[1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla (SL)]

[Januar '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Vergonzo Faro
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[1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla (SL)]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Auf verborgenen Wegen kam der Erste Baumeister Genuas zu einer abgelegenen Ecke der Lagunenstadt.
Tief in den dunklen Schatten der Bauten auf Pfählen versteckt, war dies wohl eine der Ecken Venedigs, die des Nächtens von den Menschen gemieden wurde.
Auch die Gondoliere befuhren diese Kanäle wohl nicht. Still und ruhig lag der Holzsteg im sanften Glitzern des Wasser, nur beobachtet aus der verborgenen Verdunkelung von zwei hellblauen klaren Augen.

Hier sollte er sich einfinden, darauf wartend abgeholt zu werden.
Die Gerüche hier waren anders, irgendwie fremdartig und berauschend. Die Atmosphäre in sich aufnehmend lehnte er an einer Hauswand und genoß die kühle Luft.

Er war gespannt darauf wie es seiner Blutsschwerter ergangen ist, was genau passiert war und wie sie auf ihn reagieren würde.
Er war guter Dinge und freute sich irgendwie darauf sie wieder zu sehen.
Man soll bauen, als wollt man ewig leben, und leben, als sollt man morgen sterben.
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I Tarocchi
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von I Tarocchi »

Es war schon eine Weile her seit eine der Motten Vergonzo besucht hatte. Unter dem Schleier der Verborgenen oder nicht, die Tiere folgten ihrem eigenen Sinn und ihren eigenen Sinnen. Bei nur einem einzelnen Insekt konnte man glauben, dass sie zu Achilla gehörten oder nicht. Aber es wurden dann zwei, drei, die um ihn her zu tanzen begannen. Mehr waren ein paar Meter entfernt, im gelben Lichtschein eines Fensters weiter oben. Sie tanzten und torkelten wie blind im Licht als wäre das ihr ganzer Lebenssinn.

Plötzlich war es ein ganzer Schwarm und dort war auch Achilla. Es war nicht klar, woher sie gekommen war und wie sie überhaupt stand, wo sie stand: Es wirkte, als balanciere sie auf dem Wasser. Sie drehte sich herum und die Illusion wurde ein bisschen klarer: Dicht unter der dunklen Wasseroberfläche musste irgendeine Art Steg oder Trittstein sein.

“Komm, schnell”, sagte sie leise. Hatte sie Vergonzo gesehen? Der Schwarm stob um sie herum, weitete sich, Flügelschlag und braune, winzige Leiber überall. “Es ist hier nicht für lange sicher”, flüsterte sie. “Schnell, schnell, leichter Fuß, leichter Tritt. Stell’ dir vor, du tanzt.”

Sie jedenfalls tanzte, in einem schmutzigweißen Kleid mit Schleifen und Bändern, Perlen und Federn. War es echt oder auch nur eine Einbildung der Blutskräfte? Etwas, das gesehen werden sollte und daher gesehen werden wollte? Die Nosferatu schien über das Wasser zu gleiten, Schritt für Schritt für Schritt und lud Vergonzo ein, zu folgen.
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Vergonzo Faro
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Die Insekten, welche es wagten, den alten Nosferatu zu besuchen bemerkte aber beachtete er nicht, wie ein Haufen Exkremente das von Fliegen Besuch empfing, gab es keine Regung. Erst als Achilla sich zeigte, wie er es durch die zuvor erhöhte Anzahl an Insekten bereits ahnte, wandte er den Kopf in ihre Richtung.
Er schmunzelte und löste sich langsam von der Wand, an der er gelehnt hatte.
Die Szenerie, zuvor still im Dunkel, keine Seele die sie belebte, veränderte sich nun als einige Geister der Nacht erschienen waren, um hier und jetzt ihre Reise fortzustzen.
Er legte den Kopf schief und sah ihr dabei zu, wie sie scheinbar übers Wasser tanzte zumal sie zwar die Oberfläche berührte aber beinahe kein Geräusch dabei machte.

Kurz ging er näher übersah die Szenerie, erkannte ihren Weg. Aber das war nicht der Seine.
Er nahm etwas Anlauf und übersprang etliche Schrittweit das schwarze Nass, um dann mit einem leisen aber hörbaren Rumps begleitet vom sanften knarzen des Holzes, auf der anderen Seite zu landen. *
Er hob den Blick und würde Achilla weiter folgen, wo auch immer sie ihn hinführen würde.

