[1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

[Januar '23]

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Gabriel Ducas
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[1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von Gabriel Ducas »

I Tarocchi hat geschrieben: Fr 23. Dez 2022, 17:10 Catania war eine stolze Stadt mit alten Wurzeln. Die Zeugen alter griechischer und alter römischer Größe standen noch immer, ein Amphitheater, jahrhunderte alte Nekropolen, alte Wehranlagen. Die Stadt hatte die Herrschaft der Goten gesehen, die von Byzanz, die der Araber, nun hatten die Araber die Normannen vertrieben. Für Gabriel mochte dies ein ungewohnter, vielleicht sogar beängstigender Anblick sein wie die für ihn wohl fremden Wappen und Fahnen sich über Catania erhoben. Wenn die Stadt ihm sonst vielleicht das Gefühl von Sicherheit vermittelt hätte, wurde diese nun wohl in ihren Grundfesten erschüttert. Normannen! In Catania!

Noureddine empfing den jungen Brujah in einem Anwesen nahe dem Herzen von Catania. Ein Turm schwang sich hoch über der Stadt auf und direkt unter seinem Dach gab es es ein weites Zimmer mit offenen, ausladenden Fenstern. Von hier aus konnte man die Silhouette des Ätna in der Ferne erahnen.
Das Dach des Turms war ein hölzerner Aufsatz, der Aussparungen hatte, die aufgeschwungen werden konnten, um die Sterne über dem Turm zu studieren. Doch heute Nacht waren die Vorrichtungen geschlossen. Auf einer hölzernen, schweren Truhe an der Seite standen allerlei merkwürdige, metallene Gerätschaften, Zirkel, Messwinkel, ein Lot an einem zusammengerollten Band.

Bastmatten, Teppiche und Kissen bedeckten den Boden des obersten Turmzimmers und genau dort durfte Gabriel vor der Ahnin der Gelehrten knien. Er hatte einen Blick auf ihre Gestalt erhaschen können, auf den fließenden, weiten Stoff ihrer Roben und das bronzene Ebenmaß des Ohrschmucks, den sie trug. Sie studierte die Karte, die er angefertigt hatte und die es so auf dieser Welt wohl noch nie gegeben hatte. Mit einem Finger fuhr sie eine der eingezeichneten Linien nach und tippte darauf als hätte sie etwas entdeckt, das nicht passte. Sie ging tatsächlich zu den Gerätschaften am Rande herüber, nahm einen der Zirkel und eine fein geflochtene Schnur zur Hand und maß etwas auf der Karte nach. Was auch immer Gabriel mit seiner Gabe beabsichtigte hatte: Sie hatte auf jeden Fall das Interesse und die Aufmerksamkeit der Ahnin geweckt.

"Erhebe dich", sagte sie ihm. "Wie hast du diese Entfernungen bemessen?" Ganz offensichtlich hatte sie bereits erfasst, was seine Zeichnung überhaupt war und was sie darstellen sollte.
Gabriel tat wie ihm geheißen und erhob sich langsam, ließ den Kopf jedoch gesenkt. Er trug weder die fleckigen noch die sauberen Kleider, die die genuesischen Kainiten an ihm kannten. Stattdessen eine leichte dunkelgrüne Tunika, darüber einen geschwärzten Mantel mit halben Ärmeln und einer Kapuze und an den Füßen dunkelbraune hohe Schuhe.

Mit ruhiger Stimme berichtete er von dem Kartenmacher Lorenz, der den Grundstein für sein Geschenk gelegt hatte und die Gegend, die er kartographieren sollte, bereist hatte, um sich diese zu besehen. Ausführlich berichtete er Noureddine über das Werk, welches er für Aurore im Auftrag Giadas anfertigen sollte und enthüllte somit, neben Zeitpunkt, Tinte, Feder, Material eine weitere Ebene seines Geschenks - die Informationen.

Er hatte es für ihren Geschmack angepasst. Weder Noureddine noch seine Erzeugerin Canissa hatten jemals lange mit ihm über seine Kunst gesprochen. Philosophie, Ansichten und Überzeugungen hingegen waren immer ein Thema. Er war Handwerker, doch dafür wurde er nicht in die Nacht geholt. Es war seine Leidenschaft. Sein Wille Opfer zu bringen, um etwas zu erreichen. So unwahrscheinlich es auch erscheinen mochte. Er hatte als Handwerker Lesen und Schreiben gelernt. Er hatte für Christen und Sarazenen Handwerke gefertigt, ohne mit Vorurteilen auf eine der Gruppen zu schauen. Für sein Handwerk und seine persönlichen Ziele hatte er auf Ruhm, Reichtum ja gar seine Familie verzichtet und jeden Widerstand überwunden.

