[1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

[Januar '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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I Tarocchi
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[1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Das Haus des Flüsterns war eine Falle, in mehr als einer Hinsicht. Es war eine Falle für Geräusche, denn sie spiegelten sich am kahlen Stein, am Wasser, an seinem hohen Dach, an seinen unzähligen Winkeln und Säulen. Es war eine Falle für Lichter und für Schatten, denn jedes Leuchten wurde vom Wasser der Zisterne verzerrt, konnte tanzen oder sich in Farben aufspalten, musste zugleich dutzende Schatten an dutzenden Säulen beschwören. Es war natürlich auch eine Falle für Narren, die sich und ihre Zungen nicht im Zaum halten konnten.

Die Nosferatu hatte ihre Zunge im Zaum und auch Geräusche machte sie nicht. Sie ging beinahe lautlos, mit puderweichen Schritten. Es sah beinahe so aus als hätte ihr Körper weniger Gewicht als ihre schmutzigweißen, seidenglänzenden Kleider. Zarteste Fäden sponnen den Stoff zusammen, gesponnen um winzige, graue Leiber aus winziger, grauer Zierart zu gebären, die die Nosferatu wie Spitze und kostbarsten Schmuck trug. Es war erst der zweite Blick, der den Tand aus gewöhnlichem, weißen Stoff, ein paar weißen Federn, ein paar gestohlenen Perlen aus polierten Knochen als das durchschaute was er war: Maskerade. Meisterlich schöne Maskerade, ganz gewiss, doch so dünn und durchscheinend, dass man nichts davon jemals für echt halten würde. Nur der Seidenglanz, der war echt, denn die Myriaden von Seidenfäden, die die zarten, geflügelten Motten sponnen, waren echt.
Diese Motten schienen in dem Gewand zu leben, in und unter der weißen Maske, in und unter der papierdünnen, brüchigen Haut der Nosferatu-Schönen. Man konnte ihre versponnenen Larven hier und da dicht unter der Oberfläche ihres verrottenden Fleisches erahnen.

Achilla.jpg
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Sie war eine Lauscherin im Haus des Flüsterns. Ihr weich geflügelter, graubrauner Schwarm kroch und flatterte lautlos in den Säulengängen über und auch unter ihr. Doch heute Nacht durfte sie mehr tun als nur zu lauschen, nur zu knien, nur schweigend zu lernen. Heute Nacht würde sie selbst flüstern. Und so zeigte sie sich weiß und schmutzig, schön und hässlich, seiden und fadenscheinig. So wartete sie auf das Erscheinen der Mächtigen.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla(SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Und so wurde die Motte tatsächlich vom Licht angezogen, wenn man Dritas Namen übersetzte. Oder vielmehr das Licht von der Motte, wenn man die Reihenfolge ihres Erscheinens im Elysium betrachtete. Vielleicht war auch, wie so oft in der kainitischen Welt, ein gegenseitiges Anziehen. Der Eine hatte etwas, was der Andere wollte. Dafür hatte der Andere eine Gegenleistung. Geben und Nehmen. Und wer besonders gut darin war, machte sich für viele Seiten unersetzlich genug, um nicht gleich vernichtet zu werden.

Sie hatten viel gemeinsam, die Motte und das Licht. Beide wussten, wie wichtig es war zu lauschen und leise zu sein, besonders hier. Beide wussten um den Wert von Informationen.

Und für Letzteres war Drita heute her gekommen. Ihr Kleid war ein Gegensatz zu dem hellen Glanz der Motte - und zu ihrem eigenen Namen: Schwarz, aber nicht minder elegant. Nicht das teuerste, was die Welt zu bieten hatte, aber eben auch nicht schäbig.