*
Spoiler!
Distanbz Abschätzen -> 1 Erfolg
Sprung -> 7 Erfolge
leise Landen -> 1 Erfolg
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I Tarocchi
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von I Tarocchi »

Der Tanz der Motte ging zu einer Mauer und Hauswand hin. Erst von nahem ließ sich die Nische erkennen, in die sie dann kletterte und Vergonzo mit sich wang. Der Gang dahinter war so schmal, dass man sich leichter seitwärts schieben als vorwärts gehen konnte. Es war dunkel und roch nach Brackwasser und Algen, Verwesung und Gosse. Es roch wie früher und wie es wohl immer riechen würde.

Vergonzo konnte Achilla im Dunkeln an etwas Hantieren hören. Sie schob eine schwere, hölzerne Tür auf, hinter der ein schwacher Lichtschein sichtbar wurde. Dort winkte sie ihn hindurch, in eine kleine, feuchte Kammer mit Schimmel an den Wänden und Rattendreck auf dem Boden.

“Besser, besser”, flüsterte Achilla für ihn. “Doch noch nicht ganz gut für ein Treffen, eh? Komm hinauf, wo uns das Wasser nicht gleich mit der nächsten Flut um die Knie leckt.” Und hinauf ging es auch, wenn er ihr folgte, eine Leiter aus Seil und dann eine schmale und rutschige Treppe, die diese Bezeichnung kaum verdiente.

Oben angekommen gab es mehr Licht und zugleich mehr Schatten. Sie schienen sich zu bewegen und taten das vielleicht auch: Gestalten, die sich verzogen, Gestalten, die glotzten, eine hässlicher und schmutziger als die nächste.
Hier drehte Achilla sich zu Vergonzo um. “Willkommen, geliebter Bruder. Liebster, alter Groll. Willkommen im Kreis der Überlebenden, der Ratten von Venedig.” Sie zuckte mit den Schultern, breitete die Arme einmal aus.
“Hier bist du sicher genug, dass du sein kannst. Für den Moment. ‘s ist eine Wasser-Stadt, Venedig, und die Gefahren wandeln sich wie Wasser. ‘s hat Gründe, weshalb es sich hier schneller krepiert als überall sonst. Doch für hier und heute bist du sicher. Willkommen.”
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Vergonzo Faro
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Er folgte Achilla und versuchte sich zu merken wo es lang ging und versuchte zu erahnen, wo sie sich nun befanden.
Der Weg, die Gerüche und die Enge fühlte sich nach zu Hause an.

Als er dann oben angekommen war, hielt er inne und blickte sich um. Sah aufmerksam dabei zu wie die Schatten sich verzogen. Dies war also ihre neue Gruppe.
Die Worte, welche seine Schwester an ihn richtete vernahm er mit freundlichem lächeln und er nickte er zu.
"Ich war mir nicht sicher, ob ich dich hier in Venedig antreffen würde, ob die vielleicht schlimmeres widerfahren ist, Schwester. Danke, für deine Gastfreundschaft." stellte er dann erfreut fest.
"Es freut mich das es dir scheinbar gut ergangen ist." er deutete auf die Schatten, die zuvor hier gewesen waren.
"Man hörte ja davon, dass Venedig für alle Kainiten gefährlich sei, das sie einfach verschwinden,...bis dieser Augustus in die Nacht geholt wurde, und es dann abnahm." gab er einen Teil seines Wissens kund und blickte Achilla diffuse Gestalt an.
"Aber sag mir wie es dir geht. Wieso du nicht zurück kamst und wie dein Stand in dieser Domäne ist." sprach er dann und hockte sich hin.
Es gab keine Spur von altem Groll oder sonstigen Dingen, die vielleicht zwischen ihnen stehen könnten. Blut war dicker als Wasser,...und Zeit?
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I Tarocchi
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von I Tarocchi »

Achilla führte ihn noch ein paar Schritte weiter, in eine Ecke, in der es tatsächlich ein paar Kisten, darauf Kissen und Teppiche gab. Sie selbst ließ sich auf einem alten Fass nieder und schlug ein Bein über das andere. Etwas knirschte in ihren Hüften, als sie das tat - Leder und brüchige Knochen, Haut und Nähte, Seide und Mottenbrut.