"Stimmt etwas nicht Muealima?“ fragte er nach und sah auf die Karte, welche er angefertigt hatte. Weder die Reise noch Geschenke dieser Art machte er leichtfertig. Allein für den Erwerb der passenden Materialien hatte er Wochen gebraucht, ganz zu schweigen von der Beachtung der richtigen Zeit, um die Linien zu ziehen. Auch die Anreise konnte nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Details waren von entscheidender Bedeutung. Der Name des Schiffes, die Uhrzeit des Einlaufens in den Hafen, ja gar die Richtung aus der man kam. All das hatte er bedacht als er den langen Weg in seine Heimat angetreten hatte. So war eine solche Reise doch wie ein Mosaik.
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I Tarocchi
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Wer mit seinen eigenen Zähnen kaut, hat den meisten Nutzen.” Mit Bedacht und präzisen, fließenden Gesten setzte Noureddine ihr Maßband an der Karte an. Mit einer kleinen Platte aus Kork schützte sie das Pergament vor dem Druck des Zirkels, als sie ihn aufsetzte.

“Daran, wie die Sterne sich bewegen, kannst du erkennen, dass sie unterschiedlich weit von unserem Blick entfernt auf ihren Bahnen ziehen”, erwiderte Noureddine. Dann hob sie ihre Hand und hielt sie direkt vor Gabriels Gesicht so dass er er ihre Handfläche sehen konnte, die deutlich heller war als ihre braune Haut.
“Was du siehst ist nah. Du weißt, wie es geformt ist. Dies ist leicht. Jetzt aber denke: ‘Ich bin eine Ameise in dieser Hand.’ Sieh dich neu um. So sieht sich ein Mensch um, der im Land, im Gebirge und am Fluss steht.”
Gabriel kannte Ausführungen wie diese. Dies konnte gut und gerne eine Lehrstunde werden, die Stunden oder ganze Nächte in Anspruch nehmen würde.

“Der Ameise fehlt das Maß, das die Augen Gabriels haben. Wenn sie ein Bild von dem der Landschaft um sich herum zeichnen muss, muss sie raten oder hoffen. Dann ist es Wunschdenken. Oder sie muss messen, mit ihren Füßen, mit Seilen und Knoten und Zahlen. Dann ist es greifbar und richtig”, erklärte sie dem jungen Brujah amüsiert das Prinzip von Maßstab und Entfernung. Dann senkte sie ihre Hand und wiederholte: “Wer mit seinen eigenen Zähnen kaut, hat den meisten Nutzen.”

Dann zeigte sie auf die Stelle, die ihr zuvor schon aufgefallen war. “Dieser Gebirgszug muss länger sein, denn ein Mensch kann ihn bei klarem Licht am Tage noch von Savona aus erkennen.”
Doch dann legte sie die flache Hand auf die Karte. Der Handrücken der alten Brujah war mit feinen Linien in Henna bemalt, verschlungenen Symbolen und Zeichen oder Formeln, die ineinander griffen. “Es ist eine gute Gabe, Gabriel”, sagte sie ihm. “Ich werde dir dafür einen Schleier der Unwissenheit von deinem Gesicht nehmen. Ich werde dich eine der sieben Sprachen lehren, in die die eine zersplittert ist, mit der der Schöpfer die Welt erschaffen hat. So dass du mit ihren Worten und deinem Verstand begreifen kannst, was deine Hände blind gezeichnet haben.”

“Doch dein Verstand ist bereits wie ein stiller Teich mit Schlamm, Unrat und Treibgut angefüllt. Wie soll ich das klare Wasser des Wissens hinein gießen, wo alles voll und wild verstellt ist?” Sie legte ihre Messinstrumente beiseite und warf einmal in gespielter Frustration die Hände in die Luft.

“Also ordnen wir zuerst den Unrat und sehen im Treibgut, was sich noch gebrauchen lässt, und gießen den faulen Schlamm aus, tilmidhay. Sprich zu mir.”
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Gabriel Ducas
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von Gabriel Ducas »

Gabriel tat wie ihm geheißen, beobachtete und lauschte aufmerksam. Die bildliche Sprache seiner Heimat. Es tat gut wieder in Catania zu sein. Als sie seine Gabe bewertete senkte er demütig den Kopf. „Vielen Dank. Sprachen öffnen uns doch die Türen für die Schönheit und auch Komplexität dieser Welt.“ bedankte er sich und wandte sich der älteren Brujah zu.