Während Nijaz am Eingang seine Waffe abgab und den Schleier seiner Herrin abnahm, der bislang das Gesicht verdeckte, schaute die Frau sich suchend um. Ein Handzeichen folgte und der Seemann nahm deutlichen Abstand zu ihr ein, während Drita näher zur Motte kam. Sie schenkte sich und der anderen Frau Raum und Zeit für eine nonverbale Begrüßung, ehe ein charmantes Lächeln sich auf den toten Wangen abzeichnete. Drita trat näher heran, nah genug, um ein flüsterndes Gespräch zu beginnen.

"Es freut mich, dass wir uns wiedersehen."
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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Achilla drehte sich kokett und fast so, als wollte sie einen Tanz wagen. Es blieb bei nur einem Tanzschritt und einem tiefen, tiefen Knicks, der Kleid und Seide in einem ersten Antwortflüstern rascheln ließ. Aufgeschreckte Motten flohen aus den Falten ihrer Kleider und umkreisten Drita und sie selbst in taumelnder Orientierungslosigkeit.

“Und mich! So hell wie Euer Licht strahlt, kann ich kaum anders”, gestand sie und legte ihre schmale, brüchige Hand auf ihre Brust, über ihr Herz. Achilla hatte einen Hang zur Theatralik und die Maske machte dies auch nötig. Sie musste ihren Körper, ihre Haltung, ihre Arme und ihre Hände sprechen lassen, weil die Maske in ewiger Gleichmut erstarrt blieb.
Doch die Nosferatu hatte genug Humor, um sich selbst damit nicht allzu ernst zu nehmen. Sie schnalzte einmal mit der Zunge und setzte ein wenig sachlicher hinzu: “...oder jedenfalls steigt Euer Stern, so wie man hört.” Sie unterstrich ihre Worte mit einer einem leichten Wink um sie beide her, als wäre es das Haus selbst gewesen, das ihr dies zugeflüstert hatte. Vielleicht war es auch nur ein schamloses Kompliment.

“Erfolg jedoch kommt nicht von Nichts. Habt Ihr etwas im Sinn, das Euer Licht noch heller strahlen lässt?” Und das klang ganz so als hätte die Motte dies nur allzu gern.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Es war immer eine Freude die Motte zu beobachten. Ob ihrer Maske, die so wunderbar in diese Stadt passte, wirkte sie so lebendig. Eine Fassade, wie auch die Freundlichkeit der Älteren eine war. Sie trugen alle Masken in dieser Gesellschaft.

Trotzdem lächelte Drita, als würde das Kompliment sie tatsächlich erreichen. "Ganz recht. Das habe ich. Und ich habe auch etwas mitgebracht, um eures heller strahlen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass ihr Interesse habt. Aber... lasst und das nicht hier auf den Gängen bereden. Es gibt... stillere Orte hier im Elysium für solche Geschäfte."
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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Die stilleren Winkel im Flüsternden Haus, casa che susurra, waren besonders. Es gab ein paar wenige, kaum mehr als enge Nischen mit einer Tür davor, in die man einfach so gelangen konnte. In diese konnte man sich hineindrängen, doch sie waren gerade eben genug für zwei und die spärlichen Möbel, die es darin gab.

Doch es gab auch ein paar bessere Gelegenheiten, prachtvolle und mit schweren Wandteppichen von jeglichem Echo befreite Räume. Venedigs Reichtum spiegelte sich in ihnen wieder, in Gold und Silber, exotischen Düften, reichen Farben. Doch diese Zimmer, in all ihrer Pracht, hatten ihren Preis. Diesen Preis zahlte man an die Gesellschaft in der Nacht Venedigs, an das Elysium und seine Instandhaltung. Er konnte unterschiedlich sein: Gaben der Pracht für die prachtvollen Zimmer, die sich immer weiter schmücken und ausstaffieren ließen. Oder es waren Gaben des Wissens, Flüstern für das Flüsternde Haus. Es konnte auch Blut sein, gezahlt für eine Versammlung oder ein Fest oder für gern gesehene und hoch geehrte Gäste der Lagunenstadt. Im Gegenzug wurde die Pracht der Stillen Räume immer größer und der Stolz der Venezianer auf diese Pracht wuchs mit ihnen. Es war alles andere als eine Schande, den Preis der Stille zu zahlen.

