[1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

[Februar '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“An eine Hexe. An eine Schwester.” Giada streckte ihre Beine ein wenig aus, so dass sie etwas bequemer dasaß als zuvor.

“Nennt mich Kind und ich nenne Euch Alte und wir beide lügen einander an.” Sie verzog einmal das Gesicht und winkte ab.

“Vor mir liegt eine Prüfung”, sagte sie dann. “Eine, über die ich zu dir nicht sprechen kann. Doch wenn ich sie bestehen will, dann muss ich mich daran erinnern, was diese Welt so lebenswert macht. So wert, dass jedes Mittel recht ist, sie zu bewahren.”
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La Strega
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von La Strega »

Die Hexe gluckste und schien sich ein bisschen zu entspannen und nahm das Flechten wieder auf.

"Möglich, dass wir uns belügen...Schwester. Aber ich behaupte, dass ich länger gelebt habe als Du. Und das Altern ist ein Quell von Wissen und Erfahrung, das nicht zu unterschätzen ist. Zu wissen wie es ist zu gebären, wie es ist ein Kind zu begraben, wie es ist eine Großmutter, Urgroßmutter zu sein...gar eine Ururgroßmutter. Zu erfahren, wie die Menschen das Alter beginnen zu ehren und nach Weisheit und Rat fragen."

Sie steckte ein ums andere Kraut in ihr Geflecht, mit kundigen, erfahrenen Händen, die diese Arbeit schon viele Male getan haben.

"Andere Erfahrungen waren schmerzhaft. Das Alter fordert Tribute besonders am Leib. Die Haut wird schlaff und schrumpelig, die Gelenke steif und wetterfühlig, der Rücken krumm und bucklig...der Schoß trocken, unfruchtbar und unbesucht."

Sie wackelte mit dem Kopf.

"Suchst Du tatsächlich danach oder willst Du eine schwere Melancholie bekämpfen? Dagegen könnte ich Dir Kräuter und Harze nennen, mit denen Du deine Beute berauschen kannst, um selbst diesen Rausch zu erfahren. Es ist nicht ohne Risiko, doch es vertreibt die Melancholie und Schwarzseherei für eine gewisse Zeit."

Die alte Vettel sah sie von der Seite neugierig an.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Wenn Kräuterwerk und Rausch mir helfen könnten, was wäre das für eine Prüfung?” Giada ballte ihre Hände zu Fäusten. “Nein, sie lässt sich nicht durch Lügengebilden im Blut von berauschten Sterblichen bestehen.”

Sie sah von der Seite her zu der Alten. “Du sagst mir, dass du durch dein Altern mehr Einsichten erhalten hast? Weil dein Körper alt geworden ist, die Haut schlaff, die Gelenke steif, der Rücken krumm, der Schoß trocken und einsam. Ich sage dir, dass das alles gleichgültig geworden ist, genau zu der Zeit, als du gestorben bist.”
Das war ebenso hart wie direkt. Und dabei klang es nicht einmal unfreundlich.
“Du bist damit unter unseresgleichen dennoch deswegen besonders. Aus demselben Grunde wie Angelique vom Clan des Mondes.”

“Doch nicht unser erster Tod oder unsere zweite Geburt haben uns zu Hexen gemacht, oder?” Sie lehnte sich etwas zu der Alten herüber, fast, als wollte sie an dieser riechen oder in ihre Aura eintauchen, wenn man an solche Dinge glaubte.
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La Strega
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von La Strega »

Tatsächlich hatte die alte Vettel eine merkwürdige Aura, die zugleich mystisch aber auch unheimlich war. Sterbliche mochten diese Ausstrahlung eher abstoßend finden.

"Wissen...egal in welcher Form ist wertvoll."

Sagte sie bestimmt, dann blickte die Alte auf die scheinbar jüngere.

"In meinen sterblichen Tagen war ich ein Kräuterweib und eine Engelsmacherin. Und man hat mich da schon Hexe genannt...weil ich auch nunmal so aussehe, wie eine Hexe. Und ich habe Wissen, das die aller meisten nicht haben...und das macht vielen...vor allem Männern...Angst. Doch hat die zweite Geburt eine weitere Macht in meine Hände gelegt...mehr Macht als nur Wissen oder Weisheit. In diesem Blut liegt so viel Macht verborgen und ich habe wenn überhaupt nur kurz an der Oberfläche gekratzt und einen kurzen Blick darauf erhascht, was darunter vielleicht verborgen sein könnte."

Sie unterbrach ihr Flechtwerk eine Weile und begutachtete das Ergebnis kritisch im fahlen Mondlicht.

"Wenn eine Hexe sein bedeutet, sich verborgenes oder verbotenes Wissen anzueignen um in dieser Welt als Frau eine Machtposition zu erlangen, dann war ich schon immer eine Hexe. Wenn eine Hexe sein bedeutet tatsächlich zu zaubern...dann bin ich eine seit dem dunklen Kuss."

