[1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

[Januar '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

“Gonzo…?” Drita hatte Achilla damit wohl kurz aus dem Tritt gebracht. “Oh!”
“Er tat, was ich tat: Er folgte Godeocs Wink und wir standen Schwarz. Unsere Clansgeschwister Anastasia und der Dottore nicht - Weiß stattdessen.” Sie wiegte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. “Vielleicht, weil Ana eine Liktorin war und Aurore tatsächlich geschworen hatte. Vielleicht, weil es Blutsbänder gab, in anderen Verwicklungen. Vielleicht, weil Godeoc schlau ist und in Wahrheit in jedem Lager jemanden sitzen haben wollte”, antwortete sie dann zunächst.

“Ich habe nichts sonderlich für oder gegen ihn, den Baumeister. Ist er hier?” Die Frage klang beiläufig-neutral, vielleicht ein bisschen zu sorgfältig neutral. Wahrscheinlich schwangen hier andere Dinge mit, Clansbande der Verborgenen oder gemeinsame Vergangenheit. Schwer zu sagen. Nosferatu sprachen selten offen über Nosferatu.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

"Vergonzo." Bestätigung oder Korrektur war nicht ganz klar.

Sie nahm die Erklärung hin und nickte, ob der Überlegung zu Godeoc - schlau wäre es durchaus gewesen. Ein Winkelzug der Alten. Ein Spiel, was sie alle mitspielten und deren Bauern die Jüngeren waren.

Was Drita jedoch sehr stutzig machte war die Neutralität in der Stimme von Achilla. Schließlich nickte sie.

"Er ist hier, um mich nach Genua zu begleiten."
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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Achilla rang ein wenig mit sich, dann aber sagte sie dazu: “Der Baumeister hat später ein Urteil der Weißen Prinzessin erhalten. Dass er bauen muss, für sie, Mauer und Kathedrale und alte Versprechen. Dass er Genua nicht verlassen darf, solange er das tut. Doch Genua hat keine Kathedrale, von der ich gehört hätte. Und so eine mit Kirchengold gesegnete Pracht schießt nicht aus dem Boden wie ein Pilz, nichtmal wenn Vergonzo Faro es baut, ia?”

Sie sagte die zögerlich, zuckte dann aber mit den Schultern. Es war ein öffentliches Urteil gewesen, kein tiefstes Geheimnis.

“Wenn er also hier ist, dann hat sich die Weiße Prinzessin entweder anders entschieden oder er sollte nicht hier sein und Ihr habt einen Weg nach Genua, der nicht ganz so …offiziell ist, eh?” Sie fragte nicht nach, was von beidem es wohl war, doch mit der größten Sicherheit hörte und sah Achilla sehr genau hin, wie Drita nun reagierte.

“So oder so, wenn er hier ist, dann kann er mich finden. Und ich jetzt auch ihn. Solche wie er und wie ich, wir finden einander, wenn und weil und wie wir’s müssen. So geht das Geschäft, verehrte Drita.” Achilla besaß eine Leichtigkeit und mitunter auch Flatterhaftigkeit, die sie beinahe substanzlos scheinen lassen konnte: Nichts als ein Schwarm Motten hinter einer Maske, Farben und Federn. Doch offenbar gab es da doch etwas: Da war ein knallharter Kern von gutem, erprobten Nosferatugeschäftssinn. Und da lag wohl auch die Schwierigkeit begraben, in dieser unaugesprochenen Frage Dritas von zuvor, was es Achilla wert sein könnte, ihren eigenen Clansbruder zu sprechen.


“Ich will’s als eine gute Sache nehmen, dass Ihr von ihm erzählt habt. Doch Ihr solltet nicht, niemals und unter keinem Umstand den Kontakt zwischen einem von uns mit einem von uns verkaufen außer wir fragen danach.” Ganz sanft sprach Achilla das aus, weich und golden und flüssig wie warmer Honig. Ein wenig klebrig auch, damit die Warnung trotzdem hängen bleiben konnte:
“Denn sonst denken unsere Alten, denen wir in Heller und Pfennig, Blutstropfen und Aschekrumen, Geheimnis und Siegel verpflichtet sind, dass wer Fremdes in unsere Geschäfte hineinlangen will. Und wenn sie denken, dass eine ehrbare Frau wie Ihr in so abgründige Dinge langen will wie die Geschäfte und Belange der Verborgenen, dann bekommen sie ein ganz und gar falsches Bild von Euch, will ich meinen? Ihr seid immerhin genau das, eine ehrbare Frau mit dem besten Ruf und einem steigenden Stern.” Ja, hinter diesen Worten lag eine Warnung. Sie war noch nicht hart oder sonderlich drohend, doch sie steckte eine Grenze ab, die besser nicht überschritten wurde.