Als Drita nun also von stilleren Orten sprach, sagte sie zugleich auch, dass das Gespräch eine solche Gabe wert war, denn jemand wie sie drängte sich nicht in enge und karge Nischen. Ungesagt klang mit, dass sie und auch Achilla selbst es sich leisten konnten, wollten und würden.


Der Raum, den diese beiden für ihr Gespräch aufsuchten, war dem Meer gewidmet. Die Wandteppiche, die die Geräusche schluckten, zeigten kostbares Blau und Meergrün. Muscheln, Perlen und in feinen Silberdraht eingeflochtene Seesterne zierten das fein gedrechselte Mobiliar. In der Mitte des Raumes stand ein runder Tisch, dessen Platte durch ein Mosaik ersetzt worden war, das schäumende Wellen und den Himmel zeigte.
Achilla folgte Drita in diesen Raum, mit leichten Schritten und bewundernden Blicken für den unerhörten Reichtum, der hier zur Schau gestellt wurde. Ihre linke Hand ließ sie einer gewellten Linie im Wandschmuck folgen, in einem flatternden Auf und Ab und ohne irgend etwas tatsächlich zu berühren. Tanzende Motten folgten ihrer Geste. Einige blieben hungrig auf den teuren Teppichen sitzen, Schmarotzer und Ungeziefer mitten im blauen Reichtum. Achillas Schritte ließen sie einen kleinen Kreis durch den Raum ziehen, um jenen runden Tisch herum. Mit einem Fingerzeig lockte sie die Motten von ihrer giftigblauen Mahlzeit fort, zu ihrer gewöhnlichen Mahlzeit hin, in den Falten ihrer Kleider, in dem faulenden Fleisch ihres Körpers.

"Ai, einst bin ich aus Venedig geflohen", bemerkte Achilla leise. "Denn der Tod geht um. Doch hier bin ich und hier bewundere ich, was alles erreicht werden kann."
Damit wendete sie sich voll und ganz Drita zu als wäre diese und nicht der zur Schau gestellte Reichtum der wahre Beweis für Erfolg und der Fokus jener Bewunderung.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Auf ihrem Weg zu dem Zimmer zog Drita einen gesiegelten Brief hervor, den sie einem Bediensteten reichte, welcher das Siegel brechen durfte. Er las die Zeilen und nickte, bevor er das Meerzimmer freigab. Offensichtlich war dieser Besuch im Elysium gut geplant und berechnete auch die kleinen Preise ein, die man mit Stolz zahlte. Zumal Drita ohnehin nicht alles auf ihrem künftigen Weg mitnehmen konnte. Warum nicht also sinnvoll investieren.

Nijaz nahm seinen Platz am Eingang zum Raum ein, um ungebetene Besucher abzuhalten, während die Damen drinnen den Luxus genossen.

Im Gegensatz zur Nosferatu steuerte die Ancilla selbst direkt einen Platz auf den weichen Sitzkissen an und beobachtete Achilla ohne Eile. Sie würde die Ruhe dieser Momente hier in Venedig sicher vermissen.

"Ich selbst bin erst nach den Ereignissen in die Stadt gekommen, doch ich habe die Geschichte aus unseren Kolonien stets verfolgt. Wir können zufrieden sein, dass wir Teil da dran haben Venedig so zu stärken... Baustein, um Baustein... Handel um Handel."

Die Lasombra seufzte ein wenig und kam dann direkt zur Sache.

"Und dennoch ist der Grund unseres Treffens, dass mich mein Weg von der Königin der Adria fortbringen wird. So, wie ihr einst nach Genua geflohen seid, wie mir zu gezwitschert wurde... .. wird mich die Welle dort hin bringen. Ich würde gerne unsere gemeinsame Handel mit einem vorerst Letzten besiegeln, Achilla. Alles an Informationen, die ihr zu Genua besitzt... und bereit seit hierfür zu geben."

