[1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

[Dezember '22]
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Atessa Federizzi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

"Hm..." Sie hatte den Ausführungen der Lasombra aufmerksam gelauscht, versucht zu verstehen, worauf zu hinaus wollte. War das eine Falle oder tatsächlich ein einfaches Gespräch mit einem nicht ganz zu einfachen Thema.
Atessas Lächeln wich einer nachdenklichen, wenngleich freundlichen Miene.

"Um eins vorweg zu nehmen, Vergnügen hat nichts mit Kunst zu tun. Nicht jeder Künstler fühlt Vergnügen, wenn er etwas schafft und die, die sich vergnügen, sind beileibe oft keine Künstler, noch geht es um vergnügliche Kunst. Und "Schönheit" liegt im Auge des Betrachters." Ihr aufkeimendes Lächeln verflog so schnell wie es gekommen war.

Wie geschickt Giada ihrer Frage ausgewichen war. Aber gut, das Gespräch hatte eine interessante Wendung genommen.

"Eure These basiert, so ich Euch denn richtig verstanden habe, auf einem deprimierenden Gedanken - dem der uns den freien Willen abspricht." Sie überlegte weiter. "Gewiss beinhaltet dieser Gedanke Wahrheit, denn der Ruf des Bluts, der Hunger, ist stark. Er hat die Macht uns zu formen, uns Dinge tun zu lassen, die wir nie für möglich gehalten haben aber er dominiert uns nicht die ganze Zeit." Atessa setzte ab, und wechselte den Überschlag der Beine. "Denn gleiches gilt für Menschen. Wenn sie Hunger, Angst, Wut spüren, tun zu zuweilen ebenfalls Dinge, die sie sich nicht vorstellen konnten. Was das angeht, sind wir uns nicht unähnlich."
Somit reduziert sich bei den Menschen ebenfalls alles auf die niederen Triebe - sie sind auch nur das, was sie sind. Aber das setzt, aus meiner Sicht, den Erhaltungstrieb mit dem Wunsch nach Freude gleich."


Erneut machte die Rose eine Pause und sichte ihre Gedanken zusammen.

"Ich glaube jedoch, egal ob nun Mensch oder Kainit - wir sind mehr als nur unsere Triebe, unser Erhaltungswille - unser Blut. Unsere Freude und unser...Lustgefühl... - worauf auch immer es basieren mag - macht unsere Existenz zu etwas Genießbarem, vielleicht sogar Großartigem. Und wir haben den freien Willen nach jenem zu streben, dass uns erfüllt, vergnügt, im Genuss schwelgen lässt. Sei es ein Tanz zur Musik, das Anhäufen von Wissen oder eben Macht. Ganz gleich." Da kehrte es zurück, das leichte Schmunzeln.

"Und es gibt die, die auch im Leben keine Freude empfinden können, ihr bedauerliches Existenz endet nur schneller als das jener, die freudlos in der Nacht wandeln.
Bei letzteren Frage ich mich nur - warum wandelt man, wenn man an nichts mehr Freude empfindet? Ich bin gewiss noch jung, gemessen an anderen unserer Art aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Freude irgendwann bloß nur noch eine Erinnerung ist und die eigene Existenz nichts weiter als ein Schatten. Wenn alles nur noch grau und von Langeweile geprägt ist."


Atessa zuckte mit den Schultern. Jeder war seines Glückes Schmied und wozu existieren, wenn einen Nichts mehr Antrieb außer das Verlangen nach Blut - vor allem wenn der Konsum auch keine Freude mehr bereitete.

"Nun, wie gesagt, ich hoffe ich habe Euch richtig verstanden - in dem Fall widerspreche ich Eurer These und hoffe in diesem Zug, dass es etwas gibt, das Euch Freude empfinden lässt."
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Giada Salvaza Rossi
Lasombra
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Interessant und hoffnungsvoll”, bemerkte Giada dazu. “Doch ich sehe, dass Eure Argumentation auf einem schwachen Fuß auftritt: Ihr sagt, es sei deprimierende Vorbestimmung, jener Ruf des Blutes, der Hunger.”
Die Magistra hatte ganz offensichtlich Atessas Worten mit Interesse gelauscht. Es war auch eine Art von gelehrtem Interesse, denn ein Gespräch wie dieses hätten wohl zwei ungebildete Frauen mit schlagenden Herzen niemals geführt.

