[1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

[Mai '23]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Allegra Aldighieri
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra registriert sehr wohl, dass Benedetto ihre Frage nach Galenos Beförderung ignoriert - die nochmals umso verwunderlicher ist, wenn er einen Anverwandten der Weißen Prinzessin auf dem Gewissen hat. Es war aber äußerst unwahrscheinlich, dass sie darauf heute abend eine zufrieden stellende Antwort erhalten würde, wenn sie sie wiederholte, und so verkniff sie sich diese.

"Ich habe niemals gesagt, dass ich Gabriel vertraue - dies wäre äußerst töricht.
Ich hatte bisher erst ein einziges einmal mit ihm zu tun, rein geschäftlich, da er für sein Kunsthandwerk an Glaswaren interessiert war die ich aus Gräbern geborgen hatte. Nach dem Geschäftsabschluss kamen wir ins beiläufige Plaudern, wie es bei solchen Anlässen oft der Fall ist, und dabei kamen auch die Gelehrten der nächtlichen Gesellschaft Genuas auf. Angelique wurde dabei in einer Reihe mit Euch selbst und mit dem verehrten Ferrucio genannt. Zumindest der Glasmaler scheint große Stücke auf sie zu halten, wenn er sie mit den Ancillae der Domäne vergleicht - oder zumindest darauf bedacht zu sein, diesen Eindruck bei mir zu erwecken."


Sie hoffte darauf, dieser Informationshappen würde ihren Clansältesten interessieren. Würde es ihn besorgen, wenn Angelique sich anschickte seinen selenischen Kollegen in der Wahrnehmung der Neugeborenen, insbesondere eines Neugeborenen mit engen Verbindungen zu den sardischen Fürsten, zu überflügeln und zu ihm selbst aufzuschließen? Erfreuen? Egal sein?

"Ich habe niemals von einer Clansschwester von mir in Ligurien gehört, erst recht von keiner die Schande auf unseren Clan geladen hat. Wie war ihr Name? So dass ich es einordnen kann, wenn jemand mir gegenüber Andeutungen auf sie fallen lässt.

Und ich weiß immer noch nicht, wenn statt Angelique ich aufsuchen sollte, um die Grundlagen zu vervollständigen. Sicher, wenn ich den Ausführungen Gabriels folgen sollte, wäre ich sowohl bei Euch sowie bei Ferrucio in guten Händen - aber ich will nicht die kostbare Zeit von verehrten Hofgelehrten damit vergeuden, mir Dinge beizubringen die ich schon als Küken gelernt haben sollte, wenn mir die notwendige Zeit vergönnt gewesen wäre."
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I Tarocchi
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Diese welligen, gekräuselten Fältchen in Benedettos Gesicht wurden noch ein wenig tiefer. Es war als wäre seine Haut weich und aufgedunsen und als folgte sie nicht mehr ganz dem, was die feinen Muskeln im Gesicht der Mimik aufdiktierten.

“Sofia…”, seufzte er dann schließlich. “Sofia Caruso, das war ihr Name. Eine unselige Existenz, die den ganzen Clan in Genua viel zu viel gekostet hat.” So sah er auf Allegra herunter und überlegte wohl, was er mit der jungen Neugeborenen überhaupt anstellen sollte.
“Die Herrschaft macht es sich einfach. Einer von einem Clan macht einen Fehltritt und alle zahlen dafür. Und es wurde ein ordentliches, teures Zahlen - sogar du wirst dafür noch zahlen müssen.”

Mit einem Ächzen, das etwas wässrig aus der Lunge heraus pfiff, ließ er sich auf einen Holzschemel in der Schreibstube sinken.
“Wissen ist so ziemlich die kostbarste Währung, die es für uns gibt”, meinte er dann. “Und jemand wie Angelique? Die verschleudert Kostbarkeiten, denkst du das? Oder ist der Preis vielleicht versteckt, hm?”

“Wenn du zu nah an sie heran rückst, dann stehst du auch bei ihr und dann wirst du auch bei ihr gesehen. Und du hast keine Ahnung, wie hoch der Preis dafür ist. Weil sie sich weigert, in den Dingen zu bezahlen, die wir anerkennen, in Gefallen und Schulden. Eine wie Angelique lehnt alles ab, worauf wir überhaupt erst bauen, damit wir ein Gebäude errichten können, in das mehr als ein kleines Mädchen hinein passt und das länger hält als eine Nasenlänge.” Er gluckste ein wenig vor sich hin bei diesen Bildvergleichen, auch wenn sie nicht sonderlich komisch waren.