Und dann schwenkte Achilla mühelos wieder in eine ganz unbeschwerte Fröhlichkeit zurück. Sie konnte das ansatzlos und auch wenn das eben genau deswegen künstlich erscheinen könnte, konnte man es eben beinahe auch für echt halten. Die Maske, die sie hier zur Schau trug, war in der Tat meisterlich gemacht.
“Und Ihr habt mir nur einfach von meinem lieben, guten, alten Vergonzo Faro erzählt! Das ist so schön zu hören - wie lange hab’ ich ih nicht mehr gesehen? Er und ich, wir sind zusammen durch den einen oder anderen Dreck gekrochen, ha! …aber der ist eine andere Geschichte! Jedenfalls habe ich Euch gesagt, wie besonders es ist, dass er uns hier in Venecia besuchen kommt. Und so ist es dann wieder gleich auf gleich, wie’s sich gehört und sein soll, ja, verehrtes Licht?”
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Regeln. Gebote... Gesetze... Verbote.
Drita wusste nur zu gut, dass man alles ein wenig dehnen musste, um in dieser Welt erfolgreich zu sein. Das man manchmal auch über Verbote hinwegsteigen musste. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen. Und sie erlaubte sich, dass ihr Gesicht das deutlich sagte, bevor sie lächelte. 'Alles in Ordnung' oder 'Sein Geheimnis ist bei mir sicher'. So genau konnte man gar nicht sagen, was sie wirklich mit diesem Lächeln meinte. *

Das was dann folgte ließ Drita eine Braue heben. Drita lehnte sich zur Seite und legte einen Finger seitlich an ihre Lippen. Nachdenklich vielleicht? Andere Ancillae wären Achilla sicher ins Wort gefallen. Doch Drita blieb höflich distanziert bei der durchaus vorhandenen - wenn auch nicht bedrohlich ausgesprochenen - Drohung. Und schließlich nickte sie.

"Ich schätze er ist in drei Nächten ohnehin hier. Er will den Hüter sprechen. Oder ihr sucht auf dem Festland."

Kein weiteres Handeln und kein Geschacher. Keine Entschuldigung für den Versuch die Linie zu überschreiten. Drita gab sich auch nicht die Blöße darauf zu bestehen einen Preis dafür zu bekommen, als wäre die Warnung und die Erklärung davor Angebot genug gewesen und offerierte somit Beiden, dass sie ihr Gesicht wahren konnten. Gleich auf Gleich.

"Ich freue mich, dass ihr jemanden habt, dem ihr euch so verbunden fühlt, meine Liebe. Ich hoffe, dass ich ähnliche Bande zu ihm knüpfen kann, wie sie zwischen uns vorhanden sind. Bislang habe ich einen guten Eindruck von ihm."

Sie lächelte, schob dann aber bestürzt die Hand vor ihren Mund.

"Ich fürchte ich habe euch unterbrochen. Das tut mir leid."

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* Manipulation + Ausflüchte
Pool 7 | Diff 6 | Spec
9, 8, 6, 5, 4, 3, 1
Result + 2 success +
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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Achilla spiegelte Dritas Geste zeitgleich und gestengleich als wäre sie tatsächlich für den Bruchteil eines Augenblicks das genaue, wiedergefundene Spiegelbild Dritas. Ihre Finger berührten die hölzernen Lippen der Maske flüchtig.
Dann zerbrach sie den Anschein, indem sie einmal herumwirbelte so dass der Saum ihres Kleides sich hob und zu einem fast-perfekten Kreis weitete. Sie machte ein, zwei lange Schritte zurück zu der gedachten Linie, Schwarz und Weiß.

“Was genau in den fünf Nächten nach dem Klagenden Hof geschah, kann wohl kein Einzelner je alles sagen. Ich kann Euch sagen, was ich erlebte und was ich hörte.” So holte sie den Faden ihrer Erzählung wieder hervor um ihn weiter zu spinnen.