Dann sah sie wieder zu Giada mit einem neugierigen Blick.

"Was macht Dich zu einer Hexe, Schwester?"
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada lachte und nickte einmal. Es klang natürlicher und freier als irgend etwas sonst von ihr.
"Zuerst das, was du auch sagst: Ich bin eine Frau und habe mir Macht einfach genommen. Ich war schneller, stärker, klüger, gerissener und einfach besser als die Männer um mich herum. Dann habe ich auch noch mehr gelernt und gewusst als sie. Verborgenes und verbotenes Wissen, so wie du es sagst." Sie lachte wieder und schüttelte den Kopf. "Ausgetauscht mit anderen Frauen, denen es ähnlich ging. Wir sind selten genug."

Doch dann wurde ihr Lächeln etwas blasser und ihre Miene ernster. "Doch damit habe ich verstanden, dass die Macht in der Welt ist so wie ein Urstrom. Dicht unter der Oberfläche, die wir sehen. Manchmal ist es leichter, ihn zu hören oder zu berühren, wenn der Mond ruft oder sich abwendet. Wenn der Sommer in der Blüte ist oder der Winter am dunkelsten. Die Welt hat einen Puls... ." Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich wurde nicht deswegen in die Nacht geholt", sagte sie dann. "Sondern wegen der anderen Dinge. Meine Herrin Mutter im Blute ist ...eine besondere und seltene Frau. Wahrscheinlich würden alle sie eine Hexe nennen, wenn sie es wagen würden. Doch sie wagen es nicht, weil sie eine heilig gesprochen wurde." Giada sah auf ihre eigenen Hände hinab, die voller Schwielen, Narben und geschundener Stellen waren.

"Mit dem Tod und der zweiten Geburt wurde ich abgeschnitten vom lebendigen Pulsschlag der Welt", sagte sie. Dann sah sie auf, zur Alten. "Doch nicht ganz." Das klang ein wenig verschmitzt, ein wenig trotzig, ein wenig verloren. "Ein paar Tricks habe ich mir bewahrt und das Wissen im Herzen geht nicht einfach verloren. Und mit dem Lernen und Fragen habe ich nie aufgehört."
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La Strega
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von La Strega »

"Und genau das ist es, was die Welt so bewahrenswert macht. Sie ist voller Geheimnisse und es gibt noch viel zu entdecken und zu lernen. Wir können voneinander lernen...von Hexe zu Hexe...wenn wir gelernt haben einigermaßen einander zu trauen."

Sie legte das Geflecht auf ihrem Schoß ab.

"Würde für Dich denn das Scheitern in dieser Prüfung das Ende der Welt bedeuten? Oder nur Deinen endgültigen Tod?"

Ihre Stimme wirkte ein wenig Vorsichtig. Eine Mischung von Neugier und Ehrfurcht vor dem, was hinter den mystischen Worten der Lasombra verborgen sein könnte.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Mit ihrer Frage schien die Alte einen Nerv getroffen zu haben. Vielleicht mehrere. Giada antwortete nicht sogleich und rang mit sich, einer Antwort, vermutlich auch dem gesunden Mißtrauen gegenüber einer so vertrauten Fremden wie dieser.

“‘Das Ende der Welt’”, echote sie schließlich. “Das ist kein… .” Sie schüttelte den Kopf, rang mit ihren Händen und sagte dann: “Unsere Welt. Diese Welt, hier.” Aus dem Sitzen heraus klopfte sie dennoch ein paar Male mit einem Fuß auf den sandigen Boden unter ihnen beiden.
“Sie endet. Das tut sie, seit sie einst begann, in immerfort rasenderer Geschwindigkeit, wie ein außer Rand und Band geratener Kreisel, dessen irres Drehen selbst den Boden um ihn her aufreißt und die Luft um sich her aufschneidet.”

Sie winkte ab. “Ich kann dies schwerlich begreiflich machen. Es gibt Nächte, in welchen ich es die natürliche, vielleicht gar tröstliche Natur dieser Welt sehen kann. Alles endet irgendwann, strebt der Zersetzung, dem Zerfall, der Auflösung zu. Und verspricht die Kirche nicht, dass dahinter, hinter dem letzten Urteil, auch der letzte Friede auf alles und alle wartet?”

“Doch dann wieder gibt es Nächte, in denen mich die falsche Natur unserer Welt so sehr anwidert, dass ich sie mit aller Macht zerschlagen will. Alles ist eine Lüge, Schwester. Alles um uns her. Sogar wir selbst.” Die bittere, vielleicht wahnsinnige Verzweiflung der Lasombra klang hier durch, wo sie sonst wohl so sorgfältig hinter all den verschiedenen Mauern von Etikette, Haltung, Zwängen, Pflichten, Schwüren, Notwendigkeiten, Allnächtlichkeiten begraben wurde. Dieses Gespräch war nicht allnächtlich.
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von La Strega »

Die alte Hexe lauschte gespannt den Worten der Lasombra und wirkte ernst, gespannt und neugierig. Sie versuchte in ihrem beweglichen Geist die Worte zu deuten und hinter ihre Bedeutung zu blicken. Nachdem Giada geendet hatte, schwieg die Alte für einen Augenblick und hob dann das Kräutergeflecht wieder auf und hielt es ins fahle Mondlicht.