„Die Wasser sind trübe und meine Augen vermögen nicht klar zu sehen. Zunächst betrübt es mich dir mitzuteilen, dass mein Clansbruder Ramon, aus Syphax Linie, nachdem er aus Genua verbannt wurde und anschließend in Starre nach Mailand verbracht wurde, durch die Hand varesischer Ventrue im Jahre 1036 in Como sein Ende fand. Angeblich war die Rose Avelina di Braida in diese Sache involviert. Jedoch stammen diese Informationen von jenem, den man den Lügner nennt und Como liegt zu weit für Nachforschungen entfernt. So sind in den vergangenen sieben Jahrzehnten acht meiner Brüder und Schwestern in und um Genua umgekommen. Von Seresa fehlt weiterhin jede Spur und ich habe erfahren das wohl auch der höchstverehrte Kenza durch die Hände von Vasallen Aurores und Calistus sein Ende fand.“ er klang betrübt und schwieg einen Moment im Gedenken an die verblichenen. „Zum Schicksal Tarek bin Kayas wurde mir von dem Magister Ilario mitgeteilt, Tarek, Fjarne und Sölve seien Teil eines Rückzugshandels gewesen und von Lydiadas benutzt worden, um seinen Rückzug 1004 zu gewährleisten und die Position seiner bereits damaligen Agenten zu verbessern. So sollen alle drei bereits gepfählt in der Kirche San Donato an Acacia und Brimir übergeben worden sein. Die Mär von der Überwältigung der drei Brujah durch den Gangrel und die Magistra ist damit vom Tisch. Auch Lydiadas selbst sagte alle drei wären in der Stadt einzeln überwältigt worden. Jedoch sagt er, er hätte Acacia erst 1004 gewaltsam rekrutiert.“ er ließ ihr den Raum, um die Informationen zu erfassen und das Treibgut zu entfernen.

„Muealima meine Augen sind ungeübt und getrübt durch Lügen und Intrigen. Über die Jahrzehnte hat der Wildwuchs viele Spuren verborgen und einige der Äste wurden, nicht zuletzt in letzter Zeit, beschnitten.“
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I Tarocchi
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Doch nun erkennst du den Wildwuchs und den Verlust vieler Spuren. Du erkennst die weißen Flecken, wo Äste abgetrennt wurden. Sobald du die Art der Schnitte erkennen lernst, kannst du auch den Schnitter erkennen. Überleben heißt lernen.”

In einer abgezirkelten, förmlichen Bewegung berührte Noureddine mit ihren Fingerspitzen ihre Augenlider, ihre Stirn und dann ihre Brust direkt über ihrem Herzen. Dort ließ sie die Hand ruhen.

“Ich habe dich auch ausgeschickt, damit du dienst. Durch den Dienst wirst du lernen, doch du wirst auch die Waagschale deines Blutes ausgleichen. Hast du deinem Dienstherren gehorcht? Berichte mir von ihm und seinen Wünschen.”
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Gabriel Ducas
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von Gabriel Ducas »

Er nickte und prägte sich ihre Worte ein und mit gesenktem Kopf zog er die Stirn kraus auf ihre Aussage bezüglich Ausgleich der Waagschale. „Ja. Ich diene.“ er machte eine kurze Pause „Ich weiß nicht was von mir erwartet wird, doch habe ich, wie gewünscht, einen korrupten Sterblichen gefunden, habe die aktuelle gesellschaftliche Lage dargestellt und über den anstehenden Kampf der Neugeborenen um zum Ancilla aufzusteigen berichtet. Es wurden meine Informationsquellen für die Verräter, welche mit Brimir kooperierten verlangt und auch diese habe ich überbracht.“ er schüttelte einen Moment den Kopf. „Der Dienst ist unbeständig und ich bin mir nicht sicher wohin die Wünsche führen. Nun soll ein Ancilla die Seiten wechseln, um das Sterben unseres Blutes zu beenden. Der Ancilla soll der Schlüssel sein.“ mit ruhiger Stimme berichtete er, allerdings war seine Verwirrung über den Dienst und den Dienstherren nicht zu übersehen. „Was meinst du mit Waagschale und wie weit wird mein Dienst gehen?“
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I Tarocchi
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Du bist wie ein Vogel, der im gehüteten Käfig seines Herrn aufwuchs. Doch dann wurde die Tür seines Käfigs aufgestoßen und er wurde hinausgetrieben in den wilden Himmel, in Stürme und unter die Raubvögel.” Noureddines Blick war ohne Mitgefühl. Sie stellte diese Dinge einfach fest so wie man die Tatsachen der Natur feststellt.

