[1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

[Februar '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Il Canzoniere
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[1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Il Canzoniere »

18. November 1078.

Ein feiner Nieselregen, vom Meer bis jenseits der Stadt getragen, begleitete diejenigen die sich in dieser ereignis-voraustönenden Nacht in Richtung der kleinen Siedlung vor dem Casteletto begeben hatten. Die die aufgeräumten und sauberen kleinen Gesindehäuschen vor der Festung des Vogtes lagen hier und da erleuchtet, aber ruhig da. Soldaten in den Farben des Grafen von Mailands waren ausgeschwärmt und stellten sicher das die für heute verhängte nächtliche Ausgangssperre auch eingehalten wurde.

Wer der Straße von hier hinauf zur Festung emporging, wurde von einer hell illuminierten Trutz begrüßt, mit weit geöffnetem Tor, Wachhunden hinter dem Eingang, die nicht mehr aus dem Bellen herauskamen, jedesmal dann wenn ein oder mehrere Gäste sie passierten. Vorbei an - erstaunlichen wenigen - Wachsoldaten in herausgeputzten Uniformen. Wer das Tor und die beiden Fallgatter passiert hatte, wurde von Lucio Il Onnivorno - dem Allesfresser - begrüßt. Mit ein paar persönlichen Worten für den einen, ein wenig Allerweltsgespräch mit dem nächsten und mit höflichem aber freundlichen Schweigen für den dritten. Der uralte Ghul präsentierte sich in seiner Lorica Squamata, die sicher älter war als die meisten Neugeborenen die es heute hierher verschlagen hatte, und die dennoch in tadellosem Zustand zu sein schien. Jeder der kein Amtsträger war, wurde freundlich gebeten jegliche Bewaffnung abzulegen.

Über vier Jahrzehnte war es her das zu solch einer Feierlichkeit geladen worden war. Damals war noch so vieles anders. Es gab keinen schwarzen Seneschall, keinen Pakt von San Donato, über die Hälfte der damaligen Ancilla waren seitdem vernichtet worden, dutzenden Neugeborenen war das selbe passiert. Genua selbst war enorm gewachsen, der Bau der neuen Mauer beinahe abgeschlossen, die Seemacht Genuas hatte sich mehr als verdoppelt aber das gravierendste war in den Schatten passiert: Aurore... Genua hatte sich der See unterworfen. Heute bevölkerten beinahe mehr Kainiten aus jenen Territorien die Stadt als aus allen anderen Orten zusammen - inklusive la Superbas selbst.
Überraschenderweise hatte jener Aschepakt von damals noch immer bestand, die Ordnung war, trotz drastischer Maßnahmen wie der Reduzierung der Ghulmengen, der Ausrottung der Egelgesellschaften, der Einführung der sizilianischen Rituale wie des Tophets oder des Pharmakos, nach wie vor intakt geblieben. Trotz der offensichtlichen Abneigung, ja gar der Feindschaft zwischen Prinz und Seneschall. Trotz des Vakuums das das Verschwinden des Ältesten der Nosferatu hinterlassen hatte. Das - dynamische - Konstrukt mit der die See Domänen an sich band schien aufzugehen. Und kaum jemand konnte sich beklagen. Die Stadtentwicklung kannte nur eine Richtung: aufwärts. Der Reichtum wuchs, die Macht folgte ihm auf dem Fuß. Die Domäne alterte langsam. Beinahe eine Art Wettlauf zwischen den älteren Neugeborenen war ausgebrochen. Ein Wettstreit wer von ihnen sich aufschwingen würde, wer die unsichtbare Mauer zwischen Ancillae uns Neugeborenen überwinden könne. Es hatte bereits Tote gegeben. Es würden weitere folgen.

Heute Nacht jedoch stand sicherlich etwas anderes auf dem nächtlichen Protokoll: Votori. Jener gottverlassene kleine Flecken Land der kaum einhundert Fischer ernährte und an dem sich ein Konflikt zu entzünden begann der ganz Italien brennen lassen könnte. Zumindest konnte man dies vermuten. Verlautbar war von prinzlicher Seite noch nichts dazu geworden. Jedoch war dieser Hof kurzfristiger einberufen worden als der letzte. Hektisch geradezu, wenn man in den Maßstäben der Ahnen rechnete.

Es drängte. Und die Toten erhoben ihre bleichen Häupter und wandten ihre leblosen Hälse gen Casteletto. Aurore hatte gerufen.

Alle würden sie folgen.
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Paolo
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Paolo »

Der erste Tote kam zu Fuß von Maddalena herauf zum Castelleto. Er hatte sich Mühe gegeben frische saubere Kleidung anzuziehen und diese nicht auf dem Weg wieder einzudrecken.
Anstatt eines blauen Tuches, trug er in dieser Nacht ein rotes aus Wolle, darunter trug er einen Leinenverband, der die zugenähte Wunde verbarg, hoffend dass es nicht durchnässen würde und wieder einen Eklat verursachen würde wie bei Vincente.
Er war die Nacht zuvor schon angereist und hatte sich von Marco eine Schlafmöglichkeit auf einem Dachboden organisieren lassen. Es musste ja auch nicht bequem sein.

