[1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

[März '23]
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Die Menschen sind flüchtig, unvollkommen und verführbar. Sehr richtig. Genauso wie sehr viele instinktive Anhänger der Menschlichkeit, die sich zunächst einfach ohne weiter nachzudenken an das klammern was sie kennen, wie ein Ertrinkender der nach Treibholz greift, und danach einfach bei dem bleiben was sie tun. Ohne jemals inne zu halten, ohne sich jemals Gedanken um ihr Sein und Tun zu machen, sondern einfach machen was ihnen gerade als richtig dünkt.

Aber der wahre Oudos Anthropothymos hört da nicht auf, er fängt nur bei menschlichen Denkmustern und Philosophien an. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was ist Tugend? Was ist das gute Leben? Oder in unserem Fall eher Unleben, oder Dasein. Unser Dasein ist zu verschieden, um einfach sterbliche Ideen nachzuahmen, aber die Fragen der Denker lassen sich auch auf unseren Zustand anwenden.
Die große Frage, die sich mein Weg stellt, ist die Frage: Wie erreichen wir das gute Dasein für möglichst viele, erfüllt mit Tugend, Harmonie und gedeihlichem Zusammensein?"


Die Kappadozianerin macht eine Pause.

"Bedenket zum Beispiel unser Zusammentreffen, als Ihr nach meinem Haar gegriffen habt. Wäre ich eine getreuliche Anhängerin des Via Regalis, hätte ich mir das gefallen lassen können? Schwäche zeigen? Weich und flexibel dem Konflikt ausweichen, anstatt starr und schnurgerade den Konflikt zu suchen?
Wohl kaum. Und wir würden nun wohl kaum so friedlich und zivilisiert beisammen sein und uns austauschen. Mein Verhalten hätte unserer beider Dasein verschlechtert, im Vergleich zu der Situation die wir jetzt haben."


Allegra macht noch eine Pause, um diesen Gedankengang zu ergänzen.

"Bedenket auch, dass nicht jedes Kainskind dafür geschaffen ist, die Via Regalis auch so gut und erfolgreich zu begehen wie eine wohlwerte Giada. Ein Adamo wäre zu ehrlos und unzuverlässig. Eine Allegra wäre zu schwach und weich. So könntet Ihr unsere gesamte Gesellschaft durchgehen und viele Kainskinder benennen, die sich erst nach jahrzehntelanger disziplinierter Arbeit für die Via Regalis eignen würden, manchmal nicht einmal dann.
Nicht umsonst nennen die Hellenen euren Pfad den Anodos Koripahios, den Pfad der Erhabenen, den Pfad der Höchsten.

Aber es braucht auch diese anderen Kainskinder, so wie ein Königreich nicht nur einen König und seine Rittersleut' braucht, sondern auch ein Fundament von Klerus, Handwerker und Bauernstand. Um das gute und harmonische Zusammensein zu sichern, muss ein guter Kleriker manchmal Mildtätigkeit und Gnade zeigen, ein Bauer manchmal Demut, in einem Maß das man einem Adeligen niemals abverlangen könnte."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Es ist weder mein Anspruch noch mein Wille, dass ein jeder die Via Regalis beschreiten soll”, stimmte Giada zu. Sie machte eine knappe, beschwichtigende Geste. “Im Gegenteil: Ich teile Eure Einsicht, dass ein jeder den Weg zu finden hat, welcher ihn vor dem letzten Fall bewahrt. Und zugleich die Welt vor ihm.”

“Was Ihr vorbringt, schmückt Euch mit einer Form der Demut und Einsicht, die äußerst selten ist.” Giada klopfte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand auf die Bank als wollte sie diesen Punkt dort festnageln. “Es gibt diesen Anspruch, dass ein jeder dieser oder jener Richtung zu folgen habe. Mit dieser Ansicht, dass es einige dieser Weltsichten, Einsichten, Pfade durch die Nacht gibt, welche ganz natürlich zusammen gehören, wurde mir oft genug mit Verachtung abgeschmettert.”

“Deshalb überrascht mich so, dass Ihr dies vorbringt. Mein eigener Lehrmeister hat mich beinahe zerbrochen für diese Ansicht. Meine eigene Herrin Mutter im Blute, die eine Blutsheilige auf der Via Caeli ist, hat einen ähnlich unbedingten Blick. Mit dem hoch verehrten Lydiadas, dem Schwarzen Seneschall von Genua, habe ich über eben diese Frage beinahe einen Streit begonnen - und das ist wenig weise, wie Ihr Euch denken könnt.”