“Ich habe dir einen Ast gewiesen, auf dem du sitzen kannst, Lydiadas. Er wird dich hinaustreiben in den Sturm, ein ums andere Mal, doch du kannst stets dorthin zurückkehren, solange du ihm die Beute teilst, die er begehrt.” Sie wendete sich wieder von Gabriel und der Karte ab und ging zur Brüstung des Turms herüber, um auf das Land hinaus zu sehen. Unten, im nachtdunklen Catania, flatterten die Banner der Normannen im Wind.

“Lehrjahre sind keine Herrenjahre, junger Bilderleger. Lernen musst du, das ist deine erste Pflicht. Und wenn du es gut tust, dann begleichst du eine Schuld unseres Blutes bei Lydiadas. Und wenn du es schlecht tust, dann lernst du nicht und begleichst keine Schuld, bleibst blind und verwundbar, der junge Vogel im Sturm.” Noureddines Worte klangen präzise und geduldig gesetzt so wie eine Näherin eine Naht macht und miteinander verbindet, was zuvor nur getrennte Streifen Stoff waren.

“Doch ich will nicht glauben, dass du nichts gelernt hast. Sag mir, was für ein Vogel du bist. Was hast du gelernt, in deiner neuen Heimat? Hast du sie dir zur Heimat gemacht?”
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Gabriel Ducas
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von Gabriel Ducas »

Er blieb an Ort und Stelle und bewegte sich nicht als Noureddine zu ihm sprach. Eine Schuld? Doch wann wird diese beglichen sein? Was war notwendig? Wie konnte man ein Geschäft abschließen, wenn man den Preis nicht kannte?
„Sehr wohl Muealima und ich bin dankbar für den gewiesenen Ast. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun um die Schuld unseres Blutes zu begleichen. Ob ich Genua Heimat nennen kann, weiß ich nicht. Ich habe meine geforderte Aufgabe begonnen und meine Fürsprecher gefunden. Sie innerhalb der gegebenen Frist den genuesischen Amtsträgern genannt. Ob die Informationen angekommen oder die geschlossenen Handel mit dem Prinzen Josef oder dem Herold Nubis jedoch eingehalten wurden, vermag ich nicht zu sagen. Der angekündigte Hoftag wird zeigen ob sich die genuesischen Amtsträger nicht nur selbst bereichern, sondern auch ihren Pflichten und Absprachen nachkommen. Hiervon wird abhängen, ob ich Genua zu meiner Heimat machen kann oder es weitere Hürden zu beseitigen gibt“ danach sammelte er sich einen Moment um die weiteren Antworten zu geben. „Nun ich habe beobachtet und zugehört. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick zu seien scheint. Auf Recht blutige Weise habe ich gelernt, dass selbst wenn man jemand die Hand reicht, diese auch abgetrennt werden kann. Die Wunden die ich davon trug schlossen sich nicht wie sonst und die Erinnerung daran wird mich konstant daran erinnern, dass ich selbst jenen, denen ich eine Hand reiche, nicht trauen kann. Ich habe gelernt das selbst jene, welche aus der See der Schatten kommen, nicht davor zurückschrecken sich Hilfe bei Feinden von außerhalb zu suchen.“ mit bedauern in der Stimme und gesenktem Haupt fügte er hinzu. „Und ich habe gelernt das für die Macht einiger weniger, unser Blut den Preis zahlen musste und muss.“ langsam richtete er seinen Oberkörper auf. „Es ist nicht möglich das Spiel nicht zu spielen und wenn man es versucht, führt dies nur zu Stagnation. So ich dies nicht wünsche, bleibt mir nur der Dienst an jenem, in dessen Schuld unser Blut steht oder das Knie vor jener zu beugen unter deren Herrschaft so viel unseres Blutes vergossen wurde. Es gibt in Genua keine andere Möglichkeit.“ die bittere Erkenntnis konnte man aus seiner Stimme entnehmen.
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Noureddine beobachtete Gabriel mit intensivem Interesse. So sah man den Fokus seiner Studien an, die nächste Erkenntnis, die zu lösende Formel, das Meisterstück unter der eigenen Hand. Da war ein Leuchten in ihrem Blick, das Brennen einer Leidenschaft, die über Jahrhunderte hinweg genährt, gepflegt, kultiviert und vor allen Dingen erhalten worden war.

