[1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

[Februar '23]
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Allegra Aldighieri
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[1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

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Auf Vincente eilt eine bleiche junge Frau zu, schreiend bunt gekleidet, das lange schwarze Haar geschmückt mit einem ganzen Regenbogen aus bunten Haarbändern. Sie lächelt Vincente freundlich ins Gesicht und verneigt sich leicht - genug um einen Ancilla nicht vollends zu brüskieren, genug um gegenüber einem anderen Neugeborenen etwas unterwürfig zu wirken. Ihre Augen wandern immer wieder zu seinem trophäengeschmückten Knotengürtel.

"Wir kennen uns noch nicht, glaube ich.
Gestattet, ich bin Allegra Aldighieri. Kind des Ivain du Amiens, Neugeborener des Clan des Todes, Kind Tamerans du Brocéliande, Ahn des Clan des Todes, Hüter der Gebeine des Riesen Unsveill.

Ein sehr hübscher Gürtel ist das. Habt Ihr ihn selbst gefertigt?"
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Vincente Carlos
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Vincente Carlos »

Vincente musste tatsächlich zwei mal hinsehen, als diese fremde Gestalt sich ihm näherte. Andere Kainiten kleideten sich sonst eher unauffällig, oder zumindest in einheitlichem Stil – je nachdem in welcher Schicht sie sich bewegten oder bewegen wollten.

Interessiert ließ er seinen Blick über die verschiedenen Kleiderstücke gleiten, versuchte zu erraten zu welcher Schicht oder Region sie gehören mochten, gab dann aber bald auf. Es waren zu viele und Allegra hätte sie wahrscheinlich einzeln ablegen müssen, damit man sie zuordnen konnte.

„Wir sind uns tatsächlich noch nicht begegnet“, antwortete er. „An euch hätte ich mich sicher erinnert, wenn ihr auf einer anderen Veranstaltung gewesen wärt.“ Seine Augen blitzten schelmisch. „Freut mich, eure Bekanntschaft zu machen. Ich bin Vincente Carlos, Neugeborener aus dem Clan der Lasombra., Kind des Kasib Sami, Anchilla des Clan Lasombra“, stellte er sich vor. Dann ergänzte er: „Eine Verbeugung ist nicht notwendig, denn sie ist den Anchillae vorbehalten.“ Dezent zeigte er auf die anwesenden Anchillae und stellte sie kurz mit Namen vor, damit sie sie später ggf. erkennen und entsprechend grüßen konnte. „Es genügt, wenn ihr mich mit Nicken grüßt und bei der Anrede werter nennt. Ich fürchten an einem Hoftag wie diesem wird darauf viel Wert gelegt.“ Er sagte dies nicht unfreundlich, eher so wie jemand, der selbst schon zur genüge in Fragen der Etikette angeeckt war und sich nun alle Mühe gab dies nicht erneut zu tun.

Als sie seinen Gürtel ansprach, blickte er kurz auf diesen hinab und strich mit der Hand über ihn, als wäre er das Fell eines geliebten Jagdhundes. „Gemacht nicht, dazu fehlt es mir an Handwerkskunst, fürchte ich. Aber ich habe die einzelnen Schmuck- und Zierstücke über die Jahre zusammengetragen. Später habe ich sie dann in diesen Gürtel einarbeiten lassen.“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra nickt erfreut bei der Kurzvorstellung der anwesenden Ancillae.

"Angenehm Euch zu treffen, werter Vincente.
Ich danke Euch für diese Vorstellung, sie ist sehr hilfreich für mich. Ich bin noch neu in der Domäne und kenne die meisten Kainiten und Amtsträger nur dem Namen, nicht dem Gesicht nach. Da blieb ich lieber auf der Seite der Vorsicht - einem anderen Neugeborenen gegenüber zu unterwürfig aufzutreten hat sehr viel weniger üble Folgen, als einen Ancilla unabsichtlich zu beleidigen."