“Ich mache dir ein Angebot, junge Allegra. Das Schreiben und das Lesen und das Sprechen, das kann ich dich lehren. Und du lehrst mich, dass du in diese ausgeräuberte, verratene und verkaufte Kasse unseres Clans auch etwas einzahlen kannst, anders als Sofia Caruso oder Galeno Fiore. Naja. Zu Galenos Ehrenrettung kann ich sagen, dass er sich zum Ende hin jetzt sehr gemüht hat und kaum noch etwas anderes macht. Doch es ist ganz gut, wenn wir anfangen, diese alte Sache noch mehr verstauben zu lassen. Auch wenn die Ventrue nicht von der Sorte sind, die umgebrachte Blutsverwandte einfach vergessen.” Da war es wieder, dieses Gesichtskräuseln.

“Auf der großen Hofhaltung Aurores hast du hoffentlich sehr genau hingesehen und hingehört. Und wenn der Prinz von Genua sagt, was sie will, dann sollten alle Neugeborenen sehr gut hinhören. Die meisten sind dumm und hören dann weg oder glauben, sie seien zu fein. Doch wer hier in die Kasse einzahlen will, der hört hin und der tut, was der Prinz will. Und ein Clan untereinander sorgt dafür, dass es dann so gut wie möglich verkauft wird, um bei diesen ganzen Vergleichen zum Geldscheffeln zu bleiben.” Er bekreuzigte sich darauf lieber einmal, wenn auch ein bisschen schlampig und nachlässig.

Doch in alledem, mit dem aufgedunsenen, verquollenen Äußeren konnte nicht geleugnet werden, wie scharf Benedettos Blick war und wie genau er auf Allegra lag. Es hatte immer etwas Prüfendes an sich, oder, schlimmer noch, etwas Lauerndes. Als wäre sie ein zartes, kleines Küken und er eine alte, fette Hauskatze, die sich leisten konnte, erst einmal in aller Ruhe zuzuschauen.

“Wie steht es also damit, dass du dich überhaupt zum Hierbleiben bewiesen hast? Dein Ankunftsgeschenk für den Prinzen, diese Aufgabe für den Herold, hm? Die erste Anzahlung - aber jetzt will ich aufhören mit diesem Bildnis. Oder Metapher. Merk’ dir das Wort am besten gleich einmal, metapher, metaphorá, μεταφορά.”
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Allegra Aldighieri
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Bei dem Angebot ist Allegra sichtlich verblüfft. Sie hatte sich vorgenommen, selbst nach Unterweisung zu fragen, aber wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und als gierig erscheinen, indem sie das als das allererste fragt. Dass die Initiative von ihrem Clansältesten kam war unerwartet.

"O mén trópos taes toiáftaes chraeseos onomázetai metaforá kath’ oían omoiótaeta kaí pódes eíraentai kaí koryfaí kaí lagónes órous.* Mit der hellenischen Schrift bin ich glücklicherweise bereits vertraut - besser als mit der römischen, da ich sie als Grabräuberin im ehemaligen Magna Grecia wesentlich öfter gebraucht habe."

Sie lächelt, aber ihre Stimme flattert dennoch vor Nervosität.

"Dass Ihr euch die Zeit nehmen wollt, ein Küken wie mich persönlich zu unterweisen... Ich bin überwältigt, und hoffe ich kann mich des Hauses Kappadozius würdig erweisen und zu dessen Erfolg und Ruf beitragen, sobald ich meine Lücken aufgeholt habe."

Sie verneigt sich ehrerbietig, ehe sie fortsetzt.

"Das mit dem Beweisen des Hierbleibens bringt mich zu einem anderen Anliegen, das ich mit Euch bereden wollte. Der wohlwerte Herold Macario hat mir Stillschweigen über die Natur meiner Aufgabe auferlegt - aber Euch gegenüber als verehrtem Clansältesten kann und muss ich das Geheimnis offenbaren:

Ich soll die Reliquie eines Heiligen beschaffen.