“Lydiadas gab uns allen Anweisungen. Meine waren die für einen Spion, aber sie waren so einfach und langweilig, dass ich sie nach einer Stunde vergaß und hätte nicht jemand von meinen Ghulen sie mit halbem Auge gemacht, wäre der Schwarze Prinz sicherlich zornig geworden. So war er wohl zufrieden. Beobachte dies und das. Melde dies und das. Sag mir dies und das.” Achilla schnippte mit den Fingern und wedelte mit den Händen.
“Glücklicherweise hatte ich also eine große Menge Zeit und begann einen Totentanz während die Stadt im Blut versank. Oh, viele, viele von uns fanden in diesen Nächten ein Ende. Das Ende von Acacia muss ein wahres Schauspiel gewesen sein, Schatten und tobendes Chaos, Fontänen aus Blut und brodelndes Chaos.”

Achilla schüttelte sich. “Es wurde gekämpft. Genuas Tage waren voller Verrat, todlose Leiber wurden ans Licht gezerrt und verbrannt. Genuas Nächte voller Terror, Schatten und Blut. Die Stille brach und das Heulen der Bestien klang. Genuas eigene Kriegsschiffe schossen auf Genuas eigenes Herz. Clavicula, mein Heim, brannte lichterloh deswegen, Godeoc ist seitdem …verschwunden.”
Achillas Stimme war schneller geworden, wie atemlos. Die Sätze klangen ausgefranst und wild, verloren ihre Strukturen und beschrieben Chaos und Grauen:

“Ferrucio Erminio soll Menschen um sich her zusammen gerottet haben, um sie in Heiligen, brennenden, geifernden Zorn zu versetzen. Mit dem Eifer der Rechtschaffenden soll er durch die Straßen gefegt sein, um auszumerzen, was sich ihm an Horror in den Weg stellte.”

“Und solchen Horror gab es! Toma soll ein hausgroßes Monstrum aus Fleisch geschaffen haben und hat es durch die Gassen brechen lassen. Blutige Gedärme an seinen drei Klauenarmen, brüllend aus sieben Mäulern! Brimir, der Jäger, wurde selbst zur Bestie und hat Leiber aufgerissen wie ein ein Hungernder einen frischen Laib Brot aufreißt.”

“Und ich selbst? Spionage. Feuersbrunst! Totentanz und Rausch… ah.. und da war diese Bibliothek des verehrten Benedetto, Ancilla vom Clan des Todes. Zusammen mit Caspar, Sousanna und Ilario haben wir die Bücher fortgeschafft bevor all die fetten Mönche und besonders der fette tote Mönch es mitbekommen konnten.” Sie lachte einmal und schüttelte sich, dass die Motten um sie her tanzten.

“Ich kann das so offen sagen, weil es hinterher aufflog. Benedetto hat’s mit seiner Hexerei irgendwie heraus bekommen. Er kam damit zu mir um mich zu erpressen. Ich machte ein Theaterstück draus, für die ganze Domäne zum Ansehen - das ist das, wovon ich zuvor erzählte. Denn in dem Stück kamen die Bücher ebenso vor wie der Verrat an dem Nachschub der Soldaten aus Savona.”

“Auch der geschah in diesen fünf Nächten und vielleicht war er das entscheidende Ding: Galeno Fiore, der ewig Mißverstandene, hat zusammen mit Sofia Caruso den Nachschub aus Savona und das Kind des Prinzen Liutprand von Savona abschießen lassen wie man räudige Wölfe in einer Schlucht abschießt.”

“Alle und alles waren in einem tödlichen Kampf miteinander verschränkt, das lässt sich wohl sagen. Und jede Nacht wurde es schlimmer bis es unerträglich wurde. Die Stille zerrissen, die Menschen im Wahn, Hölle und Feuersbrunst, Schattenkluften und Leichenberge.”

“Der Schwarze und der Weiße Prinz riefen nach Fünf Nächten zu einer Zusammenkunft. Weil sie keine Wahl hatten, vielleicht. Weil keiner von ihnen beiden gewinnen konnte, wahrscheinlich. Weil Genua zerbrach, weil die Welt in Genua zu zerbrechen drohte, der Verstand, die Wirklichkeit - ich kann’s nicht klarer sagen, denn ich war alles andere als klar in jenen Nächten. Ha!”