Entzückt blickt sie auf den Gürtel, und verharrt von nun ab mit ihren Augen darauf.

"Oh, wie großartig! Das ist wie bei mir und meiner Garderobe - was mir gefällt füge ich hinzu, was mir besser gefällt tausche ich gegen meine vorigen Lieblingsstücke aus. So formt sich Stein für Stein die Kathedrale aus dem kahlen Boden."

Instinktiv zuckt ihre Hand gen Leistengegend, aber sie kann sich noch rechtzeitig bremsen bevor sie den Gürtel berührt.

"D-darf ich? Wer weiß, wann die nächste Gelegenheit kommt, dieses Prachtstück nicht nur zu betrachten, sondern auch zu spüren..."

Sie blickt wieder auf, ein flehender Unterton in ihrer Stimme.

"Bitte? Ich verspreche Euch auch vorsichtig zu sein. Ich bin eine Händlerin von Curios, die behutsam mit Kostbarkeiten umgehen kann, keine einfältige Magd die am Zierrat grob rumtatscht und rumzerrt wie am Euter einer Kuh."
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Vincente Carlos
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Ich verstehe, was ihr meint. Etikette hält zweifelsohne so manche Tücke für unsereins bereit“, gab er bereitwillig zu. Insgeheim dachte er, eigentlich sind es nichts als Tücken...

Bei ihren Worten musterte er erneut ihre Kleider. „Das Klingt, als würdet ihr Kleidungsstücke sammeln, doch wollt ihr euch damit an die Orte erinnern, die ihr durchwandert habt, oder gar an Personen, die sie einst am Leib trugen?“ Er war tatsächlich neugierig. Sah man von dem nächtlichen Bluttrinken, dass sie alle tun mussten, einmal ab – es wäre doch etwas ganz anderes, wenn man anschließend die Kleider der Beute wie Felle zur Schau trüge. Aber vielleicht war es der Halsabschneider und Hurensohn in ihm, der hier zu dicht unter der Oberfläche seines Selbst saß, dass er dergleichen überhaupt in Erwägung zog. Aber vielleicht sollte er sich in einer ruhigeren Nacht noch einmal durch den Kopf gehen lassen, der Gedanke allein war jedenfalls interessant.

Bei ihrer Frage, ob sie den Gürtel näher untersuchen dürfe, musste er ein Lachen ersticken, konnte sich die Worte dann aber doch nicht verkneifen. „Aber werte Dame, wir kennen uns keine fünf Minuten und doch wollt ihr mir gleich an den Gürtel!“ Das Lachen grollte etwas lauter in seiner Brust, „Denkt doch an euren Ruf!“ Er sagte dies in offensichtlich gespielter Besorgnis und Entrüstung. Kleine Fältchen bildeten sich um Augen und Mund und er biss sich leicht auf die Lippen, um das Lachen unter Verschluss zu halten.

„Nun, betrachten könnt ihr ihn gerne, nur abnehmen kann ich ihn nicht. Nicht, weil der Knoten schwer zu lösen wäre“, er zwinkerte schelmisch, „sondern weil es in dieser Gesellschaft sicher nicht angemessen wäre.“ Er blickte kurz in die Runde. „Doch sagt mir bitte zuerst, ob ihr bloß anschauen meint, oder ob ihr auch Fähigkeiten anwenden wollt? Bei Letzterem“, fügte er an, „sollten wir uns dann doch erst etwas besser kennen, bevor ich dergleichen zustimmen könnte.“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Kleidungsstücke sind für mich in gewisser Weise Beute, ja, aber als Felle von totgeschlagenen Sterblichen? Ooohhh neeeiiin! Die wären ja besudelt und würden gar nicht mehr meine Anmut betonen."

Allegra streicht sich durch das offene Haar und zieht damit den Blick auf den Regenbogen an bunten Haarbändern, den sie sich für heute abend als Schmuck ausgesucht hat.