Mit einer leichten Geste lud sie ihn dazu ein, sich selbst auch einen bequemen Platz zu finden. “Ai, schlimmeres ist mir widerfahren”, bestätigte sie dann auch. “Mord, Jagd, Totschlag, Hunger und lange, freudlose Nächte.” Sie sprach das aus als wäre es nur eine ihrer Geschichten, leicht und schnell dahin gesagt. Doch wenn er die Ruinen der Schänke gesehen hatte, die Leichen und Blutlachen, dann wusste er, das es alles andere als leicht gewesen war.

“Doch unsereins, wir überleben, wenn wir nicht draufgehen, eh?” Sie lachte ein brüchiges, kleines Lachen, kaltschnäuzig und hartherzig. Nosferatu-Humor, Galgenhumor.
“‘ch kann offen zugeben, dass es mir beschissen ging, lange Zeit. ‘s war eine Welt, die für mich zerbrochen ist. Ein Herz auch. Godeocs Einladung verfallen, Aurores Schutz und Trutz für die Katz. Wahrscheinlich hätt’ ich mich in Genua irgendwie durchschlagen können, aber ich bin hierher zurück, um einen Grund unter den Füßen zu bekommen.”

Sie zuckte mit den Schultern. “‘ch habe hier ein, zwei Gönner gefunden, die meine Dienste wollten und mir dafür diesen festen Grund geboten haben. Die Schritte machen kann ich selber, so ist es eben in der Welt. Dieser Augustus… ai, ja. Mit dem war ich schon im Kontakt als ich noch in Genua war. ‘s ist eine lange Geschichte und eine dunkle. Und eine, die du vielleicht nicht zu genau wissen willst, weil sie teuer ist und Köpfe kostet.”
Sie winkte ab.

“Ich bin jedenfalls nicht zurück, weil ich für die Hilfe zum Wiederaufstehen ein, zwei Handel eingegangen bin. Solche Schulden muss man abtragen und das kann ich nur hier. So sieht’s aus… bis es eines Nachts wieder anders aussehen wird, eh?” Sie baumelte ein wenig mit den Beinen, so dass man beinahe glauben konnte, es wäre alles nur ein Spiel. Doch das war es nie und nie gewesen. Achilla trug zu viele Masken, ging auf zu vielen Wegen.

“Das ist auch mein Stand hier. Das Familiengeschäft, im Großen und Ganzen. Und wenn nicht das, dann meine eigenen Schulden. Jahr für Jahr, Handbreit für Handbreit, geht’s voran. ‘s könnte auch im Sinne vom alten Godeoc sein und seiner Brut.” Sie machte eine Geste mit der offenen Hand zu ihm hin.
“Und in deinem, eh? Immerhin hast du damit jetzt wen zum Sprechen.”

“Wie ist’s derweil dir ergangen? Ich erinnere mich, dass dir verboten worden ist, Genua zu verlassen. Und dass wir allesamt als Sippe ein paar Schippen Zorn abbekamen. Ich erinnere mich, dass Il Ghiotto tief untergetaucht ist. Und eigentlich jeder andere auch, denn Aurore wollte irgendwann, dass wir unsere Brüder und Schwestern an ihr Henkersbeil ausliefern.”
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Vergonzo Faro
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Der alte Bruder folgte zu den Sitzgelegeneheiten und nahm Platz. Nickte dankend für die Gastfreundschaft trotz der Familienbande.
Auch nickte er an einigen Stellen in Achillas Vortrag und Erzählungen.

Als sie geendet hatte, schürzte er die Lippen ehe er seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger knetete, weiter nachdenklich den Kopf bewegend.
Eine verborgene Stille enstand als die beiden Nosferatu dort still saßen.

Erst das sanfte Rasseln Vergonzos Lunge unterbrach die Ruhe, als er zum sprechen Luft in den Fleddersack seiner Lunge zog.
"Unsere Welten zerbrechen nicht, sie werden zerborchen. Daher baue dir eine auf, die sie zerbrechen können, eine die garnicht deine ist." er schmunzelte sanft. Er kannte all das. Kannte Verlust, Leid, Gefahr, Asche, Windmühlen und Stiche.

"Was mich angeht, nun das Unleben ist ein Kreis. Wie im unheiligen Jahre 985 stehe ich auch 1077 alleine da. Nein, ganz alleine." korrigierte er womit er wohl ihre Frage nach Il Ghiotto beantwortete. "Wäre da nicht Tankred. Ihn lobend zu erwähnen wird ihm gerecht. Immerhin kann ich ihn ein wenig einbinden." was das Gesamtbild der Brut vervollständigte, so wie es sich mit Achillas Wissen decken sollte.

