[1081] Schiffsschau [Angelique, Paolo]

[Paolo]

Die Sonne war schon eine Weile untergegangen, der Hafen lag in Dunkelheit, wenn da nicht die Lichter der umstehenden Häuser am Rande des Hafengeländes gewesen wären und das Licht des Mondes, dass blass auf die ruhig daliegenden Schiffe warf.

Paolo hatte Angelique zu einem Pier geladen, wo sein und naja eher ihr neues Schiff lag. Die Ladung, die die Conoscenza aus dem Westen mitgebracht hatte, war bereits gelöscht und die Matrosen hatten sich zu Trunk und Spiel in die Spelunken verabschiedet.

Der Kainit saß auf einem Poller an der Hafenkante, wo die kleineren Boote mit Seilen festgemacht werden konnten und wartete unter dem Licht des Mondes auf dessen Kinde.

[Angelique]

Hinter Stapeln gelöschter Ladung guckte dann schon bald der lockige Haarschopf und das mondblasse Gesichtchen Angeliques hervor.
Fröhlich und leichtfüßig eilte das untote Mädchen zum wartenden Paolo.

Wie so häufig trug sie einfache, zerschlissene Kleidung und war barfuß. Niemand mochte glauben, dass das hier eine der am meisten umtriebigen Handelsherrinnen Genuas war.
"Schiavo, mein lieber Paolo! Du riefst, ich kam."

[Paolo]

Lieber Paolo... Das war eine ungewohnte Anrede für ihn, vor allem unter Kainiten, was ihn etwas überrascht und amüsiert drein blicken ließ. Er schüttelte das aber sogleich von sich ab und konzentrierte sich auf das, weshalb er eigentlich hier war. Sein Ende des Handels, den sie eingegangen waren, einzuhalten.

Er erhob sich von seinem Sitzplatz und wies denn mit der Hand auf das Schiff, dass an dem Pier nebenan ankerte. Ein kleines aber neues Nef aus französischen Händen, segelnd unter genuesischer Flagge.

"Einen wunderschönen guten Abend, wohlwerte Angelique. Sieh, ich habe ein Schiff gebracht, wie bestellt. Leider nur ein kleines, aber es ist gut und es erfüllt seinen Zweck. Mitsamt Mannschaft und Kapitän. Ich habe sie Conoscenza getauft." Er blickte schon sehr stolz drein, als er sich schließlich mit den Händen in den Hüften gestemmt daneben aufstellte. "Fähige Handwerker aus Nizza haben es geschaffen, sofern ich das beurteilen kann und ich lasse es bereits in einem Konvoi mit anderen fahren, sodass es bereits etwas Gewinn einfährt, den ich euch halbjährlich von Marco überbringen lassen würde?"

Das kleine Nef besaß ein Segel, das gerade eingerollt war und einen vorderen und hinteren Aufbau. Sicherlich konnte es um die 30 Mann Besatzung fassen und geschätzte 50 Tonnen Ladung. Im Gegensatz zu einem großen Nef, das bis zu 100 Tonnen fassen konnte und länger war.

[Angelique]

"Ein wirklich schönes Schiff. Klein und schnell. Gefällt mir sehr, auch der Name."

Sie stellte sich neben Paolo und wirkte genauso stolz wie er. Allerdings offenbar auf ihn und das Schiff.

"Und schon hast du mir, Genua und dir schon viel Nutzen erwiesen. Mehr als viele in Jahrzehnten geschafft haben, die nur das Blut wegsaugen wie nutzlose Mücken und außer von einer Familie mit großem Namen in die Nacht geholt worden zu sein, nie was geleistet haben.
Ich werde das der Princeps sagen, wie sehr du jetzt schon Genua zu Diensten bist und ihren Status mehrst.
Ja, schicke ruhig Marco, wie du es gesagt hast. Er kann es ruhig meinen Vasallen geben des Tags. Dann denkt auch keiner, dunkle Geschäfte liefen dort ab."

Angelique lächelte.
"Conoscenza, ein wirklich schöner Name."

[Paolo]

"Danke." erwiderte Paolo mit einem sehr erfreuten Lächeln auf dem Gesicht. Das bedeutete ihm tatsächlich viel.
"Das ist sehr freundlich von euch. Bisher holen wir vor allem auch Baumaterialien für den Ausbau der Stadt heran, neben dem Versuch Abschriften zu ergattern. Ich hoffe, dass sie zufrieden mit mir sein wird. Ich möchte keinen Ärger mit ihr oder einen der Amtsträger. " Paolo blickte zu Angelique herab. "Sagt, warum begleitet ihr kein Amt? Ihr scheint sehr gebildet."

[Angelique]

Angelique schien zu frösteln.
"Bloß das nicht! Wie soll ich denn Genua und der Princeps zu Diensten sein, wenn ich mit einem unnützen Amt meine Zeit verschwenden müsste?