“Doch ich verstehe und ich verstand nie, weshalb es den Widerstreit geben muss. Ist es nicht gut und recht, wenn solche wie der verehrte Ferrucio, der Büßer, oder meine Herrin Mutter im Blute in ihrer Heiligen und wahrhaftig verehrungswürdigen Unerschütterlichkeit, der Via Caeli folgen und uns übrige anleiten, beraten, im Glauben bestärken und erhalten? Und wenn solche wie Ihr mit den tieferen Einsichten, die mit Eurem zweiten Tode begonnen haben müssen, uns das Band zu unserer Vergangenheit und der Zukunft der Länder in den Händen der Menschen pflegen? Und wenn solche auf den Pfaden der Könige uns alle in gerechter Ordnung, Macht und Herrschaft halten, dass unsere eigene Gesellschaft nicht aus den Fugen fällt und wir von innen her zerfallen?”

“Bin ich deshalb eine Häretikerin, ausgerechnet auf meinem Pfad, dem wohl unnachgiebigsten auf der Straße der Könige? Seid Ihr es dann ebenso?”

Erstaunlicherweise waren diese Fragen keine Anklagen. Die Magistra schien sich tatsächlich und ernsthaft mit diesen Fragen zu beschäftigen - ja, das schienen sogar Fragen zu sein, die ihr zumindest jetzt sehr nahe gingen.
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra lächelt zunehmend bei der Schilderung.

"Ihr zeigt große Weisheit in Eurer Haltung, wohlwerte Giada. Beim Bau einer Brücke fragt man den Baumeister und nicht den Arzt, bei einer Krankheit fragt man den Arzt und nicht den Baumeister, und so wenig wie man den Mundschenk auf den Thron setzt, lässt man den König als Mundschenk dienen.

Die alten hatten ein Herrscherideal, das des Philosophenkönigs. Entweder sollte die Königswürde den klügsten Philosophen des Landes verliehen werden - oder umgekehrt sollte der König sich selbst in der Philosophie schulen, seinen Verstand schärfen und seine Weisheit vertiefen. Einige wenige herausragende Herrscher kamen diesem Ideal recht nahe: Kaiser Marcus Aurelius, König Salomon, Lysander von Sparta.
In den heutigen barbarischen Zeiten ist diese Idee weitgehend vergessen, aber Ihr hättet das Zeug sie in Eurer Person wiederzubeleben und als leuchtendes Beispiel davon zu dienen. Klug in eurem Vorgehen, hart darin es auch gegen Widerstand durchzusetzen, weise darin einzuschätzen wann eure Härte und Stärke gebraucht wird. Ihr wisst, wo das Löwenfell Löcher hat und das man diese Löcher mit dem Rotpelz des schlauen Fuchses und dem Gefieder der weisen Eule stopfen muss."


Sie wird immer erregter bei ihrer Schilderung, und ihre Leichenaugen blicken Giada starr an - das, was bei einer Kappadozianerin als Augenleuchten durchgehen mag.

Allegra schüttelt den Kopf bei der Frage nach Häresie, ein wenig betrübt.

"Ich denke, die wenigsten Anthropothymiker würden mich als Häretikerin beschimpfen. Das würde erfordern, dass sie sich Gedanken um sich selbst und die Welt um sie herum machen. Wir alle, die es bei klarem Verstand durch unsere erste Nacht schaffen - unabhängig davon, welcher Pfad uns am Ende im Zaum hält - stolpern zunächst blind umher, klammern uns an das woran wir uns aus sterblichen Tagen erinnern und versuchen, es mit unseren neuen Bedürfnissen in Einklang zu bringen.

Koriphaii und Ouraniker erfahren hier eine strenge und disziplinierte Schule, und lassen die vagen Reste ihrer Menschlichkeit hinter sich. Kentauren und Chthoniker werfen die letzten Reste ihrer Menschlichkeit über Bord und sinken auf eine Stufe hinab, nur knapp über dem irren Heulen der Bestie"
- ihr Gesicht verzieht sich leicht angewidert - "aber selbst in ihrer Abscheulichkeit erfordern diese beide Wege, sich Gedanken über seine Existenz zu machen und sich nicht einfach treiben zu lassen wie ein Laubblatt auf einem Fluß.