Ein vielversprechender Ansatz erscheint mir hier St. Syrus. Ich will mich keinesfalls an den hier in Burgus aufbewahrten Reliquien vergreifen, falls Ihr das befürchtet. Ich habe mein Augenmerk viel mehr auf Val Bisagno, wo der Heilige seine Kindheit und Jugend verbrachte, und wo ich vermute dass man immer noch ungeborgene Relikte finden kann.
Ich würde gerne die Aufzeichnungen und Hagiographien zu St. Syrus studieren, um Hinweise auf sein Geburtshaus und andere häufige Aufenthaltsorte zu finden, vielleicht auch Beschreibungen der Besitztümer seiner selbst und seiner Familie, wenn Ihr mir zu diesem Zweck Zugriff auf die Schriften Eurer Domäne erlaubt."


*Alt-Griechisch: "Solchen Wortgebrauch nennt man Metapher, basierend auf Ähnlichkeiten: So sagt man etwa, Berge haben Füße und Köpfe und Flanken." (Callimachus)
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I Tarocchi
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Ah hm”, mache Benedetto hier oder da, während Allegra ihre Ausführungen machte. Oder auch einfach “Hmhm, ja” oder ein vage besorgtes “Mhh… .”. Am Ende von alledem sah er sie mit gerunzelter Stirn an und dann seufzte er tief.

“Nun. Ich sehe, dass sie da in Kalabrien wohl wirklich deine Ausbildung nicht zuende gebracht haben”, stellte er fest. “Aber immerhin haben sie dir beigebracht, dass Blut dicker ist als Wasser.”

“Das ist gut, dass du mir von deiner Aufgabe erzählt hast. Denn hättest du das nicht und wärest dann nicht von selbst aufs Nachdenken gekommen, dann wärest du direkt zwischen die Mühlsteine geraten, zwischen die dich der Herold wohl werfen wollte.”
Benedetto schmatzte einmal mit seinen bläulichen Lippen und blinzelte so ein wenig argwöhnisch zu Allegra hin als wäre er auf der Jagd nach etwas bei ihr.

“Wollen wir mal sehen, ob du darauf kommst”, sagte er dann. “Hat dir der Herold aufgetragen, dass du ihm die Reliquie bringst? Oder nur, dass du sie findest?”
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Allegra Aldighieri
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

"Nun, ich überblicke bei weitem noch nicht alle Verstrickungen in der nächtlichen Gesellschaft dieser Stadt. Tatsächlich nur einen winzigen Ausschnitt, und ich vermute das meiste davon ist auch nur das, wovon die Betreffenden auch wollen dass ich davon weiß.

Das Kathedralenprojekt in Clavicula wird laut Macario von der höchstverehrten Weißen Prinzessin persönlich unterstützt, und nach dem was ich mit eigenen Augen und Ohren höre und sehe, scheint es von der Weißen Prinzession allermindestens gebilligt zu werden. Sie hätte sonst schon längst Schritte dagegen unternommen, so weit bekannt wie das Gerücht unter den Unlebenden wie den Lebenden bereits ist.
Auch hat es noch niemand gewagt, sich offen dagegen auszusprechen, zumindest mir gegenüber nicht.

Für den Handel ist es auch gut, wenn mit Clavicula ein weiteres Sestiero innerhalb der Mauern aufgewertet wird.
Ich vermute aber, dass die Idee längst nicht jedem Kainiten gefällt, und dass manche sie insgeheim missbilligen. Clavicula mag eine Jauchegrube voller Beutelschneider und Abschaum sein, aber das macht es auch aus Sicht unserer Art zu einem nützlichen Jagdgebiet, in dem menschliches Leben noch billiger ist als sonstwo innerhalb der Superba, und wo irgendwelche Gerüchte von wandelnden, Blut trinkenden Toten von den Bütteln nur halbherzig verfolgt werden, wenn überhaupt.
Das macht es für manchen nützlich:
Für Gäste, die das Jagdgebot innerhalb der Mauern mißachten;
für auffällige oder gewalttätige Kainiten, denen es in anderen Sestieri schwer fällt unaufällig zu jagen;
und natürlich für Kainiten, die binnen kurzer Zeit sehr viel Blut brauchen, etwa weil sie sich oft in Kämpfe stürzen. Was sich wiederum mit Kainiten mit gewalttätigen Jagdmethoden überschneidet."