"Diese Bänder beispielsweise waren ein Schnäppchen auf dem Hof der Wunder. Ich musste sie einfach haben. Ich habe schließlich nicht, ehe ich in die Nacht geführt wurde, stundenlang mein Haar mit heißen Kalamistroi behandeln lassen, nur damit jeder diesen Aufwand übersieht..."

Die Kappadozianerin zeigt keinerlei Regung auf Vincentes gespielte Empörung über ihr Ansinnen, den Gürtel anzufassen. Entweder geht ihr jegliche mädchenhafte Schamhaftigkeit ab, oder sie ist eine gute Schauspielerin.

"Oh, ich erwarte gar nicht, dass Ihr euch an Ort und Stelle eures Gürtels entledigt, nur damit ich ihn betasten kann. Wir können dies auch später an einem geeigneteren, privateren Ort nachholen - es eilt nicht, die Toten und ihre Gaben an Hades haben alle Zeit der Welt.
Manche der Stücke könnten wertvoller sein als es ihr bloßer Material- und Schmuckwert vermuten ließe, aber dazu müsste ich einen genaueren Blick unter gutem Licht darauf werfen."


Sie lächelt entwaffnend.

"Keine schwarze Blutmagie rund um enthauptete Hähne oder dergleichen, bevor Ihr dies mutmaßt, werter Vincente - ich nutze nur gottgegebenes Wissen um die Artefakte der Latiner, Etrusker und anderen Völker, die viele der Schmuckstücke geschaffen haben, die heute noch im Umlauf sind in Ligurien und ihren Gewässern.
Falls an einem von den Schmuckstücken ein ruheloser Geist oder Nachtalp kleben würde, hättet ihr dies schon längst bemerkt. Wobei ich helfen könnte, falls dies der Fall wäre..."


Alt-Griechisch:
Spoiler!
Kalamistroi: antike erhitzte Lockenstäbe
Hades: heidnischer Gott der Unterwelt und der Toten
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Vincente Carlos
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Ach, es gibt bestimmt Möglichkeiten, sie den Toten auch unbesudelt zu entwenden“, fügte er grinsend an. Ihm würden da sicher ein paar einfallen. „Aber sagt doch, was ist dieser Hof der Wunder? Meine Schritte haben mich noch nicht dahin geführt, wenn ich nicht irre.“ Gespannt würde er ihren Ausführungen lauschen und sich auch eine Wegbeschreibung geben lassen.

Als sie wieder auf ihr Haar zu sprechen kam, musterte er es neugierig. „Nun, die Mühe scheint sich gelohnt zu haben. Ich nehme an, Kalamistroi“, fasst hätte er Calamari gesagt, „gehören zur Toilette einer Frau?“

„Nun, wenn ihr einen vorläufigen Blick auf den Gürtel werfen möchtet, so könnt ihr dies gerne tun.“Er strich erneut über das Schmucksück. „Ob ihr ihn bei anderer Gelegenheit genauer untersuchen dürft, können wir ja noch besprechen.“ Er passte sein Lächeln ihrem an. „Und nein, Geister dürften nicht an ihm haften, nur die Geister der Erinnerung.“ Auf ein paar war er stolz, andere trug er zur Mahnung und zum Gedenken. Meist befielen ihn gemischte Gefühle, wenn er ihn anlegte.

Interessiert musterte er Allegra weiter. „Mir scheint ihr seid recht weit gereist oder zumindest viel herumgekommen. Was habt ihr in eurem Leben vor der Nacht gemacht und was führt euch nach Genua?“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra gibt Vincente die gewünschte Wegbeschreibung zum Hof der Wunder und eine Beschreibung der Zustände und angebotenen Waren, mit einem besonderen Fokus auf die feilgebotenen bunten Tücher, Schmuckstücke und ähnliche Dinge von Interesse für ein eitles Weib. Das bietet ihr auch eine elegante Überleitung.

