[1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

[Dezember '22]
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Atessa Federizzi
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[1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Die Nachtluft am Ende des Jahres 1076 war kalt und klar und das Gestirn spendete ausreichend Licht, um Fehltritte beim Spazierschritt zu vermeiden. Es fühlte sich befreiend an, auch wenn die eigenen Lungen die Luft nicht zu kosten bekamen.
Atessa betrat das Elysium aus Richtung Ravecca und beschritt den Weg am Pavillion und Teich vorbei. Sie war noch nicht oft hier gewesen, schließlich war sie auch erst seit kurzem in der Domäne aber sie wollte es sich zur Aufgabe machen öfter hier zu sein. Es galt jene Gesichter kennenzulernen, die hier regelmäßig ein und aus gingen. Zudem wartete sie noch auf eine Antwort der Harpyie, die sie natürlich nicht verpassen wollte.

Die Toreador betrat die Casa und erkundigte sich, ob mittlerweile ein Schreiben eingegangen war. Zu ihrer Enttäuschung war nichts für sie hinterlassen worden, sodass sie mit leeren Händen zu einer der Sitzgruppen ging, ihre Reisekleidung ablegte und sich niederließ.

Zum Vorschein kam ein grünes Kleid auf das schlichte aber sauber gearbeitete rote Linien gestickt waren. Es war schön, gewiss nicht prachtvoll wie das einer Edeldame aber wertig genug für höhere Stände. Ein grünes Tuch rahmte ihren Kopf und ihren braunen Haarzopf, ihre Hände waren schmucklos aber gepflegt. Sie schloss die Augen und gab sich ihren Gedanken hin, ihren Plänen, Träumen.

Sie würde ein wenig warten, vielleicht zeigte sich ein ihr unbekanntes Gesicht. Und falls nicht - nun, sie hatte genug zu tun.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Doch zumindest in dieser Nacht blieb Atessa nicht allein mit den stillen Wächtern oder der Dienerin des Elysiums. Wenn sie sitzen geblieben war, dann musste sie nicht einmal allzu lange warten bis sie eine andere Frau sah, die ganz ähnlich wie Atessa zuvor wohl die Erkundigung nach Nachrichten und Botschaften machte. Sie erhielt tatsächlich einen verschnürten, gerollten Brief, den sie im weiten, schweren Ärmel ihres Kleides verschwinden ließ.

Dieses Kleid sah teuer aus, mit dicht gewebten Stoffen und einem Schultermantel mit Pelz. Metallene Spangen hielten den Mantel zusammen, beinerne Spangen das dunkle Haar der Frau. Wenn sie ging, gab es ein leises, klirrendes Geräusch wie von Ketten. Doch es kam wohl nur von einem schweren, klobigen Rosenkranz, der an ihrer Seite von ihrer Scherpe hing.

Sie sah über den Garten und seine winterdunklen Beete hinweg, ganz ähnlich wie Atessa es zuvor auch getan hatte. Atessas Anblick ließ sie ihre Richtung letztlich wechseln, hin zu ihr. Und damit beginn der Tanz, das Ritual.

Es hatte Gründe, weshalb Vampire - Kainiten - bei Vorstellungen voreinander oft jemand dritten hatten, der die Vorstellung machte. Oder weshalb es zuvor Briefwechsel gab, Ankündigungen, ein formelles Abtasten. Ohne all das und doch mit dem klaren Wissen, jemand anderen aus der Nacht vor sich zu haben, waren die Dinge ungewiss. Stand oder Rang, Politik oder Ziele - nichts war verlässlich.

Doch die fremde Frau beherrschte diesen Tanz. Sie bewegte sich in langsamer Gewissheit, vielleicht ein wenig steif, vielleicht ein wenig zu ernst. Das Klirren des Rosenkranzes war laut genug, dass es sie ankündigte und sie niemanden überraschen würde. Es war leise genug, dass es ein anderes Gespräch nicht unterbrechen würde, hätte es eines gegeben. Die Fremde hielt an, ein paar Schritte entfernt. Weit genug, dass eine direkte Attacke ohne weiteres kaum möglich wäre. Weit genug, dass gewöhnliche Ohren ein geflüstertes Gespräch nicht mehr verstehen, aber vielleicht doch wenigstens hören würden. Sie gab der Fremden Zeit, sie anzusehen.