“Ich beginne also wieder mit dem geordneten Erzählen hier, im ersten Moment der Klarheit nach dem Fieberwahn. Und ich zähle Euch auf, wer unter den Überlebenden war. Denn wer nicht da war, der war tot oder würde bald blutgejagt sein. Denn was dort in Genuas Gassen passiert war, brauchte natürlich Schuldige.”
Die Nosferatu sagte das ohne Anklage und ohne Zynismus. Aus ihrem Munde klang es nach der natürlichsten Sache der Welt. Ein Grauen wie dieses brauchte in den Augen der Überlebenden irgendeine Klärung, irgendjemanden als Schuldige, irgendeinen Schiedsspruch, irgendeine Art von Festigkeit und Halt, um das Chaos zu überwinden.
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Drita
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

So viele Namen. So viele Eindrücke. Drita kam kaum hinterher, was das Merken und Mitkommen anging. So viele Leben die wegen der gebrochenen Eide endeten. So viel Potenzial Dinge aufzubauen... so viel Platz für Neues. Kein Mitleid für die Vernichtungen. Einzig die erneute Nennung der Vampirjäger trieb ihr einen Schauer über die tote Haut.

Die Frage drängte sich auf: Wollte man so einem Prinzen wirklich die Treue schwören? Drita entschloss sich diese Gedanken zu vertagen und folgte nun erst einmal der Geschichte weiter.

"Natürlich brauchen die Alten Schuldige. Und die kann man wohl kaum bei den Toten finden. Das Volk will unterhalten werden. Panem et circenses... oder vielmehr sanguis et circenses" *

Da war kein menschlicher Schrecken in ihren Zügen oder ihrer Stimme. Das Alter hatte jeden Markel der Menschlichkeit weg gewischt. Stattdessen erwartete Drita das große Finale der Erzählung ab.

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* Brot und Spiele / Blut und Spiele.
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I Tarocchi
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

“Was nun kommt, verehrtes Licht, ist der ‘Aschene Pakt von San Donato’. Er ist die Grundlage davon, wie die Lage in Genua heute ist.”

“Am Ende dieser Blutigen Nächte riefen der Schwarze und der Weiße Prinz ihre Getreuen zum Kriegsrat. Und wir alle gingen hin. Alle, die noch konnten und nicht bereits Asche und Vergessen waren.” Achilla begann leise, denn leise war es auch gewesen als einer nach dem anderen sich zum Treffpunkt gestohlen hatte.

“Doch was wir nicht wussten, war, dass wir zu ein und demselben Ort gerufen wurden, nach San Donato, das zu der Zeit das Elysium in Genua gewesen war. Ich sage ‘gewesen’, weil die Stille hier zu dünn gescheuert wurde, weil zu viele Blicke dorthin gelenkt wurden, weil er danach und für lange Zeit nicht mehr ein Elysium sein konnte, jener Ort. Doch bis dahin war er das gewesen, ein Elysium unter der Führung der verehrten Acacia, die in diesen Nächten ihr Ende gefunden hatte.” Da war keine Trauer in der Stimme der Nosferatu - und weshalb auch? Die Vergangenen sind vergangen.

“Hier die, die überlebt haben und wagten, ihre Gesichter zu zeigen, in jener Nacht: der verehrte Maximianus vom Blut der Könige, der eigentlich ein Botschafter Genuas sein sollte und aus Platynus’ Linie stammt. Angelique, Mondkind, Lebensschuld-Eidbrecherin. Alain-der-Schöne, sündhaft neugeboren, Drachenblut. Galeno Fiore, der das Blatt wendete und seine eigene Fahne nicht zum ersten Mal mit dem Wind, neugeboren in den Clan des Todes. Diego Fray, Schattenblut, neugeboren. Titus vom Clan des Todes, Benedetto ebenso - Ancilla wie Ihr.” Die Aufzählung ging nun Schlag auf Schlag, schneller und schneller.

“Von meinem Blut hat sich Gonzo gezeigt, den Ihr schon kennt. Anastasia, die damals Liktor war und später …ah… ‘verschwand’. Der Dottore, der Unglückliche, neugeboren, blutsgekettet, eingemauert, später ebenso …verschwunden.” Es klang nach leichter Nichtigkeit, diese brutale Sterblichkeit, mit der die Verborgenen lebten oder starben.

“Toma, ewigneu, neugeborenes Drachenblut, Herold von Genua. Der verehrte Ilario Contarini, Schattenblut, ein Bluterbe des hoch verehrten Galba, direkt hier in Venecia. Der gelehrte und gestrenge Gasparo di Como, hoch in der Gunst von Aurore, neugeboren in den Clan der Könige.” Dem Letzteren schenkte Achilla eine gewisse Anspannung in ihrer Stimme und Haltung. Es klang beinahe bewundernd.