"Kalamistroi gehörten zur Toilette der feinen hellenischen und manchen römischen Damen. Metallstäbe, die sie erhitzten und in Röhrchen umpackt sich ins Haar steckten, um es zu locken."

Sie ergreift eine der längeren Strähnen ihres Haars und zieht sie hervor, um ihrem Gegenüber einen besseren Blick zu erlauben, mit einem nicht geringen Stolz in ihrer Stimme und Mimik.

"Eine verlorene Kunst, leider. Die Frauen von heute flechten lieber Zöpfe oder verstecken ihr Haar gleich ganz unter Tüchern und Hauben, vor lauter Angst sie könnten die Männerwelt und manche der Frauen zu unkeuschen Gedanken verleiten."

Eine Furcht die Allegra einmal mehr abzugehen scheint. Vincente kann nicht nur die Struktur der Ringellocken gut sehen, er könnte sie auch selbst in die Hand nehmen und betasten. Bei Versuchen eine Hand anzunähern hält sie nicht nur still, ihr Lächeln wird sogar breiter.

"Ihr schmeichelt mir, aber meine Existenz bevor ich hierher kam war eher langweilig.
Ich stamme aus Kalabrien, wo ich durch meine... Talente die Aufmerksamkeit meines Erzeugers auf mich zog, und für ihn Curios aufspürte und hob, um die noch die knöchernen Klauen ihrer verblichenen Vorbesitzer verkrallt waren, ohne dass der Herrgott Im Himmel zu sich herauf geholt noch Hades zu seiner Schatzkammer tief in den Untiefen der Erde hinzugefügt hatte. Folglich konnten sie nur für uns Unsterbliche und Sterbliche bestimmt sein, nachdem der Ouranische und der Chthonische sie beide verschmäht hatten."


Sie hatte lange Finger, sehr lange und geschickte Finger. Finger die sie zu einer guten Harfen- oder Lautenspieler gemacht hätten, und sie führte keines der beiden Instrumente mit sich.
Wo mochte ein Piratenkapitän da ihre ominösen Talente vermuten?

"Später, als ich schon Jahrzehnte in der Nacht verbracht hatte und die See der Schatten die Region stabilisiert hatte, strömten Ancillae und Ahnen zurück in die Domäne, und verlangten dass Küken wie ich sie verlassen um Raum für sie zu schaffen.

Als... Händlerin von Curios erschien mir Genua als aufstrebende Perle des Handels als mehr als geeigneter Ort, um dort Zuflucht zu suchen, zumal auch La Superba zur See der Schatten zählt.
Noch bin ich nur Gast, aber ich hoffe meine Aufgabe zu erfüllen und Fürsprecher zu finden, um hier mehr als nur geduldet zu sein.

Nun kennt ihr meine Geschichte. Wie steht es um die eure, werter Vincente?"
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Vincente Carlos
Lasombra
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Vincente Carlos »

Er merkte sich den Weg und würde bei Gelegenheit den Hof einmal aufsuchen. Er klang vielversprechend, auch für seine dunkleren Triebe und Pläne. Sicher ließ sich da das ein oder andere Stück bewerkstelligen. Auch, wenn er keine Tücher kaufte.

„Da diese Praktik nicht mehr … zeitgemäß ist, darf ich daraus schließen, dass ihr sie ebenfalls aus Gräbern habt? Weil sie ...nun, vergangen ist? Vergessen?“, fragte er unschuldig nach. Es fiel ihm schwer, sie vom Alter her einzuschätzen und er versuchte noch immer herauszufinden wen oder was er da vor sich hatte.

„Heiße Metallstäbe... mit denen man sein Haar behandelt?“ Die Vorstellung schien ihm seltsam. Er wusste nur zu gut, wie heißes Haar roch, wenn es … zu heiß wurde und verbrannte. Ein unangenehmer Geruch, bei dem schon der Gedanke reichte, um ihn förmlich in der Nase zu haben.
„Nun, dass hat sicher so manchen zarten Hals verbrannt“, mutmaßte er. „Oder Ohr“, fügte er an.