Aus der Innentasche ihres Überwurfs holte die Ancilla ein weiteres Schriftstück hervor, das auf dem Tisch seinen Platz fand, sodass es gut lesbar war.

"Ich, wie viele Andere, haben mitbekommen, wie ein gemeinsamer... Bekannter... eurem Blut in Venedig schaden wollte und dabei... ... grandios gescheitert ist. Eine Schmach, die er nicht vergessen wird. Und es wäre doch durchaus... gerecht in meinen Augen, wenn Clan Nosfertu die Gelegenheit zur... ... ich will nicht sagen... Revanche bekommen würde, nicht wahr? Ich übergebe euch jeden Gefallen, den er mir noch schuldet... alles im Detail aufgelistet, wie ihr dem Schreiben entnehmen könnt."
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

“Alles an Informationen zu Genua…”, flüsterte Achilla. “‘Alles’ ist sehr viel, manchmal zu viel, eh?” Sie ließ sich halb auf der Tischkante nieder und schlug ein Bein so über das andere, dass die Kurve ihrer Hüfte besser zur Geltung kam. Stoff, Seide und die Nähte, die dem Kostüm überhaupt erst die schönen Formen sicherten, knirschten leise. Die Nosferatu streckte sich und zog mit ihren allzu leichten, allzu brüchigen Fingern das Schreiben näher zu sich heran. Sie betrachtete es eine Weile von der einen und der anderen Seite, wendete es in ihren Händen und begann erst dann, zu lesen, was Drita hier aufgelistet hatte.

“Ai..aiai…”, hauchte sie an einer Stelle. Und dann lachte sie bei einer anderen so ungeniert auf, dass etwas Braunes, Sich-Windendes unter ihrer Maske hervortropfte und sehr unglücklich in ihren Ausschnitt fiel, um dort zappelnd zu verschwinden.

“Fein!”, rief Achilla schließlich aus. “Das ist ein ‘alles’ wert - aber es ist ein ‘alles’, das über zwei Jahrzehnte her ist, seit ich’s selber gesehen, gefühlt und überlebt habe.” Es klang sehr leicht dahingesagt, so wie sie das erklärte. Als wäre ‘überleben’ eine einfache Kleinigkeit gewesen.
“Ich war eine von zwei Harpyien von Genua”, erklärte sie dazu und wippte ein wenig mit dem einen Fuß. “Wie’s dazu gekommen ist, das ist eine lange und hässliche Geschichte, die nicht allzu viel zur Sache tut. Geflohen bin ich aus Genua, weil’s da mit dem Schutz und Trutz für Vasallen der Weißen Prinzessin nicht allzu weit her ist und mir Vampirjäger das Haus ausgeräumt und alle darin abgestochen haben.” Auch das sollte wohl nach einer nichtigen Kleinigkeit klingen, aber etwas in Achillas Stimme klang brüchig. Klang nach Blut und Tod und dem drohenden Ende in Feuer und Sonnenlicht. Doch die Nosferatu saß genau hier, auf der blauen Tischkante, im weißen Seidengewand und war offenkundig nicht verbrannt.
“Aber ich bin, was ich bin, eh? Tagjäger sind eine schlimme Sache, aber ‘s gibt immer ein, zwei, drei Tricks, die man in den Ärmeln haben sollte, eh?” Die brüchige Fassade von Bravado war etwas zu durchscheinend. Was auch immer damals geschehen war, hatte seine Spuren an der Motte hinterlassen.

“Der Handel klingt recht gut. Aber eine Sache würd’ ich dazu setzen. Eine Kleinigkeit nur.”
Zwischen dem knochendünnen Zeigefinger und ihrem Daumen zeigte Achilla die Winzigkeit ihres Zusatzes an.
“Etwas, das Ihr mir jetzt noch nicht geben könnt, aber später gewiss.” So langsam fand Achilla ihre gewohnte Fassung wieder, fiel geübt in die heitere Sicherheit der Masken zurück. “Ich hätt’ gern ein Andenken. Ein kleines Ding, eine Sache, die Iulia Cornelia gehört, der Harpyie von Genua, dem Kind von der marmorschönen, höchst von ihren Gästen und Vasallen geliebten und verehrten Aurore von Genua. ‘s muss nichts Kostbares oder Besonderes sein. Nur ein Andenken.”