"Diesen Kräuterkranz flechten Mütter für ihre Kinder, Großmütter für ihre Enkel. Er wird über den Schlafstätten der Kinder aufgehängt und ein Gebet wird gesprochen. Er schützt vor dem Tod, der in Gestalt böser Geister des Nachts in die Betten der kleinen Kinder steigt und sie erstickt."

Sie betrachtete selbst das Geflecht und schnaubte verächtlich.

"Eine Lüge und vollkommen nutzlos. Einige dieser Kräuter sind sogar giftig und außer, dass sie wohlriechend sind, schützen sie vor gar nichts. Doch die Menschen glauben daran und beruhigen die Mütter und ihre Kinder."

Sie warf das Geflecht achtlos auf den Boden.

"Ja diese Welt endet. Die Kirche nennt es das Jüngst Gericht. Ich habe die Alten flüstern gehört, dass unsere Welt endet in Blut und Asche, wenn sich die Ältesten erheben und in ihrem schieren Durst über ihre Bruten herfallen und sie verschlingen. Ich weiß nicht ob es eine weitere Lüge ist, um uns Jüngeren Angst zu machen. Aber ja...ich sehe ebenfalls die Lügen, die Du beschreibst. Überall und ständig um uns herum. Die eine Hälfte soll uns beruhigen, die andere soll uns Angst machen. Klar ist, diese Lügen sind Hindernisse, die uns von der Wahrheit trennen. Manche sind nur Schleier oder Vorhänge, einige sind Türen oder Wände und wenige sind Mauern aus massiven Fels. Ich akzeptiere diese Lügen nicht. Ich werde diese Hindernisse zu überwinden suchen, die Wahrheit dahinter sehen, sie gar hervor zerren. Viele werden mich dafür hassen, sie werden mich Hexe schimpfen, Verräterin...Hure..."

Sie kicherte gehässig.

"Aber ich werde mehr und mehr von der Wahrheit kennen. Vermutlich wird sie mir Angst machen...aber ich werde sie kennen."

Sie blickte zu Giada.

"Wenn Du es wagst...könnten wir den Weg gemeinsam gehen."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Es wirkte wahrscheinlich bizarr, doch Giada fiel in dieses gehässig Kichern der Alten ein. Ihr Lachen war hart und hässlich und kurz.

“Ich habe mir geschworen, dass ich wenigstens nicht blind enden will”, sagte sie dann und deutete auf ihre eigentlich für die Gegend ziemlich gewöhnlichen, dunkelbraunen Augen. “Seit ich denken konnte, wollte irgendwer mein Schicksal bestimmen. Sie haben Angst vor Frauen, die sich darin nicht fügen. Solche, die mehr wissen, die mehr wollen und die sie darum nie ganz kontrollieren können. Blind und dumm und gefügig ist so viel einfacher zu gebrauchen.”

Sie nickte zu der anderen Hexe herüber. “Ich wage es jede Nacht. Sei mir willkommen, Schwester. So wie du klingst, machst du deinen eigenen wilden Ritt. Meiner ist es ganz gewiss.”
In Giadas Blick funkelte die Art von Herausforderung und Widerstand, die brandgefährlich war, schon zu Lebzeiten und ganz sicher im Tod.

“Tun wir uns zusammen. Hexenkreis. Schwestern. Wenn wir es geschickt anstellen, dann können wir zu zweit, was eine allein nicht kann. Erzähl mir von deinem Ritt!”
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La Strega
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Re: [1078] Hexenhaus [Giada, La Strega]

Beitrag von La Strega »

"Für einen Hexenkreis müssten es drei sein...wie die Erinnyen, die Moiren oder die Nornen...aber da wir schonmal zu zweit sind, können wir uns die dritte im Bunde gemeinsam aussuchen."

Sie grinste wissend und betrachtete das Funkeln in Giadas Augen aufmerksam und neugierig.

"Mein Ritt treibt mich ständig und immer auf der Suche zu sein...auf der Suche nach Geheimnissen, Wahrheiten verschleiert hinter Lügen, Dreck und Unrat verborgen hinter einem reinlichen Äußeren. Der große Vorteil meines niedrigen Geblütes: Was kümmert es die Könige in welche Löcher die Ratten kriechen? Kümmert mich gesellschaftlicher Status? Nein...warum auch? Nur eine gewisse Unverfrorenheit führt zum Ziel...und das stößt einigen übel auf...ein Ritt auf einer scharfen Klinge möchte ich meinen."
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