Bei den meisten Mitwanderern auf meinem Pfad endet es da, wo ihre erste Nacht aufhörte, und sie stolpern einfach blind weiter, saugen wahllos Binsenweisheiten auf, entscheiden aus dem Bauch heraus und halten niemals inne, um mehr aus sich zu machen."


Ihre letzten Worte klingen frustriert und leicht verbittert.
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Die Bitterkeit der Gelehrten gegenüber den Ignoranten”, murrte Giada und schien durchaus zu verstehen. “Mich hat so mancher mit eben diesen …Binsenweisheiten schon oft genug hart geprüft.”

“Unser Dasein weiter führen zu wollen als wäre nichts weiter geschehen, das ist Torheit. Wir sind nicht wie zuvor und wir können dorthin nicht zurück. Wir sind ein zweites Mal geboren worden. Unser Horizont muss sich weiten, denn wir müssen lernen oder untergehen.”
Sie schüttelte den Kopf. “Im Leben konnte ich kaum die rechten Worte finden…” Wie zum Beweis dafür rutschte damit Giadas Art zu sprechen in einen breiten, kantigen Dialekt, der gewiss nicht genuesisch und so gerade eben noch norditalienisch war. Sie behielt das für ein paar Worte bei während sie ins mehr genuesische und eine durchaus gewähltere Art des Ausdrucks zurück fand. “…und eine einzige Stadt war mir bereits die weite und große Welt. Ein Gespräch wie dieses hätte ich niemals führen können.”

Sie musterte Allegra ernst. “Es ist mir in der Tat eine Ehre und Freude, eine kennen zu lernen, die meinen Horizont erneut weitet. Ohne Eure Darlegung hätte ich nichts als Verächtlichkeit für jenen Weg… der Menschen gehabt. Würdet Ihr mir mehr sagen können? Wie seht Ihr auf Euer, auf unser Dasein zwischen ihnen? Wie seht Ihr Euren Stand? Würdet Ihr Euch von ihnen befehlen lassen? Stehlt Ihr ihnen ihr Blut und ihre Lebenskraft oder bittet Ihr sie darum? Oder findet Ihr gänzlich andere Wege?”
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Die Kappadozianerin blickt ernst zurück.

"Oh, Ihr tut aus meiner Sicht sehr gut daran, Verächtlichkeit gegen weite Teile der Anhänger der Menschlichkeit zu zeigen. Nicht anders halte ich es selbst.
Nämlich gegen diejenigen Teile, die der Torheit folgen, einfach zu versuchen Ihr Dasein weiterzuführen, ohne tiefere Klarheit über Ihr neues Wesen zu erlangen, und dessen Rolle in der Welt, und wie es sich damit in Einklang bringen lässt das gute Dasein für möglichst viele zu erreichen. Und das ist bei weitem der größte Anteil der heutigen Anthropothymiker. Es ist ein notwendiger Startpunkt in unseren ersten Nächten, aber sie entwickeln sich niemals weiter von dort."


Allegra simuliert einen Seufzer, um ihre Frustriertheit anzuzeigen.

"In einer idealen Welt, ausgerichtet auf das gute Leben und die Glückseligkeit für möglichst viele, die nie in Barbarei versunken war, in der Koriphaii alle zugleich Philosophenkönige wären, in der Ouraniker alle zugleich Philosophenpriester wären, in der Anthropothymiker alle zugleich Philosophen wären, hätten wir es so eingerichtet dass alle unserer Art ihren Platz kennen, und dass die Sterblichen ihren Platz im Verhältnis zu unserer Art kennen.
Wir wären umringt von Sterblichen, die sich in ihr Schicksal fügen, ihr Blut willig darbieten und sich in Exzellenz üben, um sich für die Erhebung anzubieten - als bescheidene aber weise Philosophen wie in meinem Falle, als Ouraniker um eine noble Haltung auch den schlichteren Gemütern zu predigen, oder im erhabensten Falle als Koriphaii wie Ihr."


Ihre Augen nehmen im Verlaufe dieser Schilderung ein begeistertes Leichenstarren an, aber es erlischt zum Ende hin.