Sie wendete den Kopf ein wenig seitlich und sah Drita abwartend an.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Eines musste Drita zugeben: Wäre Achilla keine Nosferatu, wäre sie sicher wunderschön in die Nachtgeholt worden. Wie sie wohl früher einmal ausgesehen hatte? Die Lasombra musterte die Verborgene mit alten, toten Augen, ohne dabei ihr Lächeln zu verlieren.

Das Schreiben an sich hatte keine besondere Merkmale, keine verborgenen Botschaften, wie die Alten sie sich immer schickten. Kein Leder, dass aus der Haut eines Ghuls gerissen wurde. Keine Tinte, die mit dem Eisen einer Klinge versetzt wurde, mit der ein Ahn vernichtet wurde. Kein Blut, keine Geheimnisse. Es ging hier wirklich nur um den Vertrag und um nichts Anderes.

Das Fallen der Made hätte um ein Haar das Lächeln zerstört, welches auf dem Gesicht des Schattens lag. Doch irgendwie schaffte sie es, sich kaum etwas anmerken zu lassen. Zumindest wirkte es nicht so, als würde sie sich daran stören. *

"Ich wusste, dass euch das Gefallen wird." Der 'Bekannte' war in Ungnade gefallen - nicht nur bei den Nosferatu - und, wenn diese Gefallen wirklich noch Wert hatten, dann nur bei den Verborgenen. Es war also ein Gewinn für Beide, dass diese Liste nun auf dem Verhandlungstisch lag.

Drita nickte bei der Erklärung. "Ich bin mir bewusst, dass die Informationen nicht aktuell sind. Aber sie sind allemal besser, als ganz ohne in Genua auf zu tauchen. Ich werde sie zu nutzen wissen und zeitgleich mit der nötigen Vorsicht behandeln."

Die folgenden Worte und den Ton ihres Vortragens nahm die Ancilla zur Kenntnis. Vampirjäger. Na wunderbar. Da war sie ja in eine ziemlich heikle Situation geraten. "Es ist gut, dass ihr entkommen seid... und bedauerlich, dass ein Prinz die Vasallen in so eine Situation geraten lässt. Aber heben wir uns das für das Ende eurer Erzählung auf."

Zumindest ging Drita bis jetzt davon aus, dass der Handel so abgeschlossen wäre. Doch die Nosferatu hatte etwas zum Nachverhandeln. Drita überlegte und rieb sich das Kinn.

"Etwas vom Kind der Prinzessin?" Was Achilla wohl damit vorhatte? Letztlich war es auch egal. "... ... sollte ich je an etwas aus ihrem Besitz gelangen können, wird es euch gehören. Ich kann euch aber nur hierdrauf mein Wort geben, nicht, dass ich wirklich an etwas komme, was eurem Wunsch entspricht."

Die Ancilla zog den schwarzen Handschuh von ihren Fingern und streckte die rechte Hand in Richtung der Nosferatu. Ein Handel musste besiegelt werden, durch Wort und Handschlag.

**************
* Verbergen ihres Ekels:
Pool 7 | Diff 6
Character Drita
Dice 10, 10, 10, 8, 5, 3, 2
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Geziert griff die Nosferatu nach Dritas Hand. Ihr Händedruck war erstaunlich kraftvoll, zugleich war ihre Hand erschreckend leicht. Es war als würde Drita ein Bündel Knochen oder Reisig umgreifen, nur irgendwie mit etwas dünner Haut zusammengehalten, um den Anschein einer echten Hand zu erwecken.

“Ein Handel ist ein Handel ist ein Handel”, sagte die Nosferatu und das klang nach geschäftsmäßigem Ernst. Immerhin war dies das Familiengeschäft.

