte.
In dieser Nacht war der Eindruck vom jugendlichen Mädchen blass und die Hoheit der jahrhunderte alten Kainitin überwog. Sie betrachtete Liutprand, dessen Gestalt, wenn er aufrecht stand, so viel größer und kräftiger wirkte als sie. Doch auch das war eine Illusion, natürlich.

"Ich grüße dich, Liutprand", sagte sie. Sie beide kannten die Reihe der Titel und Namen, die in einem förmlichen Gruß nun folgen konnten. Kannten diese vielleicht besser als sonst jemand in Genua, bis auf einige erlesene Ausnahmen. Aurore sprach all das nicht aus sondern ließ einfach den Raum dafür. Es war ein weiterer Ton, den sie für diesen Abend setzte. Nur wenige verdienten sich diese Art von Nähe für auch nur eine Nacht.
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Liutprand
Ventrue
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von Liutprand »

Und so mochte es für Uneingeweihte befremdlich wirken, als der größere, kräftigere und vor allem erwachsene Mann sich dem jungen Mädchen zuwandte und sein rechtes Knie beugte. Er senkte seinen Blick und neigte seinen Kopf, bis das Kinn seine Brust berührte. die Rechte Hand auf der Brust, die linke mit der Handfläche nach oben eine sich darbietende Geste. Unterwürfig, ehrerbietig...ergeben. Und selbst in dieser Position mochte Aurore nun ihren ersten Liktor nicht um viel überragen.

"Salve, höchstverehrteste Aurore"

Seine Stimme unterstrich die unterwürfige Haltung noch mochte man aus dem Klang auch einen gewissen Stolz heraushören.

"Ich danke Dir für Deine Zeit und die Möglichkeit, mit Dir zu sprechen."

Sein Latein kam immer noch ein wenig gebrochen und mit einem starken Akzent über seine Lippen. Er hob den Blick wieder ein wenig, um ihre Gesten zu bemerken, aber nicht soweit, dass er es wagte, ihr in die Augen zu sehen. Er würde solange vor ihr knien, bis sie ihm erlaubte sich zu erheben.
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I Tarocchi
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Aurore ging an ihm vorüber, nah genug, dass er oder sie nur die Hand hätten ausstrecken müssen, um einander berühren zu können. Sie setzte sich auf die schönste der steinernen Bänke, die mit in den Stein gemeißelten Verzierungen versehen war. Doch sie ließ Liutprand sich nicht erheben. Ihr Blick ruhte auf dem Knieenden.

"Ja. Es ist gut, wenn wir uns von Zeit zu Zeit besinnen und an die Familie denken." Ihr Tonfall war glatt und ruhig. Das änderte sich jedoch erschreckend plötzlich, als sie unvermittelt in einem sehr lebendigen, vielleicht sogar mädchenhaft neugierigen Tonfall fragte: "Sag mir, Liutprand, ist einer von uns beiden ein Ancilla in der Nacht?"
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Liutprand
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von Liutprand »

Liutprand rührte sich tatsächlich nicht, auch nicht, als die Prinzessin so nah an ihm vorüber ging. Doch als die Frage ertönte rasten seine Gedanken innerlich. Und da war der Riss der Unsicherheit, der durch den ansonsten so festen Felsen der Selbstsicherheit fuhr und sich mit jedem Moment vergrößerte. Verzweifelt suchte er nach dem Grund dieser Frage und bevor sein Schweigen zu lange dauerte musste er die einzige Antwort nennen, die er auf diese wusste.

"Nein, domina."

jene Unsicherheit war auch in seiner Stimme zu hören, leicht, aber machte jenen sonst so festen Felsen brüchig...gar unzuverlässig?
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I Tarocchi
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

"Ist es dann klug, so zu tun, als wäre es so?"
Sie deutete nicht direkt auf sein eines Knie, das den Boden nicht berührte. Sie hatte sich niemals zuvor und schon gar nicht vor anderen Beobachtern anmerken lassen, dass ihr überhaupt aufgefallen war, was er tat. Sie hob nur ganz sacht den einen Zeigefinger ihrer rechten Hand, die bislang einfach auf dem kühlen Stein der Bank geruht hatte. Der Deut war beinahe unsichtbar, so subtil und gering, dass Liutprand ihn wohl nur überhaupt bemerken konnte, weil er so nah bei ihr war und weil er seinen Blick auch nicht zu hoch angehoben hatte.
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Liutprand
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von Liutprand »

Und wie der zähe tropfen Harz sich vom Baume löst und gen Boden fiel dämmerte sich die Erkenntnis, dass seine Geste der Unterwerfung vielleicht nicht angemessen war. War sie gar falsch? Er versuchte sich an seine Erziehung zu erinnern...

Er zog das andere Knie unter seinen Körper, so dass er schließlich auf beiden kniete und versuchte in die Bewegung das winzige Bisschen Würde zu legen, das möglich war.


"Natürlich nicht, domina. Ich will und muss Dich um Verzeihung bitten wegen meines ungebührlichen Verhaltens geboren aus Unwissenheit."

In der Position mit beiden Knien konnte er sich nun etwas mehr erniedrigen, um seiner Bitte um Entschuldigung noch etwas mehr unterwürfigen Ausdruck zu verleihen.
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I Tarocchi
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Re: [1076] Marmor, Blut und Könige [Liutprand, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

"Ich vergebe dir und du darfst dich erheben", sagte das Mädchen als spräche es von einer Nichtigkeit, die gern und schnell vergeben und vergessen ist.

Doch genau in dem Augenblick, in dem Liutprand sich eben dazu in Bewegung setzen würde, zerschellte die Illusion von Leichtigkeit. Die Ahnin bemerkte in distanzierter Kühle: "Die Ancilla werden es nicht vergessen. Die Neugeborenen, die solche werden wollen, ebenso nicht."

Aurore deutete auf eine der anderen Steinbänke. Diese war weniger verziert und ein wenig tiefer als ihre eigene. Es war nur richtig so, rückte die Dinge etwas zurecht. "Setze dich und erzähle mir von deinen Erfolgen als mein erster Liktor und von deinen Taten. Dann erzähle mir, was dich zu mir führt."
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