[1076] Und wenn schon [Arash, Giada]

[Giada Salvaza Rossi]

Mit einem kleinen Händlerkarren, der seinen Weg die Küste entlang über Dörfer und Siedlungen nahm, gelangte eine Botschaft nach Votori. Der Händler und sein junger Gehilfe blieben ein paar Tage, verkauften Töpfe und Nadeln, gesponnene Wolle, Mantelfibeln, Gürtelschnallen und allerei Kleinigkeiten, dies und das. Ein paar Dinge kauften sie auch oder tauschten sie ein. Die Nachricht hätte der alte Trödler wohl beinahe vergessen und er gab sie erst kurz vor seiner Abreise weiter, an den alten Jäger im Dorf.

“Ich soll ausrichten, dass du etwas ausrichten sollst”, sagte er ihm etwas konfus. Er musste sich am Kopf kratzen und eine Weile überlegen, bis er die Dinge wieder in der richtigen Reihenfolge hatte.
“Du hast wohl einen Bekannten, der hier unterwegs ist? An den ist die Nachricht.”

Er fischte zwei simple Holzplättchen heraus, etwa handtellergroß, die mit mehreren Schnüren umwickelt und mit Wachs und Talg versiegelt waren, so dass das, was wohl zwischen ihnen eingeklemmt war, einigermaßen gut gegen Wind und Wetter geschützt war. Er reichte die Nachricht an den alten Mann weiter und hoffte wohl auf einen Schluck Wein oder Bier im Gegenzug dafür.

Um das Ganze zu öffnen, musste man die Lederriemen auftrennen und das Wachs brechen. Im Inneren war ein Stück Pergament, nicht sonderlich fein oder ebenmäßig, aber immerhin einigermaßen sauber beschrieben. Die Nachricht war äußerst simpel gehalten. Nichts deutete auf etwas anderes hin als eben eine gewöhnliche Nachricht, die irgendjemandem wichtig genug für Schrift und Botschaft gewesen war.

“Ein neuerliches Treffen zum nächsten vollen Mond? Nennt mir den Ort.
- Giada”

[Arash]

Es dauerte etwas mehr als eine Woche bis ein einfaches Pergament unter der Tür eines Hauses in Plateolonga hindurchgeschoben wurde.
Es war dasselbe Pergament welches offenbar vorher dem alten Jäger übergeben worden war.
Auf der nun gefalteten Rückseite prankte noch immer die Schrift, die wohl die Ursprüngliche Nachricht darstellte.

“Ein neuerliches Treffen zum nächsten vollen Mond? Nennt mir den Ort.
- Giada”

Faltete man das mit Wachs zusammen geklebte Pergament nun auseinander fand man dort eine einfach geschriebene, aber doch kryptische Nachricht.

"Ich erwarte euch an meinem Lieblingssee
- Cazimir"

In besagter Vollmondnacht lag der Teich still und verlassen da. Hinter den umliegenden Bäumen verschwand der Wald in Finsternis, war das Blätterdach doch zu dicht, um selbst das fahle Licht des Mondes bis zum Waldboden durchdringen zu lassen. Keine Welle durchbrach die Spiegelglatte Seefläche und ein einzelner Brauner Fischreiher schien am Rande des Sees am flachen Ufer auf Beute zu lauern. Das Tier war prächtig, hatte kräftige Federn und einen langen Schnabel, der sicher sehr schnell einen Fisch aus dem Wasser ziehen konnte.

Nur zwei seltsame Dinge konnten dem wissenden Beobachter auffallen. Zum einen lag der Geruch nach Moschus und Raubtier in der Luft. Fast so als würde in der Dunkelheit zwischen den Bäumen eine Bestie lauern, die nur auf Beute wartete. Das Zweite seltsame war, was nur jemandem auffallen würde, der genau hinsah, dass der Reiher kein Spiegelbild zu haben schien.

[Giada Salvaza Rossi]

Giada war einen Teil der Strecke geritten. Stadt und Stadttore, Schweigegeld und leise gesprochene Worte. Hinter ihr, auf einem vernarbten alten Wallach, ritt ein stiller, großer Mann. Er hatte keine Widerworte für die Eskapaden seiner Herrin, schon lange nicht mehr. Stattdessen folgte er ihr und wenn es eben der dunkle Wald bei Nacht war, dann war es so.

Sie ließ ihn und die Pferde jedoch letztlich zurück und ging die letzten hundert oder zweihundert Meter allein. So näherte sie sich dem See leise, wenn wohl auch für die scharfen Sinne von jemandem wie Arash nicht unbemerkt. Als sich der Anblick des Sees vor ihr öffnete, hielt sie an. Ihr Blick ging über den See und das Mondlicht, das sich darauf spiegelte, den Reiher und seine unwirkliche Erscheinung. Sie kannte diesen merkwürdigen Effekt, den es hatte, wenn das Spiegelbild fehlte. Etwas stimmte mit dem Anblick nicht, doch der Verstand begriff dies meist später als die Sinne. Doch sie verstand und sie lächelte. Ob dieser Reiher selbst wusste, was dies bedeutete? Für ihn, für seine Gestalt und seine Natur?
Sie trat die letzten paar Schritte an den Teich heran und beobachtete das Tier.