“Der verehrte Josef Szoykel vom Clan der Gelehrten, der jetzt die Geschicke der genuesischen Territorien für Aurore lenkt. Salvador, neugeboren in das Blut der Gelehrten, ein Vasall des Schwarzen Prinzen, der jetzt verbannt ist vom genuesischen Grund und Boden, aber doch für Genua zur See fährt, als ein …ah… Hilfsliktor?” Sie hatte nicht mehr als ein Schulterzucken für die wahrscheinlich unmöglich schwierige Lage des Hilfsliktors übrig.

“Dann der Büßer, der Ancilla Ferrucio, mit Heiligem, rechtschaffenen Feuer im Herzen, mondblütig und mondsüchtig. Avelina di Braida, die schöne Rose, die ursprünglich das bald neue Elysium von Genua errichtet hat und nicht einen Tropfen Lohn dafür bekommen sollte.”

“Brimir Bögvisson, Ancilla und Bestienblut, Nordmann und der vielleicht stolzeste Mann von allen dort. Zu stolz, wahrscheinlich - wer aus den niederen Clans den Blick niemals senken kann, sieht nicht gut, über wen und wie er stolpert, eh? Doch in dem Augenblick war er noch nicht ganz gestolpert und gewiss nicht gefallen, der Nordmann.”

“Arash, neugeboren ins Bestienblut, blutgekettet an diesen oder jenen, getrieben und gezogen. Wenn Ihr ihn jemals selbst trefft, werdet Ihr vielleicht verstehen, was ich meine. Er hat eine Seele, die zum Mond heulen will. Ob er den Hunger der Wölfe hat, kann ich nicht sagen. Die Härte hatte er nicht, damals… ah.” Achilla seufzte einmal. “Doch die Träume wohl.”

“Benjamin, Banu Haqim, tollkühn und messerscharf. Was macht ein Messer von Haqims Erben am Hof Genuas, frage ich mich? Schneiden, wahrscheinlich.” Achilla wiegte ihren Kopf. “Er steht in Lydiadas’ Schatten, heißt es.”

“Wer noch? Wer noch? Ah, Nicolo Trevisan, neugeboren, Saulots Blut, ein Heiler so sehr wie einer nur ein Heiler sein kann. ‘s wird ihn eines Tages den Kopf oder seine Seele kosten, weil das ist, wie solche Geschichten in der Nacht immer gehen, ia?” Sie zuckte mit den Schultern, ein wenig melancholisch, ein wenig kaltschnäuzig.

“Das waren sie alle, denke ich. Ah! Bis auf mich. Ich war dort und ich war nicht dort. Ich war so betrunken wie ich nur sein konnte, auch wenn’s mir nicht viel geholfen hat.” Achilla gab ein halbherziges ‘Tz…’ von sich und winkte ab. “Wenn ich noch wen von damals vergessen hab’, dann war er wohl nicht wichtig, nur Asche und Staub, vergessen im Wind.”

“Lydiadas und Aurore traten einander dort gegenüber. Und was für ein Auftritt das war! Schwarz und Weiß, Lydiadas mit dem Schwarzen Schwert und Aurore wie die gestaltgewordene Iustitia selbst.”

“Was taten sie nun? Das Unmögliche. Das Unerhörte!” Mit erhobenen Armen zeichnete sie die Szenerie vor sich und Drita in den Raum: “Lydiadas ging auf sein Knie. Und ab dem Augenblick war er nicht länger der Schwarze Prinz. Und Aurore? Sie verneigte sich vor ihm. Und da begann ihr nächster Eidbruch.”
Damit hielt sie einen Moment in ihren Gesten inne, fast, als versuche sie Aurores Handeln zu entschuldigen oder wenigstens zu erklären. Doch das bedeutete nicht, dass sie zögerte oder ihre Worte beschönigte:

“Die Stille war zu zerrissen, denke ich. Sie mussten nachgeben, sich fügen, ganz gleich wie mächtig sie eigentlich sein mögen. Er wurde ihr Seneschall. Sie brach ihren Vasallenschwur gen Mailand und fügte sich und Genua ein in die See der Schatten. Und genau das ist, was Genuas Lage, innen wie außen, in diesen Nächten so …zwiegespalten macht. Ihr werdet Euch nicht langweilen, verehrte Drita, wenn Ihr dorthin geht.”
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Drita wurde es schwindelig bei all den Namen, Statusangaben und kurzen Erklärungen. Sie versuchte offensichtlich Achilla zu folgen. Ein hin und her. Ein durcheinander an Clanen, Rängen und Ämtern. Dieses musste Drita erst einmal in ihrem Kopf sortieren. Das Ganze wollte mit den bisherigen Informationen abgeglichen werden. Und dann kamen auch noch die Gesten der Körpersprache der Nosferatu hinzu, die es in dieses Geflecht einzuorden galt. Es war eine Mammuthaufgabe, bei der Geschwindigkeit, die die Erzählerin an den Tag legte, doch die Lasombra schien sich dem zu stellen und tapfer zu schlagen.*

Dann... Stille. Die Stille in Genua war gerissen, dafür war sie hier greifbar.

War der Eidbruch beim letzten Teil der Geschichte schon schlimm genug gewesen, legte sich jetzt eine Hand auf den offenen Mund der Ancilla. Unglaube stand in ihren Augen. Erschütterung. Unbehagen.

"Nein... das wird es offenkundig nicht... "
flüsterte Drita. Sie musste sich nun doch erst einmal fangen. In welches Teufelsloch ging sie da? Und welche Wahl blieb ihr?

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* Geistesschärfe + Aufmerksamkeit (um da mit zu kommen)
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9, 8, 8, 6, 5, 3, 1 => + 3 success +
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von I Tarocchi »

Die Nosferatu machte eine merkwürdige, flatternde kleine Geste mit ihrer Hand. Sanft wirkte das, als wollte sie Drita tröstend über die Wange streichen. Doch sie beide waren zu weit voneinander entfernt und die Geste war leer in der Luft. Dennoch, Drita konnte den feinen Luftzug spüren, weil eine Handvoll Motten an ihr vorbeizogen, so sacht und leicht wie die Geste der Nosferatu selbst.

“Dies wurde der Aschene Pakt von San Donato. Die Weiße Prinzessin und der Schwarze Seneschall. Und genau da läuft die innere Linie in Genua entlang. Einer steht Weiß oder er steht Schwarz. Auch Ihr werdet wohl über kurz oder lang Euren Stand finden müssen. Nur den aller-, allerwenigsten kann der Seiltanz dazwischen gelingen.”
Achilla musterte Drita eine Weile lang still und behauptete dann: “Wahrscheinlich beginnt Ihr jedenfalls auf Weiß. Doch das werden die wenigsten verstehen, denn Ihr seid vom Schattenblut. ‘s ist wie mit dem verehrten Ilario, der damals zum Aschenen Pakt Harpyie von Genua wurde und später Hüter der Elysien. Er hat nur ein bisschen mehr getanzt, Schwarz und Weiß, weil er auch ein wenig mehr Strecke zurückgelegt hat, dort in Genua.” Sie lachte einmal, in gezollter Bewunderung für überlebte Tanzschritte dieser Art.

“Ein, zwei Jahrezehnte später wurde all das, was bis dahin geschehen war, noch fester gezurrt. Das war ein Zusammenkommen in der Domäne, das auch zugleich Gericht und Urteil wurde. ‘Tophet’ - eine alte, alte Sitte, aber noch immer gepflegt und getan und in Blut geschrieben, vor allem in der See der Schatten. Kennt Ihr sie?”
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Re: [1077] susurro est negotium [Achilla (SL), Drita]

Beitrag von Drita »

Drita drehte die Augen den Motten hinterher und damit etwas den Kopf. Stirnrunzelnd blickte sie zu Achilla, schüttelte ganz sachte den Kopf.

"Das ist ein Problem der Lasombra. Schattenblut ist nicht gleich Schattenblut. Das wir interne Konflikte haben, die weitreichender sind... ist vielen nicht unbekannt... aber die wenigsten verstehen das Ausmaß. Wir werden sehen, auf welcher Seite ich tanze. Ob Weiß... ob schwarz... vielleicht tanze ich auch meinen ganz eigenen Tanz. Dazwischen... Daneben... ich kann es momentan nicht einmal selber sagen. Aber wahrscheinlich habt ihr recht. Weiß liegt für den Beginn ziemlich nah."

Sie zuckte mit den Schultern, als sei das Alles Teil ihres Plans. Schritte ihrer Reise. Und welche Handelsoptionen dort alles verborgen lagen.

"Ich habe den Begriff schon einmal vernommen. Aber mehr auch nicht. Was ist das Tophet?"
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