“Zu deinen ersten Worten, über die Heimat, die du dir noch nicht gemacht hast, gebe ich dir Rat”, sagte sie ihm dann.
“Der erste ist einer der klaren Erkenntnis, die die Zwillingsschwester der Demut ist: Du hast die Wahl, ob du dir die Stadt zur Heimat machst oder in ihr ein Fremder bleibst. Du hast sogar die Wahl, ob du von dort fortgehst, doch wenn du diese Wahl des Fortgangs triffst, ist der Preis dafür sehr hoch und der Gewinn davon sehr gering. Die Gründe: Ich sandte dich dorthin und ich wäre enttäuscht, wenn du gehst.”
Andere als sie hätten dies einfach als Befehl stehen lassen. Noureddine ließ ihm tatsächlich die Wahl - doch sie sagte auch unverblümt die Wahrheit, was das für sie sie und ihn bedeuten würde. “Ich würde dich ziehen lassen und wir würden getrennte Wege gehen. Ich würde deinen Lehnsherren und jeden sonst von unserem Blut wissen lassen, weshalb du fortgegangen bist.”

“Du würdest auch deinem Lehnsherren sagen müssen, weshalb du gingst. Wird er dich bei sich willkommen heißen? Und welchen Stand hast du dann dort, wo du ihm so viel weniger nützt? Bist du dann wirklich von Genua fortgegangen?” Sie lächelte, vielleicht kannte sie die Antworten darauf schon längst.

“Die nächste Erkenntnis ist: Du kannst nicht Catania zurückkehren. Ob du in einer anderen Domäne einen Platz und eine Heimat finden kannst? Ob es dort leichter und für dich angenehmer ist? Ungewiss. Unwahrscheinlich.” Sie sezierte ihm diese Dinge in einer rücksichtslosen Klarheit auseinander.
“Überall, wohin du gehst, wirst du dir eine Heimat schaffen müssen. Es wird dich immer etwas kosten. Es gibt keinen leichten Weg.”


“Eine weitere Erkenntnis: Wenn du dich davon abhängig machst, ob andere ihre Worte einhalten, dann wirst du immer abhängig bleiben. Wenn sie auf der Via Regalis gehen, hast du vielleicht einen besseren Grund, auf dem du gehst. Doch selbst dann musst du immer in der Lage sein, einen Ausweichschritt zu machen, um dein Gleichgewicht zu behalten. Wie sonst solltest du gut und aufrecht gehen können?”

Doch dann lächelte sie. “Du hast jedoch eine klare Erkenntnis selbst gefunden. Und weil du sie selbst gefunden hast, ist sie dir klarer und eigener als alles, was ich dir sage. ‘Es ist nicht möglich, das Spiel nicht zu spielen, und wenn man es versucht, führt es zu Stagnation.’” Sie zitierte ihn Wort für Wort, ohne einen Fehler und ohne eine Mühe.

“Du lernst. Du musst weiter lernen. Ich gebe dir einen weiteren Rat, einen über Schulden.” Noureddine hob ihre linke Hand und auf einmal glitzerten zwischen ihren schlanken Fingern Münzen. Sie legte eine davon auf den Tisch neben ihnen beiden.
“Ein Mann kommt zum Geldleiher und bittet um viel Geld, denn er will ein Schiff kaufen und damit noch viel mehr gewinnen”, erklärte sie ihre Geste. “Der Geldleiher gibt ihm das viele Geld.” Damit schob sie die Münze ein wenig von sich fort auf dem Tisch.

“Der Mann geht und kauft damit sein Schiff. Er beginnt Geschäfte, sucht sich gute Ware als Ladung und ist klug mit der Fracht. Der Geldleiher ist zufrieden, denn er sieht das Geschick seines Schuldners.” Noureddine machte eine Geste über den Tisch hinweg als breitete sich dort ein ganzer Hafen voller Handel aus.
“Dann gerät der Mann an einen Schwindler, der ihm schlechte Ware andreht. Doch der Geldleiher, der ihm zugesehen hat, bemerkt den Schwindel und er schickt dem Mann eine Warnung davor. Denn er hat großes Interesse daran, dass der Mann gute Handel macht und viele Gewinne, denn er will sein Geld und einen Zins zurück haben.”