Die wenigen, die ich haben wollen würde, sind vergeben und zumeist auch gut besetzt.
Den Rest will ich nicht mal geschenkt und mit der verschollenen Bibliothek von Atlantis aus Zugabe oben drauf.

Hüte dich davor, ein Amt angedreht zu bekommen!
Es soll dich nur beschäftigen und andere beschäftigen, dich aus dem Amt zu entfernen."

Sie lächelte schräg. "Außerdem schau mich an, die meisten würden mich nicht ernst nehmen oder als leichte Beute sehen. Sie sind nicht so scharfsinnig wie du.
Kannst du mich, wenn wir unter uns sind, im Übrigen duzen? Ich kann mich sonst nämlich auch nicht ernst nehmen? Aber mach den Etikette-Unsinn ja bloß, wenn andere dabei sind. Besonders bei den Hohen Häusern!"

[Paolo]

"Äh ja, entschuldige. Das ist so die Gewohnheit, mittlerweile." Er zuckte mit den Schultern. "Du bist wirklich ganz anders als die anderen, abgesehen von, naja, Allegra, wenn ich das so sagen darf. Ich habe auch gehört sie lernt bei dir? Sie scheint ja ebenfalls sehr wissbegierig zu sein."

Paolo ging langsam den Pier entlang. "Willst du dir das Schiff eigentlich genauer ansehen?" Sie damit wohl einladend ihm auf das Schiff zu folgen.

[Angelique]

"Ja, gerne!", rief sie aufgeregt. "Ich liebe Schiffe und reise gerne mit ihnen. Führe mich herum!"

Das Mädchen grinste. "Das nehme ich mal als Kompliment, dass ich anders bin als die Anderen. Ich will auch nie so werden, selbst wenn ich es inzwischen gut heucheln kann. Ich glaube immer noch an Zusammenarbeit von Vampiren untereinander und dass sie zu echten Perfecti werden können. Naiv, ich weiß. Aber ich bin auch ein ewiges Kind. Ich darf das sein."

Sie nickte. "Ja, Allegra ist eigen. Gefährlich unwissend in manchen Dingen, aber ich habe auch viel von ihr gelernt, ohne dass sie weiß, wie viel sie mich lehrte."

[Paolo]

"Wollt...Willst du denn aber ein ewiges Kind bleiben? Nur weil du so bist...dein Körper halt so ist, bist du es ja nicht in dir drinn und ich denke ein Kind wüsste nicht so viel wie du." Paolo lächele aufmunternd und betrat das Deck. Die Mannschaft war an Land und es blieb auch keine Wache zurück. Warum auch, die Ladung war ebenfalls bereits von Bord geschafft wurden und so gab es hier nichts zu stehlen. Das Schiff selbst konnte man kaum ohne Mannschaft entwenden.

"Allegra kam mir sehr wissend vor was unsere Wege angeht. Interessanterweise spricht in höheren Tönen von einem, dem sie gar nicht angehört. Oder vielleicht doch..." Paolo zuckte mit den Schultern. "Ich bin mir nicht so sicher."

Paolo zeigte Angelique eine kleine Kammer unter dem Heckkastell für den Kapitän, gerademal so groß, dass zwei Mann herein passten. Neben einer schmalen Nische an der Wand in der eine strohgefüllte Matratze lag, gab es nur einen Tisch für Karten und Schriftverkehr, eine Truhe und einen Hocker.

Unter Deck gab es kaum etwas zu sehen. Der Bauch des Schiffes konnte mit Ladung gefüllt werden und war gleichzeitig der Schlafsaal der Matrosen, die auf strohgefüllten Säcken schlafen mussten. Ruderer gab es hier nicht mehr. Das Schiff wurde stattdessen von einem Segel getragen.
Paolo stieg mit Angelique auch auf die Kastellen, die auf Heck und Bug angebracht waren.

[Angelique]

Sie seufzte. "Ich bin ein ewiges Kind, egal wie alt ich werde oder wie viel ich lerne. Ich kann das kaschieren, aber ich bin leicht zu begeistern, habe Freude an närrischen Dingen wie die Kinder und einen Spieltrieb, den Erwachsene kaum dulden. Aber ja, ich wachse innerlich sehr wohl und sauge Erfahrungen und Wissen auf wie ein Schwamm."

Angelique wuselte tatsächlich begeistert wie ein Kind umher und fasste Dinge an und überprüfte Seile und Züge der Takelage und die genähten Bahnen des Segels. Es wirkte wie eine Mischung aus fachlich fundierter Musterung des Materials und einer überbordenden Freude an neugierigem Erkunden.

Sie tat in den Kastellen sogar so, als feuere sie eine imaginäre Armbrust auf gleichsam ausgedachte Piraten ab und machte Geräusche wie "Zing" und "Wusch" und "Tock" dazu, während sie hinter den aufgehängten Schilden an den hölzernen Zinnen in Deckung ging.
Sie schien großen Spaß dabei zu haben.