–
Wahrnehmung+Gewahrsein, 2 Erfolge

[Arash]

Der Reiher blieb tatsächlich sitzen, als Giada auf die Lichtung trat und erwiderte den Blick der Lasombra einen Moment lang. Schließlich breitete er die prächtigen Schwingen aus und erhob sich flach über den Teich, um auf Giada zuzufliegen. Er schlug zweimal kräftig mit den Flügeln und flog etwa einen Meter über sie hinweg, bevor er einen Schritt von ihr entfernt auf dem Boden landete. Sein Kopf wandte sich erneut zu Giada und wieder sahen die großen Augen an der Seite des Kopfes des Vogels die Dame an, bevor er begann sich langsam zu verändern. Sein Kopf wuchs und wurde runder. Der Schnabel entwickelte sich langsam zurück und bildete eine Nase und den Mund. Die Flügel die eben noch ausgebreitet waren zogen sich zusammen und wurden dicker. Hände bildeten sich und auch die schlanken Beine verdickten und verlängerten sich, bis sich schließlich Arash langsam aus der Hocke erhob. Er trug eine Pluderhose und eine Weste, die seinen sehnigen Oberkörper nur wenig verdeckte. Haare und seine Hörner waren unbedeckt. Die Füße waren unbedeckt und nun betrachtete er sie auch aus seinen grünen Augen. Er nickte ihr zu und lächelte leicht. "ich freue mich euch wiederzusehen."

[Giada Salvaza Rossi]

Erst mit Verwunderung, dann mit Staunen, dann mit etwas wie Ehrfurcht beobachtete Giada, was geschah. Als sie Arash aber erkannte, weiteten sich ihre Augen und sie lachte einmal. “Ha! Herren in der Wildnis - wie wahr dies ist!”

Sie trat ein wenig näher und achtete nicht sonderlich darauf, dass ihre Füße im schlammigen Ufer einsanken. “Auch ich freue mich. Die Zeit spult ihre Schicksalsfäden unablässig ab und es ist so viel geschehen… . Doch diese Treffen zwischen uns, sie sind mir viel wert.”

Giada selbst sah in der Tat aus als wäre einiges geschehen. Eine ihrer Hände steckte in einem festen Handschuh, die andere sah geschunden aus, wenn auch einigermaßen gesund. Sie war bleich - bleicher als sonst - und sah aus wie Menschen es tun, wenn sie eine schwere Krankheit hinter sich haben. Doch ebenso schien sie sich von solchen Dingen nicht zurückhalten zu lassen.

“Wie ist es Euch ergangen?”

[Arash]

Arashs Blick glitt an der Magistra entlang. Langsam führten seine Schritte ihn um die Lasombra herum und er betrachtete ihre gesamte Erscheinung sehr eindringlich, bevor er wieder vor ihr stehen blieb. Auf seinen Lippen bildete sich ein fast missbilligendes Lächeln. "Auch ich habe unsere bisherigen Treffen sehr genossen und hoffe auf noch viele weitere." lies er leise Knurren verlauten. Auch hier und jetzt unterdrückte er sein Tier nicht. Die Ausstrahlung war eindeutig. Das Tier troff aus allen Poren seiner Existenz. Es schien nicht, als würde er die Kontrolle verlieren, eher als wäre er im Einklang mit dem Tier. Sein Blick verharrte kurz auf der behandschuhten Hand. "Ich würde gerne sagen, dass ich Erfolge zu verzeichnen habe. Allerdings gab es in letzter Zeit vermehrt Rückschläge." immer noch knurrte er. Es schien, als würde das Knurren sich natürlich in seine Stimmfarbe einbinden. "Wie ich sehe, sind auch eure Erfahrungen in letzter Zeit nicht immer erfolgreich. Was ist geschehen?" fragte er neugierig.

[Giada Salvaza Rossi]

“Niederlagen, die ich überlebt habe”, meinte Giada. Doch sie und Arash waren einander zu nahe gekommen als dass sie ihn mit diesen nichtssagenden Worten abspeisen wollte. “Der Feind hat mich überfallen. Dann, Gefangenschaft. Meine Diener wurden gebrochen und ich musste sie töten. Ich überlebe und ich bin nun so frei wie zuvor, doch mein Groll hat mich töricht werden lassen.”

Sie hob die geschundenen Hände. “Verzweiflung, Wut und Hass sind schlechte Ratgeber. Besonders für mich, die ich Mächte berühre und von Mächten berührt bin, die jeden von uns einfach davonreißen können.” Für einen Moment sah sie auf ihre Hand herunter und bewegte die geschundenen Finger wie um sich daran zu erinnern, dass dies immerhin noch möglich war. Dann sah sie wieder zu Arash auf.