Doch als das dann auch erledigt war, streifte die Motte die allzu große Schwere solchen Ernstes scheinbar ab und suchte sich erneut einen guten Platz auf der Tischkante.

“Genua also, La Superba!”, sagte sie schwärmerisch und lachte einmal ein melodisches kleines Lachen, das so hübsch klang wie ein Glockenspiel. Ja, Achilla musste im Leben einmal schön gewesen sein. Wahrscheinlich auch nicht sehr alt, eine junge Frau mit einem Liebhaber an jedem ihrer Finger.
Einen dieser Finger hob sie nun in einer gespielt nachdenklichen Pose an das hölzerne Kinn ihrer weißen Maske und tippe sacht dagegen.

“Beginnen wir mit Genuas Fleck in den Dingen. Erwartet nicht allzu tiefe Einsichten von allzu hoher Politik von mir, verehrtes Licht, aufsteigender Stern. Doch es soll genügen, um zu sagen, was Was ist und wer Wer. Auf die Weise erkennt man ein wenig vom Warum und Wie der Figuren auf dieser Bühne.”

Damit hob sie beide Hände und machte eine Geste als wollte sie einen Vorhang teilen. Bühne frei, das Stück beginnt!
“Seit über hundert Jahren herrscht in Genua die la principessa bianca, die höchst verehrte Aurore. Sie ist schön wie die Morgenröte ihres Namens und für viele war sie genau so tödlich. Lasst Euch niemals, niemals von der Schönheit täuschen, ja? Von dem zarten Gesicht, von der Unschuld und Jugend… aber wem sage ich das, eh? Ihr kennt die Fallstricke selbst.”
Sie räusperte sich einmal, warf sich in Pose und sagte dann die formelle Anrede der Weißen Prinzessin auf: “la prinicpessa bianca, Prinz von Genua, Ahn vom Blut der Könige, Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige, Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige, Kind des Ventrue, erster seines Blutes, Kind des Enoch, des Weisen, Kind des Kain, des Vaters.” Die Motte konnte die beneidenswert kurze und dabei wohl dennoch beneidenswert vollständige Reihe von Namen in einem hübschen, kleinen Singsang aufsagen. Es hatte denselben Rhythmus wie geübte Geschichtenerzähler ihn hatten, die sich hunderte und hunderte von Geschichten wortgenau einprägen mussten und konnten. Und genau so wie solche Geschichtenerzähler musste sie nicht ein einziges Mal stocken, zögern oder nachdenklich innehalten.

“Vor der schönen Morgenröte war es ein anderer, der in Genua herrschte. Godeoc, ein Ahn der Verborgenen und daher mein Ältester und Herr, solange ich dort war. Die Weiße Prinzessin ließ ihm eine Domäne, das schwarze Herz von Genua, Clavicula, die Gosse. Doch in den Fünf Nächten, von denen ich noch erzählen werde, verschwand der Ahn der Verborgenen und keiner hat ihn seither mehr gesehen.” Es klang ein wenig verschmitzt, so wie sie das sagte, denn es lag ein wenig in der Natur der Sache und ihres Blutes, dass die Verborgenen verborgen waren.

“Seit die Weiße Prinzessin herrscht, erlebt Genua einen Aufschwung und eine unerhörte Blüte. Es ist am Tage unter der Herrschaft des Grafen von Mailand und war das bei Nacht auch für eine lange Weile. In Mailand herrscht Fürst-Totila-der-Rom-erobert-hat. Gotenkönig, ein Mann, den man auf alten Münzen sehen kann, wenn man sie findet. Er ist ein Ahn, aber von den ..nunja, den gotischen Lasombra.” Achilla neigte ihr Haupt tief vor Drita wie um anzuzeigen wie tief ihr Respekt vor dem Clan der Nacht war. “Sicherlich wisst Ihr besser um die zahlreichen Strömungen und Seitenlinien im Schwarzen Fluss des Blutes Eurer Familie der Nacht.”