Er betrachtete die dargereichte Strähne, behielt jedoch seine Hände bei sich. Wäre sein Gegenüber Paolo, er hätte keinen Moment gezögert und seine Hände in den Haaren des anderen vergraben. Aber bei ihr erschien es ihm wie eine zu intime Geste. Er vermied dergleichen, auch, wenn er Frauen nachts besuchte.

„Als ob man vergessen könnte, dass der andere unter den Kleidern nackt ist.“ Er schüttelte den Kopf. „Nun, erfahrungsgemäß geht der Kopf nur noch mehr auf Wanderung, wenn etwas verborgen wird. Wobei man in einer Stadt wie dieser sicher den Schmutz und das Ungeziefer anbringen könnte. Ich kannte mal ein Mädchen, das hatte wunderbares Haar. Aber sie hatte ständig damit zu kämpfen, weil der Wind mit ihm spielte und die Strähnen verknotete. Als Bursche hielt ich es dann irgendwann nicht mehr aus und habe es ihr eines Tages einfach abgeschnitten.“ Seine Stimme hatte einen träumerischen Ton angeschlagen, als er dieser Erinnerung nachhing. Das Mädchen hatte erst wie verrückt gezetert und dann wochenlang nicht mit ihm gesprochen. Aber wenigstens hat es sich nicht mehr beim Kämmen die halben Haare vom Kopf gerissen und sich lauthals darüber ausgeweint. Wenn er es recht bedachte, so war sie nach seiner Tat allgemein recht still geworden. „Wie dem auch sei, Keuschheit wird wohl kaum bestärkt, indem man die Haare versteckt.“ Insgeheim vermutete er, dass diejenigen es um so wilder trieben, obgleich sie anderes predigten.

„Kalabrien“, wiederholte er, als Allegra auf ihre Herkunft zu sprechen kam. „Helft mir doch bitte kurz auf die Sprünge. Wo liegt das noch mal? Und zu welcher Domäne gehört es?“ Es war nie verkehrt dergleichen in Erfahrung zu bringen.

Er war ein wenig darüber verwundert, dass eine Frau Gräber plünderte. Alleine hatte man es schwer, besonders wenn man Schätze aus abgelegenen Gebieten bergen wollte. Und um diese zu finden, musste man mitunter gebildet und belesen sein. Aber welche Frau war das schon? Sicher keine aus einfacher Herkunft. Und arbeiteten Plünderer nicht eher in Teams? Schon allein der Ausrüstung und Sicherheit wegen? Würden sich Männer von ihr führen lassen?

Er betrachtete ihre Finger. Sicher waren sie wie dafür gemacht in Spalten zu greifen, zwischen Knochen und Mauerstücke, um Kostbarkeiten aus Gräbern und Kammern zu stibitzen. Finger, die, wenn geschickt genug, sicher auch mit Leichtigkeit Geldbörsen von Gürteln lösen könnten – freiwillig wie unfreiwillig.

Neben ihr fühlte er sich wie eine Ochsenhälfte, grob und ungeschlacht.

Bei ihrer Beschreibung horchte er auf. „In Kalabrien gab es keine Alten?“ Er hob verwundert eine Augenbraue. „Ich wüsste nicht, warum diese eine Domäne aufgeben und das Gebiet Frischlingen überlassen sollten? Oder sind die vorherigen Alten gefallen und neue, fremde nahmen ihren Platz ein?“

„Ah ja, die Aufgabe, die Fürsprache“, sagte er. „Wenn ich raten müsste, so würde ich sagen sie hat etwas mit dieser neuen Religion zu tun.“ Und er war sich ziemlich sicher, dass er darauf fast Wetten abschließen könnte. In letzter Zeit drehte sich alles darum. Fast wurde es langweilig.

