[1081] Schiffsschau [Angelique, Paolo]

[Paolo]

Paolo beobachtete sie bei all diesen Dingen mit einem teilweise überraschten und irritierten Ausdruck. Sie war wirklich wie ein Kind. Wie seltsam es doch sein mochte so für alle Ewigkeit zu sein, in der Dunkelheit, mit den Problemen des Überlebens...und dann dennoch nicht diese kindliche Unschuld zu verlieren. Oder sie war einfach irre und spielte sich schlicht selbst was vor.

"So ist dein Ziel Wissen zu sammeln für alle Ewigkeit? Sonst nichts? Aber es scheint dir ja auch schon gut zu gehen. Du hast Geld und diesen Turm und Soldaten...dich muss kaum was sorgen, oder?" Der Ravnos deutete auf Angeliques Turm der sich im Hintergrund erhob und sein Licht aus der Feuerschale vom Dach über die Bucht sandte.

[Angelique]

Angelique stockte im Spiel.

"Hui, Wissen zu sammeln für alle Ewigkeit." Sie lächelte gequält, aber auch vom Gedanken fasziniert. "Eine Ravnos-Weisheit aus dem Osten, selbst wenn du das wahrscheinlich nicht weißt. Du sprichst ein großes Wort gelassen aus!

Die Welt sollte enden, so die Schrift, nach 1000 Jahren. Aber sie besteht noch!
Was ist, wenn die östlichen Weisen recht haben und die Welt hat gar kein Ende?
Vielleicht muss ich tatsächlich bis ans Ende aller Tage einsam wandeln, wenn Eisenvögel Städte voll mit Türmen voller Licht mit Feuer bewerfen, entrückt von GOtt.
Aber ich glaube an Origenes Worte von Güte GOttes und nicht an die Hasspredigten des Circumcellionen Ferrucio und seines Augustinus, falls er den überhaupt kennt.

GOtt wird uns erlösen, den er ist die Güte und Vergebung und selbst Dämonen wie uns könnte er vergeben."

Sie seufzte. "Sorgt mich kaum etwas? Oh, doch! Sehr viel sogar! Ich kenne zu viele Geheimnisse und habe zu vielen arroganten Alten meine ehrliche Meinung gesagt, um nicht Sorge um mein Leben zu haben.
Außerdem sorge ich mich um kleine Küken wie dich", sagte sie liebevoll, " die in den Revierkämpfen der eitlen Hähne leicht zertrampelt werden können und oft auch schon wurden."

Sie schaute auf den Hafen und die Lichter der Stadt dahinter hinaus. "Und außerdem sorge ich mich um die Menschen, die nur furchtsam ahnen, welche Teufel ihre Geschicke mitbestimmen."

[Paolo]

"Du sprichst von Sachen die ich nicht verstehe." gab Paolo zu, aber lächelte weiter freundlich.
"Aber ja, ich denke dass wir ewig leben, wie lange auch immer das sein wird. Aber solange wir nicht ermordet werden oder versehentlich den Tag mit begrüßen, gibt es ja kein Ende für unsere Leben. Das ist schon beängstigend...für immer...Eigentlich habe ich nie wirklich darüber nachgedacht was für immer beduetete, bis jetzt." Paolo kratze sich am Kopf. "Ob mir das Leben dann irgendwann zu viel wird? Es ist ja auch nicht leicht. Warum sollte man das eigentlich für immer wollen? Wenn der Tod eine Erlösung durch Gott wäre...dann sind wir ja verdammt...oder?"

[Angelique]

Sie balancierte auf der Reling. "Es gab Zeiten, da habe ich ähnlich gedacht. Und wenn man liebe Menschen und liebe Untote verliert, dann sind die Jahre oft sehr hart danach."
"Sie grinste und schlug ein Rad, sodass sie ihn kopfüber anschauen konnte. Aber ich habe es überstanden und finde jedes Mal wieder meine Lebensfreude zurück.

Kopf hoch, ich mache das jetzt schon 180 Jahre lang und bin dem Leben noch nicht überdrüssig geworden."

180 Jahre mochte es in Paolos Kopf echoen. Sie war schon alt gewesen, als er als lebendiges Kind durch Genua gelaufen war, ohne von der Gesellschaft der Vampire zu ahnen.

"Aber ja, man scheint als Unsterblicher wie ein Baum machtvoll und gewaltig zu wachsen und stark nach außen zu wirken. Aber oft ist nach Jahrhunderten der Kern alter Bäume verrottet und nur eine leere, hohle Hülle ist vom einstigen Baum übriggeblieben. Bei manchen von uns mag das wohl ähnlich sein. Aber nicht bei Angelique."