Sie richtete sich dann wieder auf und fuhr fort:
“...jedenfalls änderte sich die Vasallenschaft der Weißen Prinzessin gegenüber dem alten Gotenkönig schlagartig mit einem Ereignis, das am Ende der Klagende Hof genannt wurde. Anfangs jedoch hieß es einfach ‘die Feier zur hundertjährigen Herrschaft der Weißen Prinzessin über Genua’. Ha!” Achilla schnalzte mit der Zunge und lachte auf. “Ai, das war ein Fest! Die Gästeliste allein kann einen heute noch schwindelig machen! Doch sie tut hier nicht allzu viel zur Sache. Stellt Euch einfach vor, dass die Ahnen von halb Italien alle an einem Fleck waren und an einem Tisch saßen. Wer auch immer die Sitzordnung für diesen Tisch machen musste, wird dabei halb verrückt geworden sein!”

Achilla hatte eine lebendige, leichte Art zu erzählen. Es war einfach angenehm, ihr zu folgen, ihren Gesten und dem Klang der Worte. Man konnte sich die Szenerie jener Tischgesellschaft beinahe vorstellen: Aurore, Ellenbogen an Ellenbogen mit Totila, mit Gestalten wie Calistus, Karkana, Kometiolos… und wahrscheinlich auch Venezianern wie Galba oder vielleicht sogar Tiberian selbst?
Das Bild vom verrücktgewordenen Hofmarschall mit der Aufgabe einer unmöglichen Sitzordnung lag wahrhaftig nicht fern.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Die Hand der Ancilla war nicht weich. Zu Lebzeiten hat sie sicher kein ruhiges Leben im Schoße einer behüteten Familie gehabt, sondern wusste, was es heist zu arbeiten - in welcher Form auch immer. Trotzdem blieb es die Hand einer fast schon zierlichen Frau - bis sie zugriff. Es könnte auch ein starker, männlicher Sterbliche sein, der da den Handel besiegelte.

"So soll es sein. Die Gefallen und mein Wort gehören euch, meine Liebe."

Als das Geschäft erledigt war, glitt die alte Hand wieder in den Handschuh und die Ältere ließ sich bequem auf dem Kissen nieder, um den folgenden Worten gut zu lauschen. Auf die Warnung, nicht allzu viel Einsicht aus der Perspektive einer Hohen zu bekommen, nickte Drita. Das war Nichts, was den Schatten zu überraschen oder stören schien. Es wäre kurzsichtig gewesen etwas Anderes anzunehmen.

Die Erzählung über Aurore war sicher einer der wichtigsten Punkte und Drita hoffte darauf, dass hier noch mehr Informationen kommen würden. Als Achilla zum Titel kam, bewegten sich die Lippen der Ancilla mit - wie sicher schon tausende Male, wenn sie sich einen neuen Namen und die dazu gehörigen Titel einprägte. Trotzdem erhielt die Verborgene ein anerkennendes Nicken für die Eleganz und Eloquenz, mit der Aurore vorgestellt wurde.

Godeoc war der nächste. Ein abgesetzter Prinz, der nun verschwunden war. Sicher spannend genug, um diesbezüglich mehr in Erfahrung zu bringen.

Totila, der ehemalige Lehnsherr, abgelöst durch die See der Schatten. Ein knappes Nicken an dieser Stelle signalisierte, dass Drita hier schon Kenntnis drüber hatte.

Das Lächeln wurde breiter. "Eine Qual für den Hofmarschall, aber sicher ein Festmahl für die Harpyien." Sie zwinkerte Achilla zu und war sich sicher, dass diese sicher viel für ihr Amt mitgenommen hatte. "Habt ihr etwas von dem Abend für mich? Fehltritte" Es war immerhin gut zu wissen, wer sich gerne daneben benahm oder auf wem man nicht im Handel setzen sollte "...oder wichtige Ereignisse neben dem Wechsel der Vasallenschaft. Wie ist diese von statten gegangen?"
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