“Jedoch denkt es von einer anderen Seite her: Nehmt an, dieser Hunger ersetzt alles, was zuvor den Menschen ein Grund gewesen sein mag: Die Lust des Fleisches, die Lust am Essen und am Rausch des Trinkens, die Freude der Waghalsigkeit eines wilden Rittes durch sonnendurchflutete Felder, der weite Blick eines Seemanns an den dunstblauen Horizont und in die Ferne, die simplen und harmlosen Freuden der liebsten Familie um einen her, Vater und Mutter und die Kinder… .” Giada brach ihre wohl recht willkürliche Aufzählung ab, hob die Augenbrauen und musterte Atessas Reaktion, ob sie zu irgend etwas davon wohl eine Freude zeigte.

“Ich sage nicht, dass wir vorbestimmt sind durch den Hunger. Ich sage, dass unsere Triebe und Antriebe sich immer mehr und mehr eingrenzen bis nur noch jener eine übrig bleibt. Manchmal kommt es vor, dass ein Kainit eine Leidenschaft aus dem Leben mit herübernimmt, auf diese Seite des Todes. Doch sie alle werden schal, blass oder schlimmer noch, sie verderben in unseren eigenen Händen.”

“Ich überlege, ob sie uns verloren gehen, eine nach der anderen. Weil diese Freuden uns fade und leer werden, weil wir sie durchschauen, weil wir mehr verstehen, weil unser Körper nichts vom Wein und Rausch hat oder weil wir diese oder jene Kunst so sehr zur Perfektion getrieben haben, dass kein Mensch sie mehr fassen kann.”
Sie runzelte die Stirn, wohl selbst nicht ganz zufrieden mit der Wahl ihrer Worte.

“Und versteht mich nicht falsch. Ich bin nicht so alt, dass ich jegliche Freuden aus meinem einstigen Leben vergessen hätte. Und gewiss kenne ich meine eigenen Freuden noch. Ihr würdet lachen, würde ich sie Euch verraten.”
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Atessa Federizzi
Toreador
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Die Rose lauschte und begann wieder zu lächeln, als Giada begann die Freuden des Menschsein aufzuzählen. Sie quittierte jeden Punkt mit einem Nicken, ob nun aus einer erfreulichen Erinnerung heraus oder schlicht als Anerkennung des Punktes, war nicht genau zu erkennen. Vielleicht eine Mischung aus Beidem.

Als ihre Gesprächspartnerin geendet hatte, musste Atessa schmunzeln und nickte erneut zustimmend. "Nun, gewiss sind die persönlichen Freuden etwas sehr Privates. Nichts für zwei Fremde. Wer weiß, vielleicht irgendwann..." Wer wusste schon, was die Zeit und die Geschichte für die Beiden in petto hielt.

"Aber ich verstehe worauf ihr hinaus wollt. Es mag sein, dass das, was einen einst erfreute, irgendwann nur noch Langweile in einem schürt. Aber auch hier sind wir nicht so anders als Sterbliche. Gewiss, wenn die eigene Leidenschaft für etwas erlischt, weil mein sie perfektioniert hat oder sie auf einem Niveau praktiziert, die es unmöglich macht diese zu teilen, so kann man das als Verlust empfinden." Atessa strich sich durch ihr Haar.
"Gleichermaßen ist es aber auch eine Chance, sich einem neuen Feld zu widmen, eine neue Begeisterung zu finden - das Geschenk der Zeit zu nutzen. So bleiben einem immer weitere Facetten der eigenen Existenz, die man genießen kann - neben dem Hunger." Eine kurze Pause folgte, sie schien ihre Gedanken zu sammeln. "Was ich sagen will ist - ich behaupte, es liegt auch an einem selbst, ob man es schafft sich innerlich warm zu halten in diesen kalten Körpern. Aber wie gesagt, ich bin zu jung um es beurteilen zu können."