„Ich?“ Er überlegte. „Tja, wo beginnen.“ Er machte eine Pause. „Ich stamme aus Sardinien und befinde mich schon seit ein paar Jahren in der Stadt.“ Er überlegte. „Das bringt Fürs und Widers mich sich.“ Er lächelte. „Unterm Strich kann man sagen, dass ich einmal etwas Neues für mich wollte, etwas anderes. Wenn man zu großen Teilen sein Leben aus See verbracht hat, dann entgeht einem so ziemlich alles, was an Land passiert. Man könnte also sagen, dass ich eine andere Art der Beständigkeit ins Auge gefasst habe, zumindest für eine gewisse Zeit. Schließlich sind am Angesicht der Ewigkeit ein paar Jahrzehnte nichts.“ Er würde abwarten, zu welchem Themen sie nachfragen würde.
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Allegra Aldighieri
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Ja, ich fand die Kalamistroi und ihre Anleitung in den Gräbern. Für euch mag es eine unbedeutende weibische Sache sein, aber für mich... Es ist faszinierend wie die Probleme gelöst wurden die ihr voraussaht, und wie einfach am Ende die Lösung war. Man nimmt ein langes Röhrchen aus einem trägeren Material wie Ton, wickelt die Strähne darum, schiebt das heiße Metallstäbchen hinein, wartet, wiederholte die Prozedur mit jeder Strähne, und... hat Ringellocken, mit denen man sich in Thessalien oder Syrakus in den feinsten Kreisen hätte bewegen können."

Sie spielte noch ein wenig mit der Strähne herum, bis Vincente die Anekdote vom abgeschnittenen Haar anbrachte. Nicht nur hörte sie auf ihre lange Locke zu präsentieren, das unausgesprochene Angebot sie spüren zu dürfen war ebenso vom einen Moment zum anderen vom Tisch gewischt. Stattdessen fegte sie ihre Haarpracht mit beiden Händen hinter ihren Rücken, so als wollte sie ihren zierlichen Leib schützend zwischen ihre Locken und Vincente bringen.

"Ihr... habt das lange Haar einfach abgeschnitten... ohne die Maid auch hur einmal zu fragen, ob sie das überhaupt wünscht, nur weil Ihr dachtet es wäre für ihr eigenes Wohl?"

Ihre Mimik und Tonlage wurden deutlich kühler und abweisender. Es brauchte nicht viel Fantasie, um zu erraten wie Allegras Reaktion ausgefallen wäre, wenn jemand sie ungefragt von ihrer Lockenpracht getrennt hätte, in die sie so viel Mühe und Aufwand gesteckt hatte.

"Meine Aufgabe kommt meinen persönlichen Fähigkeiten sehr sehr entgegen. Sie wird nicht das Problem sein, mehr die Suche nach Fürsprechern.

Kalabrien findet Ihr, wenn Ihr von hier die Küste entlang nach Pisa und dann noch weiter segelt, bis zur Zehenspitze des Stiefels.
Bis vor kurzem wurde die Region von den Byzantinern und deren Alten beherrscht. Danach war sie ein Schlachtfeld zwischen Byzantinern und der See, aus dem die Alten sich vornehm heraus hielten wenn sie konnten und es den Küken überließen für die große Politik endgültig zu sterben.
Jetzt, wo die See der Schatten die Oberhand hat, haben deren Alten die Domäne aufgeschnitten wie einen Kuchen, mit großen dicken Stücken für sich selbst, dünnen aber saftigen Stücken für Kainiten die sie über den Krieg hinaus als wichtig betrachten, und nicht einmal Brosamen verbunden mit dem Recht, an der Seite meines Erzeugers weiter...lernen zu dürfen für Küken wie mich, die den Kopf hingehalten hatten damit es überhaupt einen Kuchen zu verteilen gibt."


War da Verbitterung heraus zu hören?
Die Kappadozianerin schien schon drauf und dran, sich brüsk zu verabschieden, als die Sprache auf die See kam.