Die kleine Kappadozianerin blickt fragend zu ihrem Clansältesten auf.

"Denke ich da in die richtige Richtung? Ist das die Art von Kainiten, wo ich insgeheimen Widerstand einrechnen sollte?

Was die Reliquie angeht, soll ich sie beschaffen, nicht nur aufspüren. Aber ich soll ich sie in San Cassiano zu Clavicula abliefern, in der höchstpersönlichen Domäne des Herolds Macario. Nützlicherweise wäre die Reliquie damit in seiner persönlichen Verfügungsgewalt, und ich von seinem Wohlwollen abhängig dass er meine Tat auch anerkennt. Und sehr nützlicherweise kann ich keine Zeugen hinzuziehen, zumindest nicht offiziell, ohne damit zugleich mein Geheimhaltungsgelübde zu verletzen."


Allegra grinst schief.

"Alles ein höchst vorteilhaftes Arrangement aus Sicht des wohlwerten Herolds, besonders da er als Kind Kalabriens von meiner Notlage der Vertreibung wusste und dass ich schlecht Ansprüche stellen konnte."
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I Tarocchi
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

“Jaja, die Kathedrale. Und Clavicula.” Benedetto wirkte ein wenig so als wäre er ungeduldig oder wollte nicht ein und dieselbe Sache schon wieder jemandem erklären. Dennoch sagte er dann: “Vor über einhundert Jahren hat unsere Weiße Prinzessin den Löwenthron bestiegen. Davor gehörte er einem Ahnen der Nosferatu, Godeoc. Dieser erhielt Clavicula als Domäne.” Er sah Allegra ein wenig mißmutig an, als er ihr diese Zusammenhänge beibrachte.
“Diese Domäne wurde nicht widerrufen, doch Godeoc ist auch seit dem Brand in Clavicula im Jahr des Herrn 1034 nicht mehr gesehen worden. Macario hat seine Domäne genau dort in Clavicula erhalten.”
Benedetto sah die junge Clansschwester prüfend an.
“Jetzt denke selbst darüber nach, wer ganz vorn steht, wenn es darum geht, nicht glücklich mit Macarios Domäne oder dem Bau der Kathedrale zu sein.”

“Doch darum geht es mir nicht. Mit solchen Schwierigkeiten müssen Neugeborene fertig werden können. Mir geht es darum, dass du eine Reliquie beschaffen sollst und ausgerechnet die von Syrus von Genua hast du dir auserkoren. Und dann willst du sie diesem Emporkömmling der Schatten in die Hände geben anstatt das sie in die Basilica di San Siro käme, wo sie hingehört. Und all das durch deine Hand und zurück zu führen auf Macario, der diese Hand geführt hat. Was denkst du, wie so eine Geste aussieht, wenn er beginnt, damit zu prahlen? Wie gut lässt das unsere familia dastehen? Hm?”
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Allegra Aldighieri
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra hört sehr aufmerksam zu, als ihr Clansältester die Hintergründe erläutert. "Ich danke für diese Erklärungen, das war alles lange vor meiner Zeit. Demnach war Godeoc Euch unserem Haus gegenüber wohlgesonnen? Gilt das auch die Verborgenen, die heute in Genua existieren, wie etwa den Baumeister oder die Hexe?"

Die etwas heftige Reaktion auf die Idee mit der Reliquie lässt sie zurückzucken.

"Ich ahnte schon, dass es Bedenken gegen Reliquien von Syrus geben würde, darum forsche ich in mehrere Richtungen. So zum Beispiel..." Wieder greift ihre Hand ins Leere, als sie als Konzentrationshilfe und zur Beruhigung nach einer Haarlocke greifen will. Dieses Mal wird es aber zu viel für sie. "Elendes Netz!" entfährt es ihr zischend, und sie greift schon entnervt danach um es sich vom Kopf zu reißen ehe sie sich eines besseren besinnt. Den Faden ihrer Gedanken hat die junge Kappadozianerin trotzdem verloren.
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

"Was? Godeoc war niemandem wohlgesonnen, soweit ich sagen kann. Du hättest ihn sehen sollen. 'Wohlgesonnen' ist keine Beschreibung, die auf Godeoc zutrifft." Benedetto gluckste ein- oder zweimal, entweder über seine eigenen Worte oder den voreiligen Schluss Allegras oder über deren Possen mit dem Haarnetz.