"Ich hoffe ich erinnere mich an dieses Gespräch, sollte mir meine Leidenschaft irgendwann fad werden und meine Existenz mir eintönig vorkommen."
Sie kicherte sanft.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Wenn Eure Leidenschaft also Eure Existenz tragen und erfüllen kann, dann verstehe ich Eure Gedanken weit besser”, sagte Giada dazu. Es klang zuerst ein wenig steif und trocken, doch dann lächelte die Magistra plötzlich.

Es war kein besonders schönes oder charmantes Lächeln, denn es hatte zu viel Biss.

“Ich behaupte, dass es mir ähnlich geht. Es kommt wohl darauf an, dass diese Leidenschaft weiter und tiefer gehen kann als bloße sterbliche Gelüste. Ich denke mir oft, dass uns durch die Gaben der Zeit, des Blutes, des stärkeren Körpers auch die Verpflichtung gegeben ist, diese Dinge zu gebrauchen.”

“Es wird wohl stets darauf ankommen, was es ist, das uns durch die Nacht treibt oder trägt, welche Ziele wir im Blick haben und was die Mittel sind, die wir gebrauchen”, überlegte sie langsam.
“In hundert Jahren würde ich mich nicht erinnern, wie das Blut gekostet hat, das ich in diesen Tagen trinke. Doch ich werde mich wohl ewig daran erinnern, dass ich hier in Genua war und meinen Stand gemacht habe so aufrecht es mir nur eben gelingen kann.”

Sie schnaubte einmal. “Er hat wohl hin und wieder etwas Schlagseite, doch keine Anstrengung bleibt ohne ihre Blessuren. Und es ist nicht so, dass ich freudlos dabei bin.” Das Lächeln von zuvor kehrte wieder zurück.
“Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass die kainitischen Gäste Genuas, die hier ein Heim und Obdach gefunden haben, die Domäne weniger schätzen als ich. Dabei hat sie so viel zu bieten - und gewiss keinen Anlass zu irgendeiner Langeweile in der Nacht.”

“Ihr selbst jedoch habt Genua wohl in der Tat selbst für Euch ausgewählt?”
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Atessa Federizzi
Toreador
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Aus dem Kichern wurde ein zufriedenes, charmantes Lächeln und sie hob zustimmend die Augenbrauen.
"Ich sehe, in diesem Punkt sind wir uns wohl einig. Wir sind mehr, als nur unsere sterblichen Gelüste." Das wäre der Moment gewesen, in dem eine Sterbliche den Weinkelch an den Mund geführt hätte, um eine Pause zu erzeugen aber gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf sich zu binden. Doch da Atessa auf diese Geste nicht zurückgreifen konnte, versuchte sie ihr kurzes Schweigen mit dem Wechsel des überschlagenen Beines zu untermalen.

"In der Tat traf ich die Wahl für mich allein. Die Umstände in Salerno haben das begünstigt und ich ergriff die Möglichkeit- mit all den Chancen und Risiken, die sich mir hier wohl bieten werden. Aber wenn ihr sagt, dass es in Genua nicht langweilig wird, erscheint mit das eine gute Ausgangssituation zu sein, um etwas mehr auf eigenen Beinen zu stehen." Sie machte eine wischende Handbewegung.

"Was lässt Euch denken, dass andere Gäste unserer Art Genua weniger schätzen als ihr?" Das war eine interessante Aussage, wenn man bedachte, mit welcher Art Aufgabe Giada anscheinend betraut wurde.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ah, nur wenige sprechen derlei offen und direkt aus. Doch es zeigt sich in den Taten und Tönen zwischen den Worten.” Giada pausierte kurz und sann wohl über ein gutes Beispiel nach.

“Nehmt einen Aufruf des Ersten Liktors, des wohlwerten Liutprand, zum Beispiel: Er sagte ganz offen, dass mehr Neugeborene und Gäste in das Liktorenamt treten sollten, um Genuas Gesellschaft und seine Herde zu schützen und der Stadt und Domäne zur Blüte zu verhelfen.”
Sie machte einen Deut in den Garten hinein.
“Dort vorne hat er gestanden, offen vor einer versammelten Gesellschaft. Und kein einziger außer mir selbst trat an seine Seite - und ich kann schlechterdings ein Amt in dieser Domäne bekleiden. Es war beschämend.”