"Aber Ihr wisst sehr wohl, dass wir nicht in dieser idealen Welt leben, dass wir sehr weit davon entfernt sind, dass selbst die Alten unserer Art diesem Ideal nicht einmal nahe kamen.
So füge ich mich sterblichen Potentaten und deren Bütteln, wenn es für die Stille notwendig ist - nicht aus Überzeugung, sondern aus blanker Not.

Ebenso mit dem Blut der Sterblichen - ich nehme es, mit sanfter Gewalt, von unwilligen Sterblichen die großen Protest erheben würden wenn sie wüsssten wie ihnen geschieht.
Es soll unter früheren Anthropothymikern Kyniker gegeben haben, die wie der Sterbliche Diogenes in seinem Fass auf absolute Bedürfnislosigkeit abgestellt haben, und die sich selbst auf bitteres Tierblut beschränkt haben um auch Sterblichen das größtmögliche Glück zu ermöglichen - aber das halte ich für einen Irrweg übermäßig empfindsamer Seelen. In einer idealen Gesellschaft, ausgerichtet auf das Glück aller, hätten wir genug willige Sterbliche die ihr Blut willig darbieten, und wenig genug exzellente Unsterbliche, dass dieses willige Opfer ausreichen würde, dass wr nicht auf solche Krücken angewiesen wären."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Ich verstehe.” Giada machte eine Geste zu Allegra hin. “Dies macht Euch zu einer Träumerin. Denn es ist, wie Ihr es sagt: Diese Welt ist nicht vollkommen. Sie ist durchsetzt von den Einflüsterungen des Teufels von dem Tag an, dass die Ersten Menschen aus dem Paradies verstoßen wurden.”

“Je weiter aber wir von uns von jenem Tag entfernen, desto weiter setzen sich auch jene Einflüsterungen fort, sie verflechten und sie vervielfachen sich in einem Gewebe der Sünden, in welchem wir alle, Tag oder Nacht, gefangen sind wie Fliegen in einem Netz.” Düster klang das, so wie die Magistra das sagte, doch ihr Blick ruhte scharf und aufmerksam auf Allegra. War dies eine Prüfung?
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra nickt.

"Ja. Ich bin eine Träumerin. Eine schwache und weiche Träumerin. Aber als Philosophin, die kein Amt und keine Macht und die damit einhergehenden Verstrickungen anstrebt, ist das auch mein Recht und meine Pflicht. Wenn nicht ich mir Gedanken darum mache, wie das größtmögliche Glück für möglichst viele aussehen würde, wer würde es dann tun?"

Sie lächelt.

"Mit dem Sündenfall gewannen die Adamskinder auch eines der größten Geschenke - die Fähigkeit, Gut und Böse überhaupt zu unterscheiden. Sobald sie von der Frucht kostete, wurde Eva die allererste Philosophin, musste sie sich doch selbst Gedanken um die Natur des Guten machen, und wie man es in der mühseligen Welt jenseits von Eden erreichen könnte.
Sie legte damit auch den Grundstein für großartige Zivilisationen, in denen die Philosophie und das Streben nach dem guten Leben stark waren und in denen gute Sitten, gute Gesetze und gute Waffen stets im Einklang waren: Athen, Rom, Atlantis.
Nur weil wir jetzt in barbarischen Zeiten leben, sehe ich keinen Grund, warum wir nicht zu alter Größe zurückkehren, ja sogar die Alten übertreffen könnten. Wo wollt Ihr euch in 50, in 100, in 200 Jahren sehen, wohlwerte Giada? Eine Zauderin, die wehklagt und eine verfallende und sündhafte Welt hin nimmt, als etwas was sie nicht ändern kann? Oder eine Philosophenkönigin, tatkräftig, weise und klug, unter deren Hand das Land prosperiert und die immer weiter nach höherem, besserem, edlerem strebt?"
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada schnaubte verächtlich. “Schmeichelt Euch und mir nicht zu sehr, werte Allegra. Ich bin keine Philosophenkönigin und werde auch keine werden.” Sie schloss die Faust um den Rosenkranz an ihrer Seite und hob ihn ein wenig an. “Ich trage die Kette und die eiserne Faust. Ich habe einen Weg, eine Pflicht und keine Gnade mit jenen, die den gerechten Weg verstellen wollen, den mein Lehnsherr und König weist.”