"Die neue Stadtmauer wird bald fertig. Der Hafen ist quasi ausgebaut, Handelswege wurden erneuert. Es folgt der Leuchtturm, den ich seltsamerweise gerne mit Iulia bauen würde. Nun, und meine Kathedrale, Genua zu Ehren, kommt dann. Wie es um meinem Genua-Arrest dann steht, wird sich zeigen." er zuckte mit den Schultern als wäre alles in Ordnung.
"Gerne würde ich den Kontakt zu dir als Vermittler beider Bruten aufbauen und halten. Dies bringt dir hier vielleicht auch einen kleinen Schubser. Aber Schwester, eine interne Sache wäre da, bevor ich gerne etwas über aktuelle Themen plaudern würde und auch dem was du so eben erwähntest. Ich beginne einfach mal mit den Fakten. Benedetto erwartet ein Theaterstück. Aurore vermisst ihr Harpyie. Gibt es etwas das ich übermitteln kann oder soll,...oder nicht soll?"
Die alten hellblaube Augen, die ihre Klarheit nicht verloren hatten, sahen Achilla in ihr flüchtiges Gesicht. Freundlich, vertraut und einig.
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I Tarocchi
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von I Tarocchi »

“Ohh”, machte Achilla. “Sie vermisst ihre Harpyie. Dabei hat sie eine ganz eigene nur für sich.” Es war eine hässliche kleine Spitze, aber sie zielte nicht auf Vergonzo sondern auf irgendeine Vergangenheit in Achillas Erinnerung. Sie war eben doch hier und da das blendend schöne, eifersüchtige junge Dinge, das sie im Leben einst wohl einmal gewesen war - und zu genau der Menge Gift und Galle fähig, die die allzu Schönen, allzu Eifersüchtigen spritzen konnten.

Doch sie war auch eine Nosferatu, genau wie er, genauso gossengezeichnet. Schönheit war eine Illusion und wer wusste das besser als sie? Also zuckte sie mit den Schultern, lachte die Erinnerung beiseite und widmete sich ihrem Bruder.

“Wenn es dir hilft, dann will ich dir einen Brief mitgeben. Einen von mir, Achilla, an die höchst verehrte Aurore von Genua. Und einen an den hoch verehrten Lydiadas von Genua, der mich damals zur Harpyie machen ließ. Du kannst dir überlegen, ob du die Briefe gibst. Ich lasse dich beide lesen und du kannst sie gebrauchen wie es dir günstig ist. Darin werde ich schreiben, dass ich schwer angegriffen worden bin. Verletzt. Überlebt. Geflohen. Dass die Herren von Venedig mich aufnahmen und mir halfen, mich aufzurichten. Dass ich jetzt wieder in der Lage bin, zu schreiben. Dass ich jedoch nun ihnen darum verbunden bin. Schutz und Trutz in Genua haben mir nicht geholfen, und so brach auch meine Verpflichtung für Genua und die für meine Herren hier wiegt schwerer. Wenn ich die hier jemals abtrage, dann kehre ich zurück zu meinem Dienst in Genua, doch das kann lange und lange und lange dauern.” So umriss sie den Inhalt und ließ Vergonzo dann erst einmal Zeit, noch eigene Vorschläge und Ideen hinzu zu geben. Offensichtlich sollte die ganze Sache hauptsächlich ihm nützen, nicht irgendeiner offiziellen Erklärung.
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Er kicherte zuerst glucksend ehe er abwinkte als das Prinzenkind ins Spiel, nur um diese direkt wieder ins Abseits zu befördern.
"ha, nun es freut mich das du meinen Scherz aufgenommen hast. Die Princeps vermisst lediglich die Information über deinen verbleib." scherten Ahnen sich doch nicht um so profane Dinge.
"Es wäre dennoch interessant geworden, ob sich unter dir die Etikette wenigstens sichtbarer entwickelt hätte." er zuckte die Schultern, knirschende Gelenke untermalten seine Worte. Aber es gab keinen Grund weiter darauf einzugehen, es war weder von belang noch interessant.

Über ihren Vorschlag nickte er.
"Das wird mir helfen ihrer Bitte die fehlenden Informationen zu liefern."