Und dann machte sie eine offene Geste - halb eine Aufforderung, halb eine Einladung zum Gespräch. Doch das erste Wort überließ sie der Fremden und auch dies gehörte zu diesem sehr, sehr vorsichtigen Tanz und Ritual von Macht, Stolz und Etikette.
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Atessa Federizzi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Das leise Klirren von Ketten.
Atessa horchte irritiert auf und öffnete die Augen. Dieses Geräusch hatte sie nicht erwartet, umso neugieriger war sie, wer oder was es verursachte. Da,die Quelle! Ihre braunen Augen blieben auf der Kainitin hängen, die soeben die Casa betreten hatte - lange genug, um alles Sichtbare zu erfassen aber kurz genug, um nicht zu starren.

Der Blick, die Geste - Atessa wusste was das bedeutete. Sie hatte de Aufforderung auf die Tanzfläche gehen, gut, dafür war sie hier. Gewiss hatte sie als Tänzerin noch zu lernen, doch zu jeder Theorie gehörte nun mal Praxis. Praxis war es, die einen schulte und aus deren schmerzlichen Fehlern man lernte.

Atessa hielt den Blick der Fremden, ein sanftes Lächeln schlich sich in ihr Gesicht und sie erhob sich von ihrem Stuhl. Sie strich sich ihr Kleid glatt, bewegte sich langsam auf ihr Ziel zu und blieb mit höflichem Abstand vor ihr stehen. Jetzt gilt es. Sie straffte sich.

"Die Nacht und ihr herrliches Gestirn zum Gruß! Ich hatte noch nicht die Ehre, mich vorzustellen."

Ihre Worte wurden von einem tieferen Nicken begleitet. Sie war der Neuankömmling, es erschien ihr sicherer etwas mehr in die Waagschale der Höflichkeit zu werfen.

"Mein Name ist Atessa Federizzi, Neugeborene aus dem hohen Blut der Rose. Kind des Romian d'Lucacello, Ancilla der Rosen, Kind der Caramia da Napoli, letzter Schwurmeister Roms, Ahn aus dem Blut der Rosen."

Sie blickte auf, sanft lächelnd, neugierig wer vor ihr stand.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Rom.”
Die Fremde sprach den Namen leise aus als wollte sie das Gefühl und den Klang auf der Zunge schmecken. Sie sprach es aus als hätte der Name Gewicht und eine tiefere Bedeutung.

Wahrscheinlich hatte er das auch, denn der Name stand für so vieles in der Geschichte des Tags und der der Nacht. Und falls Atessa wenigstens einen der späteren Teile der Geschichte Roms kannte, konnte sie vielleicht auch ahnen, weshalb der Name oder die Stadt für ihr Gegenüber noch eine zusätzliche, ganz eigene Bedeutung hatten. Denn die Fremde erwiderte die Vorstellung in förmlicher Höflichkeit und darin klang ein Name eines Mannes, der einen Teil jener Geschichte Roms mitgeschrieben hatte:

“Ein Gruß, den ich gern erwidere. Ehre jenen, denen Ehre gebührt. Ich bin Giada Salvaza Rossi, neu geboren in den Clan der Nacht, Tocher im Blut der Heiligen Noellina, Ancilla im Clan der Nacht, Tochter im Blut von Totila, Ahn im Clan der Nacht aus der Linie von Boukephos und Fürst von Mailand, Herr der Lombardei, Gafaúrd des Zirkels der Bitteren Erinnerung.”

Giada ließ die Vorstellung einen Augenblick lang so stehen und musterte ihr Gegenüber ihrerseits aufs Neue.

“Doch vermutlich stammt Ihr dann aus Napoli…?”, setzte sie dann an, wohl als eine Art Brückenschlag zu einem flüssigeren Gespräch.
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Atessa Federizzi
Toreador
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Das erste gesprochene Wort schien Atessa bereits zu überraschen. 'Rom' - sie hatte bisher keine Erfahrung damit gemacht, dass die Herkunft ihrer Ahnin ein größeres Thema war und so hob sie kurz ihre Brauen, fing sich dann aber wieder. Erneut ein Kind der Nacht, interessant. Wie viele es hier wohl von ihnen gab?

"Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen."
Sie hielt kurz inne und versuchte zu verstehen, ob der Frage nach ihrer Herkunft eine Wertung mitschwang, entschloss sich dann aber den Gedanken erstmal beiseite zu schieben.

"Nicht ganz, ich komme aus Salerno - noch etwas südlich als Napoli. Ich kam vor kurzem erst hier an und dachte ich nutze die Zeit in diesem wunderschönen Elysium, um das eine oder andere Gesicht kennenzulernen. Es kann sicherlich nicht schaden, sich mit der einen oder anderen Person bekannt zu machen."

Eine kurze Pause folgte, um das gesprochene Wort einsinken zu lassen.