Sein Geschenk an Aurore und den Bericht an den Allesfresser hatte er zuvor, wie gewünscht, von Marco überbringen lassen.
Paolo hatte nicht den Drang gehabt ein besonderes Geschenk Aurore zu machen. Es sollte auch keine gezielte Botschaft aussenden oder sie irgendwie beeindrucken, sondern einfach nur den Zwang erfüllen, etwas schenken zu müssen. Sicher konnte sie so oder so alles mögliche hinein interpretieren.
Er hatte ihr schlicht einen Beutel mit Olivenbaumsamen geschenkt. Ein Symbol für Wachstum, Reichtum und Nahrung, wenn man so wollte oder eben einfach Samen oder was anderes.

Er war keiner guten Dinge als er zur Festung herauf schritt und als erster in den Saal trat. Er wollte gar nicht hier sein. Er wollte keine Fürsprecher nennen müssen und sich von Aurore mustern lassen. Das würde furchtbar werden, ganz furchtbar. Wenn er noch einen Herzschlag und Atmung gehabt hätte und Schwitzen könnte, hätte sich seine Panikattacke in allen Nuancen gezeigt, so jedoch blieb ihm selbst nur das unruhige Gefühl eines gehetzten Tieres in seiner Brust, dass ihn nervös mit den Ärmeln seiner Tunika spielen ließ. Höflich nickte er dem Ghul zu, der die Gäste begrüßte.
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Angelique
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Angelique »

Angelique kam ganz artig und so früh es ihr möglich war.
Auf dem Weg unscheinbar im Pilgermantel und mit Schlapphut und vor Ort in Kleidchen und adrett gekämmt.

Mal sehen, was diesmal für Überraschungen ihrer harrten. Die Hoftage waren ja nie langweilig, manchmal nur etwas ärgerlich.

Sie plauderte etwas mit dem Allesfresser und inzwischen war es ein kleines Ritual geworden, dass sie exotische Leckereien für ihn bei jedem mitbrachte.
Gerade im harschen November mochte er Äpfel im Honigbad und Pfefferbrot und Zitronen bestimmt zu schätzen wissen.

Für Aurore gab es einen Bericht in hübschen Buchstaben und mit erbaulichen Illuminationen. Das war vielleicht eine schöne Abwechslung für sie von den trockenen Berichten, die sie sonst bestimmt zu lesen bekam.

Hoffentlich gab es diesmal weder Eklats von unten, noch unschöne Machtdemonstrationen von oben.
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Macario
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Macario »

Macario war einer der ersten geladenen Gäste und der erste Amtsträger vor Ort. Doch trug er keine offensichtlichen Waffen bei sich.

Wie in der Einladung geheißen, hatte er schon dafür gesorgt, dass ein Geschenk im Vorlauf übergeben worden war.

Er war anscheinend dieser Nacht per pedes den Weg zum Castelletto gekommen. Er gab das gewohnte Bild ab: Der Mönch in seiner Kutte. Eine schlichtes braunes Mönchshabit trug er. Gegürtet mit einem festen Lederriemen. Die Tonsur an seinem Kopf. Er war barfüßig. Seine Füße kamen beim Ausschreiten hin und wieder zum Vorschein unter der Kutte.

Ein kurzer Wortwechsel mit dem Allesfresser über das allgemeine Befinden und mögliche verehrte und sehr verehrte Gäste dieser Nacht, die man erwartete.
Ob er zudem etwas über den Ablauf wissen müsste oder ob der werte Nubis dieser Nacht allein agieren würde auf Geheiß der höchstverehrten Aurore, der weißen Prinzessin. Scheinbar ließ sich der Herold auch etwas anderes bestätigen und final den rechten Weg weisen.

Das Castelletto hatte er erst einmal betreten. Es waren nun Jahrzehnte vergangen. Doch die Erinnerung ließ den Magister nicht im Stich. Er fand sich sogleich zurecht und traf so auf die bereits Anwesenden...

Er erspähte das Mondkind, den Kindvampir und einen Fremden, der durch ein rotes Wolltuch ihm auffiel. Damit war sein Weg recht klar.
Er würde mit dem Mondenkind eine kurze Unterhaltung führen wollen... vielleicht wußte Angelika auch mehr über den Fremden.
Macario ging ein paar Schritte auf die Malkavianerin zu, um seine Gesprächsabsicht zu signalisieren.
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.
Zenon von Kition
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Angelique
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Angelique »

"Schiavo, schön Euch zu sehen! Mich Euch wollte ich ohnehin sprechen, weil ich etwas zur Unterstützung eines spannenden sterblichen Caritasprojekts tun wollte."
Sie lächelte den mysteriösen Mönch in seiner einfachen Glorie an.
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Macario
Lasombra
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Macario »

"Werte Angelika... lasst uns erst gewisse Höflichkeiten austauschen zu diesem Hof", schlug der Herold mit väterlicher Milde in der Stimme leise vor, "ehe wir über Euer caritas proijectum höchst gerne sprechen..."
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
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Zenon von Kition
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Il Cavaliere
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Il Cavaliere »