“Ich habe nur selten gesehen, dass einer der Neugeborenen verstand, wie glücklich es ist, dass die Weiße Prinzessin in der Tat die Tore für Gäste geöffnet hat. Dass es hier die Gelegenheit gibt, sich zu beweisen, durch Aufgaben wie die Eure. Dass die Ämter in dieser Domäne noch lange nicht vergeben und alles andere als festgefahren sind.”

“Die Weiße Prinzessin ist alt und machtvoll, doch sie ergeht sich nicht in größter Härte oder offener Grausamkeit. Der Schwarze Seneschall, der hoch verehrte Lydiadas, wäre gewiss zu beidem mehr als fähig, doch gegen ihn scheint sie die Milde zu sein. Ein fragiles Gleichgewicht der Mächtigsten in der Domäne, doch es schafft wahrhaftig viele Möglichkeiten.”

Giada hob in einer etwas ratlosen Geste die Hände an. “Weshalb nicht mehr unter den Neugeborenen diese ergreifen, ist mir ein Rätsel. Ich komme aus einer Domäne, in der es zu viele Ahnen gibt als das eine junge Neugeborene begreifen kann, wie deren Mächte ineinander verschränkt sind. Kein Amt ist auch nur in der Reichweite von jemand so Jungem. Und mein Lehnsherr, der höchst verehrte Totila, kennt weder Gnade noch Milde für solche, die unnütz und wie schmarotzende Blutegel an der Flanke seiner Domäne kleben wollen.”

Sie neigte den Kopf ein wenig auf die Seite und gab dann für Atessa zu: “Ich gestehe, dass ich Euch um diesen Neubeginn beneide, der sich vor Euch ausbreitet. Gewiss wird nichts davon leicht. Nichts von Wert in dieser Welt ist ohne seinen Preis.” Sie hob die Hand und ballte sie zur Faust. “Doch Ihr könnt die Gelegenheiten beim Schopfe packen!”
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Atessa Federizzi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Waren die Neugeborenen dieser Domäne tatsächlich derart abgesichert, dass sie sich nicht selbst bewegen mussten und ihrem Werk nachgehen konnten? Den Wunsch dazu konnte Atessa durchaus verstehen, hatte sie doch selbst die letzten Jahre im Schutz ihren Interessen nachgehen können. Aber diese Lebensart musste man sich leisten können. War das hier der Fall? Oder wollte niemand dem Aufruf des ersten Liktors folgen?
Und weshalb folgte keiner, wenn die weiße Prinzessin aufrufen ließ - wo doch anscheinend die Alternative die Gefahr der Erbarmungslosigkeit mit sich brachte? Anschein. Wie es wohl dahinter aussah.

Atessa riss sich aus ihrem Gedanken und richtete ihren Fokus wieder auf die Magistra.
"Alles in der Welt hat seinen Preis, wohl wahr. Aber das war schon vor dem Eintritt in der Nacht nicht anders. Nur die Faktoren der Macht haben sich geändert. Von Geschlecht zu Alter, denn Erbe und Blutlinie war auch schon vorher eine Brief in die Freiheit oder eben eine Fessel." Das Lächeln der Rose wurde kurz schief.
"Aber gewiss, dieser Neuanfang bietet Gelegenheiten. Ihr könnt mir glauben wenn ich sage, dass ich selbst gespannt bin, welche ich davon ergreifen kann. Aber alles zu seiner Zeit."

Sie nickte Giada zu. "Habt Dank für Euren Einblick."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1076] Und Ihr seid? [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

"Diesen Dank kann ich gut erwidern", gab Giada darauf zurück und erhob sich dann.

"Für diese Nacht und eine erste Vorstellung soll es wohl genug sein. Doch vielleicht werden wir einander erneut treffen, sobald Ihr Euch eingefunden habt. Mich würde auch interessieren, ob Ihr mit Euren Mühen in und um Clavicula einen Erfolg hattet." Mit diesen Worten und einem knappen Nicken nahm sie ihren Abschied.


Im Elysium treffen Atessa und Giada zufällig aufeinander und stellen sich vor. Sie philosophieren in einem eher leichten Gespräch über Themen der Nacht, doch Giada gibt Atessa auch den Hinweis, wegen ihrer Heroldsaufgabe in Clavicula einmal mit Vergonzo Faro zu sprechen.
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