Sie ließ ein, zwei, drei weitere Münzen auf die erste klimpern und senkte dann die Hände, um zu Gabriel zu sehen, ob dieser verstanden hatte.
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Gabriel Ducas
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von Gabriel Ducas »

Er lauschte ihren Worten, wie ein Musikliebhaber einer meisterhaften Komposition lauschte und empfand diese nicht als verletzend. Gabriel war sich sehr bewusst was passieren würde, wenn er sie enttäuschte. Jedoch mischte sich dennoch Trauer in seine Züge. Er würde seine Aufgabe. Seine Arbeit! Nicht verweigern! Er würde es nicht kommentieren. Sie kannte ihn besser. Zu ihrer Lektion nickte er nur verstehend.

Aber Genua Heimat nennen? Wie immer ging es um mehr in diesen Gesprächen und der Prozess des Fragens förderte das Denken weit mehr als eine eilig dahingeplapperte Antwort. „Wäre es nicht vorschnell Genua Heimat zu nennen, bevor man mich dort annimmt? Wenn ich es Heimat nenne und man mich nicht akzeptiert, ist es dann Heimat? Oder wäre es dann nicht vielmehr ein zurückgewiesenes Geschenk?“ für einen Unbekannten konnten die Fragen vorlaut wirken, doch stellte er sie, wie ein Schüler seine Fragen an seinen Lehrer stellen würde und das bereits seit langer Zeit..

„Ich verstehe den Ausweichschritt. Jedoch frage ich mich, wie man jemand begegnet dessen Worte und Taten weder Wert noch Ehre haben? Jemand der gesellschaftlich so geächtet ist, das sein Ansehen trotz Jahren und Amt nicht einmal ausreicht um sich vom Boden zu unterscheiden. Eine solche Person erachtet die Traditionen für sich als nicht bindend?“ nachdenklich und unbewusst strich seine Rechte Hand über die verheilten Wunden. „Sollte eine Heimat nicht auch Schutz bieten? Zu tief ist der Hass auf unser Blut auf dem Thron Genuas und eine Rüge wird meinen Angreifer nicht abhalten. Er hat bereits klar gemacht, dass er sich über den Traditionen stehend betrachtet und Aurore wird ihre treue Geissel nicht härter bestrafen. Ich vermag Ausweichschritte vorzubereiten aber nicht unsichtbar zu sein?“
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I Tarocchi
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Re: [1077] Ein Mosaikstein [Gabriel, Noureddine (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Verzweiflung steht keinem gut an”, tadelte Noureddine. “Bist du alleine bist in diesem scharfen Wind, der dir entgegen schlägt? Gibt es nicht hunderte Neugeborene, die sich dagegen stemmen müssen, um zu überleben?”

“Gibt es nicht seit Anbeginn unserer Art schon die, die nichts achten, deren Klauen, Zähne und stumpfsinnigen Muskelspiele ebenso plump wie stark wirken?” Ernst sah sie auf ihren jungen Schüler hinab.

Ihre Stimme jedoch blieb geduldig und kühl. Ihre Worte folgten einfachen, klaren Bahnen, eine kühle Strömung gegen jenen ‘Teich voller Unrat’, welcher die klaren Wasser trübte.
“Genua hat keinen Blutvogt, doch es hat einen Seneschall und diese …Liktoren. Dem ersteren soll daran liegen, dass du bist, wo du bist, und dass du stärker wirst. Die letzteren sind von Ehre und Wort wie du oder vom selben Blute. Gebrauche deine Waffen. Spiele die Spiele. Sieh, ob die blutige Klaue stärker ist oder die Feder, die scharf geschwungene Wahrheit schreibt.”

“Wer die Traditionen nicht achtet, ist eine Gefahr für alle anderen. Kein Herr keiner Domäne kann solches lange dulden, denn sonst gilt ein solcher Herr als einer, welcher die Traditionen nicht achtet. Der Herr muss dich dazu nicht lieben noch hassen sondern nur die eigene Herrschaft lieben.”

“Doch während du all das tust, musst du auch zu den Waffen greifen, die du hast. In deinem Blut liegt Macht, tilmidhay. Wenn es die Macht von Kriegern ist, die dir fehlt, dann wisse, dass unser Blut darin alle anderen überstrahlen kann. Und du besitzt bereits, was solcher Macht die letzte und gefährlichste Schärfe verleiht: Einen Verstand. Doch hast du vernachlässigt, was dir im Blut liegt? Ist mein Schüler zu eitel mit seiner Kunst, um zu lernen, was über seinem alten, engen Horizont wartet? Im Verstand zu festgefahren, wie ein Karren im Schlamm?”
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