[Paolo]

"Das ist eine sehr...lyrische Beschreibung. Auch vermutlich recht zutreffend." So gut kannte er Ahnen auch noch nicht, dass er das wirklich abschließend beurteilen konnte.
Er hoffte eigentlich nicht dass es stimmte. Leer und verrottet...wozu sollte man dann noch leben?

Und Angelique war 180 Jahre alt...180 Jahre ein Kind und viele weitere. Er bemitleidete Angelique und war dennoch auch fasziniert davon wie viel sie schon erlebt haben mochte.

"Bist du in dieser Zeit viel gereist? Ich meine, du hast so viel Zeit. Es wäre Verschwendung sie nur in einer Stadt zu verbringen oder? Es ist zwar alles andere als einfach, aber besser als verwurzelter Baum zu verrotten, nicht?"

[Angelique]

"Genau!", meinte sie heftig nickend. "Früher war ich bis Hispania gepilgert oder auch viel in meiner Heimat, die Provence. Auch heute noch ziehe ich in Pilgerkluft umher, nun da Jahrzehnte ins Land gestrichen sind, seit ein Feind von mir die Stille brach, um Sterbliche vom Dämonenkind in Pilgerkluft zu erzählen.
Sizilien und den brodelnden Ätna habe ich gesehen und wo meine Schiffe hinfahren, fahre manchmal auch ich hin. Ich kenne so viele Städte und endlich, endlich, wächst Genua auch in diese Rolle einer Stadt hinein, die man besuchen will."

[Paolo]

"Ja es ist schon etwas besonderes die Veränderungen einer Stadt über so viele Jahrzehnte und Jahrhunderte zu beobachten. Wer weiss schon was sich noch alles tun wird. Jetzt schon ist sie um die Hälfte gewachsen, was sie mal war und so viele neue Menschen sind gekommen. Das gibt natürlich auch einiges an Streit. manchmal hat man das Gefühl dass sich alle zu nah aufeinandersitzen und die Straßen sind dreckiger als draußen. Dafür erlebt man aber auch mehr und kann ein gutes Geschäft machen."
Paolo blickte mit einem zufriedenen und freudigen Ausdruck über den Hafen und dessen Häuser in denen die Menschen lebten, schliefen und sich vergnügten.

[Angelique]

Angelqiue schien sehr zufrieden mit der offensichtlichen Liebe, die Paolo für Stadt und Bewohner zu hegen schien.

"Obwohl ich Orakel bin, weiß ich es nicht wirklich zu sagen, was die Zukunft bringt. Nur dass Genua ein Imperium werden wird, aber eher eins wie Phokis, das meine Heimat gegründet hat und machtvoll herrschte, aber selbst ein kleines Städtchen blieb, heute verschlafen und vergessen, aber lebendig und mit hundert Kindern und Kindeskindern, die florieren.

Nicht wie Rom grandios und bewohnt von Millionen und dann von barbarischen Germanen vernichtet und zum Schweinestall degenerierter Adliger und größenwahnsinniger Pfaffen verkommen.
Ich wünsche Genua ein Schicksal wie Phokis, ein zufriedenes Handelsstädtchen, und nicht eine machtvolle Metropole, die des Nubis Visionen folgend von Stahldrachen, die Feuer auf gewaltige Geschlechtertürme speien, eingeäschert wird."

Sie kicherte kindlich. "Na ja, und Phokis hatte natürlich auch die Orakelstätten Delphi und Abai. Merkwürdig, dass solche Städte nie völlig vernichtet wurden. Als hätten die Führer auf ihre Orakel gehört. Anders als Rom oder Jerusalem."

[Paolo]

"Phokis? Noch nie gehört. Und was ist denn eure...deine Heimat?" korrigierte er sich.

"Und der wohlwerte Nubis hatte diese Visionen? Nicht du?"

[Angelique]

"Ja, sehr talentiert, aber auch sehr geschlagen mit seiner Gabe. Hatte ihn ohnmächtig werden lassen. Er war das wohl nicht so gewohnt wie ich, die ich solche Visionen seit meiner Kindheit hatte."

Sie ging in Lehrerinnenmodus. "Phokis liegt in Griechenland, wo das berühmte Orakel von Delphi war, bevor die christlichen Kaiser es verboten. Ein sehr wichtiger Ort für die Menschen der Heidenzeit und natürlich auch für mein hHus. Aber dessen Macht und unsere schwand, als die feigen römischen Ventrue sich auf den Rücken legten und von den Gangrel und wilden Ventrue besteigen ließen, um unsere Macht und die der Nesiferitu zu brechen.
Und somit ist meine Blutlinie so unbedeutend geworden wie die nun verschlafene Provinz Phokis.

Ich selbst komme aus Arles. Das ist eine mächtige Bischofsstadt und einst Zentrum Burgunds gewesen, zu dem zu meinen Lebzeiten auch Genua noch gehörte. Ach, Arles und sein Lavendelduft! Ich vermisse es sehr."