“Es war einer von Eurem Blut, der mich bei Tage aufgreifen ließ. Er ist ein Kettenhund der Tedesci und entweder nimmt er es mit den Grenzen fremder Domänen nicht so genau oder sie senden ihn sogar darüber hinweg.” Giada verzog das Gesicht. "Der Druck steigt. Irgend etwas wird nachgeben. In Votori ist wohl auch einiges geschehen?"

[Arash]

Arashs Blick verfinsterte sich noch weiter, als Giada seinen Clansbruder erwähnte, der scheinbar über Domänengrenzen hinaus handelte. „Habt ihr einen Namen und eine Beschreibung des Angreifers…und hat er die Grenzen Genuas verletzt?“ knurrte er. Offenbar vollkommen in seiner Rolle als Geißel aufgehend. „Ich kann verstehen das eure Gedanken von Hass und Widergutmachung überrollt wurden. Mir wäre es nicht anders gegangen. Unser Innerstes wird sich immer an Rache versuchen. Folgt ihm. Lasst euch nicht davon verzehren. Findet euren Weg um damit umzugehen.“
Dann seufzte Arash. „Votori war ein Desaster und hat gezeigt wie ein Krieg ausgelöst werden kann ohne auch nur geringfügig in Verhandlungen getreten zu sein.“ Er fletschte die Zähne. „Mir soll es recht sein. Liutprand wird seine Machtfantasien weiter ausbauen und sich zum Blutvogt aufschwingen. Brimir wurde vernichtet und das nicht von mir.“ Die letzten Worte waren nicht nur ein tiefes Knurren, sondern die Abscheu war deutlich zu hören.

[Giada Salvaza Rossi]

“Er hat sich nicht verwandelt so wie ich es bei Euch gesehen habe”, sagte sie. “Und so war er in der Gestalt in etwa so groß wie ich, mit braunem Haar und helleren Augen. Grün, vielleicht. Gekleidet, wie Wegelagerer eben gekleidet sind.”

“Salvatore hat er sich genannt. Er wird wohl derjenige sein, der für seinen Ventrue-Herren die Schmutzarbeit erledigt, Handelszüge ausraubt, Domänengrenzen überschreitet und im Zweifel fallen gelassen wird, wenn diese Dinge auffliegen. Ein Sündenbock für die Herrschaft.”
Giada stellte diese Dinge fest wie die hässlichen Muster, die sie im Vorgehen der Mächtigen nun einmal waren.

“Meine Gefangennahme wird ihm wohl Lob eingebracht haben. Billige Währung.” Es war nicht schwer, ihr anzusehen, wie sehr eine solche Gefangennahme an ihrem Stolz kratzte. Und war das wirklich verwunderlich? Doch sie machte auch keinen großen Hehl daraus oder redete um die Dinge herum.

Stattdessen schnaubte sie einmal. “Ich hatte glänzendere Stunden in meinem Dasein. Diese war eine von Geschacher, Schande und Politik. Doch ich bin noch immer hier. Dass dieser Salvatore über die Grenzen Pavias hinaus jagt, scheint mir recht offensichtlich. Er weiß, dass Ihr oder sonst eine Geißel nicht überall sein kann.”

“Und wenn Ihr in Votori beschäftigt wart, kommt dies wohl noch dazu. Was ist dort geschehen, dass Ihr von Krieg sprecht?”

[Arash]

Wieder schnaubte Arash und stampfte dabei auf. Dann erklang ein Knurren und die Hand machte eine wischende Bewegung, wie der Schlag einer Katze mit der Pfote. Fast genauso schnell und wenn der Gangrel seine Klauen, für die sein Clan so berüchtigt war ausgefahren hätte, wäre es wahrscheinlich für viele Kainiten ein tödlicher Hieb gewesen. Aber hier verfehlte er Giada knapp und wieder ein Knurren, während er sich von der Lasombra abwandte und sein ganzer Körper sich anspannte. "Ich habs gewusst. Salvatore sagt mir nichts. Aber Pavia war bisher keine Domäne um die ich mich großartig kümmern musste. Wird wohl Zeit das dort einige Worte die richtigen Ohren finden." knurrte er. Dann fuhr er wieder herum und kam wieder näher. Tatsächlich so nah, dass ihre Gesichter nur wenige Millimeter voneinander entfern waren. "Die glänzenden Stunden werden diese Schmach irgendwann hinwegwaschen." fuhr er leiser fort. Dann fletschte er die Zähne, fast als wolle er die Lasombra gleich anfallen. "Brimir wurde in Votori von einem Maskierten vernichtet. Somit wird Savonna den Mord an ihm sicher Genua in die Schuhe schieben. Der Krieg steht also wieder einmal vor der Tür." leise war seine Stimme geworden. Beinahe einem Schnurren gleich.