Mit würdevollen Schritten trat er ein, die Füße verborgen unter den weiten Gewändern aus edlem Tuch, wie es wohl einem Kaufherrn gut anstünde der seinen Schnitt gemacht hatte. Eine Maske aus Holz mit zahlreichen Verzierungen, deren Linien mit Gold bemalt oder veredelt worden waren, hing am Gürtel. Der Mund besaß ein künstlerisches Kreuzgitter, durch welches gesprochen werden konnte, aber sehr fein war.
Bar eben jener Maske spannte sich die Gesichtshaut des Kappadozianers alabastern über den Knochen. Teils waren die grauen Zähne durch die Haut der Wangen zu sehen, die Nase fehlte und die braunen, leicht honigfarbenen Augen lagen tief in den Schatten ihrer Höhlen.

Der Herold nickte jedem der anderen Neugeborenen knapp zu, sehr knapp, als wolle er unterstreichen ein älterer Neugeborener zu sein. Zuvor hatte er mit dem Allesfresser ein paar Worte im Flüsterton ausgetauscht. Nach dem Nubis noch einen Blick über die Anwesenden hatte schweifen lassen positionierte er sich abseits, mit verschränkten Armen. Ihm schwahnte nichts Gutes, hatten ihm Höfe und Veranstaltungen offizieller Natur doch allzu oft einen Strich durch die Rechnung gemacht.
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Paolo
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Paolo »

Paolo nickte Angelique mit einem freundlichen Lächeln zu. Macario mit einem höflichen distanziertem und Nubis mit einem ebenso höflichen, aber etwas freundlicherem Lächeln zu. Allen gleichsam tief.

Erstere und letzterer kannte er ja bereits, nur den barfüßigen Mönch noch nicht. Nun vielleicht würde sich heute eine Möglichkeit dazu ergeben.
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I Tarocchi
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von I Tarocchi »

Der Allesfresser hielt sich bescheiden zurück, als Macario ihn ansprach. Er verneigte sich vor dem Herold und erklärte, dass die höfische Etikette und das gebotene Protokoll mit dem Wort des höchst verehrten Prinzen durch den Abend leiten würden.
"Beweist Euer bestes Betragen", riet er Macario. "Doch alles weitere liegt nicht an mir, es zu beantworten oder gar vorauszugreifen."

Noch während dieses Gespräches fand sich auch ein weiterer Amtsträger ein. Tankred Drengot kam gerüstet und bewaffnet, auch wenn sein Schild mit einem weißen Tuch überzogen und sein Schwert mit einem weißen, geflochtenen Band in der Schwertscheide festgemacht waren. Der Liktor hatte seine Rüstung ordentlich gesäubert und trug einen wohl noch sehr neuen Mantel, doch er zeigte auch ohne Scham oder Scheu sein verfaultes, ruiniertes Gesicht.

Vor Macario und Nubis neigte er ernst und ruhig den Kopf, die beiden übrigen bedachte er immerhin mit einem Nicken zum Gruß. Solange er nicht angesprochen wurde, verweilte er dann auch still und beobachtete diese beiden Herolde als würde er deren Gebahren und Ambitionen für die heutige Nacht abwägen.
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Macario
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Re: [1078] Das Bouquet der Debatten [Hof, Alle]

Beitrag von Macario »

Hatte Macario gerade erst sein Gespräch mit Angelique beendet, so würde er Nubis dieser Nacht nicht so einfach davonkommen lassen.
Doch noch war es zu früh...

Schließlich hatte jener Galeno Fiore ihm einst die Fürsprache verweigert, seine Etikette nahezu öffentlich in Frage gestellt und seine Offerten, als seien sie bedeutungslos, ausgeschlagen. Er würde zumindest, wenn genug Andere anwesend wären, um der Szene Bedeutung zu verleihen, die Respektsbekundung des Totengräbers deutlicher einfordern. Macario wußte, dass er unlängst über Nubis stand. Diese Botschaft würde er ihm schenken, bevor man sich neu begegnen würde können. Ein nur allzu knappes Zunicken, kam einer bewußten Missachtung seines Aufstiegs gleich. Der veränderte Fiore - Nubis gebärdete sich gar so, als sei er es, der nun über allen anderen Neugeborenen stünde...

Den Gruß des Fremden, Paolo, begegnete der Magister alsdann mit einer Einladung zum Gespräch, die er langsam, aber deutlich sichtbar, gestikulierte. Per Handbewegung lud er den Fremden zu sich ein. Macario war sich doch recht sicher, dass es sich um einen Gast der Domäne handelte, denn er hatte verfolgt, wie er die beiden Anderen gegrüßt hatte.

Macario erwiderte den Gruß des Verborgenen mit einem Nicken. Es würde die Zeit kommen, da er noch einmal mit Tankred würde sprechen müssen. Doch jetzt war es noch nicht angebracht.
Wie kann man von Licht sprechen, wenn man nicht, wenigstens einmal,
die Erfahrung der Finsternis gemacht hat.
Zenon von Kition
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