Kurz blitzte der Schalk in seinen Augen auf, als das Schauspiel begann.
Dann versteifte er sich, drückte das krumme Kreuz durch und wuchs wenige Zentimeter ehe er das Kinn anhob und von oben herab mit einem zuckersüßen Lächeln sprach.
Leicht beugte er sich vor und betrachtete sie abschätzend dabei:"Und wieso bist du nicht direkt danach zu mir gekommen? Glaubst du, ich wäre nicht in der Lage gewesen dich zu schützen?" stellte er die Frage präzise dort wo sie vielleicht etwas schwammig gewesen sein konnte.

Er war sich sicher Achilla würde sie erkennen, trotz seines gegensätzlichen Äusseren.
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Re: [1077] Venedig - Quis hic habemus? [Vergonzo, Achilla]

Beitrag von I Tarocchi »

Achilla wiegte den Kopf. Ihre Maske wirkte gleichgültig, doch darunter schien sie gerührt und legte eine Hand auf ihre Brust.
“Weil’s keine Gnade gibt in der Nacht”, sagte sie dann. “Weil unsereins entweder stärker ist oder draufgeht”, zählte sie auf. “Weil ich in Blut und Tod und Sonnenfeuer schwamm”, gab sie zu, “halb wahnsinnig, halb verbrannt, halb betrunken vom Blut meiner eigenen Leute, Masken, Leben.”

“Ich bin geflohen, lieber Bruder. Roter Hass, schwarze Furcht, schwärzere Verzweiflung. ‘s hat Zeit gebraucht bis ich wieder klarer denken konnte und da war ich schon raus aus der Stadt.”
Sie schüttelte den Kopf. “Wahrscheinlich hättest du mir helfen können, mich wenigstens durch die nächsten Nächte bringen können. Aber hässlich wär’s gewesen… .”

Sie hielt einen Moment inne, gefangen in diesen Erinnerungen. “Ich habe ein paar Sachen gelernt, in diesen Nächten. Über harte Tatsachen. Über die Freuden der Nacht, des Lebens, der Lust. Über mich, über Masken, über Wahrheiten. Über die Sonne. Über die Menschen, die mich gejagt haben.”

“Ich habe gelernt, Sünderin die ich bin, Freudensucherin, Genießerin all der guten und schlechten Dinge da draußen, dass es nicht reicht, wenn unser inneres Ich satt und träge schläft. Ich habe gelernt, was es ist, wenn es nicht mehr schläft, wenn es hungert und trauert und rast und reißt. Wenn es gar nicht mehr schlafen mag, ganz egal wieviel Blut man darüber gießt.”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich war ein Scherbenhaufen, lieber Bruder. Du hättest ihn trotzdem getragen, den Scherbenhaufen, auch wenn’s dich geschnitten hätte. Vielleicht hätten deine Hände etwas Neues und viel Standhafteres wieder zusammengekittet als ich es jemals war oder bin.”

“Doch ein paar Dinge im Leben und Unleben, die muss man selbst auf die Reihe bekommen oder man ist eben auch nicht mehr als das Werk von jemand anderem. Ich bin gern, was und wer ich jetzt bin.”

Und dann reichte sie ihm ihre schlanke, zerbrechliche Hand hin. “Danke dir, Bruder. Ich kenne keinen außerhalb von unserem Blut, der je so eine Frage gestellt hat. Und sie auch so meint.”

“Doch genau deswegen sollte ich’s ebenso halten. Wo kämen wir sonst hin?” Sie neigte sich ein wenig zu ihm, so dass die Wolke an Blütenduft, Fäulnis und Brackwasser, die ihren zerfallenden, mit getrockneten Blüten ausgestopften Körper einhüllte, zu ihm herüberzog.

“Benedetto, so klingt’s, wollte dich bescheißen. Oder uns alle. Oder er wollte die Verborgenen prüfen und sehen, ob ich noch da bin, um zu widersprechen. Oder sehen, ob wir stark genug sind, ihm ein Widerwort zu geben”, sagte sie.
“Denn ich habe ihm ein Theaterstück gegeben und nur dieses eine hat er verhandelt. Im Gegenzug wollte er mir den Aufenthaltsort unseres Ahnen verraten - und diese offene Schuld übertrage ich auf dich, so dass du sie einfordern kannst. Bei ihm.”
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