Er sah ihr kurz dabei zu und dann fragte er mit einem lauernden Unterton nach: "Warum tust du nicht, was andere Reliquienschacherer tun und gräbst einfach ein paar alte Knochen aus, hängst einen großen Namen und eine erfundene Geschichte daran und trägst sie dann zu den Leichtgläubigen und Toren, die es offenbar nicht besser wissen?"
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Allegra Aldighieri
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Allegra registriert die zusätzlichen Informationen sehr gut. Es sah nicht so aus, als ob Godeoc so bald wieder auftauchen würde, aber er hat seine Spuren in der Geschichte der Domäne hinterlassen, Spuren die bis heute nachwirken.

"Natürlich könnte ich einfach irgendein zufälliges Gerippe ausgraben und daran eine schön klingende Geschichte hängen, die die Leute glauben wollen. Wahrscheinlich würde ich damit sogar recht weit kommen.

Aber so ein Kathedralenbau braucht lange Zeit, viele Jahrzehnte, eher Jahrhunderte. Zeit, in der irgendwelche päpstlichen Legaten und neugierige Verborgene und wer weiß was noch herumschnüffeln können, und ganz sicher auch herumschnüffeln werden. Was, wenn dabei herauskommt, dass die jüngste Neugeborene des Hauses Kappadozius die Weiße Prinzessin bei einem ihrer Herzensprojekte mit einem billigen Taschenspielertrick abspeisen wollte? Wie würde das auf unsere familia zurückfallen?
In die Erfüllung meiner offiziellen Aufgabe sollte ich mehr Aufwand und Sorgfalt stecken, indem ich etwas finde, das von möglichst vielen flankierenden Beweisen bestärkt wird. Schon alleine, um die Scharte auszuwetzen, die von Galeno und Sofia angerichtet wurde.

Meine nächstbeste Spur nach St. Syrus ist Revio. Er ist zwar bislang 'nur' ein Seliger, aber damit ist er nur eine Handvoll gesicherte Wunder von der Heiligsprechung entfernt, und unter den ligurischen Seeleuten hat er auch nach über 200 Jahren immer noch einen aktiven Kult. Sobald ich seine Reliquie erst einmal habe, sollte es ein leichtes sein, Toren zu finden die ihr wundersame Rettungen aus Seenot und Stürmen zuschreiben.
Irgendwelche 'alten' Aufzeichnungen"
- sie macht mit ihren Fingern Anführungszeichen - "die zufällig in Burgus wiederentdeckt werden und schon aus früheren Zeiten solche Wunder erwähnen, wären hilfreich, aber wahrscheinlich zu dick aufgetragen für jeden, der die Verbindung unseres Hauses zum Kloster kennt und 1+1 zusammenzählen kann. Das wäre allenfalls das I-Tüpfelchen, nachdem meine restliche Beweislage schon so erdrückend ist, dass es nicht mehr darauf ankommt."
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I Tarocchi
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Re: [1081] Das Küken im Schatten des Auerhahns [Allegra, Benedetto (SL)]

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“Du bräuchtest Leute in der Kirche, die denken, dass es an der Zeit wäre, den Seligen heilig zu sprechen. Und etwas Zeit. So oder so, du wirst da eine Lösung finden müssen”, meinte Benedetto und schnitt damit die Hoffnung ab, dass er ihr eine solche Lösung vorkauen würde. So, wie er sie prüfend ansah, schien er es wohl auch mehr wie eine Gelegenheit zu nehmen, zu sehen, aus welchem Holz die junge Clansschwester wohl geschnitzt war.

“Und noch steht keine Kathedrale. Ich habe auch noch von keiner gehört, die in ein paar Jahren in die Höhe geschossen ist wie ein Setzling. Und ob es nun Macario oder Vergonzo sein werden, die sie errichten, das ist auch ganz offen. Der Herold spannt dich ein und damit musst du umgehen.” Er schnaufte einmal.

“Es gibt ein paar Wege aus so einer Lage. Was willst du also machen?”
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