"Auf See sagt Ihr? Dann kennt ihr euch mit Seefahrt aus?
Bedient Ihr nur die Route von Sardinien nach Genua, oder hättet Ihr Interesse daran eure Möglichkeiten zu... erweitern?"


Ihr Interesse war sichtlich geweckt.
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Vincente Carlos
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Re: [1078] Pirat und Papagei [Allegra, Vincente] [Das Bouquet der Debatten]

Beitrag von Vincente Carlos »

„Das klingt spannend. Ich habe immer angenommen, dass man in Gräbern nur Knochen findet. Oder in jüngeren die etwas saftigeren Überreste der darin Bestatteten.“ Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: „Vielleicht noch Schmuckstücke, die man den Toten mitgegeben hat, ich hätte jedoch nicht mit … Anleitungen gerechnet. Kommt das häufig vor oder wählt ihr die Gräber nicht wegen der Schmuckstücke, sondern wegen des Wissens darin aus?“ Er fragte sich wie viele Hinterbliebene sich die Mühe gemacht hatten, den toten Verwandten für das Nachleben Anweisungen für das Lockendrehen mitzugeben. In seiner Familie wäre das sicherlich niemandem eingefallen.

Als kurz Entsetzen über Allegras Gesicht huschte und sie ihre Lockenpracht vor ihm in Sicherheit brachte, obgleich er keine Anstalten gemacht hatte, sie ihr zu nehmen, musste er schmunzeln. Er hatte nicht vorgehabt sie dieser zu berauben. Und selbst wenn, in der nächsten Nacht wären sie wieder da. Oder nicht?

Als er ihr antwortete, lag noch immer eine Spur von Fröhlichkeit in seiner Stimme. Er wedelte mit der Hand, wie um den Schrecken seiner vorherigen Worte zu vertreiben. „Ach, Jungenstreiche!“ Er lachte kurz und es klang wie das Murmeln eines Baches. „Letztlich tat ich ihr einen Gefallen, sie hatte immer Kletten im Haar.“ Den Grund, warum das Mädchen Kletten im Haar gehabt hatte, überließ er ihrer Fantasie.
„Und keine Sorge, ihr müsstet mich schon sehr ärgern, dass ich auf die Idee käme euch die Haare abzuschneiden. Und selbst wenn, sie wären in der nächsten Nacht doch zurück, oder nicht? Darin läge übrigens sicher auch eine lukrative Geschäftsidee...“ Er ließ die Worte ausklingen, wartend, ob sie Interesse zeigte und er seine Worte weiter ausführen sollte.

„Ach ja, das Suchen nach der Fürsprache... Habt ihr schon damit begonnen?“, fragte er nach. „Oder steht ihr noch ganz am Anfang?“

Als sie ihm beschrieb, wo ihre alte Heimat lag, folgte er ihren Ausführungen, um die Örtlichkeit auf seiner mentalen Karte der Welt zu verorten. Auch den Ausführungen zum Krieg und dem Gemetzel folgte er aufmerksam. Krieg war schließlich auch hier eine Möglichkeit, und auch wenn dieser oft lukrativ zu sein versprach, wenn man denn auf der richtigen Seite stand, so war es ihm doch generell lieber, wenn er sich woanders abspielte und nicht vor der eigenen Haustür.

Er hob kurz die Augenbraue. „Auskennen? Auf See? Nun, mit Mutter Meer ist es wie mit vielen anderen Dingen. Man glaubt sie zu kennen, zu beherrschen und schon überrascht sie einen mit etwas Neuem, Unerwartetem. Aber ja, ich habe schon ein paar Jährchen auf dem Meer verbracht. Was die Routen angeht, so ist es mal diese mal jene. Am einfachsten ist es immer die Gewässer zu befahren, die man schon kennt. Wegen der Strömungen, Riffe und was sonst noch so an Gefahren draußen lauert. Ich bin neuen Routen jedoch nicht abgeneigt. An was habt ihr gedacht?“
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