"Ihr seid die Erste, die ich nach dem wohlwerten Herold antreffen darf. Ich hoffe ich halte euch nicht ab?"

Da war es wieder, das warme Lächeln in Atessas Gesicht, das ein Gespräch leichter zu machen schien.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ha, es ist wohl einer der Zwecke eines Elysiums in jeder Domäne, dass es solche Treffen geben kann wie unseres nun.” Giadas kurzes Auflachen klang hart und blieb sehr kurz, doch sie schien in der Tat das Treffen und Gespräch durchaus zu begrüßen.

Sie machte eine Geste zurück zu den Bänken, wo Atessa zuvor noch gesessen hatte. “Wir können uns setzen. Die Sitte und das Gesetz um das Amt der Herolde von Genua ist in anderen Domänen nicht gebräuchlich. Lasst mich Euch fragen: Denkt Ihr, dass es Eure Ankunft eher erleichtert oder erschwert hat?”
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Atessa Federizzi
Toreador
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Sie nahm die Aufforderung Giadas an und setzte sich auf ihrem ursprünglichen Platz und blickte kurz nachdenklich die Lasombra an.

"Nun, es kann sicherlich Neuankömmlinge wie mich unterstützen, wenn sie einen ersten Anlaufpunkt haben, der sie willkommen heißt und und sowohl die Regeln als auch die Amtsträger der Domäne vorstellt. Es ist nur zu leicht in der Nacht den falschen Schritt zu tun und die Informationen, die der wohlwerte Herold mir gab, waren eine willkommene Hilfe."

Die Rose machte eine kurze Pause und strich beiläufig über ihr Haar.

"Auch die Aufgabe ergibt Sinn. Eine Herausforderung, die man nicht scheuen sollte und der wohlwerte Herold scheint ein Auge dafür zu haben, welche Talente man besitzt. Nur..."


Atessa stockte etwas, und das Lächeln wandelte sich eher in ein Schmunzeln.

"...nun, Clavicula ist natürlich nicht unbedingt der repräsentativste Stadtteil im Augenblick. Ich war zugegeben etwas überrascht."

Sie versuchte die Reaktion Giadas zu lesen, bevor sie sicherheitshalber fortfuhr, um das Gesagte nicht als Attacke stehen zu lassen.

"Aber soweit mir bekannt ist, soll sich das ja in den kommenden Jahren ändern."

Das Schmunzeln wandelte sich wieder ein Lächeln. Nicht zu warm, nicht zu offen, denn das schien nichts zu sein, auf das die Lasombra wert legte.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Die Magistra hob beide Augenbrauen. “Oh”, meinte sie dann recht trocken dazu. “Das ist ein rechtes Vipernnest, in das Ihr unversehens zu treten droht. War der Herold, der Euch empfing, der wohlwerte Macario?”
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Atessa Federizzi
Toreador
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Der erste Fehltritt? Oder schon der Zweite?
Atessa wusste es nicht - sie hatte nur eine dunkle Ahnung.

"Gewiss, ich durfte mich beim wohlwerten Macario vorstellen."

Dann legte sie den Kopf etwas schief. "Ein Vipernnest? Wenn ich um diesen Rat bitten darf, welche meiner Worte bergen die Gefahr mich zu vergiften?"

Die ganze Domäne schien eine Schlangengrube zu sein und das gefährliche war nicht dort rein zu treten, sondern kein Teil davon zu sein.
Neugierig sah sie Giada an.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Hmh”, machte Giada nachdenklich und hob den Blick für einen Moment empor zu den Sternen. “Es käme wohl darauf an, was mein wohlwerter Clansbruder Euch genau zu tun aufgegeben hat, dort in Clavicula”, beschloss sie dann und sah wieder zu Atessa hin.

“Doch Ihr solltet mir dies nicht unversehens verraten. Auch solches Wissen hat seinen Wert”, wägte sie trocken ab. Sie schien das Dilemma mit einer gewissen Ironie zu betrachten.

“Und zugleich will ich dem wohlwerten Herold auch nicht einen Winkelzug verderben, wenn er einen gemacht hat”, stellte sie dann noch fest. Das klang mittlerweile eindeutig nach Humor, so staubtrocken wie dieser auch war.

“Ein Handel?”, schlug sie dann vor. “Worte gegen Worte. Ihr erzählt von jener Aufgabe, ich erzähle von jenem Vipernnest. Oder, falls Euch das zu ungewiss oder ungleich erscheint, könnte ich Euch auch erzählen, was meine Aufgabe war und ist und wohl auf absehbare Zeit auch bleiben wird.”
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