Damit senkte sie die Faust jedoch auch wieder. In der Geste hätte jedoch wohl auffallen können, dass eben diese Faust recht geschunden aussah. In der Tat so als hätte sie damit einen Weg freigeschlagen, mit wunden Knöcheln und einigen Schwielen an den Fingern und wohl auch in der Handfläche. Der Rosenkranz selbst wirkte auch ein wenig seltsam: Seine einzelnen Perlen waren aus den unterschiedlichsten Metallen gefertigt, dazu auch aus Bein, aus Holz, aus Horn.

“Vielleicht macht Ihr doch denselben Fehler wie die meisten, die ihre Wege durch die Nacht mit dem Auf und Ab der Menschen wählen: Allzu biegsam. Allzu leicht, zu traumtänzerisch, zu hündisch. Allzu falsch in der Demut, welche die Königin aller Tugenden sein sollte.”
Ihr Blick hatte sich ohne Blinzeln und Abweichen schwer auf Allegra gelegt.
“Wenn Ihr seht, dass zwischen Eurem Traum und der Wahrheit dieser Welt ein allzu breiter Abgrund klafft, was wollt Ihr also tun?”
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Allegra Aldighieri
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra wird ein wenig nervös bei den unerwartet heftigen Widerworten.

"Ihr tut Euch unrecht und verkauft Euch zu billig, wohlwerte Giada. Ihr habt einen wachen Geist, der nicht einfach stumpf wiederkäut, was Eure Erzeugerin und Euer Lehrmeister Euch erzählt haben. Ihr macht Euch Gedanken darüber hinaus und befolgt nicht einfach blind, sondern blickt auch nach links und rechts und macht Euch Gedanken darüber hinaus: Welche Rolle der Anodos Koriphaios in der Welt einnimmt, welche Rolle Ihr als Koriphaion für die Welt spielt, und wie die anderen Pfade hineinpassen. In diesen barbarischen Nächten ist die Fähigkeit, sich selbst solch grundlegende Fragen zu stellen, eine seltene Gabe geworden. Es würde mich sehr traurig stimmen, sie zu vergeuden."

Sie senkt Ihren Blick ein wenig unterwürfig, als Giada sie anstarrt.

"Ihr habt völlig recht mit Eurer Einschätzung. Ich kenne mich selbst, und ich weiß dass ich zu schwach bin, zu weich, zu nachgiebig, zu feinfühlig - und vielleicht auch zu verträumt, wenn ich mich aus der heutigen langen Nacht in Gedanken an bessere Nächte flüchte, bessere Nächte die bereits lange verflossen waren, als ich selbst in die Nacht geführt wurde. Zumindest zu schwach und weich, um aus eigener Kraft den Abgrund zu überspannen."

Sie hebt Ihren Blick wieder und starrt zurück - dieses begeisterte Leichenstarren, das bereits vorher an Allegra wahrzunehmen war.

"Ich kann aber fruchtbaren Boden suchen, um meine Senfkörner zu pflanzen.
Habt Ihr nicht vorhin gesagt, dass ich Euch von der Hingabe zu alten Dingen erzählen soll? Wie würde es euch gefallen, die kryptische Sprache der Hellenen selbst zu durchdringen? Mit Euren eigenen Augen ihre Schriften lesen und verstehen zu können?
Die große und weite Welt, die Eure erste Stadt für Euch bedeutete, wäre klein und unbedeutend neben dem Reich der Ideen, das sich Euch erschließen würde. Ein papierenes Reich, gefüllt mit Ideen aus einer alten Zeit, als die Welt noch weniger verderbt war."
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Giada Salvaza Rossi
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Re: [1079] Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar; mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen [Allegra, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

Giada schien nicht eben einer Meinung damit zu sein, dass sie sich zu billig verkaufe und was Allegra dazu weiter ausführte. Doch sie ließ die Kappadozianerin weiter sprechen und vor allem hörte sie sehr genau zu. Das Interesse kam beinahe einer Art von Hunger gleich und das wurde noch deutlicher, als Allegra dann ihre Frage - oder das Angebot? - zur Alten Sprache der Griechen ausbreitete.

“Sprachen können einem Horizonte öffnen, in der Tat”, sagte sie leise. “Ich weiß um die Kostbarkeit solchen Wissens. Was würdet Ihr dafür verlangen?”
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